Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2004
Aktenzeichen: 11 W (pat) 61/01

(BPatG: Beschluss v. 27.10.2004, Az.: 11 W (pat) 61/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B60C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. August 2001 aufgehoben und das Patent mit den Unterlagen vom 5. August 2004, eingegangen am 9. August 2004, umfassend Patentansprüche 1 bis 5 und Beschreibung Seiten 1 bis 4a, im Übrigen mit Beschreibung Seite 4, ab "Der Größe des Schulterradius ..." bis Seite 9 und 2 Blatt Zeichnungen, Figur 1 und 2, jeweils vom 12. Oktober 1999, eingegangen am 14. Oktober 1999, erteilt.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse B60C des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die am 12. Oktober 1999 eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Fahrzeugluftreifen" mit Beschluss vom 2. August 2001 aus den Gründen des Bescheides vom 23. Oktober 2000 gem. § 48 PatG zurückgewiesen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie legt mit Schriftsatz vom 5. August 2004, eingegangen am 9. August 2004 neue Patentansprüche 1 bis 5 sowie einen neuen Beschreibungsteil Seiten 1 bis 4a vor und führt dazu aus, der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 sei patentfähig, da er neu und gewerblich anwendbar sei sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Anmelderin stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle B60C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. August 2001 aufzuheben und das Patent mit den neu eingereichten Unterlagen, im Übrigen mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

1. Fahrzeugluftreifen in Radialbauart, insbesondere für Personenkraftwagen, mit einem Laufstreifen, welcher, im Querschnitt betrachtet, eine gekrümmte Außenkontur besitzt, die sich aus Bereichen mit drei unterschiedlich großen Radien zusammensetzt, wobei ein erster, den Reifenzenit einschließender und zu diesem symmetrisch verlaufender Konturbereich mit einem ersten Radius TR1, an diesen beidseitig anschließend je ein zweiter Konturbereich mit einem zweiten Radius TR2 und, zumindest zum Teil über die Schulterbereiche verlaufend, je ein weiterer Konturbereich mit einem Radius TRS vorgesehen sind, wobei der zweite Radius TR2 kleiner als TR1 und der Schulterradius TRS der kleinste dieser Radien ist, wobei die Größe von TR2 im Verhältnis zur Größe von TR1 gemäß der Beziehung 0,08 TR1 < TR2 < 0,25 TR1 und die Größe von TRS im Verhältnis zur Größe von TR1 gemäß der Beziehung 0,03 TR1 < TRS < 0,07 TR1 bestimmt ist, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Bereiche mit dem Schulterradius TRS, im Querschnitt betrachtet, jeweils zumindest so weit außerhalb der Laufstreifenbreite (TW) erstrecken, wie sie sich innerhalb der Laufstreifenbreite (TW) erstrecken, wobei sich die an den Konturbereich mit dem Radius TR1 beidseitig anschließenden Konturbereiche mit dem Radius TR2, im Querschnitt betrachtet, bis zu zwei Punkten (P2) erstrecken, deren gegenseitiger Abstand TW2 gemäß der Beziehung 0,65 NB < TW2 < 0,8 NB ermittelt ist, wobei NB die Nennbreite des Reifens ist.

Wegen der Unteransprüche 2 bis 5 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur antragsgemäßen Erteilung des Patents mit folgenden Unterlagen:

Bezeichnung: "Fahrzeugluftreifen", Ansprüche 1 bis 5, eingegangen am 9. August 2004, Beschreibung Seiten 1 bis 4a, eingegangen am 9. August 2004, Beschreibung Seiten 4 ab "Der Größe des Schulterradius ..." bis 9, eingegangen am 14. Oktober 2004, 2 Blatt Zeichnungen, Figur 1 und 2, eingegangen am 14. Oktober 2004.

1. Der geltende Anspruch 1 ist eine Kombination der ursprünglichen Ansprüchen 1, 6 und 7. Diesem schließen sich die ursprünglichen Ansprüche 2 bis 5 an. Die geltenden Ansprüche sind zulässig.

