Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 25. Juli 2013
Aktenzeichen: 15 U 87/13
(OLG Köln: Beschluss v. 25.07.2013, Az.: 15 U 87/13)
Tenor
Der Antrag des Verfügungsklägers vom 12.06.2013 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, eine Gegendarstellung betreffend Äußerungen über den Antragsteller in einem Beitrag der Antragsgegnerin aus der Sendung "F" vom 00.00.0000 auszustrahlen.
Anlass und Gegenstand des Beitrages über den Antragsteller vom 00.00.0000 waren Kontakte des Antragstellers zu den Kandidaten der von der Antragsgegnerin produzierten Sendung "E". Für diesen Beitrag wurde am 22.01.2013 mit dem Antragsteller ein Interview geführt. Hinsichtlich des genauen Inhaltes des Beitrages wird auf die Anlage Ast 1, Bl. 30 GA, Bezug genommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.01.2013 forderte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers von der Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Beitrag an, den er am 04.02.2013 erhielt , allerdings ohne Anmoderation und sogenannte "Bauchbinden", d.h. die Einblendungen am unteren Bildrand, die den Namen und die Funktion einer Person erklären. Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.02.2013 forderte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den vollständigen Bericht an, der am 13.02.2013 einging.
Der Antragsteller forderte die Mediengruppe S erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 20.2.2013 zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung auf. Nachdem auch eine weitere Aufforderung zur Ausstrahlung mit anwaltlichem Schreiben vom 25.2.2013 erfolglos blieb, beantragte der Antragsteller mit Antrag vom 06.03.2013 die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Erlass einer einstweiligen Verfügung betreffend die Gegendarstellung, der die zuvor an die Antragsgegnerin zugeleiteten fünf Gegendarstellungsvarianten zu Grunde lagen. Diesen Antrag nahm der Antragsteller nach einem Hinweis des Gerichts zurück. Hinsichtlich der Einzelheiten des Gegendarstellungsverlangens vom 25.02.2013 wird auf Bl. 43 ff. GA. Bezug genommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.03.2013 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin wiederum erfolglos zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung in vier Varianten auf und beantragte, nachdem auch diese Aufforderung erfolglos blieb, mit Antrag vom 22.03.2013, bei Gericht eingegangen am 27.03.2013, erneut die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, der die mit Schreiben vom 19.03.2013 der Antragsgegnerin zugeleiteten Gegendarstellungsvarianten zu Grunde lagen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Gegendarstellungsverlangens vom 19.03.2013 wird auf Bl. 58 ff. GA Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Köln vom 08.05.2013, 28 O 121/13, Bezug genommen.
Nachdem der Antragsteller seinen beabsichtigten Antrag auf Gegendarstellung auf einen Hinweis des Gerichts erneut umgestellt, der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 05.04.2013 zugeleitet und seinen Verfügungsantrag entsprechend umgestellt hatte, hat das Landgericht dem Antragsteller mit Beschluss vom 11.04.2013 Prozesskostenhilfe bewilligt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Gegendarstellungsverlangens vom 05.04.2013 wird auf Bl. 95 ff. GA. Bezug genommen.
