Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2002
Aktenzeichen: 23 W (pat) 16/01
(BPatG: Beschluss v. 30.07.2002, Az.: 23 W (pat) 16/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Prüfungsstelle für Klasse G 01 D - vom 7. Februar 2001 aufgehoben und das Patent 199 51 802 mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Spalten 1 bis 4 der Beschreibung mit Einschub, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 13) in der ursprünglichen Fassung.
Bezeichnung: Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus einem Meßwert Anmeldetag: 28. Oktober 1999
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 28. Oktober 1999 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zur Bestimmung einer Größe aus einem Meßwert" durch Beschluß vom 7. Februar 2001 zurückgewiesen.
Zur Begründung wird in dem genannten Beschluß auf den Bescheid vom 5. Juli 2000 und die darin im einzelnen dargelegten Mängel des Patentbegehrens Bezug genommen. Die Anmelderin habe sich zu dem Bescheid sachlich nicht geäußert, das Patentbegehren also in der nicht gewährbaren Fassung unverändert aufrechterhalten und mit Schriftsatz vom 23. Januar 2001 die Patenterteilung und Entscheidung nach Lage der Akten beantragt, weshalb die Entscheidung nur in Form einer Zurückweisung der Anmeldung habe erfolgen können. In dem genannten Bescheid ist ausgeführt, daß ein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des ursprünglichen Patentanspruchs 1 bereits aus der - deutschen Patentschrift 196 15 542 C2 (Druckschrift 1)
bekannt und daher nicht neu sei. Zum Stand der Technik wurde außerdem auf die Entgegenhaltungen - ältere Anmeldung veröffentlicht als deutsche Offenlegungsschrift 198 18 329 (Druckschrift 2)
- deutsche Offenlegungsschrift 30 24 328 (Druckschrift 3)
- deutsche Offenlegungsschrift 43 24 513 (Druckschrift 4)
hingewiesen, die dem Anmeldungsgegenstand entweder für sich oder in Kombination gleichfalls patenthindernd entgegenstünden. Insbesondere stehe die Druckschrift 2 den Patentansprüchen 1 bis 3 gleichfalls neuheitsschädlich entgegen.
Zum Stand der Technik ist in der ursprünglichen Beschreibung außerdem die - deutsche Offenlegungsschrift 41 00 006 (Druckschrift 5)
genannt worden.
Gegen den vorgenannten Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie verfolgt ihr Schutzbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 3 mit angepaßter Beschreibung weiter und vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des neugefaßten Patentanspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik patentfähig sei.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Spalten 1 bis 4 der Beschreibung mit Einschub, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 13) in der ursprünglichen Fassung.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus einem Meßwert, bei dem der Meßwert das Ausgangssignal eines Temperatursensors mit einem Tiefpaßverhalten ist, und - zu einem den Meßwert repräsentierenden zeitabhängigen Wert zumindest ein weiterer Wert abgeleitet wird, der eine zeitliche Ableitung dieses den Meßwert repräsentierenden Werts repräsentiert, und - die zu bestimmende Temperaturgröße aus der Addition beider Werte gebildet wird, wobei der weitere Wert mit einer das Tiefpaßverhalten des Sensors charakterisierenden Zeitkonstante multipliziert ist."
Wegen der geltenden Unteransprüche 2 und 3 und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und auch begründet; denn die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 ist durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen.
1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 sind zulässig.
Der geltende Patentanspruch 1 findet inhaltlich eine ausreichende Stütze im ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung, Seite 1, letzter Absatz sowie Seite 6, Absatz 1 (hinsichtlich der Beschränkung auf einen Temperatursensor) und dem in der ursprünglichen Beschreibung, Seite 4, dritter und letzter Absatz erläuterten Ausführungsbeispiel nach Figur 1 (hinsichtlich der Bestimmung der Temperaturgröße durch Multiplikation der zeitlichen Ableitung des den Meßwert repräsentierenden Werts mit der Zeitkonstante des Sensors und Addition zu dem den Meßwert repräsentierenden Wert).
