Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 30. Mai 2007
Aktenzeichen: 1 BvR 390/04
(BVerfG: Beschluss v. 30.05.2007, Az.: 1 BvR 390/04)
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft (sog. Squeeze-out) nach § 327 a Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes (im Folgenden: AktG). Die Beschwerdeführer wenden sich in erster Linie gegen einen gerichtlichen Beschluss über die vorzeitige Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister nach § 327 e Abs. 2 in Verbindung mit § 319 Abs. 6 AktG.
I.
Die von den Beschwerdeführern mittelbar angegriffene Regelung des § 327 e Abs. 2 AktG ist durch Art. 7 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3822) in das Aktiengesetz eingefügt worden.
1. Nach § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien auf Verlangen ihres Hauptaktionärs, dem mindestens 95 vom Hundert des Grundkapitals gehören, die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär beschließen. Die Minderheitsaktionäre sind in Geld abzufinden. Die Höhe der Abfindung legt der Hauptaktionär fest, nachdem ein gerichtlich ausgewählter und ernannter sachverständiger Prüfer zuvor ihre Angemessenheit bestätigt hat. Die Abfindung ist vor dem Übertragungsbeschluss durch eine Bankgarantie zu sichern (§ 327 b Abs. 1 und 3, § 327 c Abs. 2 AktG). Gegen den Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung steht den Minderheitsaktionären die Anfechtungsklage nach § 241 Nr. 5 AktG zu, die allerdings nicht auf die Anfechtungsgründe des § 243 Abs. 2 AktG und auch nicht darauf gestützt werden kann, dass die durch den Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist (§ 327 f Satz 1 AktG). Die Angemessenheit der Barabfindung kann nachträglich in einem Verfahren nach dem Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (SpruchG) vom 12. Juni 2003 (BGBl I S. 838) überprüft werden (§ 327 f Satz 2 AktG). Die gesamte Abfindung, auch soweit sie erst in einem Spruchverfahren festgelegt wird, ist nach § 327 b Abs. 2 AktG mit zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Verzögerungsschadens ist nicht ausgeschlossen.
Wirksam wird der Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung, sobald er in das Handelsregister eingetragen ist (§ 327 e Abs. 3 Satz 1 AktG). Die Eintragung ist nur zulässig, wenn der Vorstand der betreffenden Gesellschaft erklärt, dass eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss nicht oder nicht mehr anhängig ist (§ 327 e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 5 AktG). Ist eine solche Erklärung nicht möglich, weil noch Anfechtungsverfahren schweben, so kann die Gesellschaft bei dem für diese Verfahren zuständigen Landgericht die Feststellung beantragen, dass die Verfahren einer Eintragung des Übertragungsbeschlusses nicht entgegenstehen. Diese Feststellung wird getroffen, wenn die Anfechtungsklagen unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind oder eine Abwägung einen Vorrang des Interesses der Gesellschaft an der Eintragung des Übertragungsbeschlusses ergibt (§ 327 e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 6 Satz 1 und 2 AktG). Die Verfahrensvorschriften hierfür sind in § 319 Abs. 6 Satz 3 bis 5 AktG enthalten. Erweist sich nach einer vorzeitigen Eintragung die Anfechtungsklage doch als begründet, ist die Gesellschaft den zu Unrecht ausgeschlossenen Minderheitsaktionären nach § 319 Abs. 6 Satz 6 AktG zum Schadensersatz verpflichtet.
