Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 284/02
(BPatG: Beschluss v. 02.03.2004, Az.: 33 W (pat) 284/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Am 24. April 2001 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Marke Online Financefür folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Kl. 35: Betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung, Personalmanagementberatung, Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Erstellen von Geschäftsgutachten; Marketing, Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Herausgabe von Statistiken; Personal-/Stellenvermittlung, Personalanwerbung; Vermarktung und Vermietung von Werbezeiten und Werbeflächen im Internet;
Kl. 36: Versicherungswesen, Versicherungsberatung, Vermittlung von Versicherungen, voranstehende Dienstleistungen insbesondere in Bezug auf Krankenversicherungen; Finanzdienstleistungen, finanzielle Beratung, Beratung in Sachen Sparen und Geldanlagen, Investitionsberatung; Finanzanalysen, Vermittlung von Vermögensanlagen, insbesondere in Fonds; Investmentgeschäfte; Vermögensmanagement für Dritte; Beratung beim Immobilienerwerb, Immobilienvermögenskonzepte für Dritte;
Kl. 38: Internet-Dienste, nämlich Bereitstellen, Aufbereiten und Anbieten von Informationen über das Medium Internet, Dienstleistungen eines Internet-Service-Providers, nämlich Erstellen von Programmen zur Lösung branchenspezifischer Probleme im Internet, Gestaltung und Design von Web-Sites; nämlich Einrichtung, Aufrechterhaltung und Wartung von Internet-Zugängen und Einwahlknoten;
Kl. 42: Verarbeitung von Daten für Dritte; Entwicklung, Erstellung, Verbesserung und Aktualisierung von Programmen für die Text- und Datenverarbeitung und zur Prozesssteuerung; technische und Anwendungsberatung in Bezug auf Computer und Datenverarbeitungsprogramme.
Mit Beschluss vom 20. Juni 2002 hat die Markenstelle für Klasse 36 durch ein Mitglied des Patentamts die Anmeldung nach §§ 8 Abs. 2 Nr. 2, 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass die angemeldete Marke sich aus den Bestandteilen "Online" und "Finance" zusammensetze. Der Bestandteil "Online" weise auf die Informations- und Bestellmöglichkeit sowie auf die Nutzung bestimmter Dienstleistungen über eine Datenverbindung, vorwiegend das Internet, hin. "Finance" sei in der Bedeutung "Finanz, Finanzwesen" verständlich. In seiner Gesamtheit stelle die angemeldete Marke einen Hinweis auf Dienstleistungen rund um Finanzen über das Internet dar. Damit weise die Anmeldemarke für die Dienstleistungen der Klasse 35 lediglich auf deren Art hin, z.B. dass die betriebswirtschaftliche Beratung über das Internet hinsichtlich der Finanzen eines Unternehmens erfolge oder den Online-Betrieb von Marktforschung. Dies gelte auch für die Dienstleistungen der Klasse 36, die sich typischerweise mit Finanzen beschäftigten und online angeboten werden könnten. Für die Dienstleistungen der Klasse 38 stelle die angemeldete Bezeichnung einen Hinweis auf Art und Inhalt der Leistungen dar, etwa dass sich die Internetdienste inhaltlich mit Finanzen beschäftigten und entsprechende Informationen über das Internet zur Verfügung stellten. Auch die Dienstleistungen der Klasse 42 würden lediglich nach ihrer Art und Bestimmung beschrieben. Als beschreibende Angabe sei die Anmeldemarke freihaltebedürftig. Im Gegensatz zur Auffassung der Anmelderin sei sie auch nicht mehrdeutig, da der Bedeutungsgehalt "Finanzen" in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen im Vordergrund stehe und der angemeldete Ausdruck bereits in der entsprechenden Bedeutung nachweisbar sei. Auch die von der Anmelderin genannten Voreintragungen rechtfertigten keine andere Beurteilung, da sie andere Marken und damit andere Sachverhalte beträfen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragtden angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei dem Begriff "Online Finance" weder um eine konkrete