Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. April 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 355/05

(BPatG: Beschluss v. 08.04.2009, Az.: 7 W (pat) 355/05)

Tenor

Das Patent 197 11 103 wird widerrufen.

Gründe

l.

Gegen die am 10. März 2005 veröffentlichte Erteilung des deutschen Patents 197 11 103 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Verfahren zum Verformen von Bauelementen durch Einwirkung magnetischer Kräfte" ist Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei. Die Einsprechende beruft sich unter anderem auf den Stand der Technik nach der Druckschrift:

Preperski, H.: Elektromagnetisches Umformen (D4)

Sie macht geltend, die Schrift D4 offenbare ein magnetisches Umformverfahren entsprechend Anspruch 1 des Streitpatents, bei dem lediglich das Merkmal des horizontalen Wechsels des Werkzeugs relativ zum Werkstück zur Erzeugung eines strukturierten Verformungsmusters entsprechend den letzten vier Zeilen des Anspruchs 1 nicht offenbart sei. Eine derartige Wiederholung gleichartiger Umformvorgänge bis zur Fertigstellung des Werkstücks sei jedoch nicht erfinderisch, sondern für den Fachmann zumindest nahegelegt.

Die Patentinhaberin hat sich sachlich nicht zum o. g. Einspruchsschriftsatz geäußert.

In der Zwischenverfügung vom 25. November 2008 hat der Berichterstatter den Beteiligten mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Einschätzung des Sachverhalts der Einspruch begründet sein könnte.

Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung haben die Einsprechende und die Patentinhaberin mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 bzw. 13. Februar 2009 mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werden

(S. 61 und 64 der GA).

Die Einsprechende hat den Antrag gestellt, das Streitpatent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat den Antrag gestellt, die Einspruchssache nach Aktenlage zu entscheiden.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Verformen von Bauelementen durch berührungsloses Einwirken magnetischer Kräfte, die mittels Erreger erzeugt, mit dem Bauelement für eine Verformung in Verbindung gebracht werden, dessen Oberfläche in einem ausgewählten Abschnitt sowie in einem bestimmten Abstand voneinander angeordneten, von den Erregern überdeckt, mit partiellen Verformungen versehen wird und die Verformungen mit den Erregern sooft in einem horizontalen Wechsel über der Fläche des Elementes wiederholt werden, bis seine Oberfläche mit einem strukturierten Verformungsmuster ausgestattet ist."

Zum Wortlaut der dem Anspruch 1 nachgeordneten Ansprüche 2 bis 7, die weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach dem Hauptanspruch beinhalten, wird auf die Streitpatentschrift (DE 197 11 103 B4) verwiesen.

Als der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe ist in der Streitpatentschrift (StrPS) angegeben, ein Verfahren zum Verformen von Bauelementen durch Einwirken magnetischer Kräfte, wobei das Magnetfeld direkt als aktives Werkzeugelement zum Einsatz gelangt, dessen Energie über eine Erregerspule entladen wird und auf das Bauelement einwirkt, zu schaffen, mit dem es gestattet ist, auf Einrichtungen zum Erzeugen einer Gegenkraft bei der Verformungsarbeit zu verzichten und eine weitgehende Selbstorganisation der Materialstrukturierung zu erreichen. (Absatz [0002]).

II.

Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG analog zuständig (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2008 -Az.: X ZB 6/08).

III.

Der zulässige, insbesondere fristund formgerecht erhobene Einspruch ist begründet.

Entscheidend für die Beurteilung des Patents ist hier jedoch nicht die von der Einsprechenden bemängelte unklare Lehre aufgrund einiger vager und unklarer Begriffe in Beschreibung und Aufgabenstellung(GA S. 4, leAbs. bis S. 6, Abs. 2), da der Fachmann aufgrund des Gesamtumfangs der Offenbarung und seines Fachwissens erkennen kann, wie diese Begriffe auszulegen sind und er durch die Ansprüche 1 bis 7 auch eine ausführbare Anweisung zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte erhält. Auch auf die im Zwischenbescheid des Berichterstatters thematisierte, eventuell vorliegende, unzulässige Erweiterung kommt es nicht an, denn selbst wenn man voraussetzt, diese läge nicht vor, stellt der Gegenstand des angefochtenen Patents keine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar, da der Gegenstand des Anspruchs 1 zwar neu sein mag, aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Als hier zuständiger Fachmann ist ein Dipl.-Ing. des Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Hochgeschwindigkeits-Umformtechnik von Blechen anzusehen.

