Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 31. Januar 2013
Aktenzeichen: 4 U 200/12
(OLG Hamm: Urteil v. 31.01.2013, Az.: 4 U 200/12)
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 16. Oktober 2012 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Berufung.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar
Gründe
A.
Die Antragstellerin stellt Maschinen zur Abfüllung von pharmazeutischen Produkten her und entwickelt entsprechende Technologien. Sie ist eine von weltweit nur wenigen Maschinenbaufirmen für die Herstellung von medizinischen Infusions- und Blutbeuteln und Markführerin in diesem Bereich.
Sie ist Inhaberin des eingetragenen europäischen Patents ...# (Anlage AST1 + AST2 zur Antragsschrift vom 19.09.2012) betreffend eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoffbeuteln. Das Patent wurde unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 15.10.2004 am 14.10.2005 angemeldet und am 18.07.2007 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.
Die Antragsgegnerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 13.07.2012 gegründet und am 31.07.2012 im Handelsregister eingetragen (Anlage AST4 zur Antragsschrift vom 19.09.2012). Gegenstand des Unternehmens ist ausweislich des Handelsregisters das Betreiben eines Konstruktionsbüros sowie der Apparatebau.
Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin ist der ehemalige Konstruktionsleiter X der Antragstellerin. Dieser verließ das Unternehmen der Antragstellerin aufgrund eigener Kündigung vom 31.05.2012 zum 30.06.2012. Gleichzeitig mit dem Konstruktionsleiter X verließen auch der Konstrukteur J und der Zeichner Y das Unternehmen der Antragstellerin. Auch diese beiden ehemaligen Mitarbeiter der Antragstellerin sind nun bei der Antragsgegnerin beschäftigt.
Bereits seit Februar 2012 ist der ehemalige Mitarbeiter N3 der Antragstellerin als "Director Medical Industry" bei der in G ansässigen Firma L GmbH, einem ebenfalls auf dem Gebiet der Herstellung von Infusionsbeutelanlagen tätigen Unternehmen beschäftigt. Herr N3 war bis zum 31.01.2012 als technischer Direktor der Antragstellerin tätig und für die Abteilungen Konstruktion, Projektmanagement, Montage, Dokumentation, Forschung und Entwicklung, Elektrowerkstatt sowie Elektroprogrammierung verantwortlich. Hierbei arbeitete er eng mit dem damals noch als Konstruktionsleiter für die Antragstellerin tätigen jetzigen Geschäftsführer X der Antragsgegnerin zusammen.
Gegen die Firma L GmbH erwirkte die Antragstellerin am 03.09.2012 eine einstweilige Verfügung des LG München I (Az.: 21 O 12909/12) zur Überprüfung vermutlicher Verletzungen des Anspruchs 1 des Patentes der Antragstellerin durch die unter dem Typ "***" von der Firma L GmbH hergestellten und vertriebenen Maschinen, und zwar mittels Besichtigung von in deren Betriebsstätte gebauten oder im Bau befindlichen Anlagen und zugrunde liegenden Konstruktionsplänen (Anlage AST7 zur Antragsschrift vom 19.09.2012). Anlass hierfür war, dass der Projektmitarbeiter D der Antragstellerin am 23.05.2012 bei der Firma U in Frankreich deren Prototyp "***" entdeckt und hiervon Fotos und Videoaufnahmen gemacht hatte.
Das Landgericht hat auf Antrag der Antragstellerin am 20.09.2012 unter dem Az. 15 OH 1/12 die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens angeordnet und den Sachverständigen Dr. H bestellt. Wegen der Einzelheiten des Beweisbeschlusses wird auf denselben Bezug genommen.
Es hat zugleich im Beschlusswege eine Duldungsverfügung erlassen, und zwar zur Sicherung der Grundlagen des im Beweissicherungsverfahren einzuholenden Sachverständigengutachtens. Danach hat es die Antragsgegnerin zu dulden, dass der Sachverständige die zu begutachtenden Konstruktionspläne in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin in Augenschein nimmt. Wegen der Einzelheiten des Beschlusstenors wird auf denselben Bezug genommen.