2. Die Erfindung betrifft einen Fahrzeugluftreifen in Radialbauart. Laufstreifen bekannter Fahrzeugluftreifen weisen nach Vortrag der Anmelderin eine gekrümmte Außenkontur auf, die sich über die Breite des Laufstreifens in der Bodenaufstandsfläche aus Bereichen mit unterschiedlich großen Radien zusammensetzt. Dabei gehe es vor allem darum, eine lange Lebensdauer des Reifens durch einen möglichst gleichförmigen Abrieb des Laufstreifens sicherzustellen. Als technisches Problem (Aufgabe) wird deshalb gesehen, die beim Bremsen in Folge des Einfederungsverhaltens des Reifens auftretende Vergrößerung der Bodenaufstandsfläche in einem größeren Ausmaß von einer Verbreiterung derselben herrühren zu lassen als von einer Verlängerung.

Die Lösung dieses Problems erfolgt durch einen Fahrzeugluftreifen mit den Merkmalen des geltenden Anspruch 1.

Hierfür zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur mit wenigstens Fachhochschulabschluss auf dem Gebiet der Fahrzeugtechnik und mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Fahrzeugluftreifen.

3. Der offensichtlich gewerblich anwendbare Fahrzeugluftreifen des geltenden Anspruchs 1 weist gegenüber der im Prüfungsverfahren genannten Druckschrift D1 EP 0 739 759 A2 sowie den in der Beschreibung der Anmeldung noch angeführten Druckschriften D2 EP 0 269 301 A1 D3 EP 0 323 519 B1 die erforderliche Neuheit auf, da aus keiner dieser Schriften alle Merkmale des Anspruchs 1 hervorgehen.

Vom Fahrzeugluftreifen der EP 0 739 759 A2 [D1] unterscheidet sich der Fahrzeugluftreifen nach dem geltenden Anspruch 1 dadurch, dass sich die Bereiche mit dem Schulterradius TRS, im Querschnitt betrachtet, jeweils zumindest so weit außerhalb der Laufstreifenbreite erstrecken, wie sie sich innerhalb der Laufstreifenbreite erstrecken; denn bei der D1 enden sie innerhalb der Laufstreifenbreite W. Gegenüber der EP 0 269 301 A1 [D2] und der EP 0 323 519 B1 [D3] besteht der Unterschied in drei Konturbereichen des Laufstreifens, während die D2 und D3 jeweils nur zwei Konturbereiche aufweisen.

4. Die Lösung des genannten technischen Problems durch einen Fahrzeugluftreifen nach dem Anspruch 1 ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit, da sie sich für den Fachmann aus den in Betracht gezogenen Druckschriften nicht in naheliegender Weise ergibt.

Für den Fachmann stellt der aus der EP 0 739 752 A2 [D1] bekannte Fahrzeugluftreifen, bei welchem es um eine Verhinderung eines ungleichmäßigen Verschleißes geht, hinsichtlich seiner konstruktiven Einzelheiten den nächstkommenden Stand der Technik dar, von dem er zur Problemlösung ausgeht, denn auch dieser Reifen federt u.a. beim Bremsen ein. Die D1 zeigt einen Fahrzeugluftreifen in Radialbauart, insbesondere für Personenkraftwagen, mit einem Laufstreifen, welcher, im Querschnitt betrachtet, eine gekrümmte Außenkontur besitzt, die sich aus Bereichen mit drei unterschiedlich großen Radien zusammensetzt, wobei ein erster, den Reifenzenit einschließender und zu diesem symmetrisch verlaufender Konturbereich mit einem ersten Radius TR1, an diesen beidseitig anschließend je ein zweiter Konturbereich mit einem zweiten Radius TR2 und, zumindest zum Teil über die Schulterbereiche verlaufend, je ein weiterer Konturbereich mit einem Radius TRS vorgesehen sind, wobei der zweite Radius TR2 kleiner als TR1 und der Schulterradius TRS der kleinste dieser Radien ist, wobei die Größe von TR2 im Verhältnis zur Größe von TR1 gemäß der Beziehung 0,08 TR1 < TR2 < 0,25 TR1 und die Größe von TRS im Verhältnis zur Größe von TR1 gemäß der Beziehung 0,03 TR1 < TRS < 0,07 TR1 bestimmt ist.

