Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 4. April 2011
Aktenzeichen: I-24 U 214/09

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 04.04.2011, Az.: I-24 U 214/09)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. Oktober 2009 verkündete Vorbehaltsurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 10. März 2011.

Hierin hat der Senat im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagte mit zutreffenden Erwägungen zur Zahlung von EUR 38.022,05 nebst Zinsen und unter dem Vorbehalt der Entscheidung über eine Gegenforderung der Beklagten wegen Schadensersatzes aufgrund einer Falschberatung in Zusammenhang mit der Klageerhebung wegen Regressansprüchen gegen die Rechtsanwälte E. pp. im Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf zu dem Aktenzeichen 10 O 165/06 in Höhe von EUR 28.084,30 verurteilt.

Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 18. Januar 2010 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Die Verurteilung der Beklagten im Wege des Vorbehaltsurteils lässt keine Fehler des Landgerichts erkennen.

1.

Die Honoraransprüche der Klägerin aus §§ 611 ff., 675 BGB i.V.m. § 2 RVG sind in vollem Umfang begründet.

a.

Die erstinstanzlich von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die dort näher bezeichneten Honorarrechnungen hat sie im Berufungsverfahren nicht wiederholt. Vielmehr nimmt sie die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts insoweit unbeanstandet hin. Der Senat, der die Ausführungen des Landgerichts zu den Forderungen überprüft und nachvollzogen hat, sieht deshalb keinen Anlass, hierzu dezidiert Stellung zu nehmen.

b.

Das Landgericht ist auch folgerichtig davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht durch die von der Beklagten behauptete mündliche Honorarvereinbarung, welche die Beklagte in dem Schreiben vom 4. Januar 2006 schriftlich niedergelegt hat, deren Unterzeichnung die Klägerin indes verweigert haben soll, gebunden ist. Abgesehen davon, dass die Parteien - den Vortrag der Beklagten unterstellt - ersichtlich eine Schriftform wahren wollten, diese aber mangels Unterschrift der Klägerin nicht eingehalten wurde, weshalb schon daraus gemäß §§ 154 Abs. 1, 125 S. 2 BGB eine Unwirksamkeit folgen kann, hat die Beklagte auch zu der behaupteten Vereinbarung nicht substantiiert vorgetragen. Ihr Vorbringen lässt jedwede Einzelheiten zu den Umständen und dem Zeitpunkt der behaupteten Übereinkunft vermissen. Hierauf hat bereits die Klägerin erstinstanzlich hingewiesen, ohne dass die Beklagte diese Umstände näher erläutert hat. Auch im Berufungsrechtszug hat die Beklagte ihr Vorbringen nicht entsprechend ergänzt. Die Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugin W. liefe deshalb auf eine prozessual unzulässige Ausforschung hinaus, weil maßgeblicher Tatsachenvortrag erst erfragt werden müsste. Zudem ist das Vorbringen der Beklagten hinsichtlich des Zeitpunkts der angeblichen Vereinbarung auch widersprüchlich. Sie behauptet, diese sei "zu Beginn der Zusammenarbeit" getroffen worden und bezieht sich auf den Vertragsentwurf vom 4. Januar 2006, dessen Unterzeichnung die Klägerin verweigert haben soll. Tatsächlich war die Klägerin für die Beklagte bereits seit Mitte des Jahres 2004 tätig, wie sich der von der Klägerin vorgelegten Vorschussrechnung vom 22. Juni 2004 für ihre Tätigkeit in der Angelegenheit "Gestaltungsraum Konzepte" entnehmen lässt.

Des weiteren hat die Klägerin detailliert dazu vorgetragen, welche Angelegenheiten sie für die Beklagte bearbeitet hat und dass im Zuge dessen auch Tätigkeiten vergütet wurden, die nach der von der Beklagten behaupteten Honorarvereinbarung nicht vergütungspflichtig sein sollten. Dem ist die Beklagte in erster Instanz nicht entgegen getreten. Soweit sie im Berufungsrechtszug dazu lediglich vorbringt, sie habe die Zahlungen erbracht, um einer "jungen Rechtsanwältin" die "Führung der Praxis weiterhin zu ermöglichen", führt auch dies ersichtlich nicht zu einer anderen Beurteilung.