Am 21.09.2012 hat daraufhin ein Besichtigungstermin durch den Sachverständigen Dr. H in den Geschäftsräumen der Antragsgegnerin stattgefunden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat auf den Widerspruch der Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung vom 20.09.2012 aufgehoben und den zugrunde liegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es hat dies wie folgt begründet:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei nicht begründet.
Es fehle am Verfügungsanspruch.
Es könne auf sich beruhen, ob die Antragstellerin glaubhaft gemacht habe, dass die Antragsgegnerin über Konstruktionszeichnungen von Anlagen der Antragstellerin verfüge, die ihr Geschäftsführer im Zuge des Ausscheidens bei der Antragstellerin "mitgenommen" habe.
Ein Anspruch, wie er mit der Beschlussverfügung tituliert worden sei, bestehe nicht.
Zwar sprächen gute Gründe dafür, im Rahmen von § 17 UWG als zivilrechtliche Konsequenz einen Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB anzuerkennen. Dieser Anspruch sei jedoch auf Besichtigung einer Sache oder einer Gesamtheit konkreter Sachen gerichtet. Ein Nachforschungs- und Durchsuchungsanspruch lasse sich jedoch aus dieser Vorschrift nicht ableiten. Der Anspruch ziele nicht auf Ermittlungs- und Kontrollmaßnahmen, mit denen der Anspruchsteller erst ermitteln wolle, ob die Gegenseite im Besitz derjenigen Sache ist, in deren Ansehung er einen Anspruch zu haben glaube oder sich Gewissheit darüber zu verschaffen.
Der auf dem Antrag der Anspruchstellerin beruhende Verfügungstenor richte sich jedoch auf eine Durchsuchung. Es solle ermittelt werden, ob die Antragsgegnerin über - inhaltlich näher definierte - Konstruktionszeichnungen verfüge. In Ziffer 1 sei sodann beschrieben, was die Antragsgegnerin zu dulden habe, nämlich die Sichtung und die Suche nach Konstruktionszeichnungen. Dies seien typische Durchsuchungsmaßnahmen. Dementsprechend habe der Sachverständige in seinem Schreiben an das Gericht vom 28.09.2012 zutreffend von einer Durchsuchung gesprochen.
Nach allem trage § 809 BGB den ergangenen Beschluss nicht.Andere Rechtsgrundlagen seien nicht ersichtlich.
Im vorliegenden Verfahren bedürfe es keiner Entscheidung, welche Auswirkungen die Aufhebung der Beschlussverfügung auf die Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens 15 OH 1/12 habe. Ebenso wenig komme es darauf an, inwieweit die Ergebnisse der Durchsuchung trotz der von der Antragsgegnerin erhobenen Vorwürfe, die anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin und der Sachverständige hätten gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen, verwertbar blieben.
Hiergegen richtet sich die Antragstellerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:
Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass § 809 BGB bzw. die zu dieser Norm entwickelten Grundsätze den Verfügungsbeschluss nicht tragen würden.
Für eine Auslegung des Verfügungsbeschlusses dahin, dass dieser auf eine Durchsuchung gerichtet sei, bestehe angesichts des eindeutigen Wortlauts kein Raum.
Die Auslegung des Landgerichts sei zudem unzutreffend.
Die Antragstellerin habe in der Antragsschrift in dem unter II. gestellten Beweissicherungsantrag im Gegensatz zum späteren Verfügungsbeschluss nicht formuliert, "ob", sondern "dass" die Antragsgegnerin über Konstruktionszeichnungen verfüge. Der Antrag zu II. sei der Kernantrag der Antragsschrift gewesen und habe zum Ausdruck gebracht, dass die Antragstellerin davon ausgegangen sei, "dass" die Antragsgegnerin in unberechtigter Weise über die zu besichtigenden Sachen, namentlich die näher bezeichneten Konstruktionszeichnungen verfüge.
Das Landgericht habe jedoch den Verfügungsantrag abgetrennt und zwei Beschlüsse, und zwar einerseits im einstweiligen Verfügungsverfahren und andererseits im selbständigen Beweisverfahren erlassen. Der Antrag zu II. sei in den Beschluss des selbständigen Beweisverfahrens übernommen worden, wodurch das Landgericht zum Ausdruck gebracht habe, dass die Antragstellerin die Rechtsverletzung der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht habe. Da die Formulierungen der einzelnen Anträge der Antragsschrift aufeinander aufgebaut hätten, habe das Landgericht die sodann getrennten Anträge nicht isoliert betrachten und auslegen dürfen.
