Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 100/01

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2002, Az.: 33 W (pat) 100/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt sind gegen die - am 22. April 1999 veröffentlichte - Eintragung der Marke 398 74 599 siehe Abb. 1 am Endevom 18. März 1999 für Waren der Klassen 5 und 18, von denen in der Klasse 18 nach Teillöschung im Laufe des Widerspruchsverfahrens die Waren

"Taschen nur aus Kunststoff, ausschließlich zur Aufnahme von Diabetesutensilien, Produkten für Diabetiker"

verblieben sind, auf Grund der für die Waren

"Klasse 18: Lederwaren, nämlich Taschen, Beutel, Geldbörsen, Schlüsseletuis, Regenschirme"

am 8. Dezember 1998 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 291 476 SUNNY sowie der für die Waren

"Klasse 18: Lederwaren, nämlich Taschen, Beutel, Geldbörsen, Schlüsseletuis, Regenschirme;

Klasse 24: Textilien, nämlich Tücher, Schals;

Klasse 25: Bekleidungsstücke, nämlich Gürtel"

am 3. Februar 1999 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 291 310 siehe Abb. 2 am Ende Widersprüche erhoben worden, die sich nach der Erklärung der Widersprechenden im Schriftsatz vom 12. November 1999 nur gegen die Waren der Klasse 18 der angegriffenen Marke richten.

Die Markenstelle für Klasse 18 hat die Widersprüche durch den von einem Mitglied des Patentamts erlassenen Beschluß vom 27. November 2000 gemäß §§ 9 Abs 1 Nr 2, 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 MarkenG wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Gesamteindrücke der sich gegenüberstehenden Marken seien nicht verwechselbar ähnlich, denn der Markenbestandteil "SUNNY" besitze in der jüngeren Marke keine eigenständig prägende Stellung. Die Wortbestandteile der angegriffenen Marke bildeten einen Gesamtbegriff, den das deutsche Publikum ohne weiteres in seiner Bedeutung "sonnige Tasche" verstehe.

Die Widersprechende hat gegen diese Entscheidung des Patentamts Beschwerde eingelegt. Sie trägt im wesentlichen vor, zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken bestehe eine hohe Markenähnlichkeit, welche die Verwechslungsgefahr begründe. In der angegriffenen Marke sei das Markenwort "SUNNY" der Widerspruchsmarken als Ganzes übernommen und lediglich der rein beschreibende Zusatz "BAG" beigefügt worden. Die Widerspruchsmarken besäßen auf dem Warengebiet der Taschen einen erheblichen Bekanntheitsgrad.

Sie beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet.

Der Senat stimmt der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts zu, daß eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen der angegriffenen jüngeren Marke 398 74 599 "SUNNY BAG" (Wort-Bild-Marke) sowie jeweils den Widerspruchsmarken "SUNNY" (Gemeinschaftsmarke 291 476) und "Sunny made by Funbag" (Gemeinschaftsmarke 291 310, Wortbildmarke) auszuschließen ist. Die Markenstelle hat die gemäß § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG iVm § 125 b Nr 1 MarkenG zulässigen Widersprüche somit zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen.

Die Waren der angegriffenen Marke und die Waren der Widerspruchsmarken sind im Bereich der Taschen markenrechtlich wegen der unterschiedlichen Materialien zwar nicht identisch, aber sehr ähnlich, zumal die "Lederwaren, nämlich Taschen, Beutel" der Widerspruchsmarken möglicherweise für dieselben Zwecke bestimmt sein können wie die "Taschen aus Kunststoff, ausschließlich zur Aufnahme von Diabetesutensilien, Produkten für Diabetiker" der angegriffenen Marke. Wenngleich die beiderseitigen, mit den jeweiligen Marken gekennzeichneten Waren nach den üblichen tatsächlichen Marktgegebenheiten, insbesondere hinsichtlich der angesprochenen Verkehrskreise sowie der regelmäßigen Vertriebswege, wahrscheinlich kaum konkurrieren werden, geht der Senat hier zu Gunsten der Widersprechenden von Warennähe aus.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken bewertet der Senat als normal. Eine infolge intensiver Benutzung erhöhte Kennzeichnungskraft kann den Widerspruchsmarken nicht zugesprochen werden. Denn die Widersprechende behauptet lediglich vage und nicht substantiiert einen "erheblichen Bekanntheitsgrad", wobei insbesondere völlig unbestimmt bleibt, welchen Bekanntheitsgrad sie für "erheblich" hält.