2. Die Beschwerdeführer waren Minderheitsaktionäre einer mittelständischen, börsennotierten Aktiengesellschaft. Die Mehrheit der Aktien hielten Us-amerikanische Fonds und die Vorstandsmitglieder. Diese gründeten eine Beteiligungsgesellschaft und übertrugen ihr die Anteile. Auf Grund eines öffentlichen Übernahmeangebots nach dem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3822) erwarb die Beteiligungsgesellschaft weitere Anteile. Zuletzt hielt sie insgesamt 98,36 vom Hundert des Grundkapitals.
a) Auf Antrag der Beteiligungsgesellschaft beschloss die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft gemäß § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG, ihr die Aktien der verbleibenden Minderheitsaktionäre zu übertragen. Die Beschwerdeführer und weitere Minderheitsaktionäre erhoben gegen diesen Beschluss Anfechtungsklage gemäß § 241 Nr. 5, § 243 AktG.
b) Der Vorstand der Aktiengesellschaft beantragte daraufhin beim zuständigen Landgericht die Bewilligung der vorzeitigen Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister. Das Landgericht Wuppertal wies den Antrag nach einer mündlichen Verhandlung zurück (AG 2004, S. 161). Es äußerte unter anderem Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 327 a ff. AktG. Auf die Beschwerde der Aktiengesellschaft hob das Oberlandesgericht Düsseldorf (ZIP 2004, S. 359; AG 2004, S. 207) mit dem mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss ohne erneute mündliche Verhandlung die Entscheidung des Landgerichts auf und bewilligte die vorzeitige Eintragung. Die gesetzlichen Regelungen des Squeeze-out seien verfassungsgemäß. Die Anfechtungsklage der Beschwerdeführer sei auch offensichtlich unbegründet. Eine offensichtliche Unbegründetheit im Sinne von § 319 Abs. 6 Satz 2 AktG liege nicht nur dann vor, wenn die Unbegründetheit der Klage auf der Grundlage des unstreitigen oder bewiesenen Vortrags zweifelsfrei festgestellt werden könne, ohne dass streitige Rechtsfragen geklärt werden müssten. Vielmehr könne die offensichtliche Unbegründetheit auch Ergebnis einer umfassenden rechtlichen Würdigung sein. Das Oberlandesgericht kam nach einer solchen Würdigung zu dem Schluss, die Einwände der Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit des Übertragungsbeschlusses seien unbegründet.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 14, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletze sie schon deshalb in ihren Grundrechten, weil er auf der verfassungswidrigen Vorschrift des § 327 e Abs. 2 AktG beruhe. Der pauschale Verweis auf § 319 Abs. 5 und 6 AktG in dieser Norm sei sachfremd, weil die von einer Eingliederung betroffenen Aktionäre nach § 320 b Abs. 1 Satz 2 AktG wiederum Aktien erhielten, ausgeschlossene Minderheitsaktionäre aber nur in Geld abgefunden würden. Im Übrigen gewähre das "Eilverfahren" des § 319 Abs. 6 AktG nicht in ausreichendem Maße effektiven Rechtsschutz gegen den Entzug des Eigentums, weil dort nicht oder jedenfalls nicht ausreichend geprüft werde, ob die Voraussetzungen für das Squeeze-out überhaupt vorlägen.
Zudem verstoße der Beschluss des Oberlandesgerichts gegen Verfahrensrechte. Das Gericht habe entgegen dem Antrag der Beschwerdeführer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden. Die Verhandlung in erster Instanz habe ihren Anspruch auf eine mündliche Verhandlung nicht befriedigt, weil sie dort obsiegt hätten. Außerdem habe das Gericht ihr Vorbringen nicht ausreichend berücksichtigt. Es sei nicht auf die zahlreichen Indizien eingegangen, die bewiesen, dass der Beteiligungsgesellschaft in Wirklichkeit gar nicht 95 vom Hundert des Grundkapitals im Sinne des § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG "gehört" hätten.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ist nicht gegeben. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.
Unzulässig sind die Rüge der Zurechnung des Aktieneigentums an einer "Enkel-" zu ihrer "Großmuttergesellschaft" nach § 16 Abs. 4 AktG sowie die Rüge des Fehlens einer gesetzlich festgelegten Mindestfrist, in der der Hauptaktionär seinen Aktienanteil vor dem Übertragungsbeschluss gehalten haben muss. Da es auf diese Gesichtspunkte im Ausgangsverfahren nicht ankam, beschweren sie die Beschwerdeführer auch nicht (§ 90 Abs. 1 BVerfGG).
