Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2000
Aktenzeichen: 15 W (pat) 17/98
(BPatG: Beschluss v. 27.04.2000, Az.: 15 W (pat) 17/98)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Auf die am 2. April 1984 eingereichte Patentanmeldung P 34 12 256.7-43 hat das Deutsche Patentamt ein Patent mit der Bezeichnung
"Beschichtungsmasse"
erteilt. Die Patenterteilung wurde am 28. September 1995 veröffentlicht.
Nach Prüfung der erhobenen beiden Einsprüche der H... GmbH und der B... Aktiengesellschaft wurde das Patent mit Beschluß der Patentabteilung 43 des Deutschen Patentamts vom 3. Dezember 1997 aufrechterhalten.
Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 bis 4 der deutschen Patentschrift 34 12 256 mit folgendem Wortlaut zugrunde:
"1. Beschichtungsmasse, enthaltend als Harzträger
(A) ein Melaminharz mit einem durch Gelpermeationschromatographie bestimmten, gewichtsmittleren Molekulargewicht (MW) von 6000 bis 12 000, das als funktionelle Gruppe Imino-, Methylol- und Alkoxymethylolgruppen mit bis zu 4 Kohlenstoffatomen im Alkylteil aufweist, wobei, wenn man die durchschnittliche Zahl an funktionellen Gruppen pro Triazinkern zugrundelegt, die Summe aus Imino- und Methylolgruppen 2 bis 2,5, die Anzahl an Alkoxymethylolgruppen mindestens 2,0 und das Verhältnis der Anzahl an Methylolgruppen zu der Anzahl an Iminogruppen 1,0 bis 2,5 betragen und
(B) ein vernetzbares Harz mit funktionellen Gruppen, die mit denjenigen des Melaminharzes reagieren können, wobei das Feststoff-Gewichtsverhältnis von Melaminharz (A) zu dem Harz (B) 5/95 bis 40/60 beträgt.
2. Beschichtungsmasse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Alkoxymethylolgruppe eine Butyloxymethylolgruppe ist.
3. Beschichtungsmasse nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Harz (b) ausgewählt ist unter einem Alkyd-, Polyester-, Acryl-, Epoxy-, Polyurethan-, Polyamid-, Polycarbonatharz oder deren Mischungen.
4. Beschichtungsmasse nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Harz (B) eine Säurezahl von 2 bis 50 besitzt, die auf eine im Harz enthaltene Polycarbonsäure zurückzuführen ist, welche in dem im Harz vorliegenden Zustand bei der nichtwäßrigen, potentiometrischen Titration ein Halbstufenpotential von - 300 mV aufweist."
Die Aufrechterhaltung des Patents wurde damit begründet, daß die beanspruchte Beschichtungsmasse so deutlich und vollständig offenbart sei, daß die Erfindung ausgeführt werden könne. Der auf dem Lacksektor tätige Fachmann habe in Kenntnis der in der Patentschrift angeführten Analysenmethoden das Molekulargewicht, den Gehalt an Stickstoff, den Gesamtgehalt an gebundenem Formaldehyd, die Hydroxymethylgruppen und die Alkoxygruppen und damit auch die durchschnittliche Anzahl an Hydroxymethylgruppen und Alkoxygruppen pro Triazinring feststellen und in Kenntnis dieser Daten durch Berechnung die Anzahl der Iminogruppen pro Triazingruppe im Melaminharz bestimmen können, auch ohne daß für letztere in der Patentschrift eine Bestimmungsmethode angegeben sei. Ferner sei die beanspruchte Masse im Hinblick auf den aus den vorveröffentlichten Entgegenhaltungen Technisches Merkblatt der BASF AG ¨Luwipal 010, 011, 012, 