Die geltenden Unteransprüche 2 bzw. 3 entsprechen technisch inhaltlich unverändert den ursprünglichen Ansprüchen 2 bzw. 3.
2. Nach den Angaben in der geltenden Beschreibung (Sp 1, Abs 2 und 3) besteht der Nachteil von Sensoren mit Tiefpaßverhalten darin, daß diese schnellen Änderungen des Eingangssignals nicht zu folgen vermögen, weil bei ihnen bei sprunghafter Änderung des Eingangssignals (u(t), Fig 2) das Ausgangssignal (x(t), Fig 3) den entsprechenden Wert erst nach einer Verzögerung von 5T erreicht, wobei T die Zeitkonstante des Sensors ist (Sp 2, drittletzter Abs bis Sp 3, Abs 1).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldungsgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, den Einsatzbereich derartiger Sensoren zu verbessern (Sp 1, Z 48 bis 49). Dh ersichtlich soll bei einem Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus dem Meßwert eines Temperatursensors mit Tiefpaßverhalten der Augenblickswert des Sensor-Eingangssignals (Meßgröße) schneller mit ausreichender Genauigkeit verfügbar gemacht werden (Sp 2, Z 18 bis 22).
Diese Aufgabe wird mit dem Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus einem Meßwert nach dem geltenden Patentanspruch 1 gelöst (Sp 1, Z 50 bis 65). Denn ein Sensor mit Tiefpaßverhalten verhält sich wie ein Verzögerungsglied erster Ordnung (PT1-Verhalten), dh für ihn gilt die Differentialgleichungu(t) = T . dx(t)/dt + x(t), wobei u(t) das Eingangssignal, x(t) das Ausgangssignal, dx(t)/dt dessen zeitliche Ableitung und T die Zeitkonstante des Sensors sind (Sp 3, Z 5 bis 24). Danach läßt sich das Eingangssignal u(t) eines Temperatursensors mit Tiefpaßverhalten bereits aus dem anfangs noch ungenauen Ausgangssignal x(t) des Sensors bestimmen, indem dessen zeitliche Ableitung dx(t)/dt mit der Zeitkonstanten T multipliziert und zum Ausgangssignal x(t) des Sensors addiert wird, wie dies der geltende Patentanspruch 1 lehrt (vgl hierzu auch die Fig 1 nebst der dazugehörigen Beschreibung in Sp 3, Z 40 bis 43).
Um Probleme bei der Bestimmung der zeitlichen Ableitung dx(t)/dt - dh der Steigung der Kurve x(t) - zu vermeiden, die aufgrund von dem Eingangssignal überlagerten Störkomponenten auftreten können (Fig 10 bis 13), wird die zeitliche Ableitung dx(t)/dt vorzugsweise durch rekursive Schätzung ermittelt (geltender Unteranspruch 2). Insbesondere werden das Ausgangssignal x(t) des Sensors und dessen zeitliche Ableitung dx(t)/dt mittels eines Kalman-Filters geschätzt (Unteranspruch 3). Bei Einsetzen der geschätzten Werte x(t)^ und dx(t)/dt^ in die vorstehende Differentialgleichung ergibt sich für den Schätzwert u(t)^ des Sensor-Eingangssignals die entsprechende Beziehung u(t)^ = T . dx(t)/dt^ + x(t)^ (Sp 3, Z 25 bis 38 zur Fig 1).
3. Das - zweifelsfrei gewerblich anwendbare - Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus einem Meßwert nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung von Temperaturmeßverfahren, insbesondere mittels Sensoren mit Tiefpaßverhalten, befaßter, berufserfahrener Physiker oder Elektroingenieur mit Universitätsausbildung zu definieren ist.
a) Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus einem Meßwert ergibt sich schon daraus, daß keine der eingangs genannten Entgegenhaltungen die Bestimmung einer Meßgröße aus dem Meßwert, der dazugehörigen zeitlichen Ableitung und der Zeitkonstante T des Sensors im Sinne des geltenden Patentanspruchs 1 offenbart.