Eine von der Beklagten angenommene Aufklärungsverpflichtung der Klägerin über die Notwendigkeit der Einhaltung der Schriftform bestand im vorliegenden Fall nicht. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu der Aufklärungspflicht eines Rechtsanwalts betreffend sein Honorar (vgl. nur BGH NJW 2007, 2332 ff. m.w.N., Senat OLGR Düsseldorf 2008, 130 = FamRZ 2008, 622) greifen ersichtlich nicht ein. Denn hier stand nicht in Rede, dass die Beklagte als Mandantin ein höheres als das gesetzliche Honorar zahlen sollte bzw. über die Berechnung des gesetzlichen Honorars nach dem Gegenstandswert aufgeklärt werden musste (§ 49 b Abs. 5 BRAO). Vielmehr ging es darum, dass die Klägerin für bestimmte Tätigkeiten, für die ihr nach dem Gesetz eine Vergütung zustehen würde, auf eine Honorierung verzichten sollte. In einer solchen Konstellation vermag der Senat eine Aufklärungsverpflichtung des Rechtsanwalts über die Form und die Folgen einer derartigen Honorarvereinbarung nicht zu erkennen. Vielmehr treten sich hier die Parteien als gleichberechtigte Verhandlungspartner gegenüber. Die Beklagte als Kauffrau wusste um den von der Klägerin verlangten Verzicht auf die Abrechnung bestimmter gebührenpflichtiger Tätigkeiten und um die möglichen Folgen, die eine Verweigerung der Unterschrift unter einen schriftlichen Vertrag nach sich ziehen kann.

c.

Zutreffend und von der Beklagten im Berufungsrechtszug nicht angegriffen ist das Landgericht weiterhin davon ausgegangen, dass die Klägerin kein Auflösungsverschulden gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 BGB trifft, welches einen Verlust bereits entstandener Gebühren nach sich ziehen könnte. Die Beklagte hat die Klägerin unstreitig der Lüge, der Verleumdung und strafrechtlich relevanter Handlungen bezichtigt. Einem Rechtsanwalt ist in diesem Fall nicht mehr zumutbar, die Mandate zu Ende zu führen. Er ist berechtigt, die Mandate niederzulegen, ohne dass er seinen Anspruch auf bereits verdiente Gebühren verliert (vgl. OLG Nürnberg MDR 1973, 135; Senat, AGS 2009, 6 ff. m.w.N.).

2.

Das Landgericht hat auch zutreffend im Wege des Vorbehaltsurteils gemäß § 302 ZPO entschieden. Die Voraussetzungen hierfür lagen vor:

- Die Klageforderungen waren - wie ausgeführt - entscheidungsreif.

- Der hier bestehende rechtliche Zusammenhang zwischen der Klageforderung (Rechtsanwaltshonorar) und der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung (Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt aus defizitärer Beratung und Vertretung) steht nach der Neufassung des § 302 ZPO dem Erlass eines Vorbehaltsurteils ebenfalls nicht entgegen. Soweit der Bundesgerichtshof auch nach der Neufassung dieser Vorschrift ab dem 21. Oktober 2005 im Werkvertragsrecht ein Vorbehaltsurteil ausgeschlossen hat, wenn trotz des Leistungsverweigerungsrechts dem Werkunternehmer die rechtliche Möglichkeit verschafft wird, mit Hilfe eines Vorbehaltsurteils seine Werklohnforderung ohne Erbringung der vertragsgerechten Gegenleistung durchzusetzen (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2008, 31 ff. = MDR 2007, 1418 f.; vgl. hierzu auch MünchKomm/Musielak, ZPO, 3. Auflage, § 302 Rn. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 302 Rn. 5), sind die dort entwickelten Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Fall nicht zu anzuwenden. Dort hat der Bundesgerichtshof die Wirkung des Vorbehaltsurteils, wonach bei letztlich begründeter Aufrechnung der Kläger einen Titel über eine Forderung erhält, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht besteht, für grundsätzlich nicht gerechtfertigt erachtet. Denn die Aufrechnung des Bestellers gegenüber der Werklohnforderung diene dazu, das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung herzustellen, wozu auch die Forderung auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten gehören würde (BGH a.a.O., BGHZ 164, 159) bzw. die Forderung auf Zahlung der Fertigstellungskosten (vgl. BGHZ 151, 147). Denn der Unternehmer solle den Werklohn nur erhalten, wenn der Besteller ein mangelfreies Werk erhalte.