Unzulässig sind auch die Einwände wegen der unterlassenen mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht. Insoweit genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungserfordernissen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Eine Gerichtsentscheidung verletzt nur dann den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie auf dem angeblichen Verstoß beruht (vgl. BVerfGE 60, 313 <318>; 86, 133 <147>). Dieses Beruhen muss ein Beschwerdeführer schlüssig darlegen (vgl. BVerfGE 66, 155 <175>; 72, 122 <132>). Er muss daher vortragen, was er bei einer weiteren Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht hätte (vgl. BVerfGE 28, 17 <20>). Dasselbe gilt, wenn ein Beschwerdeführer geltend macht, ein Gericht habe eine einfachrechtliche, über Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehende Verfahrensregel, wie hier § 319 Abs. 6 Satz 3 AktG in einer nach Art. 3 Abs. 1 GG willkürlichen Weise ausgelegt (vgl. BVerfGE 42, 64 <73 f.>). Auch hier ist darzulegen, dass die Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensfehler beruht. Die Beschwerdeführer haben weder vorgetragen, welches konkrete Vorbringen ihnen durch die Verfahrensgestaltung des Oberlandesgerichts unmöglich gemacht worden ist, noch welchen Einfluss dieses Vorbringen auf den Ausgang des Verfahrens gehabt hätte.
Letztlich ist auch die Rüge der Beschwerdeführer unzulässig, das Oberlandesgericht habe sich in seiner Entscheidung nicht ausreichend mit den vorgebrachten Indizien beschäftigt, wonach der Beteiligungsgesellschaft gar nicht 95 vom Hundert der Aktien im Sinne des § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG "gehört" hätten. Damit haben die Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht schlüssig dargelegt. Aus dem angegriffenen Beschluss ergibt sich, dass das Oberlandesgericht seine Überzeugung zu diesem Punkt aus anderen Umständen, insbesondere den Depotauszügen, gewonnen und die formale Eigentümerstellung zugrunde gelegt hat. Auf den vom Beschwerdeführer als übergangen gerügten Tatsachenvortrag kam es daher nicht entscheidungserheblich an.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zwar zulässig. Insbesondere genügt sie den Anforderungen der formellen Subsidiarität aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Die Beschwerdeführer können nicht darauf verwiesen werden, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §§ 327 a ff. AktG in dem noch nicht beendeten Anfechtungsprozess oder in einem späteren Schadensersatzprozess nach § 319 Abs. 6 Satz 6 AktG geltend zu machen. Ihre verfassungsrechtlichen Einwände betreffen vor allem das Freigabeverfahren unmittelbar (vgl. BVerfGE 65, 227 <232 f.>). Eine Verletzung von Verfassungsrechten der Beschwerdeführer ist jedoch nicht ersichtlich.
a) Die Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327 a ff. AktG verletzen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht. Dies gilt auch insoweit, als der Ausschluss vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Anfechtungsprozesses auf Grund eines Freigabeverfahrens nach § 327 e Abs. 2, § 319 Abs. 6 AktG vollzogen werden kann.
aa) Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist (vgl. BVerfGE 25, 371 <407>; 50, 290 <339>; 100, 289 <301>). Der Schutz erstreckt sich auf die mitgliedschaftliche Stellung in einer Aktiengesellschaft, die das Aktieneigentum vermittelt. Aus dieser Stellung erwachsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche (vgl. BVerfGE 14, 263 <276>; 100, 289 <301 f.>).