013, Mai 1972, und Technisches Merkblatt der BASF AG ¨Luwipal 015, Mai 1977, bekannten Stand der Technik neu und beruhe demgegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gegen diesen Beschluß hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung im wesentlichen Folgendes vorgetragen. In der Patentschrift sei keine Methode angegeben, mit der der Gehalt an Iminogruppen pro Triazinkern im Melaminharz analytisch bestimmt bzw anhand der nach dort angegebenen Analysenmethoden festgestellten übrigen Analysenwerte rechnerisch ermittelt werden könne. Die beanspruchte Lehre sei daher nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann die Erfindung ausführen könne. Die von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 25. August 1997 angegebene Rechenmethode zur Bestimmung der Anzahl an Iminogruppen pro Triazinring habe für den Fachmann nicht auf der Hand gelegen, so daß er auf diese Methode nicht gekommen wäre. Wie anhand der überreichten Vernetzungsberechnung an Hand eines Molekülmodells gezeigt werde, sei diese Methode zur Bestimmung der Iminogruppenzahl bei Melaminharzen mit zu Ringen geschlossenen Vernetzungen nicht brauchbar. Auch wenn man davon ausgehe, daß Melaminharze solche Vernetzungsringe allenfalls in vernachlässigbar geringem Umfang aufwiesen, und einzuräumen sei, daß die einzelnen Gleichungen dieser Rechenmethode der Patentinhaberin stimmten, habe der Fachmann daher an die Anwendung dieser Methode nicht gedacht. Zudem erlaube diese komplizierte Rechenmethode mit 5 Gleichungen keine genaue Berechnung der Anzahl an Iminogruppen. Bereits die Bestimmung von M nach der Gleichung M = 14 x 6/(N/100) (1) sei mit großen Fehlern behaftet, da hierzu der prozentuale Stickstoffgehalt N am Feststoff bestimmt werden müsse, beim Einengen der Lösung des Melaminharzes aber weitere, das Molgewicht des Harzes ändernde Kondensationen stattfänden. Die Bestimmung des zahlenmittleren Molekulargewichts Mn in Gleichung (2) erfolge durch Gelchromatographie nach einer Relativmethode und sei daher sehr ungenau. Damit sei aber der nach der Gleichung Pn = Mn/M (2) ermittelbare Wert des Polymerisationsgrades mit großen Fehlern behaftet. Auch mit dieser Rechenmethode sei daher eine genaue Bestimmung der Anzahl an Iminogruppen pro Triazinring nicht möglich. Aus dem Technischen Merkblatt der BASF AG ¨Luwipal 010, 011, 012, 013, Mai 1972, sei bekannt gewesen, daß das Melamin-Formaldehydharz Luwipal 010 in Kombination mit Alkydharzen, Acrylatharzen und Epoxidharzen bei niedrigen Temperaturen von 80 bis 120¡C eingebrannt werden könne. Luwipal 010 weise ein gewichtsmittleres Molekulargewicht von 9400 auf, das in dem für das Melaminharz der beanspruchten Beschichtungsmasse angegebenen Bereich liege. Der einzige Unterschied zum vorliegend beanspruchten Gegenstand sei darin zu sehen, daß für das Luwipal 010 keine Angaben über die Anzahl der funktionellen Iminogruppen, Methylolgruppen und Alkoxygruppen pro Triazinkern gemacht seien. Im Hinblick auf diesen Stand der Technik, der bereits rascher und bei niedrigen Temperaturen härtende Beschichtungsmassen beschreibe, sei der vorliegend beanspruchte Gegenstand nicht erfinderisch.
Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen und insbesondere vorgetragen, daß sich die Fachwelt schon sehr lange mit Melaminharzen befasse. Die von der Patentinhaberin angegebene Berechnungsmethode für die Anzahl an Iminogruppen gehöre zum Wissen eines Fachmanns. Für die Bestimmung des Molekulargewichts Mn sei im Streitpatent eine genaue Methode angegeben. Außerdem sei dem Fachmann selbstverständlich gewesen, daß er zur Bestimmung von M anhand des prozentualen Stickstoffgehaltes N nach Gleichung (1) die Einengung einer Melaminharzlösung bei niedriger Temperatur und damit unter Bedingungen vornehmen müsse, bei denen eine Weiterreaktion des Melaminharzes vermieden werde. Der Iminogruppengehalt sei somit durchaus mit der erforderlichen Genauigkeit für den Fachmann feststellbar. Das Streitpatent offenbare daher den beanspruchten Gegenstand so deutlich, daß ein Fachmann die Erfindung ausführen könne. Dies zeigten auch die Beispiele in der Streitpatentschrift, die, wie Tabelle 2 zeige, hinsichtlich der Anzahl an funktionellen Gruppen pro Triazinkern und deren Mengen bzw Mengenverhältnissen nahezu den gesamten beanspruchten Bereich abdeckten. Durch die Beispiele und Vergleichsversuche in der Patentschrift werde gezeigt, daß nur Melaminharze mit den im Anspruch angegebenen Merkmalen hinsichtlich Molgewicht und der Anzahl an funktionellen Gruppen pro Triazinkern optimale Beschichtungsmassen ergäben. Der entgegengehaltene Stand der Technik mit Luwipal-Melaminharzen enthalte hierzu keine Angaben. Auch seien von der beweispflichtigen Einsprechenden keine Versuchsergebnisse vorgelegt worden, die belegen würden, daß Luwipaltypen und insbesondere Luwipal 010 diese Merkmale aufwiesen. Die beanspruchte Beschichtungsmasse sei somit neu und werde durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II Die Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen.
Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der geltenden erteilten Patentansprüche 1 bis 4 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen bzw herleitbar sind (vgl zu Anspruch 1 die Ansprüche 1 bis 3 iVm S 7, Z 17 bis 19 und zu den Ansprüchen 2 bis 4 die Ansprüche 3 bis 5).
Entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden offenbart die Streitpatentschrift nach Überzeugung des Senats im Patentanspruch 1 unter Berücksichtigung der Erläuterungen in der Beschreibung und der Beispiele sowie des dem Durchschnittsfachmann geläufigen allgemeinen Fachwissens die beanspruchte Beschichtungsmasse auch so deutlich und vollständig, daß diese von anderen Sachverständigen nachgearbeitet werden kann.
Als Durchschnittsfachmann ist hier ein Chemiker anzusehen, der mit der Herstellung und Analyse von Melaminharzen befaßt und vertraut ist und auch über die zur Auswertung von Analysenwerten erforderlichen Kenntnisse im Rechnen verfügt.
Diesem Fachmann wird durch Patentanspruch 1 die Lehre vermittelt, in der beanspruchten Beschichtungsmasse solche Melamin-Formaldehyd-Harze vorzusehen, die ein gewichtsmittleres Molekulargewicht von 6000 bis 12 000 aufweisen und bei denen die als funktionelle Gruppen anwesenden Imino-, Methylol-, und Alkoxymethylolgruppen mit bis zu 4 Kohlenstoffatomen in solchen Mengen und Mengenverhältnissen vorhanden sind, daß, wenn man die durchschnittliche Anzahl an funktionellen Gruppen pro Triazinkern zugrundelegt, die Summe aus Imino- und Methylolgruppen 2 bis 2,5, die Anzahl an Alkoxymethylolgruppen mindestens 2,0 unddas Verhältnis der Anzahl an Methylolgruppen zu der Anzahl an Iminogruppen 1,0 bis 2,5 betragen.
In der Streitpatentschrift sind Analysenmethoden angegeben, mit denen das Molekulargewicht, der Stickstoffgehalt, die freien Hydroxymethylgruppen und die Alkoxygruppen bestimmt werden können. Mit diesen Methoden ist die durchschnittliche Anzahl an Methylolgruppen und an Alkoxymethylolgruppen pro Triazinkern feststellbar. Dies wird von der Einsprechenden auch nicht bestritten.