Nach mündlicher Verhandlung vom 24.04.2013 hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen, weil kein unverzügliches Gegendarstellungsverlangen im Sinne von § 20 Abs. 2 S. 1 NMedienG vorliege. Unverzüglich, d.h. "ohne schuldhaftes Zögern" i.S.v. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB, sei vorliegend unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls im Sinne einer Frist von zwei Wochen ab Kenntniserlangung zu verstehen. Da es sich bei der Sendung "F" um eine täglich ausgestrahlte Sendung mit hoher Aktualität handele, sei eine rasche Reaktion eines Betroffenen angebracht. Diese sei jedenfalls im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Zuleitungen vom 19.03.2013 und 05.04.2013 versäumt worden. Abweichendes ergäbe sich auch nicht aus dem Umstand, dass diese eine überarbeitete Fassung der zugeleiteten Aufforderungen vom 20.02. bzw. 25.02.2013 darstellten. Zwar solle im Falle der Überarbeitung und Zuleitung einer Gegendarstellung der damit verbundene Zeitverlust nicht als schuldhaftes Zögern angesehen werden, sofern nur alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen unverzüglich ergriffen würden, indessen sei die mit der notwendigen inhaltlichen Änderung und der Zuleitung einer Zweitfassung verbundene Zeitverzögerung jedenfalls dann nicht mehr unverschuldet, wenn die Erstfassung inhaltlich an groben, ohne weiteres erkennbaren Mängeln leide. Letzteres sei hier der Fall. Der Antragsteller habe die zunächst übersandte Gegendarstellung vernünftigerweise nicht für zulässig halten können, weil diese mehrere grobe, ohne weiteres erkennbare Mängel enthalte, die in ihrer Gesamtheit dazu führe, dass ein schuldhafter Verstoß gegen die gebotene Beschleunigung vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere der angeführten Mängel der zuerst zugeleiteten Gegendarstellungen vom 25.02.2013 wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Köln vom 08.05.2013, 28 O 121/13, Bezug genommen
Der Antragsteller beantragt nunmehr Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln. Er ist der Ansicht, das streitgegenständliche Gegendarstellungsverlangen unverzüglich gestellt zu haben. Grobe Fehler, die eine Nachbesserung des Gegendarstellungsverlangens ausschlössen, lägen auch hinsichtlich der Zuleitung vom 25.02.2013 nicht vor. Die Auffassung des Landgerichts, mehrere Fehler einer Gegendarstellung können auch in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass ein schuldhafter Verstoß gegen die gebotene Beschleunigung vorliege, sei rechtsfehlerhaft. Sie führe zu einer strukturellen Benachteiligung derjenigen Anspruchsteller, die sich gegen eine Vielzahl von Behauptungen wenden müssten. Zudem habe das Landgericht bei seiner Bewertung auch Fehler solcher Punkte berücksichtigt, die nicht mehr Inhalt des streitgegenständlichen Antrages seien. Ferner habe das Gericht gegen seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verstoßen, da die rechtliche Begründung, mit welcher der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, nicht Gegenstand der rechtlichen Erörterungen erster Instanz gewesen sei. Soweit die Frage der Unverzüglichkeit des Gegendarstellungsverlangen erörtert worden sei, sei dies immer nur im Zusammenhang mit der Unverzüglichkeit der Reaktion auf den Hinweis der Kammer vom 08.03.2013 erfolgt, nicht aber im Hinblick auf die Frage, ob eine Nachbesserung des ursprünglichen Gegendarstellungsverlangens ohne Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht mehr möglich gewesen sei. Damit habe der Antragsteller auch schon deshalb nicht mehr rechnen müssen, weil für seinen Hauptantrag mit Beschluss vom 11.04.2013 Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei.
Mit der beabsichtigten Berufung will der Antragsteller erreichen, dass
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt wird, in der nächstfolgenden Sendung "F" an gleicher Stelle, wie der beanstandete Beitrag, also zu Beginn der Sendung, ohne Einschaltungen und Unterlassungen zu verlesen (dabei wurden bei der Wiedergabe des Antrags die einzelnen Entgegnungen zum besseren Verständnis durch den Senat nummeriert):
Gegendarstellung
Am xx. Januar xxxx haben Sie auf S in der Sendung "F" um xx:xx Uhr einen Beitrag ausgestrahlt, in dem ich, M, vorkomme.
(1)
In der Berichterstattung heißt es, ich sei Berufsschüler.
Hierzu stelle ich fest:
ich bin kein Berufsschüler, sondern mache gerade meine Abiturprüfung.
(2)
Weiter heißt es in Bezug auf die E-Kandidatin X:
"Kurz darauf will eine ältere Dame ihr Online-Fan werden."
Anschließend kommt Frau X wie folgt zu Wort:
"Und da hab ich gedacht, ok mit der kannste ja mal schreiben, die ist vielleicht ganz in Ordnung. Ne und so hin und her geschrieben und dann irgendwann kam: "Ich muss dir was sagen." Ich so: Wie jetzt€ "Na ich bin gar nicht die." Ich so: Hä, wer biste denn dann, "Na ich bin der M"".