Wenn die Antragstellerin im Antrag zu VII. die Formulierung "ob" verwandt habe, beziehe sich dies auf die Frage, ob die Zeichnungen inhaltsgleich mit urheber- und patentrechtlich der Antragstellerin zuzuordnenden Zeichnungen seien. Dies ergebe sich aus den ersten Worten des vom Landgericht als entscheidungsrelevant erachteten "Einleitungssatzes" zu den eigentlichen Verfügungsanträgen. Das Gutachten habe "dahingehend" Aufklärung bringen sollen, "ob" die Zeichnungen "inhaltsgleich" mit den urheber- und patentrechtlich der Antragstellerin zuzuordnenden Zeichnungen seien.
Das Landgericht habe den eigentlichen Wortlaut des Verfügungstenors in verfälschender Weise verknappt. Im Beschluss seien keine "typischen Durchsuchungsmaßnahmen" angeordnet. Soweit dort von "in Augenschein nehmen" und "sichten" und nur an einer Stelle von "suchen" die Rede sei, habe dies nichts mit "durchsuchen" zu tun. Zudem sei es bei dieser Formulierung darum gegangen, dass zu erwarten stand, dass sich auf den Computern nicht nur digitalisierte Konstruktionszeichnungen befinden, so dass der Sachverständige die relevanten Daten nur mithilfe einer gängigen "Such"-Funktion finden würde.
Es greife zu kurz, lediglich auf die Formulierung des Antrags bzw. des auf den Antrag hin ergangenen Beschlusses abzustellen. Vielmehr müsse auch berücksichtigt werden, wie die Beteiligten den Verfügungsbeschluss verstanden hätten.
Hierbei zeige sich, dass in Anbetracht des Verlaufs der angeordneten Maßnahme auch aus Sicht der Antragsgegnerin und ihrer Prozessbevollmächtigten von einer Durchsuchungssituation nicht die Rede sein könne. Die Antragsgegnerin habe dem gerichtlich bestellten Sachverständigen auf dessen Erklärung hin, Konstruktionspläne mit dem in der einstweiligen Verfügung beschriebenen Inhalt besichtigen zu wollen, gestattet, die auf den Schreibtischen und auch in den Aktenschränken befindlichen Konstruktionspläne zu besichtigen und teilweise zu kopieren, und bereitwillig auch Konstruktionspläne und CAD-Pläne am PC eines Mitarbeiters gezeigt. Der Sachverständige habe insoweit nicht von der Anordnung gemäß Ziffer I.3 des Verfügungstenors Gebrauch machen müssen.
Wenn die mit Zustimmung der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin vollstreckte Besichtigungsverfügung nun im Nachhinein als unrechtmäßige, weil nicht durch § 809 BGB gedeckte Durchsuchungsverfügung angesehen würde, wäre das gesamte "Düsseldorfer Modell" ad absurdum geführt. Dies käme einem Widerruf des zunächst erteilten Einverständnisses mit der Folge, dass die Antragstellerin einen neuen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und eventuell einen flankierenden Beschluss nach § 758a ZPO stellen müsse, gleich. Dies sei jedoch sinnlos, nachdem die Antragsgegnerin nunmehr genügend Zeit gehabt habe, alle relevanten Unterlagen beiseite zu schaffen.
Die einstweilige Verfügung habe sich auch nicht erledigt. Denn man habe sich angesichts der praktischen Schwierigkeiten der Besichtigung und nicht zuletzt auch im Interesse der Antragsgegnerin, die möglichst schnell und ungestört ihren Betrieb habe fortsetzen wollen, zunächst am Freitag, den 21.09.2012, nachdem der Sachverständige nicht alles habe sichten und dokumentieren können, darauf geeinigt, den Büroraum zu versiegeln, um sodann am Montag, den 24.09.2012 zwischen den Bevollmächtigten beider Seiten einvernehmlich das weitere Prozedere zu besprechen. Dementsprechend sei der Gerichtsvollzieher im gegenseitigen Einvernehmen darum gebeten worden, die Büroräume der Antragsgegnerin zunächst zu versiegeln.