Nach Auffassung der Einsprechenden ist der beanspruchte Gegenstand aber nicht ausreichend offenbart, weil keine Methode angegeben sei, mit der der Gehalt an Iminogruppen analytisch bestimmt oder anhand der übrigen Analysenwerte rechnerisch ermittelt werden könne. Auf die von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren angegebene Rechenmethode sei der Fachmann nicht gekommen. Diese Methode ergebe zudem wegen Ungenauigkeiten bei der Bestimmung der dieser Berechnung zugrundegelegten Werte des zahlenmittleren Molekulargewichtes Mn des Melaminharzes und des über den prozentualen Stickstoffgehalt N ermittelten mittleren Molekulargewichtes M pro Triazinkern keine genauen Werte. Bei ringförmigen Melaminharzen ergebe diese Methode falsche Werte.
Auch wenn in den ursprünglichen Unterlagen und der Streitpatentschrift keine direkte Bestimmungsmethode für die Iminogruppen genannt wurde, waren diese nach Ansicht des Senats für den Durchschnittsfachmann in Kenntnis der nach den dort angegebenen Methoden ermittelbaren Werte für Molgewicht, Stickstoffgehalt, freie Methylolgruppen sowie Alkoxygruppen und in Kenntnis der dort nach der dort zusätzlich angegebenen Methode zur Bestimmung des Gesamtgehaltes an gebundenem Formaldehyd ermittelten Werte unter Berücksichtigung seines Fachwissens über den Aufbau von Melaminharzen berechenbar. Melaminharze sind seit vielen Jahrzehnten hergestellte und angewandte und damit intensiv erforschte Produkte. Dem Fachmann ist daher geläufig, daß diese Harze geradkettig oder verzweigt aus über Methylen- und Methylenetherbrücken verknüpften, Methylolgruppen, Alkoxymethylolgruppen und Iminogruppen aufweisenden Melaminkernmonomereinheiten aufgebaut sind und keine oder allenfalls vernachlässigbar geringe ringförmige Polymergerüstanteile aufweisen. Er weiß auch, daß jede Triazinkernmonomereinheit des Melaminharzes einschließlich der Verknüpfungssubstituenten insgesamt 6 Substituenten trägt, daß also die Summe der pro Triazinkern vorhandenen Anzahl an freien Methylolgruppen, an Alkoxymethylolgruppen, an vernetzenden Methylen- und Methylenethergruppen und an Iminogruppen gleich 6 ist und sich somit der Iminogruppengehalt aus der Differenz von 6 minus der Summe der Anzahl an pro Triazinring vorhandenen Methylolgruppen, Alkoxymethylolgruppen und vernetzenden Methylengruppen und Methylenethergruppen errechnen läßt. Die Anzahl an pro Triazinring vorhandenen Methylolgruppen und Alkoxygruppen ist mit den im Streitpatent angegebenen Bestimmungsmethoden unstreitig feststellbar. Aber auch die zur Bestimmung des Iminogruppengehaltes außerdem erforderliche Anzahl an Methylen- und Methylenethergruppen pro Triazinkern war für den Fachmann feststellbar. So ist es dem Fachmann bekannt, daß sich der Vernetzungsgrad Pn bei solchen Polymeren aus dem zahlenmittleren Molekulargewicht Mn dividiert durch das mittlere Molekulargewicht M pro Triazinkern berechnen läßt und sich dann die Anzahl an Methylenbrücken und Methylenetherbrücken pro Triazinkern mathematisch einfach aus dem Quotienten (Pn-1)/Pn ergibt. Oder anders ausgedrückt: Bei zB 5 vorliegenden Triazinkernen ist die Anzahl der sie verbindenden Brücken um 1 geringer und damit gleich 4 und setzt sich zB aus 3 Methylenether- und 1 Methylenbrücke und sonst keinen anderen Brücken zusammen. Da in der Beschreibung des Streitpatents eine genaue Methode für die Bestimmung des Molekulargewichts des Melaminharzes durch Gelchromatographie