Hierzu stelle ich fest:
Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt gegenüber Frau X als andere Person ausgegeben, um sie so zu kontaktieren. Ich habe sie ausschließlich über mein Facebook-Profil, das meinen eigenen Namen trägt, kontaktiert.
(3)
Weiter heißt es:
"In dem Anti-X Internetvideo wird die xjährige nicht nur als Nutte beschimpft, vielmehr legt das Video nahe, die angehende Friseurin aus dem F würde im G Rotlichtmilieu als Prostituierte arbeiten.
Weiter heißt es:
"Was sagt der Mann, der nach eigenen Angaben zu mindestens 14 Ekandidaten Kontakt gesucht hat, zu den Videos, die X und andere Ebewerber verunglimpfen€"
Anschließend werde ich von einem S-Reporter gefragt:
"Sie haben ja viele Z-Videos auch eingestellt€"
Darauf antworte ich:
"8, 9 Videos sind das. Ist das verboten€"
Anschließend äußert X:
"Jetzt wird es immer schlimmer, jetzt schreiben nicht schon echt 100 Leute darauf an, dass sich in G als Nutte arbeite."
Daraufhin äußere ich:
"Ich hab nur die Wahrheit geschrieben."
Durch diese Berichterstattung wird der Eindruck erweckt, ich hätte auf der Internet-Plattform "Z" ein Video über X veröffentlicht, in dem diese als Nutte bezeichnet wird.
Weiter wird der Eindruck erweckt, ich würde bestätigen, Videos über E- Kandidaten auf der Internet-Plattform Z veröffentlicht und Frau X als Nutte bezeichnet zu haben.
Hierzu stelle ich fest:
Ich habe weder auf der Plattform Z noch an anderer Stelle, ein Video veröffentlicht, in dem Frau X als Nutte bezeichnet wird.
S hat meine Aussagen in einen anderen Kontext gesetzt.
Meine Aussage in Bezug auf meine Z- Videos "8, 9 Videos sind das. Ist das verboten€" bezog sich nicht auf Videos über E-Kandidaten. Ich habe auf Z keine Videos über E-Kandidaten veröffentlicht.
Eine Aussage "Ich hab nur die Wahrheit geschrieben." Bezog sich auf die Berichterstattung in meinem E-Internet-Blog. Ich habe weder dort noch sonst wo jemals behauptet, dass Frau X als Prostituierte arbeitet oder gearbeitet hat.
(4)
Weiter kommt Frau E2 in der Berichterstattung zu Wort und behauptet, dass ich Dinge über sie im Internet erzählen würde, die nicht stimmten.
Hierzu stelle ich fest:
Ich habe niemals Unwahrheiten über Frau E2 verbreitet.
(5)
Weiter heißt es in der Berichterstattung:
Für E2 die wohl noch schlimmere Lüge, angeblich seien der xx -jährige und die schöne xxjährige ein Paar gewesen."
Anschließend komme ich wie folgt zu Wort:
"Ich habe alles so in dem Entry rein geschrieben - So wie es ist, ist es auch."
Anschließend kommt Frau E2 zu Wort:
"Meines Wissens waren wir nicht zusammen."
Durch diese Berichterstattung wird der Eindruck erweckt, ich würde bestätigen, behauptet zu haben, mit Frau E2 zusammen gewesen zu sein.
Hierzu stelle ich fest:
S hat meine Aussage in einen anderen Kontext gesetzt. Meine Äußerung bezog sich auf eine Frage, die nichts mit Frau E2 zu tun hatte. Ich habe niemals behauptet, mit Frau E2 zusammen gewesen zu sein.
Berlin, den xx.xx.xxxx
Hilfsweise stützt der Antragsteller sein Begehren auf die vier weiteren mit Schreiben vom 05.04.2013 zugeleiteten Gegendarstellungsvarianten, wobei der Hauptantrag und der zweite Hilfsantrag im Gegensatz zu dem ersten und dritten Hilfsantrag zweimal den Satz "S hat meine Aussagen in einen anderen Kontext gesetzt" enthalten. Ferner geben der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag die Äußerungen von Frau X in wörtlicher Rede wieder, während der zweite und dritte Hilfsantrag diese in indirekter Rede wiedergeben.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war gemäß §§ 119, 114 ZPO zurückzuweisen, weil die seitens des Antragstellers beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 08.05.2013, 28 O 121/13, keine Aussicht auf Erfolg hat.
Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO. Insbesondere hält das Urteil auch den in dem Entwurf der Berufungsbegründung des Antragstellers vorgebrachten Einwänden stand.
Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Gegendarstellung nicht zusteht. Das Gegendarstellungsverlangen ist hinsichtlich der Punkte (2) bis (4) nicht unverzüglich erfolgt. Im Übrigen scheitert der Gegendarstellungsanspruch, weil es an einem berechtigten Interesse des Antragstellers an der Gegendarstellung fehlt.
1.
Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass die dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Grunde liegenden Gegendarstellungsverlangen vom 19.03.2013 bzw. 05.04.2013 nicht mehr unverzüglich erfolgt sind, weil sie der Antragsgegnerin erst mehr als 14 Tage nach der vollständigen Kenntnis des Antragstellers vom Inhalt des Beitrages zugeleitet worden sind.
a)
Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern" i.S.d. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, wobei dies anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls ohne Bindung an eine starre Frist zu beurteilen ist. Für die gebotene Einzelfallentscheidung ist einerseits das Interesse des Betroffenen an einer angemessenen Überlegungsfrist zu berücksichtigen, andererseits das Interesse der Medien an der Aktualität ihres Inhalts. Bedeutung hat in diesem Zusammenhang auch, in welchen Intervallen die betreffende Sendung ausgestrahlt wird (vgl. OLG Stuttgart, ZUM 2000, 773 ff.). Soweit das Landgericht insbesondere im Hinblick auf die tägliche Ausstrahlung der Sendung "F" eine Frist von zwei Wochen ab Kenntnis von dem gesamten Inhalt des Beitrages als angemessene Frist angenommen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen der Kammer auf den Seiten 9 und 10 der erstinstanzlichen Entscheidung wird Bezug genommen.
b)
Zunächst bestehen schon Bedenken, ob die der Antragsgegnerin am 19.03.2013 und 05.04.2013 zugeleiteten Gegendarstellungsverlangen rechtzeitig erfolgt sind, weil sie erst 11 Tage nach dem Hinweis des Gerichts vom 08.03.2013 erfolgt sind. Dies - und damit auch die Frage, welchen Inhalt der Hinweis der Kammer bezüglich der Dauer der Frist hatte - kann aber dahinstehen, da die Gegendarstellungsverlangen vom 19.03.2013 bzw. 05.04.2013 jedenfalls deshalb nicht fristgerecht waren, weil die Frist durch die vorangegangenen Gegendarstellungsverlangen des Antragstellers vom 25.02.2013 (und 20.02.2013) nicht gewahrt worden ist.
Zwar ist dem Betroffenen grundsätzlich die Möglichkeit einzuräumen, sein Gegendarstellungsverlangen ohne Rechtsverlust zu überarbeiten, sofern alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen unverzüglich ergriffen werden, insbesondere die jeweilige neue Fassung für sich betrachtet unverzüglich nach der Zurückweisung zugeleitet wird. Allerdings entschuldigt dies die dadurch eintretende Zeitverzögerung nach zutreffender Ansicht jedenfalls dann nicht, wenn die Erstfassung inhaltlich an groben, ohne weiteres erkennbaren Mängeln leidet und der Betroffene die zunächst übersandte Gegendarstellung daher vernünftigerweise nicht für zulässig halten konnte (vgl. OLG Stuttgart, AfP 2006, 252 ff.; OLG München, AfP 1988, 373; OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 23; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 5. Kap., Rd. 45).
aa)
Bedenken gegen die Zulässigkeit des Gegendarstellungsverlangens des Antragstellers vom 25.02.2013 ergeben sich schon im Hinblick auf die Anzahl der alternativ an die Antragsgegnerin gerichteten Gegendarstellungsverlangen.
