Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 3/06
(BPatG: Beschluss v. 11.04.2006, Az.: 27 W (pat) 3/06)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt für ihre unter der Nummer 810 183 international für die Waren 18 Articles de maroquinerie en cuir ou imitations du cuir (à l'exception des etuis adaptes aux produits qu'ils sont destines à contenir, des gants et des ceintures); sacs, à savoir sacs à main, sacs de voyage, sacs à dos; portemonnaie en cuir, portecartes (portefeuilles), etuis en cuir pour clefs, portedocuments; malles et valises, pochettes (maroquinerie).
25 Vtements (habillement), notamment foulards, pochettes en soie, cravates, noeuds papillon, ascots, à savoir foulards de cou, bandanas.
registrierte Marke AHMEDABAD Schutz in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Markenstelle hat nach vorangegangenem Avis de refus de protection in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, der Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert. Die Marke sei eine freizuhaltende geografische Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, § 113 MarkenG i. V .m. Art. 5 MMA und Art. 6quinquies PVÜ. Ahmedabad sei der Name einer indischen Millionenstadt, die ein Zentrum der baumwollverarbeitenden Industrie sei und über zahlreiche Textilfabriken verfüge. Mitbewerbern der Markeninhaberin müsse es unbenommen bleiben, auf die Herkunft ihrer Waren aus Ahmedabad ohne Behinderung durch Ausschließlichkeitsrechte Dritter hinweisen zu können. Dies gelte sowohl für die Waren der Klasse 25 als auch für die der Klasse 18, denn es sei durchaus wahrscheinlich, dass sich in einer großen Industriestadt wie Ahmedabad als siebtgrößte Stadt Indiens mit 4,5 Millionen Einwohnern neben anderen Industriezweigen auch Lederindustrie ansiedle.
Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, der Marke IR 810 183 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren unddie Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Sie hält ein Freihaltungsbedürfnis an der Bezeichnung "AHMEDABAD" als geografische Angabe nicht für gegeben, weil "Ahmedabad" den beteiligten Kreisen überhaupt nicht als Bezeichnung eines Ortes bekannt sei. Eine unbekannte geografische Bezeichnung könne aber keine Herkunftsvorstellung wecken und folglich kein Freihaltungsbedürfnis begründen. Die Markenstelle habe zur Bekanntheit keine hinreichenden Nachweise angeführt. Allein die Einwohnerzahl sage dazu nichts aus, und weitere Anhaltspunkte, wie weltwirtschaftliche oder weltpolitische Bedeutung, das kulturelle Angebot, die Lebensqualität der Einwohner oder besondere touristische Faktoren, fehlten. Exakte Feststellungen habe die Markenstelle nicht getroffen; Befragungen im Umfeld der Vertreterin der Markeninhaberin hätten vielmehr ergeben, dass die Stadt Ahmedabad unbekannt sei. Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Stadt als Industriestadt habe die Markenstelle verkannt, dass die baumwollverarbeitende Industrie derzeit brach liege.
Weshalb sich künftig Textil- oder Lederindustrien in Ahmedabad ansiedeln sollten, sei nicht ersichtlich. Dies gelte insbesondere für die Lederindustrie, die in Indien besonders gefördert werde, was sich aber auf Ahmedabad nicht erstreckt habe. Der Schluss vom Vorhandensein älterer Textilindustrie auf die Ansiedlung von Lederwarenindustrie sei unzutreffend, weil diese Industrien sich aufgrund der Gewinnung, des Ursprungs und der Verarbeitung des jeweiligen Materials grundlegend unterschieden.
Für den Fall, dass der Senat in der hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung, an der die Markeninhaberin entsprechend vorheriger Ankündigung durch Schreiben vom 6. April 2006 nicht teilgenommen hat, positive Feststellungen über die Bekanntheit von Ahmedabad bei den maßgeblichen deutschen Verkehrskreisen treffen sollte, beantragte die Markeninhaberin vorherige Einsicht in die betreffenden Unterlagen zum Zwecke des rechtlichen Gehörs.
Zu ihrem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde trägt die Markeninhaberin im Wesentlichen vor: Die Frage, welche Tatsachen bei der Prüfung der Eintragungsfähigkeit geografischer Bezeichnungen zu ermitteln seien, sei im Interesse der Rechtsfortbildung und der Einheitlichkeit vom Bundesgerichtshof zu entscheiden.