bb) Art. 14 Abs. 1 GG schließt es aber nicht grundsätzlich aus, Aktien einer Minderheit auch gegen deren Willen auf den Hauptaktionär zu übertragen. Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung das Ziel verfolgt, die verbliebenen Minderheitsaktionäre vollständig aus der Gesellschaft zu drängen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. August 2000 - 1 BvR 68/95, 147/97 -, NJW 2001, S. 279 f.). § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG stellt insofern keine Enteignungsregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG dar, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2005 - II ZR 327/03 -, BB 2005, S. 2651 f.). Die Norm genügt insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Regelungen des Eingliederungsrechts in § 319 Abs. 5 und 6 AktG, die nach § 327 e Abs. 2 AktG entsprechend gelten, sind ausreichend bestimmt im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG. Die Rüge der Beschwerdeführer, diese Normen seien für das Squeeze-out ungeeignet, betrifft nicht deren Bestimmtheit, sondern die Verhältnismäßigkeit.
Die angegriffenen Regelungen genügen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei der Ausgestaltung des Aktienrechts muss der Gesetzgeber die Interessen der Beteiligten gerecht ausgleichen und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (vgl. BVerfGE 52, 1 <29>; 95, 48 <58>; 101, 239 <259>). Er muss zu allen Aktionären die gleiche Distanz wahren. Diese Anforderung steht einer gesetzlichen Regelung, die den Ausschluss einzelner oder mehrerer Aktionäre ermöglicht, nicht entgegen. Der Gesetzgeber muss allerdings einen legitimen Zweck mit dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre verfolgen, zudem sicherstellen, dass die Minderheitsaktionäre vollen Wertersatz für den Verlust der Aktien erhalten und schließlich effektiven Rechtsschutz gegen den Ausschluss gewährleisten (vgl. BVerfGE 100, 289 <303>; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. August 2000, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind gegeben.
aaa) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer darf der Gesetzgeber einen Ausschluss nicht nur dann erlauben, wenn im Einzelfall konkrete unternehmerische Gründe hierfür vorliegen. Um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, muss er mit der Möglichkeit eines Ausschlusses lediglich generell einen legitimen Zweck verfolgen.
§§ 327 a ff. AktG liegt ein solcher legitimer Zweck zugrunde. Minderheitsaktionäre können die Durchsetzung unternehmerischer Entscheidungen gegen die Stimmenmehrheit des Hauptaktionärs zwar im Regelfall nicht verhindern. Bereits ihre Existenz bringt für den Hauptaktionär aber erheblichen Aufwand mit sich, der sich aus der Beachtung zwingender minderheitsschützender Normen ergibt. Unter Umständen sind Minderheitsaktionäre in der Lage, die vom Hauptaktionär als sinnvoll erachteten unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen zu verzögern. Gründe, warum diese - vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer "übertragenden Auflösung" gebilligte - Zwecksetzung (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. August 2000, a.a.O.) im Rahmen des Squeeze-out nicht gleichermaßen legitim sein sollte, werden von den Beschwerdeführern weder aufgezeigt noch sind sie sonst ersichtlich. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse seit Anfang der 1980er Jahre signifikant angestiegen und die Mehrzahl der Klagen von privaten Anlegern mit Kleinstbesitz erhoben worden ist (vgl. T. Baums/Vogel/Tacheva, ZIP 2000, S. 1649 <1650 f.>). Angesichts dessen liegt die Einschätzung des Gesetzgebers nicht fern, dass Minderheitsaktionäre verschiedentlich Kleinstbeteiligungen ausnutzen, um den Hauptaktionär bei der Unternehmensführung zu behindern und ihn zu finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen (vgl. insoweit auch Karkowski, Finance 2003, S. 86 <87>; P. Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2001, S. 25 ff.).
