Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2011
Aktenzeichen: 35 W (pat) 23/09

(BPatG: Beschluss v. 21.02.2011, Az.: 35 W (pat) 23/09)

Tenor

1.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 28. Juli 2005 eingetragenen Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "...", das im Wege der Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung 101 44 210 als Anmeldetag den 8. September 2001 erhalten hatte. Auf den Löschungsantrag der Antragstellerin vom 18. Juli 2006 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts (DPMA) mit einem am 17. Juni 2008 nach mündlicher Verhandlung verkündeten Beschluss das Gebrauchsmuster gelöscht und der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt. Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt, waren sowohl Antragstellerin als auch Antragsgegnerin von einem Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € ausgegangen.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragstellerin) hat eine Kostenrechnung in Höhe von 4.395,10 € eingereicht und beim DPMA eine entsprechende Kostenfestsetzung beantragt, wobei sie den entsprechenden Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € zu Grunde gelegt hat und u. a. einen Vergütungssatz des 1,3-fachen einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG sowie eine Terminsgebühr in Höhe des 1,2-fachen Satzes nach Nr. 3104 VV RVG geltend gemacht hat.

Mit Beschluss vom 26. Mai 2009 hat die Gebrauchsmusterabteilung I die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten des ersten Rechtszugs auf 3.679,60 € festgesetzt, wobei sie der Berechnung antragsgemäß einen Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € berücksichtigt und als Vergütung für das Verfahren als solches sowie für die durchgeführte mündliche Verhandlung den 2,0-fachen Satz einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angesetzt hat.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie wendet sich dagegen, dass die Abteilung als Vergütung den 2,0-fachen Satz einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angesetzt hat, den sie für unangemessen hoch hält. Sie weist darauf hin, dass nach dem Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG eine mehr als 1,3-fache Geschäftsgebühr nur bei einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit gefordert werden dürfe; bei dem vorliegend durchgeführten Löschungsverfahren habe es sich jedoch nicht um eine solche Tätigkeit gehandelt. Der angefochtene Beschluss nenne keine einschlägigen Gründe, die den erhöhten Gebührensatz rechtfertigten. Stattdessen habe die Abteilung eine Aufteilung des Zählers für das Verfahren als solches und für die mündliche Verhandlung vorgenommen, was jedoch in Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben des Gebührentatbestands Nr. 2300 VV RVG stehe.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und bei der Kostenfestsetzung für die Vertretung den 1,3-fachen Satz einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu Grunde zu legen.

Die Antragsstellerin und Beschwerdegegnerin ist den Ausführungen der Antragsgegnerin in allen Punkten entgegengetreten; sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten im Verfahren vor dem DPMA und im Beschwerdeverfahren verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, im vorliegenden Fall von der Erstattungsfähigkeit eines 2,0-fachen Satz einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auszugehen.

1.1. Bei einem Löschungsverfahren vor einer der Gebrauchsmusterabteilungen des DPMA handelt es sich trotz seiner gerichtsähnlichen Ausgestaltung um ein Verwaltungsverfahren (vgl. BVerfG GRUR 2003, 723 -"Rechtsprechungstätigkeit"; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 26 Rn. 4, 5). Die für die Vertretung in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren oder einem entsprechenden Verwaltungsverfahren verdiente Geschäftsgebühr richtet sich nach Nr. 2300 VV RVG. Dieser Gebührentatbestand umfasst auch die Vergütung für die Teilnahme an einer ggf. vor der Gebrauchsmusterabteilung durchzuführenden mündlichen Verhandlung, da hierfür eine gesonderte Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG nicht verdient wird (vgl. Senatsbeschluss vom 29. November 2010 -35 W (pat) 47/09 -). Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus der systematischen Stellung dieser Gebührenvorschriften. Der Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG findet sich in Teil 2 "Außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren" der Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG), Abschnitt 3 "Vertretung"; der Gebührentatbestand Nr. 3104 steht dagegen in Teil 3 "Zivilsachen, Verfahren der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten, ...und ähnliche Verfahren".

Die Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG erlaubt somit die Anhebung eines Gebührensatzes bis zum 2,5-fachen gerade auch deshalb, weil die Vertretung in einem Verwaltungsverfahren im Falle der Durchführung einer mündliche Verhandlung nebst Beweisaufnahme für den Anwalt zu einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit werden kann. Ebenfalls nach dem früher für das Verwaltungsverfahren einschlägigen § 118 BRAGebO erhielt der Anwalt fünf Zehntel bis zehn Zehntel der vollen Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, des Einreichens, Fertigens oder Unterzeichnens von Schriftsätzen oder Schreiben und des Entwerfens von Urkunden (Geschäftsgebühr) und eine weitere Gebühr für das Mitwirken bei mündlichen Verhandlungen oder Besprechungen über tatsächliche oder rechtliche Fragen, die von einem Gericht oder einer Behörde angeordnet oder im Einverständnis mit dem Auftraggeber vor einem Gericht oder einer Behörde, mit dem Gegner oder mit einem Dritten geführt wurden. Dies bedeutet, dass auch nach altem Recht für das Löschungsverfahren vor einer Gebrauchsmusterabteilung des DPMA zwei volle Gebühren vorgesehen waren.

1.2.

Auch in dem hier konkret entschiedenen Fall ist die für den Vertreter der Antragstellerin festgesetzte Vergütung mit einem 2,0-fachen Gebührensatz nicht zu beanstanden. Die für die Vertretung im Verwaltungsverfahren nach Nr. 2300 VV RVG verdiente Geschäftsgebühr ist im Normalfall in Höhe eines 1,3-fachen Satzes anzusetzen, der bei unterdurchschnittlich aufwendigen Fällen unterund bei überdurchschnittlich aufwendigen Fällen überschritten werden kann.

Nach § 14 Abs. 1 RVG erfolgt die Festsetzung der Gebühr nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommensund Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Im vorliegenden Fall betrug die Begründung des Löschungsantrags 9 Seiten und stützte sich auf 8 Entgegenhaltungen, wobei mit den Anlagen D4 bis D6 auch eine offenkundige Vorbenutzung ins Verfahren eingeführt worden war. Weiterhin hat der Vertreter der Antragstellerin an der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung teilgenommen, zu der auch der Vertreter der Antragsgegnerin erschienen war. Die Antragsgegnerin hat hierbei -wie in solchen Verfahren durchaus zu erwarten -ihr Gebrauchsmuster in der mündlichen Verhandlung mit neuen, geänderten Schutzansprüchen zu verteidigen versucht. Hieraus lässt sich eine im oberen Bereich des Durchschnitts liegende Tätigkeit herleiten, wobei ferner zu bedenken ist, dass die Gebrauchsmusterabteilung den bei schwierigen und aufwendigen Verfahren zur Verfügung stehenden Rahmen eines bis zu 2,5-fach erhöhten Gebührensatzes gar nicht ausgeschöpft hat. Insgesamt erscheint daher der von der Abteilung bei der Vergütung des Vertreters der Antragstellerin für das Betreiben des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens einschließlich der mündlichen Verhandlung gewählte 2,0-fachen Gebührensatz durchaus auf pflichtgemäßem Ermessen zu beruhen.

2.

Nach den Regelungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 GbmG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO, die auch bei Nebenentscheidungen in Löschungsverfahren anwendbar sind (vgl. Bühring, GebrMG, 7. Auflage, § 18 Rn. 90), hat die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin als Unterlegene die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

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Az: 35 W (pat) 23/09


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