Die nicht vorveröffentlichte Druckschrift 2, die einer gemäß § 3 Abs 2 Nr 1 iVm § 4 Satz 2 PatG nur bei der Neuheitsprüfung als Stand der Technik geltenden nationalen Patentanmeldung mit älterem Zeitrang entspricht, betrifft ein Verfahren zur Bestimmung von sprunghaften Änderungen der Konzentration eines chemischen Stoffs in einem Medium (S 3, Z 10 bis 21) aus dem Ausgangssignal eines chemischen Sensors mit Tiefpaßverhalten (S 2, Abs 1 bis 4). Kontinuierliche Änderungen der Konzentration werden durch eine Folge von Konzentrationssprüngen angenähert (S 3, Z 22 bis 27), wenn die Steigung des Meßsignals einen vorbestimmten Schwellwert übersteigt, dh die Änderung hinreichend schnell ist (Anspruch 3 iVm S 3, Z 28 bis 35). Zum Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltung gehört zwar, daß sich chemische Sensoren wenigstens näherungsweise wie ein Verzögerungsglied erster Ordnung (PT1-Glied) verhalten und daß für sie daher eine Differentialgleichung gilt (S 2, Z 60 bis S 3, Z 2), die im wesentlichen derjenigen nach den Anmeldungsunterlagen entspricht. Bei der Bestimmung des Schätzwerts des Meßsignals schlägt diese Entgegenhaltung jedoch insofern einen anderen Weg ein, als sie bei Sensoren mit linearem Verhalten - dh mit zum Eingangssignal proportionalem Ausgangssignal - zur Bestimmung des Schätzwerts lediglich die anfängliche Steigung des Sensor-Ausgangssignals zu Beginn seiner Sprungantwort - dh dessen zeitliche Ableitung unmittelbar nach dem Einsetzen der Änderung - heranzieht (Ansprüche 1 und 2 iVm S 2, Z 30 bis 59 und S 4, Z 21 bis 27) bzw. bei Sensoren mit nichtlinearem Verhalten zusätzlich den Wert des Ausgangssignals vor Beginn der Änderung berücksichtigt (Anspruch 8 iVm S 4, Abs 3). Der Schätzwert kann dabei unter Zuhilfenahme einer Datenbasis in Form eines Kennfeldes mit einer Vielzahl von Steigungen - gegebenenfalls unter Berücksichtigung dazugehöriger Werte des Ausgangssignals vor seiner Änderung - und mit den hierfür ursächlichen Werten des Eingangssignals (Sprunghöhen bzw. Sprungendwerte der Stoffkonzentration) bestimmt werden (Ansprüche 11 bis 17 iVm S 4, Z 28 bis S 5, Z 7). Bei all diesen Varianten wird die zu bestimmende Größe (Schätzwert) jedoch allein aus der zeitlichen Ableitung des Sensor-Ausgangssignals allenfalls unter Einbeziehung des Sensor-Ausgangssignals vor Beginn der Änderung bestimmt. Dh im Unterschied zur Lehre des geltenden Patenanspruchs 1 bleibt dabei zumindest die das Tiefpaßverhalten des Sensors charakterisierende Zeitkonstante T unberücksichtigt. Infolgedessen wird auch nicht die zeitliche Ableitung mit der Zeitkonstanten T multipliziert und zum Ausgangssignal addiert, wie dies der weitergehenden Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 entspricht. Soweit aber der Schätzwert gemäß einer weiteren Alternative dieser Entgegenhaltung mittels eines Kalman-Filters (21) bestimmt wird (Ansprüche 18 bis 29 iVm S 5, Z 13 bis 46), wird dabei die Differenz aus dem Ausgangssignal (Meßsignal y(k)) des Stoffkonzentrations-Sensors (19) und dem Ausgangssignal (y(k)) eines simulierten Modells (23) des Sensors (19) gebildet und nach Gewichtung mit einem Kalman-Verstärkungsfaktor (K(k)) einerseits dem Sensor-Modell (23) als Modelleingangssignal (r(k)) eingegeben