Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 20. Januar 2011
Aktenzeichen: 1 W 26/10
(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 20.01.2011, Az.: 1 W 26/10)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beklagte wird von der Klägerin auf Zahlung in Anspruch genommen, da der Beklagte in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt im Rahmen eines Mandats erhaltene Gelder nicht ausgekehrt sowie einen Vorschuss nicht abgerechnet habe. Der Beklagte erkannte einen Teil der Forderung an und beantragte im Übrigen die Abweisung der Klage.
Am 25.05.2010 erfolgte durch ein von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle gezeichnetes Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts und den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer die Mitteilung, dass gegen den Beklagten ein Verfahren aus unerlaubter Handlung anhängig sei. In der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2010 lehnte der Beklagte die den Vorsitz führende Einzelrichterin unter Hinweis auf die vorgenannte Mitteilung vom 25.05.2010 ab. Am gleichen Tage begründete der Beklagte unter Zuhilfenahme der Geschäftsstelle des Landgerichts sein Ablehnungsgesuch ergänzend. Die abgelehnte Richterin äußerte sich ebenfalls am 08.09.2010.
Mit Beschluss vom 27.09.2010 hat die Kammer das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 08.09.2010 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Mitteilung über das Verfahren an die Rechtsanwaltskammer entspreche der Anordnung über die Mitteilung in Zivilsachen (MiZi). Ein Fall, in dem ausnahmsweise eine solche Mitteilung habe unterbleiben müssen, weil schutzwürdige Interessen des Beklagten beeinträchtigt würden, das öffentliche Interesse das Geheimhaltungsinteresse des Beklagten nicht überwiege oder besondere gesetzliche Verwendungsregeln dem entgegenstünden, sei nicht ersichtlich. Soweit die Richterin versehentlich den Mitteilungsweg über die Verwaltung des Landgerichts gewählt habe, sei dies unschädlich, da sie lediglich ihrer Mitteilungspflicht nach den Regelungen der MiZi habe nachkommen wollen. Gegen den am 25.10.2010 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit einem am 08.11.2010 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die abgelehnte Richterin habe es bereits in der Vergangenheit in zwei Zivilprozessen an der gebotenen Überparteilichkeit vermissen lassen. Die Mitteilung nach der MiZi habe der abgelehnten Richterin oblegen, folglich habe auch die beanstandete Mitteilung an die Rechtsanwaltskammer vom 25.10.2010 von dieser unterzeichnet werden müssen. Zudem sei der Präsident des Landgerichts in der MiZi nicht genannt. Daher rechtfertige dessen Information ebenfalls das Ablehnungsgesuch. Ergänzend wird auf die Beschwerdebegründungen vom 08.09.2010 und 22.11.2010 Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.12.2010 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist statthaft, fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1, 569, 571 ZPO). Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Tenor des Beschlusses des Landgerichts vom 27.09.2010 nicht rechtsfehlerhaft. Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs erfolgt stets bei dessen Unbegründetheit, anderenfalls wird das Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen. Der Vorschlag zur Tenorierung in Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 46 Rdnr. 7 führt den Zusatz der Unbegründetheit bereits im Tenor. Dies muss jedoch nicht zwingend erfolgen, da sich die Unbegründetheit bereits aus der Verwendung des Terminus €Zurückweisung€ ergibt.
Zur Begründung wird auf die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27.09.2010 und 20.12.2010 Bezug genommen. Die Beschwerdebegründung führt zu keiner anderen Entscheidung. Gemäß § 42 Abs. 1, 2 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist, ist dabei unerheblich. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken können, der Richter steht dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rdnr. 9). Es kommt mithin darauf an, ob die vorgetragenen und nach § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemachten Tatsachen nach Meinung einer ruhig und besonnen urteilenden Partei geeignet erscheinen, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Objektivität des Richters zu begründen.