Unter Berücksichtigung der im Schreiben vom 20.02.2013 noch verlangten Gegendarstellungsvarianten, die ebenfalls alternativ zu den im Schreiben vom 25.02.2013 verlangten fünf Varianten gelten sollten, gab es eine Vielzahl alternativ verlangter Gegendarstellungen, die inhaltlich erheblich voneinander abweichen, insbesondere bei wechselndem Inhalt auch eine unterschiedliche Anzahl an Entgegnungen beinhalten. Diese Vorgehensweise erscheint im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Gegendarstellungsverlangens bedenklich. Durch das Rechtsinstitut des Gegendarstellungsanspruchs soll - als ausgleichendes Gegengewicht zur verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit der Medien - erreicht werden, dass der durch eine Veröffentlichung Betroffene in eigener Sache vor dem gleichen Forum der Öffentlichkeit zu Wort kommt, an das sich die Presse wendet. Der Anspruch dient sowohl dem Schutzinteresse der Betroffenen gegenüber den großen Einflussmöglichkeiten der modernen Presse auf die öffentliche Meinungsbildung als auch dem öffentlichen Interesse an sachlich richtiger Informationserteilung (OLG München, NJW-RR 1999, 386 ff.; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 1. Kap., Rd. 14, 2. Kap., Rn. 1). Vor diesem Hintergrund sind die rechtlichen Voraussetzungen des Gegendarstellungsanspruchs bewusst einfach und förmlich gehalten worden (vgl. OLG München, NJW-RR 1999, 386 ff.; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 1. Kap., Rd. 14, 2. Kap. Rn. 1). Dem wird das Vorgehen des Antragstellers nicht gerecht. Auch wenn im Rahmen von gerichtlichen Verfahren im Hinblick auf die durch das "B"-Prinzip bestehenden Schwierigkeiten Hilfsanträge üblich sind, bestehen Bedenken, diese Schwierigkeiten schon im Vorfeld in dieser Form auf den Anspruchsverpflichteten abzuwälzen.
bb)
Indessen kommt es darauf vorliegend nicht an, denn entgegen dem Vorbringen des Antragstellers in der Berufungsbegründung leidet das Gegendarstellungsverlangen des Antragstellers vom 25.02.2013 betreffend die in dem Hauptantrag enthaltenen Punkte (2) bis (4) jedenfalls deshalb an groben Mängeln, weil Teile des Beitrages sinnentstellend bzw. irreführend wiedergegeben werden.
Zum einen versteht der Durchschnittsrezipient die in allen Varianten vom 25.02.2013 enthaltenen Passagen betreffend die Behauptung, der Antragsteller habe sich im Internet als ältere Dame ausgegeben und der Antragsteller habe Unwahrheiten über Frau E2 verbreitet, aufgrund der Formulierung des Gegendarstellungstextes - "In der Berichterstattung heißt es ..." - dahingehend, dass die betreffenden Teile der Erstmitteilung Behauptungen der Redaktion oder des Verfassers enthalten. Tatsächlich handelt es sich bei diesen beanstandeten Behauptungen, wie nunmehr aus dem streitgegenständlichen Antrag auch ersichtlich, um Inhalte aus in dem Bericht wiedergegebenen Interviewausschnitten mit den Kandidaten X und E2, also um wiedergegebene Äußerungen Dritter. Wird die beanstandete Äußerung Dritter so wiedergegeben, als handele es sich um Behauptungen der Redaktion oder des Verfassers, ist die Gegendarstellung sinnentstellend und irreführend und damit unzulässig (Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 5. Kap., Rd. 212). Zwar ist im Falle einer Wiederholung der beanstandeten Äußerung in der Gegendarstellung nicht zwingend erforderlich, dass diese wörtlich wiedergegeben werden. Erforderlich ist aber mindestens, dass die Gegendarstellung ihrem Wortlaut nach deutlich macht, dass es sich nicht um eine eigene Behauptung der Redaktion handelt (vgl. OLG Dresden ZUM-RD 2007, 117 ff.). Dem wird das Gegendarstellungsverlangen vom 25.02.2013 nicht gerecht, denn dieses trennt in keiner der insgesamt fünf inhaltlich voneinander abweichenden alternativ verlangten Gegendarstellungen zwischen Äußerungen der Redaktion oder des Verfassers und in dem Beitrag wiedergegebenen Äußerungen Dritter.
