Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. März 2016
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 18/14
(BGH: Beschluss v. 22.03.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 18/14)
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 29. Januar 2014 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin ist seit dem 29. Januar 2004 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 8. September 2010 erging Haftbefehl zur Erzwingung der Eidesstattlichen Offenbarungsversicherung gegen sie. Dieser wurde im November 2010 in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Mit Bescheid vom 11. Juli 2012 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin wegen Vermögensverfalls.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof widerrief die Beklagte den Widerrufsbescheid nach §§ 32 BRAO, 49 Abs. 1 VwVfG, weil die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2013 die Löschung des Haftbefehls vom 8. September 2010 nachgewiesen sowie belegt habe, dass die Kosteneinziehungsstelle der Justiz keine Forderungen mehr gegen sie hatte. Die Klägerin hat daraufhin beantragt festzustellen, dass der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 11. Juli 2012 hinsichtlich der Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Erledigung durch den Bescheid vom 30. Oktober 2013 rechtswidrig war und weder die Beklagte noch der Anwaltsgerichtshof durch die Änderung der BRAO in Bezug auf die Anwendung der VwGO gemäß § 112c BRAO auf Streitigkeiten über die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft daran gehindert waren oder sind, dies in einem entsprechenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat den Feststellungsantrag als unbegründet abgewiesen, soweit er die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufsbescheides betraf. Den weitergehenden Antrag hat er als unzulässig angesehen. Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.
II.
Der Klägerin wird gemäß § 112e Satz 2 BRAO, §§ 60, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags gewährt.
III.
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er hat jedoch keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO wird ein zum Widerruf der Zulassung führender Vermögensverfall vermutet, wenn der Rechtsanwalt im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Diese Voraussetzung war hier erfüllt. Die Eintragung hat im Widerrufsverfahren Tatbestandswirkung. Ob sie rechtmäßig war, was die Klägerin bezweifelt, wird im Verfahren über den Widerruf der Zulassung daher nicht geprüft. Der betroffene Anwalt ist dadurch nicht schutzlos. Er kann gegebenenfalls gegenüber dem Vollstreckungsgericht mit den Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen des Zwangsvollstreckungsrechts die Aufhebung des Haftbefehls und Löschung der Eintragung erwirken. Der Gläubiger der Forderung, welche der Eintragung zugrunde liegt, kann im Wege der Klage auf Herausgabe des Titels in Anspruch genommen werden. Eine vollständige Begleichung der titulierten Forderung vor Erlass des Widerrufsbescheids behauptet die Klägerin im Übrigen auch in der Begründung ihres Zulassungsantrags nicht.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschlüsse vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, juris Rn. 3; vom 9. Juli 2013 - AnwZ (Brfg) 22/13, juris Rn. 4; vom 14. November 2013 - AnwZ (Brfg) 65/13, juris Rn. 4 und vom 18. November 2013 - AnwZ (Brfg) 63/13, juris Rn. 4; vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 5) muss ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind. Dies hat die Klägerin - wiederum bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides - nicht getan. Sie beruft sich darauf, dass ihr die im Tatbestand des anwaltsgerichtlichen Urteils wiedergegebene Mitteilung der Kosteneinziehungsstelle der Justiz über Forderungen von insgesamt 7.031,50 € nicht bekannt gewesen sei. Es kommt jedoch nicht auf die Mitteilung der Kosteneinziehungsstelle an, sondern auf die Vermögensverhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids.
2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft die Sache nicht auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH, Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 20/11, NZI 2012, 106 Rn. 7; vom 14. November 2013 - AnwZ (Brfg)
65/13, juris Rn. 5; vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 3). Klärungsbedarf besteht insoweit nicht mehr.
3. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist dann erfüllt, wenn die Sache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 10). Das ist hier nicht der Fall.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO.
Kayser Roggenbuck Lohmann Quaas Schäfer Vorinstanz:
AGH Berlin, Entscheidung vom 29.01.2014 - I AGH 9/12 -
BGH:
Beschluss v. 22.03.2016
Az: AnwZ (Brfg) 18/14
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