Entgegen der Absprache sei es jedoch nicht zu der geplanten Abstimmung des weiteren Vorgehens gekommen. Vielmehr hätten die sodann von der Antragsgegnerin beauftragten Bevollmächtigten im Eilverfahren am 27.09.2012 einen Beschluss des Amtsgerichts Rahden (Az. 5 M 13333/12) erwirkt, dass das Siegel zu entfernen sei und die Antragsgegnerin die Räume wieder alleine betreten dürfe.
Die Antragstellerin beantragt deshalb,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bielefeld vom 16.10.2012 (Az. 15 O 124/12) festzustellen, dass die einstweilige Verfügung vom 20.09.2012 zulässig und begründet war und sich mit der Besichtigung in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin am 21.09.2012 nicht erledigt hat;
hilfsweise
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Bielefeld zurückzuverweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor:
Ihr Geschäftsführer X habe am 02.05.2012 noch gar nicht die Absicht gehabt, das Arbeitsverhältnis mit der Antragstellerin aufzukündigen. Dass er möglicherweise an diesem Tag 1.183 Konstruktionszeichnungen auf seinen dienstlichen Laptop geladen habe, stelle keineswegs ein ungewöhnliches Verhalten dar. So werde stets im Vorfeld von Gesprächen mit Konstrukteuren verfahren. Dass Pläne von einer bereits fertiggestellten Maschine auf den Laptop geladen worden sein sollen, sei ebenfalls nicht ungewöhnlich, da man bei Neuerstellungen prüfe, ob man auf bereits gefertigte Zeichnungen zurückgreifen könne. Die Antragsgegnerin bestreitet, dass ihr Geschäftsführer seinen dienstlichen Laptop von seiner Arbeitsstelle weggebracht und die Zeichnungen auf seinem Laptop abfotografiert oder auf sonstige Art und Weise gesichert habe. Demzufolge habe auch der Zeuge E keine Fotografien von Konstruktionszeichnungen der Antragstellerin in das CAD-Programm der Antragsgegnerin übertragen. Stattdessen habe der Zeuge E auf Papier gefertigte Skizzen von neuen Anlagen oder Anlageteilen in das CAD-Programm übertragen.
Die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 809 BGB lägen nicht vor. Es fehle die für die geltend gemachte Rechtsverletzung erforderliche "gewisse Wahrscheinlichkeit". Zudem habe das Landgericht die einstweilige Verfügung zu Recht auch deshalb aufgehoben, weil der Verfügungsantrag nicht exakt definiere, was Gegenstand der Besichtigung sein solle. Da die Antragstellerin keine konkreten Sachen bezeichnet habe, sei es ihr nur darum gegangen, zu überprüfen, ob die Antragsgegnerin im Besitz von Unterlagen sei, die den Konstruktionszeichnungen der Antragstellerin zuzuordnen seien. Eine solche Rechtsfolge könne nicht auf § 809 BGB gestützt werden. Die Antragstellerin habe es versäumt, einen bestimmten Verfügungsantrag zu stellen. Soweit ersichtlich habe sie nicht eine einzige Zeichnung benannt. Der Berufungsantrag der Antragstellerin sei zudem widersprüchlich und deshalb unzulässig.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.
I.
Der Verfügungsantrag der Antragstellerin ist in seiner jetzigen Fassung und war auch mit seiner ursprünglichen Formulierung unzulässig.
1.
Der Antragstellerin fehlt für den nunmehr im Berufungsverfahren gestellten Feststellungsantrag das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
Die Antragstellerin geht ausweislich der Berufungsbegründung zweifelsfrei davon aus, dass sich die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 20.09.2012 mit der Besichtigung der Betriebsstätte der Antragsgegnerin nicht erledigt hat.
Da das Landgericht diese Beschlussverfügung jedoch aufgehoben hat, könnte dem nach wie vor aufrecht erhaltenen Verfügungsbegehren der Antragstellerin nur mit dem Neuerlass der einstweiligen Verfügung Rechnung getragen werden (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rdnr. 3.39 mit Hinweis auf OLG Hamburg WRP 1997, 53, 54). Denn nur auf diesem Weg erhielte die Antragstellerin den notwendigen Vollstreckungstitel.
