Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 3. März 1995
Aktenzeichen: 6 U 216/94
(OLG Köln: Urteil v. 03.03.1995, Az.: 6 U 216/94)
Der Verkauf von Blumen durch Tankstellen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten stellt einen Verstoß gegen die §§ 1, 3, 6 Abs. 2 LSchlG dar.
Tenor
Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 4. August 1994 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 0 28/94 - wird zurückge-wiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Gründe
Die Berufung des Antragsgegners ist
zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Antragsteller begehrt von dem
Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweiligen Verfügung, es zu
unterlassen, innerhalb der gesetzlichen Ladenschlußzeiten Blumen
an Letztverbraucher zu verkaufen.
Bedenken gegenüber der Zulässigkeit des
Verfügungsantrags des Antragstellers bestehen nicht. Insbesondere
ist der Antragsteller antragsbefugt i.S.v. § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG.
Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen rechtsfähigen
Verband, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Förderung und
Wahrung der gewerblichen Interessen der in ihm
zusammengeschlossenen Floristenbetriebe gehört, wobei er nach
seinem unbestrittenen Vortrag in dem im Streitfall in erster Linie
betroffenen Kölner Raum über fünfzig Mitglieder verfügt. Dem
Antragsteller gehören damit, wie von § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG
gefordert, eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die
Waren (im Streitfall Blumen) auf demselben Markt vertreiben wie der
Antragsgegner. Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsteller aufgrund
seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung nicht
imstande ist, seine zuvor genannten satzungsgemäßen Aufgaben
tatsächlich wahrzunehmen, sind nicht gegeben, ersichtlich auch
nicht aus der Sicht des Antragsgegners, der eine entsprechende
Ausstattung des Antragstellers nicht in Zweifel gezogen hat. Die
Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG, soweit sie für die
Zulässigkeit des Verfügungsantrags des Antragstellers von Bedeutung
sind, liegen damit vor.
Der Antrag des Antragstellers auf Erlaß
einer einstweiligen Verfügung ist jedoch auch gemäß §§ 1, 13 Abs. 2
Ziff. 2 UWG i.V.m. §§ 1, 3, 6 Abs. 2 des LSchlG begründet.
Der Verkauf von Blumen durch
Tankstellen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten stellt einen
Verstoß gegen §§ 1, 3, 6 Abs. 2 LSchlG dar. Nach dem Wortlaut des
§ 6 Abs. 2 LSchlG ist ein derartiger Verkauf nicht gestattet. Die
vom Antragsgegner zur Rechtfertigung eines derartigen Verkaufs
angeführten Auslegungsgrundsätze des Bundesverwaltungsgerichts in
dessen Urteil vom 26. Oktober 1993 (NJW 1994/1017 f.) zu § 6 Abs. 2
LSchlG führen zu keiner anderen Beurteilung.
Ausgehend von seiner ständigen
Rechtsprechung, daß für den Zubehörhandel dieselben
Ladenschlußzeiten gelten wie für den Betrieb des Hauptgeschäfts,
und dem Sinn und Zweck von § 6 Abs. 2 LSchlG, einem auch während
der allgemeinen Ladenschlußzeiten bestehenden besonderen
Versorgungsbedürfnis des Kraftverkehrs Rechnung zu tragen, hat das
Bundesverwaltungsgericht den Verkauf von Reisebedarf als Zubehör
zu den Hauptleistungen der Tankstellen während der allgemeinen
Ladenschlußzeiten als zulässig erachtet (NJW 1994, 1017, 1018).
