Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 116/04

(BPatG: Beschluss v. 12.04.2005, Az.: 27 W (pat) 116/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke CASA POPOLINO für die Waren

"Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, soweit in Klasse 20 enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Christbaumschmuck"

ist (unter anderem) Widerspruch eingelegt worden aus der älteren Marke 394 04 993 TOPOLINO eingetragen für

"Textilwaren, nämlich Textilstoffe, Gardinen, Haushaltswäsche, Tisch- und Bettwäsche; Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke (ausgenommen Sportbekleidung), Kopfbedeckungen".

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch durch Beschluss vom 18. März 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken insbesondere in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht, die die Löschung der jüngeren Marke rechtfertigen könnte, sei selbst bei Zugrundelegung der teilweisen Identität der beiderseits beanspruchten Waren nicht gegeben. Die angegriffene Marke "CASA POPOLINO" halte den erforderlichen weiten Abstand zu der Widerspruchsmarke "TOPOLINO" ein. Zwar wiesen die Vergleichszeichen weitgehende Übereinstimmungen in ihren Wortbestandteilen "TOPOLINO" und "POPOLINO" auf. Dabei handele es sich jedoch um rein formale Gemeinsamkeiten, denn maßgeblich sei der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken, der stark voneinander abweiche. Der Verkehr werde den Bestandteil "CASA" in der jüngeren Marke nicht vernachlässigen, denn letztere bilde mit ihren Einzelbestandteilen einen prägnanten und fantasievollen Gesamtbegriff, den das Publikum auch ohne weiteres Nachdenken als solchen ansehen werde. Unter Berücksichtigung der Gewohnheiten der beteiligten Verkehrskreise auf dem hier maßgeblichen Warensektor seien keine Gründe ersichtlich, warum es nur dem zweiten Bestandteil "POPOLINO" eine prägende Wirkung beimessen sollten. Um bei der Benennung der angegriffenen Marke ausschließlich den Bestandteil "POPOLINO" herauszugreifen, müssten die angesprochenen Verbraucher den Gesamtbegriff in einer Reihe von Überlegungen geradezu willkürlich aufspalten, was ausgeschlossen werden könne. Unter diesen Umständen könnten den angesprochenen (Durchschnitts-)Verbrauchern aber die Unterschiede der beiden Marken nicht entgehen. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr liege nicht vor, denn der Begriff "POPOLINO" trete in der angegriffenen Marke nicht eigenständig kollisionsbegründend hervor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, soweit darin ihr Widerspruch zurückgewiesen worden ist. Sie ist der Auffassung, der aufgrund der hohen Ähnlichkeit bzw. Teilidentität der beiderseitigen Warenanmeldungen erforderliche Abstand der Marken sei nicht eingehalten. Der Bestandteil "CASA" in der angegriffenen Marke werde von den angesprochenen Verkehrskreisen bei der Benennung weggelassen. Längere Marken wie hier die angegriffene würden erfahrungsgemäß vom Verkehr zum Zweck der besseren Merkbarkeit und leichteren Aussprechbarkeit verkürzt. Das Wort "CASA" komme dafür nicht in Betracht, da es ein fremdsprachiger Bestandteil sei, der dem Verkehr in seiner deutschen Bedeutung "Haus" geläufig sei. Insbesondere für Kleidungsstücke sei die Verwendung von Marken mit Bestandteilen wie "Villa" oder "Haus" bzw. "House of ..." sehr beliebt, woraus die Annahme folge, dass es sich bei der Verwendung solcher mit "Haus" zu übersetzenden fremdsprachigen Markenbestandteile um übliche, nichts sagende Begrifflichkeiten handele. Gerade auch bei der Verwendung eines weiteren italienischen Bestandteils in einer Marke, die für Bekleidungsstücke eingetragen sei, werde der Eindruck vermittelt, es handele sich um ein Haus italienischer Modewaren eines Mode-Designers, nämlich von "POPOLINO". Die Zeichen seien aber auch in schriftbildlicher Hinsicht verwechselbar, denn "TOPOLINO" und "POPOLINO" ähnelten sich im Buchstabenaufbau erheblich. Es bestehe auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr, weil der Verkehr die angegriffene Marke als weitere Marke der Widersprechenden ansehen werde. Es bestehe die Gefahr, dass der Verkehr "CASA POPOLINO" als "CASA TOPOLINO" wahrnehmen und annehmen werde, es handele sich bei "CASA POPOLINO" um eine Abwandlung des ihm bekannten "TOPOLINO" hin zu "CASA TOPOLINO".