Soweit der Antragsteller geltend macht, mangels hinreichender Distanzierung handele es sich gar nicht um eine Drittäußerung, kann dies nicht überzeugen. Unabhängig von der Frage, ob eine hinreichende Distanzierung vorliegt, lässt der Einwand berücksichtigt, dass der Gegendarstellungsanspruch im Hinblick auf dessen weitgehende Schutzfunktion grundsätzlich auch dann besteht, wenn nur Behauptungen Dritter wiedergegeben werden. Da durch dieses weitgehende Recht auf Abdruck einer Gegendarstellung die in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Pressefreiheit berührt wird, besteht im Gegenzug das Erfordernis, eine von den Medien nur zitierte Äußerung im Wortlaut der Gegendarstellung deutlich zu machen. Anderenfalls droht die Gefahr, dass dem Anspruchsverpflichteten in einer mit der Pressefreiheit nicht zu vereinbarenden Weise Behauptungen als eigene zugeschrieben werden, die er nicht aufgestellt hat (OLG Dresden ZUM-RD 2007, 217 ff.).
Irreführend ist das Gegendarstellungsverlangen vom 25.02.2013 auch insoweit, als der Durchschnittsrezipient die ebenfalls in allen Varianten enthaltenen Passagen über ein ins Internet gesetztes Video, nach dem Frau X als Prostituierte gearbeitet haben soll, und die Behauptung, er sei mit Frau E2 zusammen gewesen, aufgrund der Formulierung dahingehend versteht, dass die beanstandeten Behauptungen in dem Beitrag ausdrücklich aufgestellt werden. Tatsächlich wendet sich der Antragsteller - wie nunmehr aus dem streitgegenständlichen Antrag auch ersichtlich - gegen einen durch den Bericht vermittelten Eindruck. Will der Anspruchsberechtigte einem mit der Erstmitteilung erweckten Eindruck entgegentreten, muss dies indessen in einer entsprechenden Formulierung der begehrten Gegendarstellung zum Ausdruck kommen (vgl. OLG Düsseldorf, AfP 2008, 83 ff.; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 5. Kap., Rd. 134). Daher wäre es erforderlich gewesen, in der Gegendarstellung konkret zu bezeichnen, auf welche einzelnen Behauptungen dieser Eindruck gestützt wird (vgl. OLG Stuttgart, ZUM 2000, 773 ff.). Dem werden die entsprechenden Passagen in den Gegendarstellungsverlangen vom 25.02.2013 nicht gerecht, zumal dem Bericht der Antragsgegnerin nach der dortigen Formulierung zu entnehmen sein soll, der Antragsteller habe sich in dem betreffenden Video selbst so geäußert, was dem Beitrag indessen nicht zu entnehmen ist.
Diese dargelegte sinnentstellende Wiedergabe der Erstmitteilung, die sich in allen mit Schreiben vom 25.02.2013 übermittelten Gegendarstellungsvarianten findet, stellt einen grundlegenden Mangel dar. Angesichts der weitreichenden Folgen für den Anspruchsgegner, der verpflichtet ist, eigene Darstellungen des Betroffenen unabhängig von einer Ehrverletzung und grundsätzlich ohne einen Nachweis der Unwahrheit der Erstmitteilung und der Wahrheit der Gegendarstellung zu veröffentlichen, unterliegt die Gegendarstellung zu Recht dem Grundsatz des Formstrenge, indem sie gewissen Formalien und inhaltlichen Anforderungen genügen muss (vgl. Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 5. Kap., Rd. 31). Von dem Anspruchsberechtigten ist zu erwarten, dass er sich mit der gebotenen Sorgfalt bemüht, den Anforderungen an eine Gegendarstellung gerecht zu werden (vgl. OLG Stuttgart, AfP 2006, 252 ff.). Zwar kann im Hinblick auf die bei der Abfassung einer Gegendarstellung bestehenden Schwierigkeiten ein schuldhaftes Zögern kaum mit jeglichem bei einer Ex post-Betrachtung feststellbaren Mangel der Erstfassung begründet werden, da dann eine Nachbesserung ohne eine erhebliche Rechtsverkürzung praktisch kaum noch möglich sein dürfte (vgl. OLG Hamburg, AfP 1981, 410 f.). Indessen wird eine hinsichtlich der Urheberschaft einer Behauptung