Demgegenüber ist der mit der nunmehrigen Antragsfassung erstrebte Feststellungstenor zur Durchsetzung des Verfügungsbegehrens der Antragstellerin untauglich. Denn die Wirkung eines solches Feststellungsurteil erschöpft sich in seiner bloß deklaratorischen Feststellung (vgl. hierzu Zöller-Greger, § 256 Rdnr. 1).
2.
Der insoweit von der Antragstellerin ursprünglich verfolgte Verfügungsantrag war nicht hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Denn der Verfügungsantrag benannte "die zu begutachtenden Konstruktionspläne" nicht im Einzelnen. Damit blieb unklar, welche konkreten Konstruktionspläne - und allein diese sind Gegenstand des materiellrechtlichen Begehrens aus § 809 BGB (vgl. hierzu BGH GRUR 2004, 420 - Kontrollbesuch) - der Sachverständige überhaupt in Augenschein nehmen sollte. Allein die bloße Bezugnahme auf die Formulierung des Anspruchs 1 des europäischen Patents ...# der Antragstellerin genügte insoweit nicht. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die diesbezüglichen Zeichnungen der Anlage AST1 mit keiner der vier einzelnen Konstruktionspläne der Anlage AST10, die das wesentliche Merkmal der maßgeblichen Kombination von Schweißwerkzeug und Kühlplatte beinhalten sollen, identisch sind.
Die unzureichende Vollstreckbarkeit des solchermaßen unbestimmten Verfügungsantrags trat im vorliegenden Fall in aller Deutlichkeit im Verlauf des bereits durchgeführten Besichtigungstermins am 21.09.2012 zutage. Denn hierbei fand der Sachverständige Dr. H zwei DIN A3 Zeichnungen mit geschwärztem Firmenlogo der Antragstellerin, die er jedoch mangels Bezugnahme auf konkrete Konstruktionspläne nicht anhand des Verfügungsbeschlusses zuordnen konnte.
II.
Es fehlt zudem (inzwischen) am erforderlichen Verfügungsgrund als besonderer Form des Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rdnr. 3.12).
Der Verfügungsgrund wird nicht vermutet. Denn § 12 Abs. 2 UWG gilt unmittelbar nur für Unterlassungsansprüche aus dem UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rdnr. 3.14). Demnach findet er auf den bürgerlichrechtlichen Besichtigungsanspruch ebenso wenig Anwendung wie auf den wettbewerblichen Schadensersatzanspruch.
Die Antragstellerin hatte die besondere Eilbedürftigkeit zum Zeitpunkt des Besichtigungsverlangens mit der Vereitelungsgefahr im Hinblick auf das zeitgleich betriebene Verfahren gegen die L GmbH begründet, da zu befürchten stehe, dass die Konstruktionspläne beiseite geschafft würden, um den mutmaßlichen Verletzungssachverhalt zu verschleiern. Die Dringlichkeit aus diesem Grunde hat sich mit dem bereits am 21.09.2012 durchgeführten Ortstermin im Beisein von Gerichtsvollzieher und Sachverständigen erledigt. Denn sofern die Antragsgegnerin tatsächlich über Konstruktionspläne zum klägerischen Patent verfügte und diese verwertete, war sie hierdurch gewarnt und hatte zwischenzeitlich hinreichend Gelegenheit, dies zu verschleiern. Hiervon geht offensichtlich auch die Antragstellerin aus, wenn sie im Schriftsatz vom 11.10.2012 (Bl. 89 d.A. oben) insoweit resigniert.
III.
Es fehlt schließlich auch am notwendigen Verfügungsanspruch.
Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht zu ziehenden Besichtigungsanspruches aus § 809 BGB lagen von vorneherein nicht vor.
Dem Begehren der Antragstellerin stand ohnehin die fehlende Bezeichnung der konkreten Konstruktionspläne entgegen. Denn die Vorschrift des § 809 BGB gewährt kein Ausforschungsrecht (BGH GRUR 2004, 420 - Kontrollbesuch).
Aber auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs lagen nicht vor, zumindest waren sie nicht glaubhaft gemacht worden.
1.