angegeben ist, kann man damit auch das zahlenmittlere Molekulargewicht Mn entgegen der Befürchtung der Einsprechenden genau bestimmen. Außerdem ist in der Streitpatentschrift auch eine Methode zur Bestimmung des prozentualen Gehalts an Stickstoff N angegeben, sodaß man in Kenntnis der pro Triazinkern vorhandenen Anzahl von 6 Stickstoffatomen nach der Formel M = 14x6/(N/100) auch das mittlere Molekulargewicht M pro Triazinkern ermitteln kann. Dem Einwand der Einsprechenden, daß sich das mittlere Molekulargewicht pro Triazinkern auf diese Weise nicht genau ermitteln lasse, weil hierzu der Prozentgehalt an Stickstoff N am Feststoff bestimmt werden müsse, beim Eindampfen der Melaminharzlösung aber eine den Wert M verändernde Weiterreaktion erfolge, kann nicht gefolgt werden. Eine derartige unerwünschte Weiterreaktion des noch reaktive Gruppen aufweisenden Melaminharzes wird der Fachmann selbstverständlich in bekannter Weise durch schonendes Abdestillieren des Lösungsmittels bei niedriger Temperatur und vermindertem Druck vermeiden. Somit konnte der Fachmann anhand der Bestimmung von (Pn-1)/Pn die Anzahl an Vernetzungsbrücken feststellen, die der Summe aus der mittleren Anzahl an Methylenbrücken und der mittleren Anzahl an Methylenetherbrücken pro Triazinkern entspricht, dh (Pn-1)/Pn = Anzahl an Methylenbrücken pro Triazinkern + Anzahl an Methylenetherbrücken pro Triazinkern. Außerdem ist in der Streitpatentschrift auch eine Methode zur Bestimmung des Gesamtgehaltes an gebundenem Formaldehyd des Melaminharzes beschrieben und damit auch der pro Triazinkern vorhandene gebundene Formaldehyd bestimmbar. Dieser ist aber gleich der Summe der pro Triazinkern gebundenen Anzahl an freien Methylolgruppen + der Anzahl an Alkoxymethylolgruppen + der Anzahl an Methylengruppen + 2 mal der Anzahl an Methylenethergruppen. Damit waren die von der Patentinhaberin angegebenen Gleichungen und Zusammenhänge dem Fachmann durchaus zugänglich. Es lag daher für den Fachmann auf der Hand, aus den beiden zuletzt genannten Gleichungen mit den beiden zunächst noch unbekannten Werten der Anzahl an Methylengruppen pro Triazinring und der Anzahl an Methylenethergruppen pro Triazinring die genaue Anzahl an l=Methylengruppen und an m=Methylenethergruppen pro Triazinkern zu errechnen. Die Anzahl an i=Iminogruppen pro Triazinkern ergibt sich dann auf einfache Weise aus der von der Patentinhaberin angegebenen Gleichung (4), i=6-jk-2(l+m), mit j=Methylolgruppen und k=Alkoxymethylolgruppen jeweils pro Triazinkern.
Daß die Lehre des Streitpatents ausführbar ist, zeigen zudem auch die vielen Beispiele, deren Nacharbeitbarkeit von der Einsprechenden nicht in Abrede gestellt worden ist. In diesen Beispielen wird die Herstellung von Melaminharzen beschrieben und die für diese im Anspruch geforderten Werte angegeben. Schon durch Nacharbeiten dieser Beispiele, analytischrechnerisches Ermitteln dieser Werte und Vergleich mit den in den Beispielen angegebenen Werten hätte die Einsprechende feststellen können, daß die beanspruchte Lehre ausführbar ist. Die erfolgreiche Nacharbeitbarkeit des vorliegend beanspruchten Patentbegehrens ist somit für den hier zuständigen Fachmann aufgrund der Aussagen in den Ansprüchen und den in der Beschreibung angegebenen Bestimmungsmethoden und unter Berücksichtigung des diesem geläufigen Fachwissens ohne weiteres möglich.
Die Neuheit der Beschichtungsmasse des Patentanspruchs 1 ist anzuerkennen.