Auch wenn man dem Bundesverwaltungsgericht in diesem Verständnis
der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 2 LSchlG folgt, ist jedoch dem
Antragsgegner der Verkauf von Blumen während der Ladenschlußzeiten
untersagt. Reisebedarf als Zubehör zu den Hauptleistungen der
Tankstellen umfaßt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (NJW
1994/1017, 1019) nur solche Gegenstände, die - neben weiteren
Voraussetzungen - in einem inneren Zusammenhang mit den während der
Ladenschlußzeiten zulässigen Hauptleistungen der Tankstellen
stehen, wobei es allerdings ausreichen soll, wenn die
Nebenleistungen dem Kraftfahrer und etwaigen Mitfahrern die
Fortbewegung mit dem Kraftfahrzeug erleichtern. Der (vom
Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 26. Oktober 1993 nicht
angesprochene) Verkauf von Blumen während der Ladenschlußzeiten
genügt nicht diesen Kriterien, denn anders als die von dem
Bundesverwaltungsgericht - wenn auch nicht abschließend -
angeführten Gegenstände des Reisebedarfs i.S.v. § 6 Abs. 2 LSchlG
steht dieser Verkauf in keinem inneren Zusammenhang mit der
Fortbewegung mit dem Kraftfahrzeug, selbst bei weitester Auslegung
dieses Begriffs. Der Blumenverkauf ermöglicht weder die Fortsetzung
der Reise noch erleichtert er diese, weil er anders als die vom
Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil genannten Gegenstände des
Reisebedarfs, wie z.B. nichtalkoholische Getränke, Kleinproviant
oder auch Deodorant- und Hygieneartikel, die Reisefähigkeit des
Fahrers und Beifahrers nicht erhält oder wieder herstellt. Blumen
erfüllen keine derartige Funktion sondern sollen ausschließlich
einen erst nach Abschluß der Fahrt bestehenden Bedarf decken. Das
Argument des Antragsgegners, dem Kraftfahrer oder Beifahrer werde
die Reise erleichtert, indem sie ihren Blumenbedarf bei
Inanspruchnahme der Hauptleistungen der Tankstelle ohne
zusätzliche Umwege und Zeitaufwand decken könnten, vermag
demgegenüber nicht zu überzeugen. Mit dieser Begründung wird gerade
der vom Bundesverwaltungsgericht geforderte innere Zusammenhang
zwischen Nebenleistung und Hauptleistung der Tankstelle aufgegeben
und letztlich der Verkauf jeder Ware in Tankstellen nach § 6 Abs.
2 LSchlG zulässig.
Aber auch der Hinweis des
Antragsgegners auf die Verderblichkeit von Blumen streitet nicht
für die von ihm geltend gemachte Erstreckung der
Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 2 LSchlG auf den Blumenverkauf.
Zu Recht hält das Landgericht in dem angefochtenen Urteil diesem
Einwand des Antragsgegners entgegen, daß Blumen bei entsprechender
Vorsorge ohne weiteres über viele Stunden unbeschadet mit dem
Kraftfahrzeug transportiert werden können.
Ohne Erfolg beruft sich der
Antragsgegner weiterhin auf den Zubehörbegriff der §§ 8, 9 LSchlG.
Schon das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Urteil vom 26.
Oktober 1993 (NJW 1994, 1017, 1019) ausgeführt, daß ein Rückgriff
auf die Definition des Zubehörs in den §§ 8, 9 LSchlG im Rahmen des
§ 6 Abs. 2 LSchlG nicht ohne weiteres möglich ist, u.a. deshalb,
weil sich die Bedingungen des Bahn-, Flug- und Fährverkehrs von
denen des Kraftfahrzeugverkehrs nicht unerheblich unterscheiden
mit der Folge, daß Bahn-, Flug- und Fährschiffreisende im
allgemeinen ein gegenüber den Kraftfahrzeugreisenden gesteigertes
Bedürfnis haben, Reisebedarf unterwegs auf Bahnhöfen sowie Flug-
und Fährhäfen zu erwerben. Ein derart gesteigertes Bedürfnis läßt
sich aber gerade im Hinblick auf den vorstehend angesprochenen
Transport von Blumen feststellen. Zutreffend hält das Landgericht
insoweit dem Antragsgegner entgegen, daß einem Reisenden, der z.B.
die Bahn oder das Flugzeug benutzt, anders als einem Autofahrer
oder seinem Beifahrer wegen der unproblematischen
Transportmöglichkeiten im Auto nicht ohne weiteres zumutbar ist,
Blumen, die nach der Ankunft verschenkt werden sollen, mit sich zu
führen.