Zwar stehen den Interessen des Hauptaktionärs das Interesse der Minderheitsaktionäre an der Beibehaltung ihrer mitgliedschaftlichen Stellung und der vermögensrechtlichen Ansprüche entgegen, die ihnen das Aktieneigentum vermittelt. Das Mitgliedschaftsinteresse eines Aktionärs kann der Gesetzgeber indes in der Regel umso niedriger bewerten, je geringer dessen Anteil an der Gesellschaft ausfällt. Relevanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik können Minderheitsaktionäre in der Regel nicht ausüben. Für sie stellt die Aktie typischerweise eher eine Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung dar (vgl. BVerfGE 14, 263 <283>). Angesichts dessen ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, die Schutzvorkehrungen zugunsten des Minderheitsaktionärs auf die vermögensrechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren, wenn er - wie beim Squeeze-out - einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre an ein Quorum von 95 vom Hundert Aktienbesitz beim Hauptaktionär knüpft. Damit ist sichergestellt, dass nur Aktionäre ausgeschlossen werden, deren Anlageinteresse sich angesichts des Fehlens realer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung auf die vermögensrechtliche Komponente konzentriert. Ob etwas anderes gilt, wenn ein Aktionär im Einzelfall ein weitergehendes, anerkennenswertes Interesse an der Beteiligung an einem Unternehmen hat, wie es etwa bei Aktionären aus dem Familienkreis bei Familienunternehmen denkbar ist (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 8. August 2003 - 11 U 45/03 -, NZG 2003, S. 978 <979>), kann hier offen bleiben. Die Beschwerdeführer haben ein solches besonderes Interesse nicht dargelegt.
Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, neben oder an Stelle des Quorums ein qualitatives Kriterium für ein Squeeze-out vorzusehen. Insbesondere musste er die Ausschlussmöglichkeit nicht mit bestimmten Strukturmaßnahmen oder einem vorherigen öffentlichen Übernahmeangebot verknüpfen, wie es zum Teil in anderen Ländern vorgesehen ist (vgl. P. Baums, a.a.O., S. 184 ff.; Vetter, AG 2002, S. 176 <183 f.>; Sieger/Hasselbach, NZG 2001, S. 926). Angesichts der Vielgestaltigkeit der denkbaren Konstellationen, die einen Ausschluss von Minderheitsaktionären gerechtfertigt erscheinen lassen, hat der Gesetzgeber jedenfalls seinen weiten Spielraum bei der Gestaltung privatrechtlicher Beziehungen (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>; 77, 308 <332>) nicht dadurch überschritten, dass er das Squeeze-out allein an ein quantitatives Kriterium geknüpft hat.
bbb) Die angegriffenen Regelungen gewährleisten auch einen angemessenen Wertersatz für den ausgeschlossenen Aktionär.
§ 327 a Abs. 1 Satz 1 und § 327 b AktG sehen eine angemessene Barabfindung vor. Dass insoweit voller Wertersatz im Sinne der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geleistet wird, hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dadurch sichergestellt, dass die Angemessenheit der Abfindung bereits vorab durch einen gerichtlich ausgewählten und bestellten Sachverständigen überprüft wird (§ 327 c Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG). Unabhängig davon gewährleistet das Spruchverfahren, dass etwaige Fehleinschätzungen des Gutachters nachträglich korrigiert werden können.
Zwar wird die Durchsetzung des Anspruchs auf eine angemessene Abfindung durch eine Bankgarantie (§ 327 b Abs. 3 AktG) lediglich in der Höhe gesichert, wie sie der Hauptaktionär gemäß § 327 b Abs. 1 Satz 1 festgelegt hat. Die hieraus resultierende Gefahr, dass im Nachhinein im Spruchverfahren gemäß § 327 f Satz 2 AktG eine höhere Abfindung für angemessen erachtet wird und der Minderheitsaktionär insoweit dem Risiko der zwischenzeitlichen Insolvenz des Hauptaktionärs ausgesetzt ist, ist verfassungsrechtlich aber hinnehmbar. Die Höhe der Abfindung wird nicht vom Hauptaktionär, sondern von einem unabhängigen und vom Gericht bestellten Gutachter ermittelt. Der Gesetzgeber hat damit weitgehend dafür Sorge getragen, dass bereits frühzeitig eine objektive Feststellung des Wertes der Beteiligung an der Gesellschaft erfolgt. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall Fehleinschätzungen erfolgen, die im nachfolgenden Spruchverfahren korrigiert werden müssen. Im Regelfall dürfte indes die Gefahr eher gering sein, dass die vom Sachverständigen ermittelte Abfindung signifikant hinter dem Wert der gehaltenen Beteiligung an der Gesellschaft zurückbleibt. Der Gesetzgeber ist im Übrigen nicht gehalten, Vorkehrungen gegen jedes denkbare Risiko des Wirtschaftslebens zu treffen.
