Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Mai 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 6/15
(BGH: Beschluss v. 21.05.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 6/15)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 7. Juli 2014 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit dem 14. Februar 1997 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 19. Mai 2011 gab er die eidesstattliche Versicherung ab. Mit Bescheid vom 28. Februar 2014 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Die Klage gegen den Widerrufsbescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist verfristet.
a) Ein Antrag auf Zulassung der Berufung muss gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Anwaltsgerichtshof eingereicht und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet werden. Die Begründungsfrist ist nicht gewahrt. Der Kläger hat innerhalb der Frist einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt, jedoch keine Begründung vorgelegt. Die Begründungsfrist kann, wie dem Kläger daraufhin mitgeteilt worden ist, gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 224 Abs. 2 ZPO nicht verlängert werden.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers gilt die Frist des § 124a Abs. 4 VwGO, nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO. Das angefochtene Urteil des Anwaltsgerichtshofs enthält eine vollständige und richtige Rechtsmittelbelehrung. Eines Hinweises auf die Verbindlichkeit der genannten Fristen bedurfte es nicht. Im Berufungsverfahren ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 67 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vorgeschrieben. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verlängerung in Betracht kam, hätte vom Kläger, der sich gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 67 Abs. 4 Satz 8 VwGO als zugelassener Rechtsanwalt selbst vertreten durfte, rechtzeitig vor Fristablauf geprüft werden müssen.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 60 VwGO kann dem Kläger nicht gewährt werden. Ein Antrag nach § 60 VwGO muss grundsätzlich sämtliche Umstände enthalten, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Fristversäumung gekommen ist. Erforderlich ist eine rechtzeitige, nämlich die Frist des § 60 Abs. 2 VwGO wahrende substantiierte und schlüssige Darstellung der für die unverschuldete Fristversäumung wesentlichen Tatsachen (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2013 - 10 B 10/13, juris Rn. 5). Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 25. März 2015 nicht, in welchem der Kläger ausführlich seine familiären Verhältnisse, die Drogenabhängigkeit seines von ihm so bezeichneten Stiefsohns, dessen Rückfall und seine, des Klägers, dadurch ausgelösten Sorgen und Ängste beschreibt, der aber keinerlei zeitliche Einordnung der geschilderten Vorfälle erlaubt und auch keinen Zeitplan erkennen lässt, der durch sie durchkreuzt worden sein soll. Auf dieser Grundlage lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um die Fristversäumung zu vermeiden.
3. Unabhängig hiervon bleibt der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund besteht nicht.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
aa) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Vermögensverfall des Klägers wird gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen der Eintragung im Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO vermutet. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die geeignet wären, die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu entkräften.
Der Kläger behauptet, über ausreichendes Vermögen zu verfügen. Der behauptete Forderungsbestand lässt sich mangels näherer Angaben, auch zur Bonität der Schuldner, jedoch nicht bewerten. Vermögenswerte wie etwa GmbH-Anteile, die nicht ohne weiteres zu Geld gemacht werden können, bleiben außer Betracht, wenn sie nicht zur Ordnung der Vermögensverhältnisse des betroffenen Anwalts eingesetzt werden. Gleiches gilt für die behaupteten, nicht näher dargelegten "Sicherheiten" (Bürgschaften oder Garantien), welche zwei Mandanten des Klägers hinsichtlich des der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegenden Darlehens und der sonstigen Schulden übernommen haben sollen. Zu einer Erledigung der titulierten Forderung haben diese Sicherheiten nicht geführt.
Der Kläger behauptet weiter, die Gläubigerin der Darlehensforderung habe die Eintragung im Schuldnerverzeichnis nur aus buchhalterischen Gründen erwirkt; sie wolle nicht gegen ihn vollstrecken, sondern die Forderung letztendlich ausbuchen. Auch dieses nicht belegte und nicht unter Beweis gestellte Vorbringen ist unerheblich. Im für das Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) bestand die fragliche Forderung. Der Kläger konnte allenfalls hoffen, dass seine Taktik, die Gläubigerin auf Dauer von der Durchsetzung der Forderung abzuhalten, Erfolg haben würde. Eine rechtlich gesicherte Position hatte er insoweit jedoch nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers zwingt die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO einen Rechtsanwalt nicht, jegliche gegen ihn gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf deren Berechtigung zu begleichen, um einem Widerruf der Zulassung zu entgehen. Seine rechtlichen Möglichkeiten sind nicht beschränkt. Wenn es ihm gelingt, mit dem Gläubiger Ratenzahlungen, eine Herabsetzung oder sogar einen Erlass der Forderung zu vereinbaren, hat er damit seine Vermögensverhältnisse (insoweit) geordnet. Dies ist dem Kläger hier jedoch nicht gelungen.
bb) Der Kläger meint außerdem, die Interessen der Rechtsuchenden seien nicht gefährdet, weil er bereits 2005 erstmals in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden sei, sich aber nie an Mandantengeldern vergriffen habe. Damit wird die Richtigkeit des Subsumtionsschlusses des Anwaltsgerichtshofs jedoch nicht in Frage gestellt. Mit dem Vermögensverfall des Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. Beschlüsse vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3; vom 11. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 20/12, juris Rn. 4; vom 21. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 68/12, juris Rn. 10; vom 25. April 2013 - AnwZ (Brfg) 9/13, NJW-RR 2013, 1012 Rn. 5; vom 4. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 62/13, juris Rn. 5). Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11; vom 11. Juni 2012, aaO; vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5 und vom 25. April 2013, aaO). Die Annahme einer solchen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine selbständige anwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, diese nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 f.; vom 22. Juni 2011, aaO; vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9; vom 25. April 2013, aaO und vom 4. Januar 2014, aaO Rn. 6).
b) Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist der Fall nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
c) Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich ebenfalls nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 45/12, NJW-RR 2013, 303 Rn. 4; Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist.
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht. Der Anwaltsgerichtshof hat keinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, der Anwalt könne dem Vorwurf des Vermögensverfalls nur durch sofortiges Begleichen aller gegen ihn gerichteten Forderungen entgehen. Auf einen bestimmten Vermögensbegriff kommt es im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht an; entscheidend ist, ob die Vermögensverhältnisse des Anwalts geordnet sind. Das ist nicht der Fall, wenn der Anwalt im Schuldnerregister eingetragen ist, der Vermögensverfall also gesetzlich vermutet wird, und er nicht darlegt, welche Forderungen insgesamt gegen ihn bestehen und mit welchen Mitteln er sie regulieren will.
d) Das angefochtene Urteil weicht nicht tragend von einer Entscheidung eines gleich- oder höherrangigen Gerichts ab (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). In dem bereits zitierten Beschluss vom 29. Juni 2011 (AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187) hat der Senat ausführlich begründet, warum es für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anwaltszulassung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens ankommt, und sich dabei auch mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auseinandergesetzt. Neuere abweichende Rechtsprechung zu § 14 BRAO weist der Kläger nicht nach.
e) Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere wurde der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Der Kläger beanstandet, der Anwaltsgerichtshof habe seinen Vortrag dazu, dass er sich seit vielen Jahren trotz der Eintragung im Schuldnerregister bewährt habe, übergangen. Dieser Vortrag ist, wie gezeigt, jedoch unerheblich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser Lohmann Seiters Quaas Schäfer Vorinstanz:
AGH Frankfurt, Entscheidung vom 07.07.2014 - 2 AGH 3/14 -
BGH:
Beschluss v. 21.05.2015
Az: AnwZ (Brfg) 6/15
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