irreführende Gegendarstellung im Hinblick auf die im Rahmen des Persönlichkeitsschutzrechtes geläufige Unterscheidung zwischen eigenen Äußerungen und der Wiedergabe von Äußerungen Dritter keinesfalls den inhaltlichen Anforderungen an eine Gegendarstellung gerecht. Gleiches gilt für eine nicht zwischen ausdrücklichen Behauptungen und einem vermittelten Eindruck unterscheidende Gegendarstellung. Insbesondere ist das schützenswerte Interesse des Anspruchsgegners bei der Wiedergabe der beanstandeten Erstmitteilung für den Anspruchsberechtigten unschwer ersichtlich. Soweit der Antragsteller sich auf die Entscheidung des OLG Koblenz vom 06.05.1997 (NJW-RR 1998, 23 ff.) beruft, steht diese der Ansicht des Senates schon deshalb nicht entgegen, weil es dort um eine irreführende Erwiderung, nicht aber um eine irreführende Wiedergabe der Erstmitteilung geht, und die zutreffende Wiedergabe der Erstmitteilung, die für den Anspruchsgegner unerlässlich ist, bereitet dem Betroffenen weniger Schwierigkeiten als eine zulässige Entgegnung.
c)
Auf die weiteren vom Landgericht aufgeführten Mängel kommt es nicht an, ebenso wenig auf die Frage, ob bei einer mehrere Entgegnungen umfassenden Gegendarstellung - wie der Antragsteller in seinem Entwurf der Berufungsbegründung geltend macht - jede beanstandete Passage der Erstmitteilung einzeln auf ihre Fehlerhaftigkeit zu überprüfen ist, oder ein grober Mangel im Hinblick auf das im Gegendarstellungsrecht geltende "B"-Prinzip im Falle einer Nachbesserung nach Ablauf der Frist auch ein schuldhaftes Zögern hinsichtlich der übrigen begründet.
Das Gegendarstellungsverlangen vom 25.02.2013 war hinsichtlich der mit den Punkten (2) bis (5) geltend gemachten Beanstandungen mit den oben genannten groben Mängeln behaftet, die jedenfalls hinsichtlich dieser Punkte ausschließen, dass durch dieses Gegendarstellungsverlangen die 14tägige Frist eingehalten wurde. Hinsichtlich der weiteren Entgegnung des Antragstellers zu Punkt (1), er sei nicht Berufsschüler, sondern mache seine Abiturprüfung, kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Formulierungen insoweit von einer unverzüglichen Geltendmachung auszugehen ist, denn ein Gegendarstellungsanspruch des Antragstellers kommt mangels Fehlens des dafür grundsätzlich erforderlichen rechtlichen Interesses nicht in Betracht.
Wie bei jedem anderen privatrechtlichen Anspruch endet auch das Recht auf Gegendarstellung als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens an der Grenze des Rechtsmissbrauchs (vgl. OLG München, NJW-RR 1999, 386 ff.). Vor diesem Hintergrund besteht kein Anspruch auf Gegendarstellung im Falle der Belanglosigkeit der Erstmitteilung (vgl. Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 5. Kap., Rd. 189). Zwar wird im Rahmen der Gegendarstellung auch das reine Selbstverständnis des Betroffenen geschützt. Da der Gegendarstellungsanspruch dem Schutz der Persönlichkeit dient, kommt eine Gegendarstellung aber dann nicht in Betracht, wenn es um Tatsachenbehauptungen geht, die sich nicht in nennenswerter Weise auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auswirken können (vgl. OLG Düsseldorf, AfP 2008, 83 ff.). Daher muss die beanstandete Behauptung ebenso wie die Entgegnung für einen unbefangenen Dritten nachvollziehbar von einigem Gewicht sein und darf nicht im Hinblick auf den Kern der eigentlichen Mitteilung eine völlig untergeordnete Rolle ohne besonderen Informationswert spielen (Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 5. Kap., Rd. 189). Letzteres ist indessen hier betreffend die Entgegnung zu Ziffer (1) der Fall. Vor dem Hintergrund des Inhaltes des Berichtes kommt es auf die Frage, welche Art Schulabschluss der Antragsteller anstrebt, in keiner Weise an.