und andererseits nach zusätzlicher Gewichtung mit einem Korrekturfaktor (Fk) als Schätzgröße (z(k)) ausgegeben, wobei als Modell (23) für den Sensor (19) ein Verzögerungsglied erster Ordnung simuliert wird (Ansprüche 19 bis 22 iVm Fig 5 nebst der dazugehörigen Beschreibung auf S 8, letzte Z bis S 9, Z 37). Demgegenüber dient das bei dem beanspruchten Verfahren gemäß dem geltenden Unteranspruch 3 vorzusehende Kalman-Filter (102) der Bestimmung von Schätzwerten für das Temperatursensor-Ausgangssignal und dessen zeitliche Ableitung, wobei der Schätzwert der zeitlichen Ableitung dann mit der Zeitkonstanten T multipliziert und zum Schätzwert des Ausgangssignals addiert wird (Sp 3, Z 40 bis 43 zur Fig 1), wie dies der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 entspricht.
Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber dem Stand der Technik nach der nicht vorveröffentlichten Druckschrift 2 ergibt sich zudem auch schon daraus, daß der geltende Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus dem Ausgangssignal eines Temperatursensors mit Tiefpaßverhalten betrifft, wohingegen sich diese ältere Patentanmeldung - wie dargelegt - ausschließlich mit Verfahren zur Bestimmung der Konzentration eines chemischen Stoffs in einem Medium mittels chemischer Sensoren mit Tiefpaßverhalten befaßt.
Entsprechendes gilt auch für die eine Einrichtung zur Motorlastbestimmung für einen Verbrennungsmotor betreffende vorveröffentlichte Druckschrift 1, gemäß der das Eingangssignal zumindest eines Sensors (Saugrohrdrucksensor 3, Luftmassenstromsensor 4, Drosselklappenwinkelsensor 5) mit Tiefpaßverhalten (Sp 1, Z 49) vermittels eines Kalman-Filters (1) geschätzt wird, indem - insoweit entsprechend der vorstehend abgehandelten Druckschrift 2 (Alternative mit Kalman-Filter) - die mit Kalman-Verstärkungsfaktoren gewichtete Differenz aus dem Ausgangssignal des jeweiligen Sensors und einer entsprechenden modellierten Zustandsgröße gebildet und - ersichtlich auf den Modelleingang - rückgeführt wird (Sp 4, Z 37 bis 52 zur Fig 1 bzw Beschwerdebegründung der Anmelderin vom 4. März 2002, S 2, Abs 1). Die Druckschrift 1 kommt dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 danach auch nicht näher als die vorstehend abgehandelte Druckschrift 2 (Alternative mit Kalman-Filter).
Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber dem Stand der Technik nach den vorveröffentlichten Druckschriften 3 bis 5 ergibt sich implizit aus den nachfolgenden diesbezüglichen Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.
b) Die vorveröffentlichte Druckschrift 1 kann dem vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den eingangs außerdem genannten vorveröffentlichten Druckschriften 3 bis 5 nahelegen.
Denn in der Druckschrift 1 findet sich keinerlei Hinweis darauf, daß es bei einem Verfahren zur Bestimmung einer Größe aus einem Sensor-Meßwert von Vorteil sein könnte, die zeitliche Ableitung des Sensor-Meßwerts mit der Zeitkonstanten des Sensors zu multiplizieren und dann zu dem Sensor-Meßwert zu addieren, wie dies der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 entspricht.
Eine Anregung hierzu erhält der Fachmann auch nicht bei Einbeziehung der übrigen vorveröffentlichten Entgegenhaltungen.
