Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 153/02
(BPatG: Beschluss v. 15.03.2005, Az.: 27 W (pat) 153/02)
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat am 19. März 2001 die Löschung der am 17. Oktober 2000 für die Waren
"Datenverarbeitungs- und -verwaltungsprogramme für die Ackerschlagkartei"
in der Farbe blau eingetragenen Marke Grafik der Marke 30036013.4 beantragt.
Die Antragstellerin hat das Löschungsbegehren auf § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG gestützt und zur Begründung vorgetragen, die Marke sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG eingetragen worden. Die angesprochenen Verkehrkreise - Landwirte sowie Unternehmen im landwirtschaftlichen Umfeld - sähen die Wortbestandteile "Agrar" sowie "Office", das sich als gebräuchliche Bezeichnung für Bürosoftware entwickelt habe, als beschreibend für die Art der angebotenen Waren, nämlich als Bürosoftware für den Agrarbereich, an. Zudem bestehe ein Interesse der Allgemeinheit, die Bezeichnung für die beanspruchten Waren freizuhalten.
Demgegenüber hat die Antragsgegnerin die Auffassung vertreten, die angegriffene Marke weise eine Kombination von Wörtern auf, die einen neuen, bislang nicht existierenden Gesamtbegriff ergäben. Mangels Eindeutigkeit des Markenwortes sei auch ein Freihaltebedürfnis nicht gegeben. Die Antragsgegnerin hat weiter unter Vortrag im einzelnen behauptet, ihre Marke habe nahezu den gesamten angesprochenen Verkehrskreis erreicht und sich mithin im Verkehr durchgesetzt.
Die Markenabteilung hat durch den angegriffenen Beschluss die Marke 300 36 013 gelöscht. Sie hat die Auffassung vertreten, die angegriffene Marke habe schon im Zeitpunkt der Eintragung für die Waren "Datenverarbeitungs- und -verwaltungsprogramme für die Ackerschlagkartei" eine beschreibende, freizuhaltende und nicht unterscheidungskräftige Angabe iSv § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dargestellt. Schon lange vor der Eintragung der Marke sei Software, die speziell für den Einsatz im geschäftlichen Bereich entwickelt worden sei, als "Office" (-software, -paket, -suite)" bezeichnet worden. Die Begriffsbildung "Agrar-Office" sei zwar neu gewesen, habe aber aufgrund der langen Reihe analog gebildeter Begriffe auf der Hand gelegen. Zwischenzeitlich habe eine Google-Recherche ergeben, dass der Begriff "Agrar-Office" auch tatsächlich im genannten beschreibenden Sinne und nicht nur von der Antragsgegnerin verwendet werde. Infolge der weiten Verbreitung und Üblichkeit sowohl des Wortbestandteils "Agrar" als auch "Office" würden die angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit entsprechender Software darin ohne weiteres den ausschließlich beschreibenden Hinweis auf ein Officesoftwarepaket für den Agrarbereich sehen, nicht aber einen Hinweis auf eine betriebliche Herkunft dieser Software. Schließlich überwinde auch die Eintragung in der Farbe blau nicht die Schutzhindernisse, weil dies allein den Rahmen des Werbeüblichen nicht überschreite. Das Vorbringen der Antragsgegnerin zu einer (nachträglichen) Verkehrsdurchsetzung genüge nicht, weil es sich in Darlegungen zum Werbeaufwand sowie zur Zahl der von der Werbung potenziell erreichbaren landwirtschaftlichen Betriebe bzw. der Betriebsinhaber erschöpfe. Angaben zu einem Prozentsatz der Verkehrskreise, bei denen sich die Marke durchgesetzt habe, sowie erforderliche Nachweise, wie demoskopische Gutachten, fehlten jedoch.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie führt zur Begründung aus, abweichend von der Auffassung der Markenstelle besitze ihre Marke die erforderliche Unterscheidungskraft. Insbesondere die verwendete Schreibweise mit Bindestrich widerspreche den deutschen Rechtschreibregeln und sei daher geeignet, ihr Produkt gegen das anderer Hersteller abzugrenzen. Ein Freihaltebedürfnis sei nicht gegeben, denn eine Internet-Recherche habe ergeben, dass die Wortkombination "Agrar-Office" einzig auf ihre Produkte hinweise, während sie bisher in keinem anderen Zusammenhang gebraucht werde. Zur Frage der behaupteten Verkehrsdurchsetzung trägt sie vor, die Marke sei seit dem Jahr 2000 von fünf namentlich genannten Unternehmen im Gebiet der gesamten Bundesrepublik Deutschland benutzt worden, und zwar zur Bezeichnung eines Softwarekonzeptes im Bereich der Datenverarbeitungs- und -Verwaltungsprogramme. Hauptbereich dieses Softwareproduktes sei die Ackerschlagkartei. Die Antragsgegnerin trägt im einzelnen und unter Vorlage von Glaubhaftmachungsmitteln ihre Beteiligung an verschiedenen (Fach-)Messen samt Besucherzahlen vor, sowie die Verteilung von Werbebroschüren mit im Einzelnen aufgeschlüsselten Stückzahlen. Die (Fach-)Messen und die Beteiligung der Antragsgegnerin daran hätten in der Fachpresse ein vielfältiges Echo gefunden, wie die Antragsgegnerin durch Vorlage entsprechender Zeitungsausschnitte belegt.
