Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 29. Mai 2000
Aktenzeichen: AnwZ (B) 33/99
(BGH: Beschluss v. 29.05.2000, Az.: AnwZ (B) 33/99)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. Februar 1999 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß die Ablehnung des Antrags des Antragstellers auf Verleihung der Befugnis, die Bezeichnung "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" zu führen, im Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 1998 rechtswidrig war.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen und dem Antragsteller die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wurde am 6. Oktober 1995 durch Aushändigung der Urkunde zur Rechtsanwaltschaft zugelassen (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 BRAO). Er beantragte mit Schriftsatz vom 5. August 1998 bei der Antragsgegnerin, ihm die Befugnis zu verleihen, die Bezeichnung "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" zu führen. Am 9. November 1998 reichte der Antragsteller beim Anwaltsgerichtshof den Antrag ein, die Antragsgegnerin zu verpflichten, sein Gesuch vom 5. August 1998 zu bescheiden. Am 10. Dezember 1998 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen zweiten Antrag auf Bewilligung der Fachanwaltsbezeichnung. Am 21. Dezember 1998 hat die Antragsgegnerin den Antrag vom 5. August 1998 zurückgewiesen, weil er verfrüht gestellt worden sei.
Dagegen hat sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde zugelassen. Zwischenzeitlich hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung erteilt. Dieser begehrt mit der sofortigen Beschwerde die Feststellung, daß die Ablehnung des ersten Antrags rechtswidrig war.
II.
Die vom Anwaltsgerichtshof zugelassene sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 223 Abs. 3 BRAO); sie ist form- und fristgerecht erhoben worden und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Dadurch, daß die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Befugnis verliehen hat, die Bezeichnung "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" zu führen, hat sich die auf Beseitigung des Bescheides vom 21. Dezember 1998 gerichtete Hauptsache erledigt. In einem solchen Fall ist in der Regel nur noch über die Verfahrenskosten und die Auslagen der Beteiligten entsprechend §§ 91 a ZPO, 13 a FGG zu befinden. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Antragsteller ausdrücklich eine Erledigungserklärung ablehnt und die Entscheidung über einen von ihm gestellten Sachantrag begehrt (BGH, Beschl. v. 24. November 1997 -AnwZ (B) 38/97, BGHZ 137, 200, 201). Der Senat hat daher den vom Antragsteller in der Beschwerdeinstanz eingeführten Feststellungsantrag zu bescheiden.
2. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
a) Im Streitverfahren über die Entziehung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht die Möglichkeit, vom Anfechtungsantrag zu einem der Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechenden Feststellungsbegehren überzugehen, weil der Gesetzgeber bewußt davon abgesehen hat, in der Bundesrechtsanwaltsordnung eine solche Möglichkeit zu eröffnen (BGHZ 137, 200, 201 f m.w.N.). In Verfahren, die nur dadurch zum Bundesgerichtshof gelangen können, daß der Anwaltsgerichtshof die sofortige Beschwerde zuläßt, gilt dies in gleicher Weise. Die gesetzliche Regelung liefert keinen Hinweis dafür, daß dem Antragsteller gerade in solchen Verfahren, für die ihm in der Regel nur eine gerichtliche Instanz zur Verfügung steht, prozessuale Rechte eingeräumt werden sollen, die über diejenigen im Zulassungsverfahren hinausgehen. Die Zulassungsentscheidung des Anwaltsgerichtshofs wirkt sich allein auf die Statthaftigkeit des Rechtsmittels aus. Da der Antragsteller infolge der Erledigung der Hauptsache einen neuen, inhaltlich geänderten Antrag stellt, ist dessen Zulassung uneingeschränkt vom Beschwerdegericht zu überprüfen.
b) Ausnahmsweise erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung ein Rechtsschutzbedürfnis für den nach Erledigung der Hauptsache gestellten Feststellungsantrag an, wenn der Antragsteller sonst in seinen Rechten beeinträchtigt wäre und die begehrte Feststellung zugleich geeignet ist, eine Rechtsfrage allgemein zu klären, die sich für den Rechtsanwalt in Zukunft erneut stellen wird (BGHZ 137, 200, 202 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen.
Die Antragsgegnerin hat in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt, daß der Antragsteller die für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung erforderlichen besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen besitzt. In der Sache ging es vor Erledigung der Hauptsache allein darum, ob der verfrüht gestellte Antrag auch dann noch unter Berufung auf § 3 FAO abgelehnt werden darf, wenn der Anwalt die dort vorausgesetzte ununterbrochene Berufstätigkeit von drei Jahren im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer vorweisen kann. Die Beurteilung dieser Frage ist für den Rechtsanwalt möglicherweise weiterhin von rechtlichem Interesse; denn er erwägt, Regreßansprüche zu stellen, weil seiner Meinung nach ihm die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung verspätet erteilt wurde. Vermag der Rechtsanwalt ein über das bloße Kosteninteresse hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der begehrten Feststellung aufzuzeigen, ist es geboten, den Erledigungsfeststellungsantrag zuzulassen. Dies erscheint auch deshalb sachgerecht, weil die Frage, wie verfrüht gestellte Anträge auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung zu behandeln sind, von wesentlicher Bedeutung ist.
3. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Antragsgegnerin durfte das Gesuch auf Erteilung der Befugnis, die Fachanwaltsbezeichnung zu führen, am 21. Dezember 1998 nicht mehr mit der Begründung zurückweisen, der Antragsteller habe die Dreijahresfrist des § 3 FAO nicht eingehalten.
a) Nach dieser Bestimmung setzt die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung eine mindestens dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt bis unmittelbar vor Antragstellung voraus. Wie der Senat bereits entschieden hat, hält sich die Regelung im Rahmen der dem Satzungsgeber durch § 59 b Abs. 2 Nr. 2 b BRAO erteilten Ermächtigung; denn sie ist geeignet, das mit jener Regelung verfolgte Ziel zu verwirklichen. § 3 FAO dient der Sicherung eines qualifizierten beruflichen Standards. Der geforderte Zeitraum ist im Hinblick auf den von der Bestimmung verfolgten Zweck angemessen und belastet den einzelnen Anwalt auch deshalb nicht unzumutbar, weil er im Regelfall erst dann auch die praktischen Erfahrungen erworben hat, die er gemäß § 5 FAO zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung benötigt (Senatsbeschl. v. 21. Juni 1999 -AnwZ (B) 85/98, BRAK-Mitt. 1999, 233, 234 = NJW 1999, 2678, 2679). Als der erste Antrag bei der Rechtsanwaltskammer einging, hatte der Antragsteller die Voraussetzungen nach § 3 FAO noch nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin hätte das Gesuch daher ohne weiteres unter Hinweis auf diese Bestimmung zurückweisen können, solange der Antragsteller noch nicht drei Jahre lang ununterbrochen als Anwalt tätig war; denn er hatte keine Gründe geltend gemacht, die es eventuell hätten rechfertigen können, ausnahmsweise von der in § 3 FAO normierten Voraussetzung abzusehen.
b) Von dieser Möglichkeit hat die Antragsgegnerin jedoch keinen Gebrauch gemacht. Ab dem 6. Oktober 1998 durfte sie bei der von ihr zu treffenden Entscheidung nicht unberücksichtigt lassen, daß der Rechtsanwalt nunmehr ununterbrochen drei Jahre als Anwalt berufstätig war und damit die in § 3 FAO geforderte Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Antrags auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung erfüllte. Von diesem Zeitpunkt ab war kein sachlicher Grund mehr gegeben, den Antragsteller schlechter zu stellen, als einen Mitbewerber, dessen Antrag alsbald nach Ablauf der Dreijahresfrist eingegangen war. Die Regelung des § 3 FAO soll gewährleisten, daß nur solche Anwälte die Fachanwaltsbezeichnung führen dürfen, die hinreichende berufliche Erfahrungen haben gewinnen können, so daß sie, was die Kenntnisse und Fertigkeiten in den allgemeinen Bereichen der Anwaltstätigkeit angeht, nicht hinter dem üblichen beruflichen Standard zurückbleiben. Maßgeblich für die der Rechtsanwaltskammer obliegende Beurteilung sind grundsätzlich die Eigenschaften und Fähigkeiten, die der Bewerber im Zeitpunkt der Verleihungsentscheidung glaubhaft gemacht hat. Daher kann auch die weitere berufliche Tätigkeit seit der Antragstellung nicht unberücksichtigt gelassen werden.
c) Zu Recht macht die Antragsgegnerin allerdings geltend, dem Anwalt, der die Befugnis zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung verfrüht beantrage, dürfe daraus kein Vorteil erwachsen. Wie in zulässiger Weise mit solchen Gesuchen verfahren werden kann, die vor Ablauf einer dreijährigen ununterbrochenen Berufstätigkeit bei der Rechtsanwaltskammer eingegangen, jedoch nicht alsbald zurückgewiesen worden sind, hat die Antragsgegnerin indessen selbst in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 1998 an den Antragsteller aufgezeigt. In solchen Fällen darf der Antrag so behandelt werden, als hätte der Bewerber ihn erst nach Erfüllung der von § 3 FAO geforderten Merkmale gestellt. Da die Regelung des § 3 FAO nicht eine Art prozessuale Ausschlußfrist begründet, sondern allein dem Ziel dient, einen gewissen beruflichen Standard in den allgemeinen Tätigkeitsbereichen des Anwalts zu sichern, darf die Ablehnung eines Gesuchs dagegen nicht allein auf einen Verstoß gegen § 3 FAO gestützt werden, wenn der dort geforderte Zeitraum inzwischen abgelaufen ist und der Bewerber alle von der Satzung geforderten beruflichen Qualifikationen vorweisen kann.
d) Davon abgesehen ist im Streitfall die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 1998 auch deshalb rechtswidrig, weil auf der Grundlage der von ihr zur Wirkung des § 3 FAO vertretenen Auffassung das Schreiben des Antragstellers vom 22. Oktober 1998, mit dem er darum gebeten hat, sein Gesuch vom 5. August 1998 in der Vorstandssitzung vom 30. Oktober 1998 zu behandeln, zwar entgegen der Meinung des Antragstellers ohne weiteres hätte abgelehnt werden dürfen, jedoch zugleich als fürsorglich gestellter neuer, nunmehr zulässiger Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung hätte behandelt werden müssen.
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BGH:
Beschluss v. 29.05.2000
Az: AnwZ (B) 33/99
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