Aus der Druckschrift: Preperski, H.: Elektromagnetisches Umformen (D4) mit den Abb. 4, 6 und 7a, und zugehöriger Beschreibung (vgl. S. 343 rechte Spalte, leAbs. bis S. 345 ganze linke Spalte) ist ein Verfahren zum Verformen von Bauelementen durch berührungsloses Einwirken magnetischer Kräfte entsprechend Anspruch 1 des Streitpatents offenbart. Diese werden mittels Erreger erzeugt, deren Oberfläche in einem ausgewählten Abschnitt sowie in einem bestimmten Abstand zum Bauelement und voneinander angeordnet sind. Die von den Erregern überdeckte Oberfläche des Werkstücks (Bauelements) wird dabei (durch Einwirken der magnetischen Kräfte) mit partiellen Verformungen versehen. Die Schrift D4 vermittelt dem fachkundigen Leser somit auch die allgemeine Lehre, Bauelemente durch berührungsloses Einwirken magnetischer Kräfte ohne Gegenform zu strukturieren bzw. zu verformen (vgl. Fig. 6 und Beschr. S. 344, leAbs. bis S. 345 oben).

Somit verbleibt beim Gegenstand des Anspruchs 1 nach Streitpatent lediglich noch unterschiedlich, dass die Verformungen mit den Erregern so oft in einem horizontalen Wechsel über der Fläche des (Bau-)Elementes wiederholt werden, bis seine Oberfläche mit einem strukturierten Verformungsmuster ausgestattet ist (letzte vier Zeilen des Anspruchs 1).

Dieses Unterschiedsmerkmal kann jedoch eine erfinderische Tätigkeit bei der Lehre des Anspruchs 1 nicht stützen. Denn eine Wiederholung desselben Arbeitsgangs bis zur Fertigstellung des Werkstücks ist insbesonders bei ausgedehnten Stanzund Prägeteilen fachüblich, bspw. um Lochbleche oder als gelochte Streifen ausgebildete Montagebänder herzustellen. Eine derartige Arbeitsweise kann auch durch die Schrift D4 mit der Fig. 7a und der Beschreibung S. 345, linke Spalte, letzter Abs. zumindest nahegelegt werden, da dort ausgeführt wird, dass gegebenenfalls stückoder besser abschnittsweise Blech oder wie bei Fig. 7a dargestellt, ein Rohr verformt werden kann. Deshalb entscheidet hier der Fachmann im Rahmen fachnotorischer Abwägungen der Vorund Nachteile der jeweiligen Fertigungsverfahren und anhand der äußeren Bedingungen, z. B. Seriengröße oder Größe der Teile bzw. der verfügbaren Werkzeugfläche, über die hier erfolgversprechendste Vorgehensweise. Er kann z. B. durch die einfache und überschaubare Maßnahme, mehrere in einem horizontalen Wechsel über der Fläche des Elementes wiederholte gleichartige Arbeitsgänge vorzusehen, den Einsatz großflächiger und komplizierter Werkzeuge vermeiden.

Dafür, dass derartige Abwägungen den Bereich der fachlichen Routine des Fachmannes überschreiten und mithin erfinderische Tätigkeit begründen, konnte der Senat keine Anhaltspunkte finden.

Da der Patentanspruch 1 danach mangels erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig ist, können auch die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 keinen Bestand haben.

Dass in den Patentansprüchen 2 bis 7 noch Merkmale von Patent begründender Bedeutung enthalten wären, hat die Patentinhaberin im Übrigen nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.

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BPatG:
Beschluss v. 08.04.2009
Az: 7 W (pat) 355/05


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