Hier ist die Sachlage indes eine andere. Die Klägerin verfolgt ihre Zahlungsansprüche aus 62 unterschiedlichen Mandaten, in denen sie für die Beklagte tätig geworden ist. Sie verfolgt keinen Honoraranspruch, der aus dem - nach Behauptung der Beklagten schlecht erfüllten - Anwaltsdienstvertrag in Sachen RA E. pp. herrührt. Soweit in der Abrechnung der Klägerin zwei Kostenrechnungen betreffend Angelegenheiten der RA E. pp. aufgeführt sind, stehen diese mit der gegenüber der Klägerin zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderung nicht im Zusammenhang. Die unter Ziffer 15. aufgeführte Rechtsanwaltsvergütungssache betraf, ebenso wie die unter Ziffer 23. genannte Angelegenheit Kostenfestsetzungsverfahren der RA E. pp. gemäß § 11 RVG gegen die Beklagte bzw. das sich daran anschließende Verfahren vor dem Amtsgericht Düsseldorf (Az. 54 C 14236/04). Diese Angelegenheiten stehen mit den Schadensersatzansprüchen indes in keinem rechtlichen Zusammenhang. Denn in den hier abgerechneten Verfahren wird der Klägerin keine Schlechtleistung vorgeworfen, weshalb eine Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses nicht zu befürchten ist. Vielmehr verteidigt sich die Beklagte damit, der Klägerin stehe nach der behaupteten Gebührenvereinbarung für diese Tätigkeit kein Honorar zu bzw. die Forderung sei dem Grunde nach gerechtfertigt, sie rechne aber mit ihren Schadensersatzansprüchen aus dem Verfahren M. auf. Insoweit ist die Klageforderung, die sich im Wege der Klagehäufung aus 62 verschiedenen Streitgegenständen zusammensetzt, einschließlich der Honorarforderungen für die Tätigkeiten in Angelegenheiten gegen die RA E. pp. rechtlich unabhängig von dem behaupteten Schadensatzanspruch und steht zu diesem auch in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne des § 320 BGB (vgl. hierzu auch BGHZ 165, 134 (137 f.); Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 320 Rn. 4).

Die zur Aufrechnung gestellte Forderung der Beklagten ist nicht entscheidungsreif. Daran ändert nichts der Umstand, dass nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 29. Juli 2009 der Beklagten das am 28 Juli 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az. 10 O 165/06) zugestellt wurde, mit welchem die RA E. pp. zur Zahlung von EUR 63.491,-- verurteilt wurden, die weitergehende Klage der hiesigen Beklagten über EUR 867.914,66 sowie über Zinsen in Höhe von EUR 732.567,90 jedoch abgewiesen wurde. In dieser Situation bestand für das Landgericht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO kein Anlass. Denn, selbst wenn das Urteil in das Verfahren erster Instanz noch eingeführt worden wäre, stünde nicht fest, dass die Klägerin der Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Situation der fehlenden Entscheidungsreife der zur Aufrechnung gestellten Forderung hätte sich somit nicht geändert und das Landgericht keinen Grund gehabt, das Vorbehaltsurteil nicht zu erlassen. Zum Zeitpunkt der Verkündung war das Urteil nicht rechtskräftig, so dass nicht einmal abschließend beurteilt werden kann, ob bei der Beklagten überhaupt Vermögensschäden eingetreten sind. Hierzu hat die Beklagte auch im Berufungsrechtszug nichts vorgetragen. Selbst wenn das Urteil zwischenzeitlich rechtskräftig wäre, würde die von der Beklagten erlittene Klageabweisung nicht automatisch bedeuten, dass sich die Klägerin schadensersatzpflichtig gemacht hat. Der Verlust eines Prozesses kann auf vielfältigen Umständen beruhen, die nicht zwangsläufig mit Fehlleistungen des Prozessbevollmächtigten zusammen hängen. Zwischen den Parteien streitig und noch aufklärungsbedürftig ist zudem die Frage, ob die Klägerin die Beklagte auf die drohende Verjährung hingewiesen hat. Dieser Komplex bedarf, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, weiterer Aufklärung, zu dem die Parteien im Nachverfahren ergänzend vortragen können. Entsprechendes gilt für die Höhe des von der Beklagten verfolgten Schadensersatzanspruchs. Diesen hat sie zunächst mit EUR 28.084,30 in Höhe der vergeblich aufgewendeten Prozesskosten beziffert; sie macht aber nun einen weitaus höheren Schaden geltend.

Es ist nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich, dass das Landgericht von seinem gemäß § 302 ZPO eingeräumten pflichtgemäß auszuübenden Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat. Abgesehen davon, dass - wie dargelegt - die Voraussetzungen für den Erlass eines Vorbehaltsurteils sämtlich vorlagen, diente die Vor- abentscheidung über die Klageforderung auch der Ordnung des umfänglichen Streitstoffs.

3.

Soweit die Beklagte erstinstanzlich eine Schadensersatzforderung aus dem Mandat in Sachen M hilfsweise zur Aufrechnung gestellt hat, hat das Landgericht diese aus zutreffenden Gründen (Nr. III, S. 28 f. des Urteils) für unschlüssig erachtet. Dem ist die Beklagte in der Berufungsbegründung nicht entgegen getreten, weshalb weitere Ausführungen hierzu nicht veranlasst sind.

II.

Dem ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Da auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 Nrn. 2 und 3 ZPO vorliegen, war die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es im Hinblick auf § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 73.262,86.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 04.04.2011
Az: I-24 U 214/09


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