Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Februar 2003
Aktenzeichen: 1 Ni 1/01
(BPatG: Beschluss v. 24.02.2003, Az.: 1 Ni 1/01)
Tenor
I. Auf die Erinnerung der Beklagten wird der Beschluß des Rechtspflegers des Bundespatentgerichts vom 28. Mai 2002 dahingehend abgeändert, daß die der Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten des ersten Rechtszuges auf 19.008, 38 €
- in Worten: neunzehntausendacht 38/100 Euro -
festgesetzt werden.
II. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
III. Der Wert des Gegenstandes des Erinnerungsverfahrens beträgt 5.215,36 €.
Gründe
I.
Mit Urteil des erkennenden Senats vom 19. Februar 2002 wurden der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit Beschluß vom gleichen Tage wurde der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht auf 1 Million € festgesetzt.
Die Beklagte hat Kostenfestsetzung beantragt und dabei ua für den mitwirkenden Rechtsanwalt neben einer 10/10-Prozeßgebühr eine weitere 10/10-Verhandlungsgebühr geltend gemacht.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 28. Mai 2002 hat der Rechtspfleger des Bundespatentgerichts ua die Verhandlungsgebühr für den mitwirkenden Rechtsanwalt abgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, daß nach ständiger Rechtsprechung der Nichtigkeitssenate für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts lediglich eine Prozeßgebühr nebst notwendigen Auslagen erstattungsfähig sei.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Beklagten. Zur Begründung weist sie darauf hin, daß die erstattungsfähige Vergütung mitwirkender Rechtsanwälte im Patentnichtigkeitsverfahren nach ständiger Rechtsprechung in entsprechender Anwendung von § 143 Abs 5 PatG (nunmehr § 143 Abs 3 PatG idF des OLGVertrÄndG vom 23. Juli 2002) bemessen werde. Diese Vorschrift sei durch das Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 geändert worden. Die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit der Kosten des mitwirkenden Anwalts auf eine Gebühr sei entfallen. Die Neuregelung sei am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Am selben Tage sei der mitwirkende Rechtsanwalt beauftragt worden.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß des Rechtspflegers dahingehend abzuändern, daß über den festgesetzten Betrag hinaus eine weitere 10/10-Verhandlungsgebühr zu erstatten sei.
Die Klägerin beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
Sie ist den Ausführungen der Beklagten entgegengetreten.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 99 Abs 1 PatG, § 104 Abs 3 ZPO, § 23 Abs 2 RPflG). Sie ist auch in der Sache begründet. Der Rechtspfleger hat die geltend gemachte Verhandlungsgebühr für den mitwirkenden Rechtsanwalt zu Unrecht abgesetzt.
1. Die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten im Patentnichtigkeitsverfahren richtet sich gemäß § 84 Abs 2 PatG grundsätzlich nach den Vorschriften des § 91 Abs 2 ZPO. Die Kosten mehrerer Anwälte sind nach § 91 Abs 2 Satz 3 ZPO nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Anwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte. Hiervon abweichend sieht § 143 Abs 3 PatG in der Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl I S. 2850) inhaltlich übereinstimmend mit § 143 Abs 5 PatG in der Fassung des Art. 7 Nr. 36 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 (BGBl I S 3656), für den Patentverletzungsprozeß vor, daß neben den Kosten des Rechtsanwalts auch die eines etwa mitwirkenden Patentanwalts erstattungsfähig sind. Diese Regelung ist an die Stelle des bis zum 1. Januar 2002 geltenden § 143 Abs 5 PatG getreten, nach dem von den Kosten der Mitwirkung eines Patentanwalts die Gebühren bis zur Höhe einer vollen Gebühr zu erstatten waren.
Die Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts haben in ihrer neueren Rechtsprechung den bis 2002 geltenden § 143 Abs 5 PatG als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens angesehen, der es rechtfertigt, diese Vorschrift im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes mit seiner regelmäßigen Verknüpfung rechtlicher und technischer Fragen generell, also auch im Patentnichtigkeitsverfahren, als Ausnahme zu § 91 Abs 2 Satz 3 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl BPatGE 31, 51, 54 ff; 31, 75; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 5. Aufl, § 143 Rdn 402).
2. Es besteht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung nach der Änderung des § 143 Abs 5 PatG durch das Kostenbereinigungsgesetz abzugehen. Der Gesetzgeber hat zur Begründung der Neuregelung (vgl Bl f PMZ 2002, 54 f) ua ausgeführt, die bisherige Beschränkung der Erstattungsfähigkeit der Gebühren des (im Patentverletzungsverfahren) mitwirkenden Patentanwalts auf eine Gebühr sei nicht mehr vertretbar, weil sie die tatsächliche Arbeitsleistung und die Stellung des Patentanwalts nicht berücksichtige. Der Gedanke, der hinter dieser Gesetzesbegründung steht, daß nämlich nur die volle Kostenerstattung sachgerecht sei, gilt in gleicher Weise für die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines neben einem Rechtsanwalt mitwirkenden Patentanwalts bzw eines neben einem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalts im Patentnichtigkeitsverfahren (vgl BPatG (4. Senat), Beschluß v. 6. Dezember 2002, 4 ZA(pat) 15/02 zu 4 Ni 30/97, zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Das Kostenbereinigungsgesetz vom 13. Dezember 2001 enthält keine den Art 7 Nr 36 betreffende Übergangsregelung, so daß diese Vorschrift, die gemäß Art 30 Abs 1 dieses Gesetzes am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, ab diesem Zeitpunkt anzuwenden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte den mitwirkenden Rechtsanwalt - was von der Klägerin in Zweifel gezogen wurde - am 1. Januar 2002 oder schon früher beauftragt hat. Die allgemeine Übergangsvorschrift des § 134 Abs 1 Satz 1 BRAGO, die für den Fall einer Gesetzesänderung darauf abstellt, ob der Auftrag vor oder nach dem Inkrafttreten der Änderung erteilt wurde, ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Vorschrift bezieht sich - entsprechend ihrem Standort in der BRAGO - nur auf die Gebührenvorschriften dieses Gesetzes, also auf die Gebührenschuld zwischen Anwalt und Mandant, nicht aber auf deren Erstattungsfähigkeit durch den Prozeßgegner (vgl BPatG aaO). Die Verweisung in § 143 Abs 3 PatG nF auf die Vorschriften des § 11 BRAGO betrifft nur die Frage, in welcher Höhe die Gebühren erstattungsfähig sind. Eine weitergehende Verweisung auf § 134 BRAGO ist darin nicht zu sehen (OLG Nürnberg Mitt 2002, 563). Erstattungsfähig sind damit jedenfalls alle Gebühren des mitwirkenden Anwalts, die seit dem 1. Januar 2002 angefallen sind.
4. Im vorliegenden Fall ist die geltend gemachte Verhandlungsgebühr am 19. Februar 2002 angefallen. Im Hinblick auf den mitwirkenden Rechtsanwalt ist insoweit ausreichend, daß dieser - wie sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt - in der mündlichen Verhandlung anwesend war, um erforderlichenfalls zur Unterstützung des Patentanwalts das Wort ergreifen zu können (vgl hierzu OLG Köln Mitt 2002, 563, 564).
5. Nach alledem war der Kostenerstattungsbetrag antragsgemäß neu festzusetzen.
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 97 ZPO.
7. Der festgesetzte Wert des Erinnerungsverahren errechnet sich aus der geltend gemachten zusätzlichen Verhandlungsgebühr in Höhe von 4.496 € zuzüglich 16% Umsatzsteuer.
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BPatG:
Beschluss v. 24.02.2003
Az: 1 Ni 1/01
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