2.
Unabhängig davon, dass das streitgegenständliche Gegendarstellungsverlangen des Antragstellers betreffend die Entgegnungen zu Ziffer (2) bis (4) schon nicht unverzüglich erfolgte, bestehen darüber hinaus insoweit auch Bedenken hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen eines Gegendarstellungsanspruchs.
a)
Bei der Entgegnung betreffend das Auftreten im Internet unter falschem Namen dürfte ebenfalls ein berechtigtes Interesse an einer Gegendarstellung fehlen, weil die beanstandete Behauptung für einen unbefangenen Dritten kein hinreichendes Gewicht hat. Die Verwendung eines Pseudonyms ist im Internet, auch im Zusammenhang mit der Kontaktaufnahme über soziale Netzwerke, üblich. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Gesetzgeber die Verwendung vom Pseudonymen berücksichtigt, vgl. § 13 Abs. 7 TMG.
b)
Auch soweit das Gegendarstellungsverlangen das Video der Kandidatin X mit der Bezeichnung "Nutte" betrifft, dürfte das erforderliche berechtigte Interesse des Antragstellers fehlen. Dazu führt das Landgericht zutreffend aus, dass die von dem Antragsteller begehrte Richtigstellung schon hinreichend in dem Beitrag selbst enthalten ist. In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass der Antragsteller bestreitet, das Video ins Internet gestellt zu haben. In einem solchen Fall besteht kein gerechtfertigter Anlass, durch eine Gegendarstellung noch selbst zu Wort zu kommen, weil im Rahmen der Gegendarstellung - vom Fall der offensichtlichen Unwahrheit abgesehen - grundsätzlich keine Prüfung des Wahrheitsgehaltes von Erstmitteilung und Entgegnung erfolgt, und daher betreffend die begehrte Entgegnung auch keine Vermutung der Wahrheit spricht (vgl. Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Auflage, 2010, 5. Kap., Rd. 209).
c)
Bedenken bestehen auch, soweit das Gegendarstellungsverlangen die Äußerung von Frau E2 betrifft, der Antragsteller würde Dinge über sie erzählen, die nicht stimmten. Bei dieser Äußerung dürfte es sich um eine Meinungsäußerung handeln. Der Äußerung ist nicht zu entnehmen, was der Antragsteller über Frau E2 erzählt haben soll, womit dies gerade auch Meinungsäußerungen gewesen sein können, bei denen die Beanstandung, dass diese nicht stimmten, ebenfalls eine Meinungsäußerung wäre.
d)
Die Entgegnung des Antragstellers betreffend die vermeintliche Beziehung zu Frau E2 dürfte unklar bzw. widersprüchlich sein. Der Antragsteller rügt den Eindruck, er selbst würde in dem Beitrag bestätigen, mit Frau E2 zusammen gewesen zu sein. Dies lässt sich dem Beitrag indessen so nicht entnehmen. Sofern es dem Antragsteller darum geht, klarzustellen, dass er nie behauptet hat, eine Beziehung mit Frau E2 gehabt zu haben, dürfte dies eine Entgegnung auf die Behauptung der Kandidatin darstellen.
3.
Ob ein Verstoß der Kammer gegen die Hinweispflicht nach § 139 ZPO vorliegt kann dahinstehen, da die Entscheidung nach den Ausführungen des Antragstellers im Entwurf der Berufungsbegründung nicht auf einem Verstoß gegen die Hinweispflicht beruht.
Der Antragsteller hat in dem Entwurf weder neue Tatsachen vorgetragen, die zu einem vom erstinstanzlichen Urteil abweichenden Ergebnis führen könnten, noch ergibt sich aus den rechtlichen Ausführungen, dass das Urteil fehlerhaft i.S.d. § 513 ZPO war.
OLG Köln:
Beschluss v. 25.07.2013
Az: 15 U 87/13
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