Schließlich streitet auch der Grundsatz
der Wettbewerbsneutralität, dem das Ladenschlußgesetz u.a. dient
(vgl. BVerfG NJW 1982, 1509, 1510; BVerwG NJW 1994/1017, 1018)
gegen die von dem Antragsgegner geltend gemachte Ausdehnung des § 6
Abs. 2 LSchlG auf den Verkauf von Blumen während der allgemeinen
Ladenschlußzeiten. Eine derartige Ausdehnung würde nämlich die
Blumenläden benachteiligen, denen nach dem Ladenschlußgesetz
lediglich ein zweistündiger Verkauf an Sonn- und Feiertagen
gestattet ist.
Der somit vorliegende Verstoß des
Antragsgegners gegen §§ 1, 3, 6 Abs. 2 LSchlG ist zugleich
unlauter gemäß § 1 UWG. Der Antragsgegner handelt bewußt und
planmäßig, denn er will den beanstandeten Blumenverkauf zukünftig
fortsetzen, obwohl ihm bereits in dem Abmahnschreiben des
Antragstellers und zudem im angefochtenen Urteil des Landgerichts
die maßgeblichen Umstände genannt worden sind, die im Streitfall
den Verstoß gegen § 6 Abs. 2 LSchlG begründen. Das Verhalten des
Antragsgegners ist aber ebenfalls geeignet, ihm einen
ungerechtfertigten wettbewerblichen Vorteil vor seinen
gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Dies gilt einmal in
bezug auf die Tankstellen, die freiwillig oder aufgrund der von dem
Antragsteller unbestritten in der Berufungserwiderung angeführten
strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärungen keine Blumen
während der allgemeinen Ladenschlußzeiten verkaufen. Der
Antragsgegner verschafft sich ebenfalls ungerechtfertigte Vorteile
gegenüber den Floristen und sonstigen Blumeneinzelhändlern, die
(gemäß § 12 LSchlG i.V.m.d. VO über den Verkauf bestimmter Waren an
Sonn- und Feiertagen vom 21.12.1957, BGBl I S. 1881) ihre
Verkaufsstelle lediglich während bestimmter Stunden offenhalten
dürfen. Das gegen die wettbewerbsneutralen Regeln (vgl.
Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 17. Aufl., § 1 LSchlG Rdnr.
5, Anhang VI zu § 3 UWG) der §§ 1, 3, 6 Abs. 2 LSchlG verstoßende
Verhalten des Antragsgegners erfüllt damit auch den Tatbestand des
§ 1 UWG.
Die Aktivlegitimation des
Antragstellers zur Geltendmachung des danach gemäß § 1 UWG i.V.m.
§§ 1,3, 6 Abs. 2 LSchlG begründeten Unterlassungsanspruchs ergibt
sich aus § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG, denn die beanstandete
Wettbewerbshandlung des Antragsgegners ist geeignet, den Wettbewerb
auf dem relevanten Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Der
streitgegenständliche Verkauf von Blumen in der Tankstelle des
Antragsgegners zielt insbesondere auf das für die Blumenhändler
lukrative Geschäft am Wochenende und an den Feiertagen ab, wo
bevorzugt Blumen - z.B. als Präsent für Besuche - gekauft werden.
Es liegt auf der Hand, daß Tankstellen mit ihren langen
Àffnungszeiten nicht nur aus der Sicht von Kraftfahrern attraktiv
sind, die am Wochenende Blumen kaufen wollen, sondern ebenfalls für
die Anwohner, die damit der Sorge enthoben sind, sich entweder
schon am Samstagvormittag mit Blumen zu versorgen oder aber diese
an den Sonn- oder Feiertagen nur innerhalb weniger Stunden in den
Blumenläden kaufen zu können. Zudem ist der beanstandete
Wettbewerbsverstoß des Antragsgegners wegen der davon ausgehenden
Gefahr der Nachahmung durch andere Wettbewerber als wesentliche
Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer i.S.v. § 13
Abs. 2 Ziff. UWG zu werten. Daß diese Nachahmungsgefahr beachtlich
ist, zeigt schon die Vielzahl der vom Antragsteller zu den Akten
gereichten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zu der hier
streitgegenständlichen Frage der Zulässigkeit des Blumenverkaufs
durch Tankstellen während der Ladenschluß-zeiten aus der jüngsten
Zeit.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §
97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO
mit der Verkündung rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 03.03.1995
Az: 6 U 216/94
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