Die eine Einrichtung zur Messung einer physikalischen Größe mit einem Sensor betreffende Druckschrift 3 befaßt sich zwar auch mit einem Temperatursensor (Temperaturfühler 1) mit Schutzummantelung (Metallrohr 2, Kunststoffhalterung 3, Metallrohr 4; S 5, letzter Abs zur Fig ), dh mit Tiefpaßverhalten (S 6, Abs 1 bis 3). Sie führt den Fachmann jedoch schon insofern in eine andere Richtung, als danach an der Außenfläche des Metallrohrs (2) in der Nähe des Sensors (1) ein Hilfssensor (Temperaturfühler 5) angeordnet ist, mit dem der von dem Sensor (1) bzw. dem Metallrohr (2) durch die Halterung (3, 4) nach außen abfließende Wärmestrom erfaßt wird (Anspruch 1 iVm S 12, letzter Abs bis S 13, Abs 1 zu den Fig 2 und 3). Das durch die Halterung (3, 4) bedingte Tiefpaßverhalten des Sensors (1) wird dabei dadurch kompensiert, daß die Differenz der Ausgangssignale des Sensors (1) und des Hilfssensors (5) in einer Differenzmeßstufe (11) gebildet (Fig 5; Umkehrverstärker 12, erster Addierer 13 mit negativem Verstärkungsfaktor v = -K) und von dem Ausgangssignal des Sensors (1) subtrahiert wird (zweiter Addierer 15) (Ansprüche 1 und 3 iVm den Fig 4 und 5 nebst der dazugehörigen Beschreibung auf S 13, Abs 3 bis S 14, Abs 3). Zur Kompensation des Tiefpaßverhaltens des Sensors (1) einschließlich seines Metallrohres (2) ist der Differenzmeßstufe (11) ein Beobachter (9) mit einem elektrischen Parallelmodell (17) nachgeschaltet, in dem das Meßsystem einschließlich der Differenzmeßstufe (11) durch Verzögerungsglieder (RC-Glieder) nachgebildet ist (Anspruch 1 iVm den Fig 4 bis 6 nebst der dazugehörigen Beschreibung auf S 15, Abs 2 bis S 16, Abs 2). Im Beobachter (9) wird die mit einem Kalman-Verstärkungsfaktor (Verstärker 16) gewichtete Differenz der Ausgangssignale der Differenzmeßstufe (11) und des elektrischen Parallelmodells (17) einerseits in das elektrische Parallelmodell (17) eingegeben und andererseits - als praktisch verzögerungsfreies Meßsignal - einer Ausgangsverstärkerstufe (10) zugeführt (S 16, Abs 3 bis S 17, Abs 2 zu den Fig 5 und 6).
Danach kommt diese Entgegenhaltung dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 letztlich auch nicht näher als die vorstehend abgehandelten Druckschriften 1 bzw. 2 (Alternative mit Kalman-Filter). Insbesondere findet sich darin ebenfalls keinerlei Hinweis darauf, daß es von Vorteil sein könnte, bei einem Verfahren zur Bestimmung einer Größe aus einem Sensor-Meßwert die zeitliche Ableitung des Sensor-Meßwerts - insoweit entsprechend der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 - mit der Zeitkonstanten des Sensors zu multiplizieren und sodann zu dem Sensor-Meßwert zu addieren.