Der vorbereitende Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB besteht zwar auch in Fällen einer wettbewerblichen Rechtsverletzung (BGH NJW-RR 2002, 1617 - Faxkarte), und zwar insbesondere auch zur Vorbereitung des von der Antragstellerin ausweislich der Antragsschrift vom 19.09.2012 (Bl. 20 oben d.A.) letztlich verfolgten Schadensersatzanspruchs aus § 17 UWG (vgl. Harte/Henning/Harte-Bavendamm, 2. Aufl., § 17 UWG Rdnr. 65).
Denn auch beim Anspruch wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen handelt es sich gemäߠ§ 809 BGB um einen solchen in Ansehung einer Sache, und zwar der in Rede stehenden Konstruktionspläne. Denn hierfür muss die Sache nicht selbst Gegenstand des Anspruchs sein. Vielmehr genügt es auch, dass der Anspruch von dem Bestand der Sache oder ihrer Beschaffenheit abhängt (MünchKomm-Habersack, BGB, 5. Aufl., § 809 BGB Rdnr. 5).
Hierbei steht der Anspruch nach § 809 BGB auch demjenigen zu, der sich erst Gewissheit verschaffen will, ob er Gläubiger des Hauptanspruchs ist. Dies setzt jedoch voraus, dass ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit für die Existenz des Anspruchs in Ansehung der Sache vorliegt. Denn ansonsten würde der Inanspruchgenommene gezwungen werden, seinem Gegner die Waffen in die Hand zu geben, was jedoch zivilprozessualen Grundsätzen widerspricht. Darüber hinaus soll § 809 BGB auch verhindern, dass eine Ausforschung durchgeführt wird. Erforderlich ist damit, dass der Nachweis der Voraussetzungen des Anspruchs, dessen Bestehen durch die Besichtigung endgültig geklärt werden soll, bereits zu einem Punkt erbracht worden sein muss, an dem nur noch die Besichtigung fehlt, um sich letzte Klarheit zu schaffen (BGH GRUR 1985, 512, 516; BGH - Druckbalken; NJW-RR 2002, 1617, 1619 - Faxkarte; KG NJW 2001, 233, 235).
2.
Allerdings kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass der damit erforderlich Grad der gewissen Wahrscheinlichkeit des von der Antragstellerin letztlich verfolgten Hauptanspruchs aus § 17 UWG tatsächlich erreicht ist.
Denn die Antragstellerin kann die Antragsgegnerin auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens allenfalls nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Anspruch nehmen.
Die notwendige Wahrscheinlichkeit, dass die Antragsgegnerin den Tatbestand der sog. Geheimnisverwertung erfüllt hat, lässt sich jedoch nicht feststellen.
Hierbei kann dahinstehen, ob der Verdacht der Klägerin, ihr früherer Konstruktionsleiter X, der nunmehrige Geschäftsführer der Antragsgegnerin, habe sämtliche für das in Rede stehende Patent maßgeblichen Konstruktionspläne - und hierbei handelte es sich zweifelsohne um sog. Betriebsgeheimnisse - noch vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses, und zwar am 02.05.2012 auf seinem Laptop hochgeladen und sodann abfotografiert, mithin tatbestandsmäßig i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 1. b) UWG gehandelt, berechtigt ist.
Selbst wenn solchermaßen durch vorherige (fremde) Betriebsspionage i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG erlangte Konstruktionspläne im Folgenden in den Besitz der Antragsgegnerin gelangt sein sollten, würde allein dies nämlich noch nicht ausreichen, um den Tatbestand der Geheimnisverwertung (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG) zu erfüllen.
Denn Tathandlung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist das unbefugte Verwerten oder Mitteilen eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses.
a)
Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin Konstruktionspläne der Antragstellerin i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG verwertet hat.
Der Begriff des Verwertens umfasst zwar jede Art der wirtschaftlichen Nutzung, setzt jedoch mehr als das bloße Innehaben des Geheimnisses voraus. Ein Verwerten liegt danach beispielsweise nicht vor, wenn die Maßnahme nur der Sicherung und Erhaltung des Geheimnisses dient (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 17 Rdnr. 41; Harte/Henning/Harte-Bevendamm, UWG, 2. Aufl., § 17 Rdnr. 35).