Der Senatsvorsitzende hat mit Schreiben vom 9. April 2006 (Bl. 34 d. A.), der Vertreterin der Markeninhaberin per Telefax übermittelt am 9. April 2006, darauf hingewiesen, dass das von der Markeninhaberin begehrte rechtliche Gehör vor der Entscheidung in der mündlichen Verhandlung gewährt werde, in der die Rechercheergebnisse des Senats besprochen würden. Zudem hat er auf Einzelheiten der getroffenen Feststellungen verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung dann auch erörtert worden sind. Auf dieses Schreiben sowie den weiteren Inhalt der Akten wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil der Schutzgewährung für die Marke "AHMEDABAD" in der Bundesrepublik Deutschland das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
Was die Voraussetzungen des genannten Schutzhindernisses angeht, so sei zunächst auf die Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen verwiesen, denen sich der Senat anschließt. Im Hinblick auf den Vortrag der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ist ergänzend festzustellen:
Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verbietet die Eintragung solcher Marken, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Handel (u. a.) zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren dienen können. Dabei ist die Eintragung auch dann zu versagen, wenn die fragliche Benutzung als Herkunftsangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (BGH, GRUR 2003, 882 - Lichtenstein). Zur Bejahung der Voraussetzungen dieses Schutzhindernisses bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige zukünftige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723, 726 Rdn. 37 - Chiemsee). An die damit verbundene Prognose zur Feststellung eines Freihaltungsbedürfnisses aufgrund einer zukünftigen Verwendung, die nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen kann, dürfen bei geografischen Herkunftsangaben keine höheren Anforderungen als bei den übrigen Sachangaben des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestellt werden (vgl. insoweit BGH, GRUR 2001, 735, 737 - Test it; GRUR 2003, 343, 344 - Buchstabe ÈZÇ). Andererseits steht das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses der Eintragung von solchen geografischen Bezeichnungen nicht entgegen, die den beteiligten Verkehrskreisen nicht oder zumindest nicht als Bezeichnung eines geografischen Ortes bekannt sind, und auch nicht der Eintragung von Bezeichnungen, bei denen es wegen der Eigenschaften des bezeichneten Ortes wenig wahrscheinlich ist, dass die beteiligten Verkehrskreise annehmen könnten, dass die betreffende Art von Waren oder Dienstleistungen von diesem Ort stammt oder dort konzipiert wird (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723, 726 Rdn. 33 - Windsurfing Chiemsee; s. a. EuGH, GRUR Int. 2006, 35 Rdn. 36 - Cloppenburg).
Im Rahmen dieser Beurteilung ist der Senat zu der Feststellung gelangt, dass die geografische Bezeichnung Ahmedabad den beteiligten Verkehrskreisen als Bezeichnung eines Ortes bekannt ist, dass die fragliche Bezeichnung von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell mit der beanspruchten Art von Waren in Verbindung gebracht wird, und dass vernünftigerweise zu erwarten ist, dass mit einer solchen Bezeichnung nach Auffassung dieser Kreise die geografische Herkunft dieser Art von Waren bezeichnet werden kann.
Angesichts der Art der beanspruchten Waren ist als maßgeblicher Verkehrskreis das allgemeine Publikum anzusehen.
Für die Bekanntheit von Ahmedabad ist bereits die Größe dieser Stadt, die von Frankfurt am Main über Mumbai (Bombay) und von München über Delhi regelmäßig angeflogen wird und Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts mit etwa 48 Millionen Einwohnern ist, ein Indiz. Ein weiteres Indiz stellt die Tatsache dar, dass ein auf "bad" endendes Wort häufig einen geografischen Ort in Indien oder Pakistan bezeichnet (z. B. das als Hauptstadt Pakistans regelmäßig in den Nachrichtenmedien erwähnte Islamabad, dazu Städte wie Allahabad, Aurangabad, Faisalabad, Faridabad, Hyderabad, Moradabad, Secunderabad). In diesem Zusammenhang reiht sich "Ahmedabad" aufgrund des erkennbar aus dem mittel- bis fernöstlichen Sprachraum stammenden bekannten Namensbestandteils "Ahmed" - im Deutschen oft als "Achmed" wiedergegeben - zwanglos ein. Demgegenüber ist die Wortendung "-bad" außer bei deutschsprachigen Kurortnamen (z. B. Jordanbad, Karlsbad, Krumbad, Marienbad, Schlangenbad, Sibyllenbad, Warmbad) und somit wiederum geografischen Bezeichnungen weder bei Familiennamen noch bei Fantasiewörtern üblich, solange es nicht den Hinweis auf ein "Bad" gibt; was hier aufgrund der Bildung der Bezeichnung sowie angesichts der beanspruchten Waren, auszuschließen ist. Damit ist davon auszugehen, dass den maßgeblichen Verkehrskreisen "Ahmedabad" als Städtenamen erkennbar und bekannt ist, ohne dass es darauf ankäme zu wissen, in welchem Staat des Mittleren bis Fernen Ostens diese Stadt liegt, solange jedenfalls die geografische Zuordnung eindeutig ist (vgl. EuGH, GRUR 2004, 146, Rdn. 32 - DOUBLEMINT).