dienstleistungsbeschreibende Sachangabe, noch um ein gebräuchliches Wort der Alltagssprache handele. Die angemeldete Wortkombination sei in dieser Zusammensetzung weder in der deutschen noch in der englischen Sprache üblich. Die Verkehrskreise würden mit diesem Begriff daher keine klare Vorstellung über Eigenschaften der Dienstleistungen verbinden. Das englische Wort "Online" könne im einschlägigen Dienstleistungsbereich der Beratung in finanziellen Fragen vielseitige Bedeutungen haben, wie etwa "eingeschaltet", "im Dialog", "verbunden". Auch der Begriff "Finance" habe vielfältige Bedeutungen, wie etwa "Finanzwesen", "Finanzwissenschaft", "Geldwirtschaft", "Finanzierung" "Einkünfte", "Geldbereitstellung". Aus diesen unterschiedlichen Bedeutungen der Einzelbestandteile ergäben sich zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten mit jeweils anderen Bedeutungen. So könne "Online Finance" für ein Finanzportal, spezielle Finanzdienstleistungen im Internetbereich, die Finanzierung des Online-Geschäfts von Unternehmen oder die Möglichkeit der Abfrage von Informationen zu Finanzdienstleistungen im Netz stehen. Keine der genannten Deutungsmöglichkeiten ergebe sich jedoch direkt und unmittelbar aus der Anmeldemarke. Damit unterscheide sie sich von bereits existierenden und glatt beschreibenden Begriffen wie "Online Banking", "Online Broking" oder "Online Shopping", die jeweils eine ganz besondere Tätigkeit bezeichneten. Die Anmeldemarke weise hingegen nicht auf eine einzige Tätigkeit sondern ganz allgemein und vage auf Finanzen, Internet und Computer hin. Welche genauen Eigenschaften die beanspruchten Dienstleistungen hätten, ergebe sich nicht unmittelbar und ohne analytischen Aufwand aus der Anmeldemarke, zumal sie in den Klassen 35 und 36 gerade nicht spezielle Internetdienstleistungen, sondern ganz allgemeine Versicherungs-, Beratungs- und Finanzdienstleistungen beanspruche. Die angemeldete Marke sei auch nicht freihaltungsbedürftig. Sie vermittle gerade keine unmittelbare und eindeutige Bedeutung und stelle damit keine exakte und unmittelbare Eigenschaftsbeschreibung dar, wie sie von den Mitbewerbern der Anmelderin benötigt würden. Diesen bleibe es unbenommen, die im normalen Sprachgebrauch existierenden Einzelkomponenten der Anmeldemarke beschreibend zu verwenden, etwa durch "we provide your finance solutions online". Im übrigen verweist die Anmelderin auf verschiedene Voreintragungen mit den Bestandteilen "Finance" und/oder "Online".
Der Anmelderin sind Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführten Recherche übersandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Die angemeldete Marke setzt sich aus den Begriffen "Online" und "Finance" zusammen. Der Bestandteil "Online" ist im Sinne "in direkter Verbindung mit einer DV-Anlage arbeitend/ans Datennetz angeschlossen" in die deutsche Sprache übernommen. Dies gilt auch für Wortzusammensetzungen aus dem Finanzbereich, in denen "online" den ersten Bestandteil darstellt, wie z.B. "Onlinebanking" oder "Onlinebörse" (s. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl.; Büschgen, Das kleine Börsen-Lexikon, 22. Aufl.). Der weitere Markenbestandteil, das englische Wort "Finance" wird schon wegen seiner Ähnlichkeit zum deutschen Wortteil "Finanz-" von breiten Bevölkerungskreisen, selbst wenn sie über keine Englischkenntnisse verfügen, ohne Weiteres als englisches Wort aufgefasst, das für einen Bezug zu Finanzen, also für den Finanzbereich steht. Diese "Finanzen" oder "Finanzwesen" bezeichnende Wortbedeutung kommt "finance" auch zu (vgl. Bank-Wörterbuch, Dt.-Engl., 4. Aufl.). Von Verkehrsteilnehmern mit zumindest grundlegenden Englischkenntnissen, die den weitaus größten Teil der angesprochenen Verkehrskreise ausmachen, wird die angemeldete Bezeichnung daher als "Online-Finanzen" oder "Online-Finanzwesen" verstanden, also als Finanzwesen, das in Verbindung mit einer DV-Anlage bzw. über ein Netzwerk betrieben wird.