In den Entgegenhaltungen BASF AG, Technisches Merkblatt ¨Luwipal 010, 011, 012, 013, Mai 1972 (1) und BASF AG, Technisches Merkblatt ¨Luwipal 015, Mai 1977 (2) werden mit n-Butanol oder Isobutanol veretherte Melamin-Formaldehyd-Harze bzw ein mit Isobutanol verethertes Melamin-Formaldehyd-Harz beschrieben und ausgeführt, daß diese Melaminharze wesentlich rascher und bei niedrigeren Temperaturen oder kürzeren Einbrennzeiten eingebrannt werden können als normalhärtende Melaminharze, wobei ¨Luwipal 010 und ¨Luwipal 015 als besonders reaktiv angegeben werden. In diesen Veröffentlichungen wird auch die Anwendung und Verarbeitung dieser ¨Luwipal-Marken in Kombination mit Alkydharzen, Acrylatharzen und Epoxidharzen im Feststoffverhältnis 1:2 bis 1:9 herausgestellt und ausgeführt, daß diese Beschichtungsmassen für die Herstellung von hochglänzenden, harten und witterungsbeständigen Einbrennlacken bestimmt sind (vgl (1) S 1, li Sp, Abs 1, re Sp, Abs vor der Tabelle, S 2, li Sp, 2. vollst. Abs von unten und S 3, li Sp, Abs 1 und (2) S 1 li Sp, Abs 1, re Sp, le Abs und S 2, li Sp, 2. vollst. Abs). Über das Molekulargewicht der in diesen Beschichtungsmassen enthaltenen Melaminharze wird in diesen Druckschriften nichts gesagt. Nach den glaubhaften und von der Patentinhaberin nicht widerlegten Ausführungen der Einsprechenden, die diese Luwipal-Marken herstellt und vertreibt, hat ¨Luwipal 010 ein gewichtsmittleres Molekulargewicht Mw von 9400 und ¨Luwipal 015 ein Mw von 7700 und damit einen Mw-Wert, wie er auch bei den vorliegend beanspruchten Beschichtungsmassen für das Melaminharz gefordert wird. Über die Summe aus Imino- und Methylolgruppen, die Anzahl an Alkoxymethylolgruppen und das Verhältnis der Anzahl an Methylolgruppen zur Anzahl an Iminogruppen von ¨Luwipal 010 bzw ¨Luwipal 015 und damit der für die vorliegende Erfindung wesentlichen Merkmale werden weder in diesen Entgegenhaltungen irgendwelche Angaben gemacht, noch wurden hierzu von der beweispflichtigen Einsprechenden Analysenwerte vorgelegt. Selbst auf ausdrückliches Befragen durch den Senat, ob die Einsprechende nicht zumindest den problemlos ermittelbaren Alkoxywert dieser Luwipal-Marken bestimmt habe und entsprechende Werte nennen könne, konnte die Einsprechende diese Daten nicht angeben. Es ist daher davon auszugehen, daß die in den aus diesem Stand der Technik bekannten Beschichtungsmassen enthaltenen Melaminharze andere Mengen bzw Mengenverhältnisse an Iminogruppen, Methylolgruppen und Alkoxymethylolgruppen pro Triazinring aufweisen, als sie für den vorliegend beanspruchten Gegenstand als erfindungswesentlich gefordert sind.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, eine bei niedrigen Temperaturen um 100¡C härtbare Beschichtungsmasse bereitzustellen, bei der das Melaminharz mit den anderen Basisharzen gut verträglich ist und beim Einbrennen eine nur relativ geringe Temperaturabhängigkeit besitzt. Diese bei relativ niedriger Temperatur härtbare Beschichtungsmasse soll besonders gute Härtungseigenschaften und eine ausgezeichnete Zwischenschichthaftung aufweisen (vgl die Streitpatentschrift S 2, Z 25 bis 28, S 3, le Z bis S 4, Z 2 und S 3, Z 36 bis 41 sowie die Beispiele).
Gelöst wird diese Aufgabe durch die im Patentanspruch 1 beschriebene Beschichtungsmasse mit einem Melaminharz, das neben einem gewichtsmittleren Molekulargewicht innerhalb eines bestimmten Bereichs ganz bestimmte Bedingungen hinsichtlich der pro Triazinkern vorhandenen Anzahl an Iminogruppen, Methylolgruppen und Alkoxymethylolgruppen aufweisen muß.
