Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 57/09
(BPatG: Beschluss v. 10.02.2009, Az.: 27 W (pat) 57/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Anmeldung der Wortmarke Du bist Niedersachsenhat die Markenstelle mit Beschlüssen vom 02.07.2007 und vom 07.05.2008, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, letztlich noch für Klasse 9: Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, Datenträger mit Musik, Datenträger mit Sprache, Programme für die Datenverarbeitung (Software);
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Fotografien, Schreibwaren; Merchandisingartikel, soweit in Klasse 16 enthalten, nämlich Werbegeschenke in Form von Drucklettern und Büroartikeln (ausgenommen Möbeln), insbesondere Kulis und Bleistifte;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Shirts, Kopfbedeckungen, insbesondere Cappys, Schuhwaren;
Klasse 28: Spiele, Spielzeug, Turnund Sportartikel, soweit in dieser Klase enthalten;
Klasse 35: Werbung, Rundfunkund Fernsehwerbung, Unternehmensberatung, Verteilung von Waren zu Werbezwecken, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Werbung und Marketing für Dritte, auch im digitalen Netz, insbesondere im Internet;
Klasse 38: Telekommunikation, Ausstrahlung von Rundfunkund Fernsehprogrammen, Sammeln und Liefern von Nachrichten, Nachrichtenwesen, Bereitstellen von Informationen im Internet, Sammeln und Übermitteln von Informationen über Warenund Dienstleistungen, Datenübermittlung, Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Dienstleistungen eines Online-Anbieters, nämlich Sammeln, Bereitstellen und Übermitteln von Infos, Texten, Zeichnungen und Bildern und/oder Zurverfügungsstellung von Zugriffszeiten zu digitalen Netzen; Betreiben eines Teleshoppingkanals im Internet; Einstellen von Web-Seiten ins Internet für Dritte (Web-Hosting); Dienstleistungen eines Internetproviders;
Klasse 41: Unterhaltung, Ausbildung, Unterricht, sportliche und kulturelle Aktivitäten, Produktionen von Musik und Filmen, redaktionelle Arbeit, Moderation, Produktion und Zusammenstellung von Rundfunkund Fernsehprogrammen;
Klasse 42: Bereitstellung von Serverdiensten und Datenbanken im Internet, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Design von Internetpräsenzen, Digitaler Bilderdienstzurückgewiesen. Das ist damit begründet, es handle sich bei der angemeldeten Wortfolge um eine nicht unterscheidungskräftige werbende Anrede angelehnt an den Spruch "Du bist Deutschland", den 25 Medienunternehmen 2005 propagiert hätten, um in Deutschland einen Bewusstseinswandel (Selbstvertrauen, Motivation) anzustoßen. Es gäbe auch "Du bist Rostock" und "Du bist Kassel" als Werbeslogans. Dass niemand als Person Niedersachsen sein könne, verleihe keine Unterscheidungskraft, weil in der Werbung solche Unrichtigkeiten üblich seien.
Der Erinnerungsbeschluss ist der Anmelderin am 23.05.2008 zugestellt worden.
Die Anmelderin hat am 23.06.2008 Beschwerde eingelegt und dazu vorgetragen, gerade der Bezug auf "Du bist Deutschland" zeige, dass das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig sei.
II.
1) Der Umstand, dass die Anmelderin im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat, steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG) und ohne zeitliche Bindung. Die Anmelderin hat eine mündliche Verhandlung nicht beantragt. Nach Wertung des Senats ist diese auch nicht sachdienlich. Der Anmelderin musste der beabsichtigte Termin zur Beschlussfassung nicht zuvor mitgeteilt werden. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verlangt lediglich, Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu geben, Stellungnahmen zum Sachverhalt abzugeben, ihre Auffassung zu Rechtsfragen darzulegen sowie Anträge zu stellen. Nachdem die Beschwerde vom Juni 2008 datiert, bestand hierzu hinreichend Gelegenheit; die Bevollmächtigten der Anmelderin haben im November 2008 sogar nach dem Sachstand gefragt.
2) Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Einer Registrierung der angemeldeten Marke steht für die noch strittigen Waren und Dienstleistungen jedenfalls das Schutzhindernis aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, selbst wenn man davon ausgeht, dass wegen der Formulierung in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, die Marken von der Eintragung ausschließt, wenn ihnen "jegliche Unterscheidungskraft" fehlt, schon eine geringe Unterscheidungskraft in qualitativer und quantitativer Hinsicht für Markenschutz ausreicht.
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431, Nr. 48 "Henkel"; BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 -FUSSBALL WM 2006). Wortmarken besitzen nach der Rechtsprechung dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Dies ist hier nicht der Fall.
Bei Wortmarken ist jedoch auch von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn es sich um ein gebräuchliches Wort bzw. eine gebräuchliche Wortfolge der deutschen Sprache handelt, welche die Verbraucher, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstehen (BGH GRUR 2003, 1050 -Cityservice). Das ist hier der Fall. Alle Wörter des angemeldeten Slogans sind gebräuchlich und verständlich. Die Aussage "Du bist ..." ist aus Werbekampagnen bekannt, wie die Markenstelle belegt hat und der Senat aus eigenem Wissen feststellen kann.
Wenngleich an Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen sind als an sonstige Arten von Zeichen, ist zu berücksichtigen, dass die Verbraucher Wortmarken in Form von Werbesprüchen nicht in gleicher Weise wahrnehmen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei einem Slogan dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren schließen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 32 -35 -Das Prinzip der Bequemlichkeit). Als derartigen Werbespruch hat die Markenstelle die angemeldete Wortfolge zutreffend bewertet.
Der Spruch setzt sich aus allgemein geläufigen Wörtern der deutschen Sprache zusammen. Dabei bezeichnet die Aussage "Du bist" nicht eine reale Tatsache, wie "Du bist Niedersachsen", sondern besagt, dass der so Angesprochene Verantwortung für Niedersachsen hat, dass seine Befindlichkeiten mit denen Niedersachsens in einem Bezug stehen und dass dies Konsequenzen hat.
In dem Sinn verstanden vermittelt der Spruch für sämtliche angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine im Vordergrund stehende werbliche Sachaussage, denn alle Waren und Dienstleistungen können Niedersachsen betreffen, sei es, dass Niedersachsen Inhalt von Medien ist, dass die Waren und Dienstleistungen der Werbung für Niedersachsen dienen, dass die so beworbenen Waren oder Dienstleistungen aus Niedersachsen stammen bzw. sich mit Niedersachsen beschäftigen, für Niedersachsen förderlich sind und werben, dass derjenige, der die Waren benutzt, sein Engagement für Niedersachsen zeigen will oder dass die Waren und Dienstleistungen die Lebensverhältnisse in Niedersachsen verbessern.
b) Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung der Schutzhindernisse nicht auf eine einschlägige Entscheidungspraxis des Europäische Gerichtshofs, Bundesgerichtshofs und Bundespatentgerichts sowie die Eintragungspraxis des Patentamts berufen. Eintragungen von entsprechenden Marken für Dritte rechtfertigen keine andere Beurteilung, weil selbst Eintragungen gleicher Marken nicht zu einer Bindung führen (vgl. BGH BlPMZ 1989, 192 -KSÜD) -auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG), denn es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke handelt es sich um keine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. BGH BlPMZ 1998, 248, 249 -Today; EuGH GRUR 2004, 428, Rn. 60 ff. -Henkel).
3) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.
4) Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung. Es ist weder ersichtlich noch von der Anmelderin aufgezeigt, dass der vorliegende Fall eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwirft. Die Entscheidung des Senats erschöpft sich vielmehr in der einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.
Dr. Albrecht Schwarz Kruppa Cl
BPatG:
Beschluss v. 10.02.2009
Az: 27 W (pat) 57/09
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