Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Januar 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 148/03

(BPatG: Beschluss v. 31.01.2005, Az.: 30 W (pat) 148/03)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Februar 2003 aufgehoben.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung VISSIM für "Computersoftware; Durchführung von Schulungsveranstaltungen für Computersoftware; Erstellen von Programmen für die EDV".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Begründend ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die aus den im EDV-Bereich gebräuchlichen Kürzeln "Vis" und "Sim" zusammengesetzte Anmeldung in der Bedeutung "visuelle Simulation" lediglich beschreibend auf Eignung und Bestimmung der Waren und Dienstleistungen zur "sichtbaren Simulation" hinweise.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Mit näheren Ausführungen hält sie Schutzhindernisse, die die Anmeldung von der Eintragung ausschließen könnten, nicht für gegeben. Es handele sich bei der Anmeldung um eine einheitliche Phantasiebezeichnung, die nicht mit den Einzelbestandteilen "Vis" und "Sim" wahrgenommen werde. Aber auch für diese Kürzel ständen die von der Markenstelle genannten Bedeutungen nicht im Vordergrund; für die maßgeblichen Waren und Dienstleistungen ergäbe sich keine beschreibende Angabe. Verwendungsbeispiele aus dem Internet gingen auf die Anmelderin zurück, die die Marke schon seit 1992 benutze.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

An der angemeldeten Marke besteht kein Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG; denn es ist nicht ersichtlich, dass sie als konkrete Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren und Dienstleistungen dienen könnte.

Zwar besteht die Anmeldung rein formal betrachtet aus den Bestandteilen "VIS" und "SIM". Diese sind in Abkürzungsverzeichnissen aufgeführt. "Vis." oder "vis." hat danach ua die Bedeutung "visible", "visual" (= sichtbar, Seh..., Sicht..." (vgl Koblischke, Lexikon der Abkürzungen S 477); "Sim." oder "SIM" steht ua für "Simulation" (Koblischke aaO S 416; Bünting, Wörterbuch der Abkürzungen S 191; Schulze, Computerkürzel S 362). Es mag daher sein, dass VISSIM vielleicht als Hinweis auf eine bildwirksame Nachbildung realistischer Vorgänge mit Hilfe eines Computers durch entsprechende Software verstanden werden könnte.

Eine derartige Betrachtung wird hier aber der Marke in ihrer Gesamtheit nicht gerecht. Abgesehen davon, dass Abkürzungen als bloßen sprachlichen Hilfsmitteln nicht dieselbe Bedeutung wie der korrekten Wiedergabe des Fachausdrucks zu- kommt, sind jedenfalls nur solche Abkürzungen schutzunfähig, die aus sich heraus verständlich sind sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden können (vgl Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 8 Rdn 303 mwN). Eine analysierende Betrachtungsweise findet dabei allerdings nicht statt (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 293). Unter diesen Umständen fehlen hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür, dass in der angemeldeten Marke überhaupt noch die Bestandteile "VIS" und "SIM" ohne analysierende Betrachtung unschwer erkannt werden. Denn VISSIM erscheint vor allem als einheitliches Gesamtwort. Dies beruht darauf, dass bei geschlossener Schreibweise der Doppelkonsonant "SS" eine Verschmelzung der Einzelbestandteile bewirkt, die einer Zergliederung in "VIS" und "SIM" entgegensteht.

Eine beschreibende Bedeutung der Bestandteile "VIS" und "SIM" vermag hier damit ein Freihaltebedürfnis an der Gesamtmarke nicht zu begründen. Soweit im Internet der Begriff "VisSim" nachweisbar ist, werden durch die Schreibweise gerade die Einzelbestandteile des Wortes erkennbar, was, wie ausgeführt, bei der angemeldeten Marke nicht der Fall ist. Soweit im Internet die Bezeichnung "VISSIM" nachweisbar ist, hat die Anmelderin durch Vorlage von Unterlagen belegt, dass diese Verwendung markenmäßig in Verbindung mit den Produkten der Anmelderin erfolgt, die diese Bezeichnung seit langem verwendet. Eine darüber hinausgehende beschreibende Verwendung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsbereich hat der Senat nicht feststellen können.

Der Anmeldung VISSIM in der Gesamtheit ist kein eindeutiger Bedeutungsgehalt entnehmbar. Ihr kann demzufolge auch kein konkreter und unmittelbarer Aussagegehalt mit Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entnommen werden. Eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe der angemeldeten Bezeichnung iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG läßt sich damit nicht feststellen.

Da der angemeldeten Marke aus den dargelegten Gründen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann, fehlt VISSIM auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG (vgl ua BGH WRP 2003, 1429 11430 Cityservice mwN).

Zu beachten ist allerdings, dass sich der Schutzbereich Marke nach der konkreten Eigenprägung der Gesamtbezeichnung bestimmt und beschränkt, ohne dass ein hiervon losgelöster Schutz für einzelne Elemente oder auch die Abkürzungen "VIS" und "SIM" beansprucht werden kann und deshalb andere Mitbewerber nicht an der (beschreibenden) Verwendung einer Bezeichnung wie "VIS SIM" oder "VisSim" oder der einzelnen Markenelemente gehindert sind (vgl Ströbele/Hacker aaO § 8 Rdn 387 mwN).

Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu






BPatG:
Beschluss v. 31.01.2005
Az: 30 W (pat) 148/03


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