Die zur Begründung des Ablehnungsgesuchs angeführten weiteren Rechtsstreitigkeiten vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen 14 O 448/04 und 14 O 389/04 lassen das Vorliegen von Ablehnungsgründen in diesem Rechtsstreit nicht ansatzweise erkennen, zumal der Beklagte sich auf die Wiederholung eines der damaligen Ablehnungsgesuche und Rechtsausführungen beschränkt. Anhaltspunkte für sog. €übergreifende Ablehnungsgründe€ sind nicht erkennbar.
Soweit von dem nunmehr anhängigen Verfahren die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg und der Präsident des Landgerichts informiert worden sind, kann dahinstehen bleiben, ob diese Mitteilung auf Veranlassung der Richterin erfolgt ist oder durch die Geschäftsstelle. Mit dieser Mitteilung wäre, selbst wenn sie von der Richterin persönlich veranlasst worden wäre, keine Voreingenommenheit der Richterin oder eine Verdächtigung zum Nachteil des Beklagten verbunden gewesen.
Nach dem 5. Abschnitt, Ziff. XXIII.1 €Mitteilung betreffend Angehörige rechts- und steuerberatender Berufe€ der Anordnung über die Mitteilung in Zivilsachen (MiZi) hatte die Mitteilung der Anhängigkeit der Klage zu erfolgen. Der Beklagte ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer, Gegenstand der Klage war zudem nicht nur eine Forderungsklage i. S. d. 5. Abschnitts, Ziff. XXIII.2, Abs. 1 a. MiZi, sondern die Nichtauskehr von beigetriebenen Geldern im Rahmen eines Mandats. Diese Mitteilung an die Rechtsanwaltskammer diente der Sicherstellung der Ordnungsmäßigkeit der Rechtspflege, betrifft sie doch eine der Grundpflichten des Rechtsanwalts, nämlich die in § 43 a Ziff. 5 BRAO geregelte Pflicht, anvertraute Vermögenswerte mit der erforderlichen Sorgfalt zu behandeln und fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen. Die allein auf die Anhängigkeit beschränkte Mitteilung des Gerichts hat sich auch jeder Verdächtigung enthalten und unterscheidet sich so von den Sachverhalten, in denen der Richter selbst Strafanzeige erstattet oder das Verfahren aussetzt und es der Staatsanwaltschaft auf der Grundlage des einseitigen Parteivorbringens zuleitet (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rdnr. 22 b). Im Übrigen darf der Beklagte berechtigt darauf vertrauen, dass die Rechtsanwaltskammer fachlich in der Lage ist zu erkennen, dass eine Klage nicht mehr als den Sachvortrag der Klägerin enthält. Dem Landgericht oblag es auch nicht den Abschluss des Verfahrens abzuwarten, wie es der Beklagte aus Ziff. XXIII.2, Abs. 1 a. MiZi ableitet. Vielmehr können die ergangenen Entscheidungen oder geschlossenen Vergleiche auch zu einem späteren Zeitpunkt an die Rechtsanwaltskammer übersandt werden. Die MiZi bestimmt allein, dass umfassend zu unterrichten ist, nicht dagegen, dass erst nach Abschluss der Verfahrens, d. h. bei Vorliegen der abschließenden Entscheidung, zu unterrichten ist.
Die Unterrichtung des Präsidenten des Landgerichts, also der Verwaltungseinheit des Gerichts, führt ebenfalls nicht zum Vorliegen von Ablehnungsgründen. Der Beklagte selbst führt zutreffend in seiner von der Geschäftsstelle aufgenommenen Beschwerdebegründung vom 08.09.2010 aus, dass diese Information als verwaltungsinterner Vorgang nicht zu beanstanden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entspricht der Gegenstandswert für das Richterablehnungsverfahren dem Wert des zu Grunde liegenden Rechtsstreits (Senat NJW-RR 2000, S. 1091, 1092).
Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 20.01.2011
Az: 1 W 26/10
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