Die Druckschrift 4 befaßt sich mit einem Verfahren, einer Schaltung und einem Meßaufnehmer zur Erfassung physikalischer Größen unter Verwendung mindestens eines elektrischen Bauelements (Induktivität 1, 3, Fig 1 und 2; Kapazität 4, Fig 3) mit Tiefpaßverhalten (Zeitverhalten, Sp 1, Abs 2). Das elektrische Bauelement wird dabei mit einer Folge von definierten elektrischen Eingangssignalen Ee(t) - beispielsweise einer Sprungfunktion oder einer zeitlich linear ansteigenden Rampe - beaufschlagt (Ansprüche 1 und 3 iVm Sp 1, Abs 5 zu den Fig 1a bis 1c, 2a bzw 3a, jeweils linkes Diagramm). Die zu messende physikalische Größe (Verschiebungsweg s des Ankers 3 der Induktionsspule 1 (Fig 1 und 2) bzw. einer Platte der Kapazität 4 (Fig 3)) wird aus einer charakteristischen Größe des daraufhin gemessenen Ausgangssignals Ea(t) (Antwortsignal) bestimmt (Anspruch 1), wobei charakteristische Größen des Ausgangssignals Ea(t) beispielsweise - dessen erste zeitliche Ableitung (Sp 1, Abs 6)
- die Zeitdauer (Tm) bis zum Erreichen eines bestimmten Spannungspegels (Up) durch das Ausgangssignal Ea(t) (Fig 1a bzw 3a, rechtes Diagramm)
- der vom Ausgangssignal Ea(t) nach einer bestimmten Zeitspanne (Td) erreichte Wert (Ea) (Fig 1b bzw 2a, rechtes Diagramm) bzw.
- der vom Zeitintegral des Ausgangssignals Ea(t) nach einer vorgegebenen Zeitspanne (Td) erreichte Wert (Ia) (Fig 1c, rechtes Diagramm)
sind. Durch diesen vom Anmeldungsgegenstand sonach weiter weg liegenden Stand der Technik kann der Fachmann ersichtlich ebenfalls keine Anregung dazu erhalten, bei einem Verfahren zur Bestimmung einer Größe aus einem Sensor-Meßwert die zeitliche Ableitung des Sensor-Meßwerts mit der Zeitkonstanten des Sensors zu multiplizieren und dann zu dem Sensor-Meßwert zu addieren, wie dies der geltende Patentanspruch 1 lehrt.
Die in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (S 3, Abs 1) zum Stand der Technik genannte - im Prüfungsverfahren nicht aufgegriffene - Druckschrift 5 betrifft ein universelles Massestrommeßgerät für Flüssigkeiten, Gase und Feststoffe mit einem Corioliswandler als Meßrohr. Danach wird das störbehaftete Meßsignal im Rahmen eines modellgestützten Schätzverfahrens, auch Beobachtersystem genannt, mittels eines optimierenden Filters, z.B. eines Kalman-Filters, in der Weise verarbeitet, daß mittels des optimierenden Filters ein berechneter Meßwert gewonnen wird, der fortlaufend mit dem störbehafteten Meßsignal verglichen wird, wobei aus der ermittelten Abweichung durch das optimierende Kalman-Filter wiederum ein verbesserter Schätzwert für den Massedurchfluß berechnet wird (Sp 2, Abs 2 bis 4, insbes Abs 4). Somit kommt auch diese Entgegenhaltung dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht näher als die Druckschriften 1 bzw. 2 (Alternative mit Kalman-Filter), weshalb sie den Fachmann ebenfalls nicht dazu anzuregen vermag, bei einem Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus einem Sensor-Meßwert die zeitliche Ableitung des Sensor-Meßwerts - entsprechend der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 - mit der Zeitkonstanten des Sensors zu multiplizieren und dann zu dem Sensor Meßwert zu addieren.
Das Verfahren zur Bestimmung einer Temperaturgröße aus einem Meßwert nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist demnach patentfähig.
4. An den Patentanspruch 1 können sich die geltenden Unteransprüche 2 und 3 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Verfahrens nach dem Hauptanspruch betreffen.
5. In der geltenden Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, und das beanspruchte Verfahren anhand der Zeichnungen ausreichend erläutert.
Dr. Beyer Dr. Meinel Dr. Gottschalk Martens Be
BPatG:
Beschluss v. 30.07.2002
Az: 23 W (pat) 16/01
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