Eine derartige Lösung wird durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
In den Entgegenhaltungen (1) und (2) werden Beschichtungsmassen mit den Melaminharzen ¨Luwipal 010 bzw ¨Luwipal 015 erwähnt, die gewichtsmittlere Molekulargewichte in dem für die in den vorliegend beanspruchten Beschichtungsmassen für die Melaminharze angegebenen Bereich aufweisen. Auch wird dort ausgesagt, daß diese Melamin-Formaldehyd-Harze rasch und bei niedrigen Temperaturen härtbar seien.
Der Auffassung der Einsprechenden, nach diesem Stand der Technik werde somit bereits die gleiche Aufgabe gelöst wie beim vorliegenden Patentbegehren, weshalb der Streitgegenstand gegenüber den bekannten Beschichtungsmassen aus ¨Luwipal 010 und einem anderen Basisharz bzw aus ¨Luwipal 015 und einem anderen Basisharz nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, kann nicht gefolgt werden.
So ist aus den Entgegenhaltungen (1) und (2) zu entnehmen, daß die Melaminharze ¨Luwipal 010 und ¨Luwipal 015 Probleme hinsichtlich ihrer Verträglichkeit mit bestimmten Basisharzen, insbesondere mit solchen aus der Gruppe der Acrylatharze bzw der Acrylatharze und der Epoxidharze, aufweisen. Dies beeinträchtigt jedoch bekanntlich die Härtungseigenschaften und die Zwischenschichthaftung (vgl die Streitpatentschrift S 3, Z 34 bis 37). Bereits insoweit wird die erfindungsgemäße Aufgabe durch diesen Stand der Technik nicht gelöst.
Außerdem gilt die Angabe in diesen Entgegenhaltungen, daß diese Luwipaltypen bei relativ niedrigen Temperaturen von 80 bis 120¡C ausgehärtet werden können, nicht allgemein, sondern nur in Kombination mit raschhärtenden Alkydharzen (vgl (1) S 3, li Sp, Abs 1, bzw (2) S 2, li Sp, 2. vollständiger Abs), wobei bei Massen aus ¨Luwipal 015 und hochreaktiven Alkydharzen zur Aushärtung bei niedriger Temperatur sogar ausdrücklich die Mitverwendung einer Säure zur Reaktionsbeschleunigung empfohlen wird (vgl (2) S 2, li Sp, 2. vollständiger Abs, le Satz). Demgegenüber werden in diesen Entgegenhaltungen für die Kombination dieser Melaminharztypen mit Acrylatharzen relativ hohe Einbrenntemperaturen von 120 bis 130¡C angegeben (vgl (1) S 3, li Sp, Abs 3 bzw (2), S 2, li Sp, 3. vollständiger Abs). Auch die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, Beschichtungsmassen zu schaffen, die mit jedem beliebigen in Kombination mit dem Melaminharz vorliegenden anderen Basisharz bei niedriger Temperatur härtbar sind, wird somit durch diesen Stand der Technik nicht gelöst.
In den Druckschriften (1) und (2) sind auch keine Angaben hinsichtlich der Anzahl an pro Triazinkern im Melaminharz enthaltenen Iminogruppen, Methylolgruppen und Alkoxymethylolgruppen vorhanden.
Daß für die Lösung der hier gestellten Aufgabe neben dem gewichtsmittleren Molekulargewicht gerade die im Patentanspruch 1 angegebenen Mengen und Mengenverhältnisse dieser funktionellen Gruppen pro Triazinkern im Melaminharz erforderlich sind, war somit in Kenntnis des Standes der Technik nicht vorherzusehen und ist überraschend.
Nach alledem ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so daß dieser Anspruch gewährbar ist.
Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4, die bevorzugte Ausführungsformen betreffen.
Kahr Deiß
Jordan Schroeter Pü
BPatG:
Beschluss v. 27.04.2000
Az: 15 W (pat) 17/98
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