Damit würde allein der Besitz der in Rede stehenden Konstruktionspläne ebenso wenig wie die bloße Digitalisierung dieser Unterlagen für ein Verwerten genügen.
Anders würde sich die rechtliche Bewertung nur dann darstellen, wenn die durch fremde Betriebsspionage erlangten Konstruktionspläne der Antragstellerin für die Firma L GmbH bestimmt gewesen und bei der Antragsgegnerin für diese digitalisiert worden wären. Wenn auch damit noch nicht unbedingt der Tatbestand der Verwertung, geschweige denn der Mitteilung erfüllt gewesen wäre, wäre allein mit diesem Umstand doch der nach § 809 BGB erforderliche gewisse Grad an Wahrscheinlichkeit, dass die Konstruktionspläne durch die Antragsgegnerin zu wirtschaftlichen Zwecken verwendet werden, erreicht gewesen.
Allerdings hat die Antragstellerin gerade nicht glaubhaft gemacht, dass der bei der Antragsgegnerin während seiner Semesterferien beschäftigte Student E während seiner dortigen Tätigkeit tatsächlich für die Firma L GmbH bestimmte Konstruktionspläne, die Inhalte/Merkmale enthalten, die Gegenstand/Bestandteil der sog. Merkmalsanalyse des Patentes der Antragstellerin sind, gefertigt hat.
Die Antragstellerin stützt sich insoweit auf die eidesstattliche Versicherung des Zeugen N vom 20.09.2012 (Anlage zum Schriftsatz vom 20.09.2012/Bl. 27ff. d.A). Der Zeuge N schildert hierin zwar durchaus plausibel, wie und aus welchem Anlass der Student E ihm von dieser Tätigkeit bei der Antragsgegnerin berichtet hat. Der Verwertung dieser eidesstattlichen Versicherung steht nicht entgegen, dass der Zeuge N insoweit lediglich ein sog. Zeuge vom Hörensagen ist. Seine Aussage mag damit zwar keinen unmittelbaren Beweis erbringen. Die von ihm bekundete Schilderung des Gesprächsinhaltes kann jedoch als Indiz im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO der Glaubhaftmachung dienen. Hierbei wird die Glaubhaftigkeit seiner Aussage - allerdings auch nur diese - durch die eidesstattlichen Versicherungen seiner Betriebsratskollegen Marcel Claus und Michael Kirbst (Anlagen zur Antragsschrift vom 19.09.2012) gestützt.
Der Beweiswert der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen N (Anlage zum Protokoll vom 16.10.2012/Bl. 123f. d.A.) wird jedoch grundlegend durch die eidesstattliche Versicherung des Zeugen E in Frage gestellt. Denn dieser stellt den Anlass und den Inhalt des Gespräches mit dem Zeugen N komplett anders dar. Nach seiner Darstellung war er nicht mit den vom Zeugen N geschilderten Aufgaben betraut und hat keine "Konstruktionszeichnungen für Maschinen mit Schweißwerkzeugen mit Kunststoffeinlagen zur Kühlung (Kühlplatte)" kopiert. Er hat damit erst recht keine Pläne für die Firma L GmbH digitalisiert. Dies ist für sich genommen auch durchaus glaubhaft. Denn die Firma L verfügte ausweislich des Vortrags der Antragstellerin bereits seit Mai 2012 über einen Prototyp der in Rede stehenden Maschine, mithin aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin schon über die hierfür notwendigen Konstruktionspläne.
Damit liegt ein Fall des non liquet vor, der zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Antragstellerin geht.
b)
Auch der insoweit unstreitige Vorgang, dass die L GmbH - und dies ist unstreitig - bereits am 23.05.2012 über einen Prototypen verfügte, der sämtliche Merkmale des Patentes der Antragstellein aufweist, erlaubt nicht den Schluss, dass die hierfür notwendigen Konstruktionspläne der Antragstellerin seitens der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt worden waren. Denn dies ist schon denklogisch nicht möglich, da die Antragsgegnerin erst aufgrund Gesellschaftsvertrages vom 15.07.2012 gegründet und am 31.07.2012 in`s Handelsregister eingetragen worden ist.
C.
Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 31.01.2013
Az: 4 U 200/12
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