Demgegenüber ist beim erfindungsgemäßen Fahrzeugluftreifen gemäß Anspruch 1 zum Einen vorgesehen, dass sich die Bereiche mit dem Schulterradius TRS, im Querschnitt betrachtet, jeweils zumindest so weit außerhalb der Laufstreifenbreite erstrecken, wie sie sich innerhalb der Laufstreifenbreite erstrekken, wobei zum Anderen sich die an den Konturbereich mit dem Radius TR1 anschließenden Konturbereiche mit dem Radius TR2, im Querschnitt betrachtet, bis zu zwei Punkten erstrecken, deren gegenseitiger Abstand TW2 gemäß der Beziehung 0,65 NB < TW2 < 0,8 NB ermittelt ist, wobei NB die Nennbreite des Reifens ist.

Der dem Schulterradius TRS entsprechende Radius R3 beschreibt bei der D1 einen Konturbereich, welcher definitionsgemäß innerhalb einer unter Standardbedingungen bestimmten Laufstreifenbreite W endet (S. 3, Z. 35). Obgleich dort auch ein über den Laufstreifen hinaus gehender Konturbereich vorhanden zu sein scheint (Fig. 1), ist dessen Radius unbekannt, zudem fehlt dazu jede Erläuterung. Dem Fachmann ist damit kein Vorbild an die Hand gegeben, den zum Schulterradius TRS gehörigen Konturbereich über den Laufstreifen wenigstens soweit hinaus zu verlängern, wie er sich innerhalb des Laufstreifens erstreckt. Auch fehlt in der D1 eine Bezugnahme auf die Nennbreite des Reifens. Selbst wenn der Fachmann ein festes Verhältnis zwischen der Nennbreite und der Laufstreifenbreite W zugrunde legt, lässt sich aus den in der D1 zu findenden Angaben kein verbindlicher Wertebereich für die Erstreckung des Konturenbereichs L2 in Abhängigkeit von der Nennbreite des Reifens ermitteln. Deshalb liefert die D1 dem Fachmann kein Vorbild für die erfindungsgemäße Kombinationslösung, welche im Anspruch 1 angegeben ist.

Weder in der EP 0 269 301 A1 [D2] noch in der EP 0 323 519 B1 [D3] findet sich ein dritter Konturbereich bzw. ein dazu gehöriger Schulterradius, weshalb ein Vorbild dafür, einen dritten Konturbereich über die Laufstreifenbreite zu erstrecken dort nicht anzutreffen ist. Zwar ist - wegen einer festen Beziehung zwischen der Querschnittsbreite und der Nennbreite eines Reifens - in der D2 auch eine Beziehung zwischen einem ersten Konturenbereich L des Laufstreifens und der Nennbreite des Reifens anzutreffen, Abhängigkeiten bezüglich des weiteren Konturbereichs sind daraus aber nicht abzuleiten. Somit können auch diese Druckschriften weder für sich gesehen, noch untereinander kombiniert oder in der Zusammenschau mit der D1 den Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

Anspruch 1 kennzeichnet deshalb eine patentfähige Erfindung. Dieser Anspruch und die ihm nachgeordneten Ansprüche 2 bis 5, welche weitere Ausgestaltungen des Fahrzeugluftreifens nach Anspruch 1 zum Inhalt haben, sind damit gewährbar.

Aus den genannten Gründen wird das Patent antragsgemäß erteilt.

Dellingerv. Zglinitzki Skribanowitz Schmitz Fa






BPatG:
Beschluss v. 27.10.2004
Az: 11 W (pat) 61/01


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