Auch die Verzinsungsregel in § 327 b Abs. 2 AktG entspricht verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dass der Zins aufgrund der Bezugnahme von § 327 b Abs. 2 AktG auf den jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB in Niedrigzinsphasen unter dem gesetzlichen Zins liegen kann, ist hinnehmbar, weil die - durch die Bankgarantie abgesicherte - Entschädigung nach § 327 b Abs. 3 AktG "unverzüglich" nach der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister zu leisten ist. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick darauf, dass die Zinsen für eine aus einem etwaigen Spruchverfahren resultierende zusätzliche Abfindung durch die Bankgarantie nicht gesichert werden. Da die Erstreckung der Garantie auf diese zusätzliche Abfindung selbst von Verfassungs wegen nicht geboten ist, kann für die Zinsen hierauf nichts anderes gelten.
ccc) Das vom Gesetzgeber bereitgestellte Anfechtungsverfahren genügt auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an effektiven Rechtsschutz in Bezug auf das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum.
Es begegnet insbesondere keinen Bedenken, dass die Klage gemäß § 327 f Satz 1 AktG nicht darauf gestützt werden kann, der Hauptaktionär suche einen Sondervorteil zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre (§ 243 Abs. 2 AktG). Da das Squeeze-out gerade darauf angelegt ist, die Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft auszuschließen, würde eine solche Anfechtungsmöglichkeit dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist es auch, dass der Gesetzgeber eine Anfechtung ausgeschlossen hat, die auf der fehlenden Angemessenheit der Abfindung beruht. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen lediglich gehalten, eine Überprüfungsmöglichkeit für die Angemessenheit der Abfindung überhaupt zu schaffen. Die Entscheidung, welches Verfahren er hierfür wählt, stand ihm frei. Die von ihm gewählte Überprüfung der Angemessenheit im Spruchverfahren(§ 327 f Satz 2 AktG) ist nicht zu beanstanden.
Auch das Freigabeverfahren nach § 327 e in Verbindung mit § 319 Abs. 6 AktG wird den Anforderungen von Art. 14 Abs. 1 GG an die Verfahrensgestaltung gerecht. Zweck des Freigabeverfahrens ist es, die "Registersperre" zu überwinden, die bei Erhebung einer Anfechtungsklage eintritt (vgl. § 327 e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 5 Satz 2 AktG). Das Freigabeverfahren knüpft damit an das gesetzgeberische Ziel der Squeeze-out-Regelung an, die Verzögerung als sinnvoll erachteter unternehmerischer Entscheidungen zu verhindern. Angesichts dessen und mit Blick auf die übliche Länge eines Anfechtungsprozesses (vgl. T. Baums/Vogel/Tacheva, a.a.O., S. 1651) ist es folgerichtig, verfahrensrechtliche Regelungen zu treffen, die die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses und damit die Wirksamkeit des Squeeze-out nicht vom rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsverfahrens abhängig machen. Ohne derartige verfahrensrechtliche Regelungen bestände die Gefahr, dass das Squeeze-out selbst weitgehend wirkungslos wird. Minderheitsaktionäre wären nach wie vor in der Lage, die Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen durch die Erhebung von Anfechtungsklagen für geraume Zeit zu verhindern.