Die Antragsgegnerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend und verteidigt ihn unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens, insbesondere zur Frage der Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke, deren Darlegung die Antragstellerin nach wie vor nicht für ausreichend substantiiert hält. Sie beanstandet das Fehlen jeglicher Verkaufszahlen oder erzielter Umsätze mit den mit der Marke versehenen Produkten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von Ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat dem Löschungsantrag der Antragstellerin zu Recht entsprochen, weil ein Nichtigkeitsgrund nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG vorliegt, der die Löschung der Marke wegen Vorliegens eines absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 MarkenG rechtfertigt. Die Marke stellte schon im Zeitpunkt der Eintragung für die Waren "Datenverarbeitungs- und verwaltungsprogramme für die Ackerschlagkartei" eine rein beschreibende, nicht unterscheidungskräftige und freizuhaltende Angabe im Sinne von § 8 Abs.2 MarkenG dar.
Zutreffend hat die Markenstelle insoweit ausgeführt, der Begriff "AGRAR-OFFICE" werde von den angesprochenen spezialisierten Verkehrskreisen ohne weiteres als rein beschreibender Hinweis auf ein Office(software)paket für den Agrarbereich verstanden. Der Ansicht der Antragsgegnerin, die Kombination dieser beiden Bestandteile sei eigenartig, weil das Bestimmungswort "Agrar-" nur zusammen mit weiteren auf die Landwirtschaft bezogenen Substantiven gebräuchlich sei (Agrarbevölkerung, Agrarwirtschaft), kann nicht gefolgt werden. Dagegen spricht, dass beispielsweise der Begriff "Agrar-Software" völlig üblich ist, wie sich aus dem von der Antragsgegnerin zitierten "Agrar-Softwarekatalog Online" ergibt. Nicht anders zu beurteilen ist die Verbindung von "Agrar" mit dem Fachbegriff "Office" für ein Büroanwendungsprogramm, das üblicherweise aus einem Paket mit Text-, Tabellenkalkulations-, Datenverwaltungs-, Präsentations- und email-Programm besteht. Die Unterscheidungskraft der Bezeichnung "Agrar-Office" kann auch nicht damit begründet werden, sie sei im Zeitpunkt ihrer Eintragung (noch) nicht nachweisbar gewesen, denn eine Wortbildung wird vom Verkehr nicht schon deshalb, weil sie neu oder lexikalisch nicht belegbar ist, als betrieblicher Herkunftshinweis angesehen (vgl BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; 2001, 1153 - AntiKALK). Maßgeblich ist allein, ob sie dem Verkehr eine im Vordergrund stehenden Sachaussage vermittelt. Hiervon ist im Hinblick auf die rein beschreibende Bedeutung der Bestandteile "Agrar" und "Office", die auch in ihrer Kombination keinen über die Summe der Bestandteile hinausgehenden Sinngehalt aufweist, auszugehen.
Als eine die Beschaffenheit und den Bestimmungszweck der Waren in sprachüblicher und ohne weiteres verständlicher Weise beschreibende Angabe hätte die angegriffene Marke auch wegen eines Freihaltungsbedürfnisses zugunsten der Mitbewerber nicht eingetragen werden dürfen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Der Annahme dieses Schutzhindernisses steht dabei, wie der EuGH in der "BIOMILD" -Entscheidung (GRUR 2004, 680) betont hat, nicht entgegen, dass es für die Mitbewerber noch andere sprachliche Möglichkeiten geben mag, mit denen eine Bürosoftware für landwirtschaftliche Zwecke beschrieben werden kann.
Die im Zeitpunkt der Eintragung bereits vorliegenden Schutzhindernisse bestehen auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Löschung, § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG. Insbesondere beruft sich die Antragsgegnerin ohne Erfolg auf eine angebliche Überwindung der Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG kraft Durchsetzung der Marke in den beteiligten Verkehrskreisen, und zwar für die Waren, für die sie angemeldet worden ist. Die für die Durchsetzung einer Marke erforderliche Untergrenze wird von der Rechtsprechung dabei mit 50% angesetzt (vgl. BGH GRUR - REICH UND SCHÖN; ferner Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 8 Rn. 506; Fezer, WRP 2005, 1, 18). Wird die Verkehrsdurchsetzung einer Marke behauptet, muss sie zunächst glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung bedeutet schlüssige und durch entsprechendes Tatsachenmaterial belegte Darlegung, dass die Marke infolge ihrer Benutzung für diejenigen Waren, für die sie angemeldet bzw. hier eingetragen ist, von den beteiligten Verkehrskreisen oder zumindest einem erheblichen Teil dieser Kreise im gesamten Bundesgebiet als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt wird (vgl. EuGH GRUR 2003, 723, 727 Tz. 52 - Chiemsee). Erst wenn der Vortrag mit einiger Wahrscheinlichkeit für eine Durchsetzung der Marke spricht, ist die Einleitung aufwändiger amtlicher Ermittlungen gerechtfertigt, deren Ziel der Nachweis ist, dass die Marke tatsächlich den erforderlichen Durchsetzungsgrad erlangt hat (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 8 Rn. 343; Ströbele/Hacker, aaO., § 8 Rn. 495; BPatG MarkenR 2002, 348, 358 - Farbige Arzneimittelkapsel, bestätigt durch BGH GRUR 2004, 683).