Ob die angemeldete Wortkombination darüber hinaus rein sprachlich auch weitere Wortbedeutungen haben kann, wie die Anmelderin meint, kann dahingestellt bleiben. Eine solche Mehrdeutigkeit wäre jedenfalls rein theoretisch, da sich der angemeldete Begriff selbst bereits in erkennbar beschreibender Form als Bezeichnung des online betriebenen Finanzwesens hat belegen lassen. Dies gilt zunächst für das englischsprachige Internet. So heißt es etwa auf der Internetseite www.businessweek.com/magazin/content/02_16/b3779099.htm: "The new growth sectors of online finance involve paying bills, managing bank accounts, figuring taxes, and taking out mortgages." Auf der Internetseite www.bankrate.com/brm/rate/ebank_home.asp steht "Online finance", als anklickbarer Begriff in einer Reihe mit anderen Begriffen wie "Advice", "Insurance", "Investing", "Money markets" usw. Wird er angeklickt, so erscheinen unter "News" Berichte, die mit "Your online billpaying options", "online tax preparation ...", "Web banking basics", "Moving money on the Web" oder "Bargain hunting in cyberspace" eingeleitet werden. Darüber hinaus haben sich zahlreiche weitere englischsprachige Internetseiten auffinden lassen, in denen "online finance" als umfassende Bezeichnung des online betriebenen Finanzwesens verwendet wird.
Damit beschreibt die Marke die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 36 als solche, die selbst Teil des Online-Finanzwesens sind bzw. in diesem Rahmen angeboten und erbracht werden, während die übrigen Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 42 als solche beschrieben werden, die nach ihrer Art und ihrem inhaltlichem Schwerpunkt auf das Online-Finanzwesen spezialisiert sind. Dem steht nicht entgegen, dass die angemeldete Bezeichnung, worauf die Anmelderin hinweist, nicht etwa eine einzige Tätigkeit wie das Online-Banking oder -Broking usw. bezeichnet, sondern für verschiedene Tätigkeiten bzw. Aspekte des Finanzwesens stehen kann. Denn mit ihrem durch den Bestandteil "Finance" ausgedrückten Bedeutungsgehalt stellt die Anmeldemarke einen Oberbegriff dar, dem alle Tätigkeiten innerhalb des online betriebenen Finanzwesens unterfallen können. Eine solche Oberbegrifflichkeit ist jedoch weder eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit noch eine begriffliche Ungenauigkeit.
Darüber hinaus sind auch Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der englischsprachige Begriff "online finance" bereits im deutschen Sprachraum verwendet wird, zumindest aber im Begriff ist, sich als Fachbegriff zu etablieren. So hat er sich zwei mal in schweizerischen Internetseiten belegen lassen (vgl. http://group.swisssquote.com/scripts/press/release_...: "...verfügt Swissquote über zahlreiche Online Finance Information Tools."; www.iex.ch/conference/pages/seminar_form.lasso: (Zwischenüberschrift:) "Online-Finance - Das definitive Ende der Streichliste"). Vor Allem sprechen zwei deutsche Internetseiten dafür, dass der angemeldete Begriff auch im Inland als beschreibende Angabe benötigt wird. So wird unter www.marktstudie.-de/inhaltsangabe6_1901.html eine sich mit der Vermögensbildung von Senioren befassende Marktstudie "Senior Finance" vorgestellt, die sich im Abschnitt 8 "Senioren als Bankkunden" auch mit dem Punkt "Online-Finance" befasst (vgl. Ziff. 8.6 des Inhaltsverzeichnisses). Die Behandlung des Themas "Online-Finance" in Zusammenhang mit Senioren, die (finanz-) technischen Neuerungen und der Übernahme englischer Fachbegriffe erfahrungsgemäß weniger aufgeschlossen gegenüber stehen als jüngere Verkehrsteilnehmer, spricht dafür, dass die angemeldete Bezeichnung offenbar für sämtliche Verkehrskreise einen reinen Fachbegriff darstellt. Außerdem bietet die GfK Marktforschung GmbH unter www.gfk.com/produkte/eigene_pdf/publikationslist_sept2002_fin.pdf eine Studie "CRM Online Finance - Customer Relationship im Online-Finanzektor" an, was darauf hindeutet, dass der angemeldete Begriff einen bestimmten Finanzsektor, bezeichnet und dieser bereits eine ausreichende Bedeutung erlangt hat, um Gegenstand von Marktforschungsstudien zu sein. Aufgrund dieser tatsächlichen Anhaltspunkte ist von einem aktuell bestehenden, zumindest aber von einem zukünftigen Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auszugehen.
Da das Eintragungshindernis für die angemeldete Wortfolge "Online Finance" besteht, können Voreintragungen von Marken, die entweder das Wort "Online" oder das Wort "Finance" aufweisen, keinen Einfluss auf diese Beurteilung haben.
Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.
Winkler Dr. Hock Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 02.03.2004
Az: 33 W (pat) 284/02
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