Das Gesetz gewährt auch effektiven Rechtsschutz gegen Freigabebeschlüsse. Minderheitsaktionäre können gemäß § 327 e Abs. 2 in Verbindung mit § 319 Abs. 6 Satz 5 AktG sofortige Beschwerde gegen den Freigabebeschluss erheben. Diese hat aufschiebende Wirkung, weil gemäß § 319 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 AktG nur ein rechtskräftiger Freigabebeschluss die Registersperre überwindet. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die Rechtsbeschwerde statthaft ist, sofern sie das Beschwerdegericht in seinem Beschluss zulässt (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; verneinend für das Freigabeverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG BGH, Beschluss vom 29. Mai 2006 - II ZB 5/06 -, ZIP 2006, S. 1151). Das Grundgesetz verlangt auch im Freigabeverfahren weder eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 89, 381 <391>) noch einen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>).
Auch im Hinblick auf die materiellen Anforderungen an den Freigabebeschluss bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere, wenn die Gerichte - wie das Oberlandesgericht in dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss - die Unbegründetheit der noch anhängigen Anfechtungsklage (§ 319 Abs. 6 Satz 2 Var. 2 AktG) in rechtlicher Hinsicht vollständig und nicht nur summarisch prüfen. Unschädlich ist es auch, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Freigabe lediglich glaubhaft zu machen, aber nicht zu beweisen sind (§ 319 Abs. 6 Satz 4 AktG, § 294 ZPO). Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, auf eine bloße Glaubhaftmachung nur vorläufig wirkende Gerichtsentscheidungen zu stützen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch das Beweismaß für die betroffenen Minderheitsaktionäre entsprechend herabgesetzt ist.
Im Übrigen erfüllen auch die rechtlichen Absicherungen für den Fall, dass der Anfechtungsprozess später anders als das Freigabeverfahren endet (§ 319 Abs. 6 Satz 6, § 327 f Satz 2 AktG), die Vorgaben des Verfassungsrechts. Insbesondere ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten, für diesen Fall ein Verfahren bereitzustellen, das dem "zu Unrecht" ausgeschlossenen Minderheitsaktionär die Wiedererlangung seiner Aktionärstellung garantiert. Wir bereits oben <II. 2. a) bb) aaa)> ausgeführt ist es vorliegend verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei Normierung der Voraussetzungen für eine Squeeze-out die Schutzvorkehrungen zugunsten der Minderheitsaktionäre auf die vermögensrechtliche Komponente der Aktie als Kapitalanlage konzentriert hat. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Regelung der Rechtsfolgenlage für den Fall eines erfolgreichen Anfechtungsverfahrens im Anschluss an das Ergehen eines Freigabebeschlusses.
Auf die Frage, ob das Gericht die Registersperre nach § 319 Abs. 6 Satz 2 Var. 3 AktG wegen überwiegender Interessen des Unternehmens oder des Hauptaktionärs auch dann aufheben darf, wenn es die Anfechtungsklage für begründet hält (vgl. BTDrucks 15/5092, S. 29), kommt es nicht an. Eine solche Konstellation lag dem Ausgangsverfahren nicht zugrunde.
b) Die dem Freigabebeschluss des Oberlandesgerichts zugrunde liegenden Erwägungen sind auch nicht willkürlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
In Bezug auf die Auslegung des Begriffs der offensichtlichen Unbegründetheit in § 319 Abs. 6 Satz 2 Var. 2 AktG ist auch bei anderen summarischen Verfahren anerkannt, dass eine vollständige Rechtsprüfung erlaubt und gegebenenfalls geboten ist (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, Vor § 916 Rn. 10). Angesichts dessen ist die Auslegung des Oberlandesgerichts jedenfalls nicht willkürlich. Ebenso wenig sind die Anwendung der Rechtsmissbrauchsklausel und die Auslegung des Begriffs "gehören" in § 327 a Abs. 1 AktG durch das Oberlandesgericht verfassungsrechtlich zu beanstanden.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
BVerfG:
Beschluss v. 30.05.2007
Az: 1 BvR 390/04
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