Angesichts der Warennähe sowie der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken muß an die Prüfung der Verwechslungsgefahr zwar ein verhältnismäßig strenger Maßstab ausgelegt werden (vgl BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TIS-SERAND). Denn die alle Besonderheiten des Einzelfalls umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat auch die Wechselbeziehung der in Betracht kommenden Faktoren - hier vor allem der Warenähnlichkeit und der Markenähnlichkeit - zu beachten, so daß ein geringer Ähnlichkeitsgrad der Marken unter Umständen durch einen höheren Ähnlichkeitsgrad der Waren ausgeglichen werden kann (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 Ez 16, 17, 19 -Canon; EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 Ez 18, 19 - Lloyd; BGH GRUR 1999, 241, 242 f - PATRIC LION; BGH GRUR 1999, 586 - White Lion; BGH GRUR 1999, 995, 997 - HONKA). Die sich gegenüberstehenden Marken "SUNNY BAG" und "SUNNY" bzw "Sunny (...)" halten jedoch in jeder Hinsicht einen so deutlichen Abstand voneinander ein, daß eine Verwechslungsgefahr verneint werden muß.

Die Auffassung der Widersprechenden, in der angegriffenen Marke sei das Markenwort der Widerspruchsmarken "SUNNY" übernommen und lediglich der rein beschreiende Warenname "BAG" hinzu gefügt worden, so daß eine hohe Markenähnlichkeit bestehe, beruht auf einer unzulässig zergliedernden Betrachtungsweise aus der interessenbedingt verengten Sicht der Widersprechenden. Sie beachtet dabei den Grundsatz der ständigen Rechtsprechung nicht hinreichend, daß bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit auf den Gesamteindruck der jeweiligen Marken abzustellen ist, wie er auf den Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren wirkt, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 390 Ez 23 - Springende Raubkatze = Sabel/PUMA; EuGH aaO Ez 25 - Lloyd; BGH GRUR 1996, 777, 778 - Foot-Joy/JOY; BGH GRUR 1996, 775 ff - Sali Toft). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn die ältere Marke identisch in der jüngeren mehrgliedrigen Marke enthalten ist (vgl BGH aaO - Foot-Joy/JOY; BGH aaO - White Lion). Wird der Gesamteindruck einer Mehrwortmarke aber durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, so ist kein Bestandteil allein geeignet, den Gesamteindruck zu prägen. Bei einer Identität oder Ähnlichkeit nur eines Elements aus dem Gesamtzeichen mit der Widerspruchsmarke kann dann eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden (vgl BGH aaO - Foot-Joy/JOY; BGH aaO - White Lion).

Dies ist hier der Fall. Die beiden englischen Wörter "SUNNY BAG" der angegriffenen Marke bilden nämlich - auch für die angesprochenen deutschen Verkehrskreise des allgemeinen Publikums - ohne weiteres verständlich einen einheitlichen phantasievollen Gesamtbegriff im Sinne von "sonnige Tasche". Die Folge aus dem Adjektiv "SUNNY" und dem nachfolgenden Substantiv "BAG", auf das allein es sich begrifflich beziehen muß, läßt sich offensichtlich nicht auf "SUNNY" verkürzen, da dies zu einer gravierenden, den Charakter der Markenbezeichnung "SUNNY BAG" auflösenden Sinnänderung führte. Das Markenwort "SUNNY"/"Sunny", von dem allein die Widerspruchsmarken geprägt werden, zeigt dies auch deutlich. Denn bei den Widerspruchsmarken erscheint es unpassend und fernliegend, das einzelne Adjektiv "SUNNY" auf eine Eigenschaft der Waren, insbesondere von Taschen, zu beziehen; der Verkehr wird es vielmehr eher im Sinne der (erwünschten) persönlichen Stimmung des Käufers oder Besitzers oder als Hinweis auf das für den Einsatz der Waren geeignete Wetter auffassen. In dem eigentümlichen Gesamtbegriff "SUNNY BAG" der angegriffenen Marke darf also das Wort "BAG", obwohl es sich in Alleinstellung um den glatt beschreibenden Warenbegriff für "Tasche" handelte, keineswegs isoliert als kennzeichnungsschwach angesehen werden, weil es die Einheit der Markenbezeichnung "SUNNY BAG" gleichwertig mitprägt.

Da der von dem die Widerspruchsmarken prägenden Markenwort "SUNNY"/"Sunny" abweichende Bestandteil "BAG" der angegriffenen Marke in ihrem Gesamteindruck neben dem Bestandteil "SUNNY" nicht nur bildlich, sondern auch klanglich und begrifflich ebenfalls markant in Erscheinung tritt, wird der Verkehr die Andersartigkeit der sich gegenüberstehenden Marken leicht erkennen, so daß Verwechslungen selbst bei großer Warenähnlichkeit nicht zu befürchten sind.

Für die Annahme einer assoziativen Verwechslungsgefahr liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

III Die Beteiligten tragen die ihnen erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils selbst (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).

Winkler Richter Kätker ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.

Winklerv. Zglinitzki Cl Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)100-01.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)100-01.3.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 01.08.2002
Az: 33 W (pat) 100/01


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