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit darin der Widerspruch aus der Marke 394 04 993 zurückgewiesen worden ist, und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Markeninhaber stellt eine Verwechslungsgefahr in Abrede und weist darauf hin, dass "popolino" "kleines Volk, Völkchen" bedeute.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Widersprechende hat den zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i.S.d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zutreffend verneint.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 239 - DONLINE).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen, insbesondere sind keine stärkenden oder schwächenden Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Auch wenn davon auszugehen ist, dass die durch die Vergleichsmarken jeweils geschützten Waren der Klasse 25 "Bekleidungsstücke" identisch sind, kann selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe wie geboten eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs.1 S.2 MarkenG nicht bejaht werden.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- (Sinn-)gehalt ist von dem das Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd). Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist eine Verwechslung der Marken weder unter dem Gesichtspunkt der klanglichen noch der visuellen Ähnlichkeit der Zeichen zu erwarten. Soweit die Widersprechende unter Vernachlässigung des Bestandteils "CASA" in der angegriffenen Marke allein auf den weiteren Wortbestandteil "POPOLINO" abstellt und diesen dem Markenwort der Widerspruchsmarke "TOPOLINO" gegenüberstellt, nimmt sie eine unzulässige zergliedernde Betrachtungsweise vor, die eine Verwechslungsgefahr im rechtlichen Sinne nicht begründet. Anhaltspunkte für eine Vernachlässigung des Bestandteils "CASA" bei der Benennung der Marke sind auch nicht ersichtlich. Der Verkehr erkennt vielmehr die beiden Bestandteile der angegriffenen Marke als einen zusammenhängenden Gesamtbegriff und legt diesen seiner Wahrnehmung zugrunde. Gerade weil der Verkehr, was die Widersprechende nicht in Abrede stellt, die Bedeutung des italienischen Begriffes "CASA" kennt, liegt ungeachtet der Neigung des Verkehr, lange Markennamen griffig zu verkürzen, die Annahme fern, dass er das Wort "CASA" in der angegriffenen Marke vernachlässigen sollten. Denn eine Verkürzung wird vom verständigen Durchschnittsverbraucher allenfalls in sinnvoller, nicht aber in bewusst sinnentstellender Weise vorgenommen. Es ist aber keineswegs so, dass der Bestandteil "CASA" nichts sagend wäre, wie die Widersprechende angenommen hat. Vielmehr verleiht er der Marke erst ihren eigentlichen Sinn. Der Begriff "CASA" unterscheidet deutlich ein Gebäude (Casa), das einen bestimmten Namen trägt (popolino), von einer Person, die Träger der Bezeichnung "POPOLINO" ist. Würde das Wort "CASA" in der jüngeren Marke vernachlässigt, wandelte sich der Markenbegriff von einem bezeichneten Gegenstand zu einer Person gleichen Namens. Es ist kein Erfahrungssatz dafür ersichtlich, dass der Verkehr gerade einen solchen mitprägenden Bestandteil bei der mündlichen Wiedergabe vernachlässigen und damit eine sinnentstellende Änderung des Begriffsinhalts eines Zeichens durch Verkürzung vornehmen sollte. Daran ändert auch - anders als die Widersprechende meint - nichts, dass es eine Vielzahl von Marken gibt, die den Bestandteil "CASA" aufweisen. Allein die Gewöhnung des Publikums an derartige Bezeichnungen spricht nicht dafür, dass dieser Bestandteil vernachlässigt wird.

Eine visuelle Verwechslungsgefahr kann ebenfalls nicht bejaht werden, weil sich der Verkehr bei der visuellen Wahrnehmung der angegriffenen Marke an allen ihren Bestandteilen gleichermaßen orientieren wird. Es ist kein Erfahrungssatz ersichtlich, nach dem sich der Verkehr bei der rein visuellen Wahrnehmung einer aus mehreren graphisch gleichgewichtigen Bestandteilen bestehenden Wortmarke an nur einem Bestandteil orientieren wird (vgl. für Wort-/Bildmarken: BGH GRUR 1999, 241, 244 Lions; GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2002, 1067, 1069 DKV/OKV).

Die Gefahr einer assoziativen Verwechslungsgefahr kann ebenfalls nicht bejaht werden. Zum einen sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Widersprechende bereits nach dem Muster der angegriffenen Marke gebildete Serienzeichen besitzt. Die weiterhin in dieser Hinsicht von der Widersprechenden behauptete Umbildung der Widerspruchsmarke durch die angesprochenen Verkehrskreisen von "CASA POPOLINO" über "TOPOLINO" hin zu "CASA TOPOLINO" führt ebenfalls nicht zu der Bejahung der Voraussetzungen der assoziativen Verwechslungsgefahr. Es ist keinerlei Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Verkehr derartige gedankliche Abspaltungen und Neuverknüpfungen vornimmt, für die ihm die angegriffene Marke als Gesamtbegriff keinen Anlass bietet.

III.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

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BPatG:
Beschluss v. 12.04.2005
Az: 27 W (pat) 116/04


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