Das von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren auf entsprechenden Hinweis des Senats ergänzte Vorbringen genügt den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke nach wie vor nicht. Die Versendung von 22 000 Exemplaren einer Werbebroschüre mit dem Titel "Agrar Office" an landwirtschaftliche Unternehmen, die Abgabe von weiteren 12 375 Exemplaren durch ein Unternehmen, das zu derselben Unternehmensgruppe wie die Antragsgegnerin gehört, sowie die Verteilung von 7000-8000 Werbebroschüren auf landwirtschaftlichen Fachmessen im Jahr 2000 erlauben keine Rückschlüsse auf den Grad der Bekanntheit der angegriffenen Marke bei den beteiligten Verkehrskreisen. Hierzu gehören nicht nur die von der Antragsgegnerin tatsächlich angesprochenen Verkehrskreise, sondern alle landwirtschaftlichen Betriebe im gesamten Bundesgebiet, die sich bei der Bewirtschaftung ihrer Felder eines sämtliche Bearbeitungsvorgänge erfassenden Schlagkarteiprogramms bedienen oder zumindest an der Verwendung eines solchen Programms interessiert sein können. Da es nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamts Deutschland im Jahr 2001 im Bundesgebiet 448 936 landwirtschaftliche Betriebe gegeben hat, steht die Zahl der zu berücksichtigenden Verkehrskreise selbst dann, wenn die kleinen Betriebe zugunsten der Antragsgegnerin nicht zu den potentiellen Abnehmern gerechnet werden, in keinem Verhältnis zu den verteilten Werbebroschüren und der angegebenen Zahl von 10 000 - 11 000 Programmen, die im Jahr 2000 im Einsatz gewesen sein sollen.
Auch die Präsenz der Antragsgegnerin auf landwirtschaftlichen Messen, in der Fachpresse und im Internet lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass die angegriffene Marke einem erheblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise als Hinweis auf ihr Unternehmen bekannt ist. Auch wenn die vorgetragenen Besucherzahlen auf den Messen beträchtlich sind (Zentrallandwirtschaftsfest Sept. 2000: 400 000 Besucher; DLG Feldtage Juni 2000: 20 000 Besucher; Agritechnica 2001: 247.497 Besucher), sagt dies nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang der Messestand der Antragstellerin von den Besuchern wahrgenommen worden ist. Auch die Erwähnung der angegriffenen Marke in Anzeigen und Artikeln der Fachpresse anlässlich der Produkteinführung im Jahr 2000 gibt trotz der genannten teilweise hohen Auflagenzahl keinen Aufschluss über die tatsächliche Wahrnehmung durch das Fachpublikum. Eine Verankerung im Bewusstsein des Publikums mit der Folge einer Produktzuordnung zu einem bestimmten Hersteller erfordert eine nachhaltige Präsenz der Marke auf dem Abnehmermarkt, die hier nicht erkennbar ist. Gegen das Verständnis von "Agrar-Office" als Marke der Antragsgegnerin oder der BBJ-Unternehmensgruppe, der sie zugehört, spricht dabei noch zusätzlich, dass beispielsweise in der Zeitschrift "farmpartner" die Bezeichnung "Agrar-Office" in rein beschreibendem Zusammenhang ("Hierbei ist ganz deutlich eine Tendenz hin zu integrierten Systemen, wie etwa zum Agrar-Office-Paket, erkennbar") ohne jeden betrieblichen Bezug erwähnt ist. Soweit die Antragsgegnerin auf die BBJ-Unternehmensgruppe verweist, die die mit der Marke versehene Software im gesamten Gebiet der Bundesrepublik seit 2000 vertrieben haben soll, kann daraus ebenfalls nicht entnommen werden, in welcher Größenordnung diese Gruppe eine Bedeutung bei der Gesamtheit der hier zu berücksichtigenden beteiligten Verkehrskreise besitzt.
Bei Gesamtwürdigung aller vorgetragenen Umstände ist im Ergebnis eine Verkehrsdurchsetzung der Marke im maßgeblichen Zeitpunkt der hier zu treffenden Entscheidung nicht glaubhaft gemacht. Sie steht daher der Löschung der Marke wegen des Vorliegens absoluter Schutzhindernisse nicht entgegen.
III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. Schermer Schwarz Prietzel-Funk Na
BPatG:
Beschluss v. 15.03.2005
Az: 27 W (pat) 153/02
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