Wirtschaftliche Tätigkeiten, für die die Stadt Ahmedabad den Verbrauchern in ganz Deutschland bekannt sein kann, ergeben sich aus den erörterten Reiseführerberichten und aus dem Internet, die diese Stadt als laute Industriestadt bezeichnen, die von der Textilindustrie lebt, Sitz eines Textilmuseums ist, den Beinamen "Manchester of the East" trägt und als "zweitwichtigste Textilstadt Indiens" bezeichnet wird. Damit ist gleichzeitig ein deutlicher Hinweis auf die dort produzierten Waren der Warenklasse 25 gegeben.
Kann nach alledem das Wort "Ahmedabad" nach Auffassung der maßgeblichen Verkehrskreise die geografische Herkunft dieser Waren bezeichnen, so ist dieser Schluss auch für die in Klasse 18 beanspruchten Lederwaren nahe liegend. Es ist dem Senat aus zahlreichen Verfahren, die Markenanmeldungen für Waren der Klassen 25 und 18 zum Gegenstand hatten, bekannt, dass derartige Waren häufig von denselben Anbietern angeboten werden. Die von der Markeninhaberin genannten Unterschiede im Ursprung der jeweiligen Ausgangsmaterialien fallen angesichts der in der Regel durch das Nähen bestimmten Verarbeitung weniger ins Gewicht.
Diese kann auch bei unterschiedlichen Materialien sinnvollerweise an einem Ort konzentriert sein. In der Tat wirbt die Homepage der Stadt Ahmedabad (ahmedabad.com), die bei einer Google-Recherche nach dem Begriff "Ahmedabad" als erstes Suchergebnis angezeigt wird, für Ledertaschen als Geschenkartikel aus dieser Stadt. Es ist allgemein bekannt, dass es bei Textilien, ebenso wie bei Lederwaren, zu den Gepflogenheiten der Branche gehört, auf die geografische Herkunft der fraglichen Waren oder jedenfalls ihres Stils hinzuweisen (z.B. Pariser Mode, Offenbacher Lederwaren, Hawaii-Hemden, Budapester Schuhe, Brüsseler Spitzen, Tiroler Loden u. v .a .m.), weil eine solche Angabe in den Augen der beteiligten Verkehrskreise für die Beurteilung ihrer Qualität oder sonstiger Merkmale relevant sein kann. Unter diesen Umständen ist zu erwarten, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Stadt Ahmedabad aktuell mit den in Frage stehenden Waren in Verbindung bringen.
Dem kann die Markeninhaberin nicht entgegenhalten, der Senat hätte diese Tatsachenfeststellungen, die er aufgrund eigener Sachkunde getroffen hat, nicht berücksichtigen dürfen. Es handelt sich um Feststellungen aus allgemein zugänglichen Quellen, die in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sind. In diesem Zusammenhang hat die Markeninhaberin ausreichend rechtliches Gehör gehabt, auf das sie aus eigener, nicht durch geltend gemachte Verhinderungsgründe veranlasster Entscheidung verzichtet hat. Der Vorsitzende hat die Markeninhaberin vor der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, welche Tatsachen der Senat in tatrichterlicher Beurteilung der Voraussetzungen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aufgrund eigener Sachkunde zugrunde legen würde. Gegen die Sachkunde des Senats hat die Markeninhaberin ebenso wenig Bedenken geäußert wie gegen die Berücksichtigung der mitgeteilten Tatsachen.
Da der Senat seiner rechtlichen Beurteilung aufgrund der getroffenen Tatsachenfeststellungen die von der höchstrichterlichen deutschen und europäischen Rechtsprechung aufgestellten Prüfungs- und Beurteilungskriterien zugrunde gelegt hat, ist eine Zulassung der Rechtsbeschwerde im Interesse der Rechtsfortbildung oder der Rechtsvereinheitlichung nicht veranlasst.
BPatG:
Beschluss v. 11.04.2006
Az: 27 W (pat) 3/06
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