Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2002
Aktenzeichen: 8 MA 4171/01
(Niedersächsisches OVG: Beschluss v. 29.01.2002, Az.: 8 MA 4171/01)
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die Beschwerdezulassungsgründe, die die Antragstellerin geltend gemacht hat, nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt worden sind.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) mit der Begründung abgelehnt, dass nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass die von der Antragstellerin erhobene Klage (5 A 44/01) Erfolg haben werde. Der Hauptantrag, einstweilen festzustellen, dass der satzungsgemäße Ankauf von Forderungen durch die Antragstellerin keiner Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz bedarf, sei unbegründet. Die Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Rechtsberatungsgesetzes € RBerG € erstrecke sich gemäß § 1 Abs. 1 der Fünften Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes € 5. AVO € auch auf den geschäftsmäßigen Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung. Dazu gehöre aller Voraussicht nach der von der Antragstellerin geplante Forderungskauf, der geschäftsmäßig erfolge, weil er nicht nur gelegentlich, sondern in einer Vielzahl von Fällen im Rahmen einer weisungsfreien und damit selbständigen Tätigkeit stattfinden solle. Ob § 1 Abs. 1 der 5. AVO verfassungsgemäß sei, müsse gegebenenfalls im Verfahren zur Hauptsache vertieft werden. Im vorliegenden Verfahren könne jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit von der Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung ausgegangen werden, weil sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als verfassungsgemäß erachtet worden sei. Der Hilfsantrag, der auf die vorläufige Erteilung einer Erlaubnis gerichtet sei, habe ebenfalls keinen Erfolg, weil ein Anspruch der Antragstellerin auf eine Erlaubnis nicht mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit bestehe. Die Antragstellerin habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass besondere Umstände im Sinne des § 10 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes € 1. AVO € für die Rechtsform einer Stiftung als Inkassounternehmen sprächen. Dass die Antragstellerin nach ihrer Satzung die Anwaltskosten, die bei der Einziehung der erworbenen Forderung entstünden, nicht gegenüber den Schuldnern geltend machen wolle, stelle keine Besonderheit dar, die den Forderungserwerb durch eine Stiftung nahe legten. Der "Honorarverzicht" wäre auch bei einem Forderungseinzug in anderer Rechtsform denkbar. Im Übrigen dürfte die Gemeinnützigkeit der Antragstellerin gegen die von ihr beabsichtigte Betriebsführung sprechen.
Die von der Antragstellerin dagegen erhobenen Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses, so dass die Beschwerde nicht nach § 146 Abs. 4 VwGO a. F. i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden kann.
Die Annahme der Antragstellerin, dass § 1 Abs. 1 der 5. AVO auf den von ihr beabsichtigten Forderungserwerb nicht anzuwenden sei, weil es an der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten fehle, überzeugt nicht. Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, nur von Personen geschäftsmäßig betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt worden ist. Ergänzend dazu bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO, dass auch der rechtsgeschäftliche Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG bedarf. Damit erweitert diese Bestimmung die gesetzliche Erlaubnispflicht auf den Forderungserwerb (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.8.1977 - 1 C 23/69 - NJW 1978, S. 234; BGH, Urt. v. 3.5.1972 - VIII ZR 170/71 - NJW 1972, S. 1715). Folglich kommt es nicht darauf an, ob die von der Antragstellerin beabsichtigte Übernahme von Forderungen zum Zwecke der Einziehung den Tatbestand des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG erfüllt. Maßgebend ist vielmehr, ob ein geschäftsmäßiger Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO vorliegt, was vom Verwaltungsgericht mit nachvollziehbarer Begründung bejaht worden ist. Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie mit der Übernahme der Forderungen nach § 2 Abs. 1 a, Abs. 2 b ihrer Satzung den Schutz der Schuldner bezwecke. Dieser Umstand berechtigt nämlich nicht zu der Annahme, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO auf den von ihr beabsichtigten Forderungskauf nicht anwendbar ist, weil diese Bestimmung nur darauf abstellt, dass der rechtsgeschäftliche Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung erfolgt, und weitere Beweggründe unberücksichtigt lässt. Die Antragstellerin kann ebenfalls nicht erfolgreich einwenden, dass der Forderungskauf, den sie vornehmen will, nicht anders als der Forderungserwerb und -einzug im Rahmen des Factoring, der erlaubnisfrei sei, behandelt werden dürfe. Der Antragstellerin ist zwar einzuräumen, dass der Erwerb und der Einzug von Forderungen beim Factoring keiner Erlaubnis nach Art 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG und § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO bedürfen (BGH, Urt. v. 23.1.1980 € VIII ZR 91/79 € NJW 1980, S. 1394, m. w. N.; Urt. v. 3.5.1972, a.a.O.). Das ist jedoch darauf zurückzuführen, dass diese Vorschriften unter dem Vorbehalt des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG stehen (BGH, Urt. v. 23.1.1980, a.a.O.). Diese Bestimmung erlaubt, dass gewerbliche Unternehmen für ihre Kunden solche Rechtsangelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebs in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Einen derartigen Zusammenhang hat die höchstrichterliche Rechtsprechung für das Factoring-Geschäft von Banken bejaht (BGH, Urt. v. 23.1.1980, a.a.O.) Der Forderungserwerb, den die Antragstellerin plant, wird von Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG hingegen nicht erfasst. Daher kann aus dem Umstand, dass der Erwerb und die Einziehung einer Forderung im Rahmen des Factoring keiner Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz bedürfen, nicht geschlossen werden, dass der Forderungskauf durch die Antragstellerin erlaubnisfrei sei.
Mit dem Einwand, dass es für die Erweiterung der Erlaubnispflicht durch § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO keine Ermächtigungsgrundlage gebe, hat die Antragstellerin auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses dargelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 16. August 1977 (a.a.O.) entschieden, dass diese Erweiterung der gesetzlichen Erlaubnispflicht durch die Ermächtigung in Art. 5 Abs. 1 RBerG gedeckt ist. Da das Bundesverwaltungsgericht ferner erkannt hat, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 der 5. AVO bestehen (BVerwG, Urt. v. 16.8.1977, a.a.O.; Beschl. v. 3.8.1960 € I ER 200.60 - DVBl. 1960, S. 774), ergeben sich auch aus dem Einwand der Antragstellerin, dass ohne eine teleologische Reduktion des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO ein unzulässiger Eingriff in ihre Freiheitsrechte stattfände, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses. Dass das Verwaltungsgericht Bremen § 1 Abs. 1 Satz 1 der 5. AVO im Gegensatz zum Bundesverwaltungsgericht und zum Bundesgerichtshof als nichtig ansieht (Urt. v. 13.6.1996 € 2 A 1996 € 2 A 131/95 € NJW 1997, S. 604), ändert daran nichts.
Die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch bezüglich des Hilfsantrags der Antragstellerin nicht ernstlich zu bezweifeln. Die Annahme der Antragstellerin, dass § 10 Abs. 1 der 1. AVO, dessen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht verneint hat, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sei, weil § 59 c BRAO Rechtsanwälten den Zusammenschluss zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ohne Vorbehalt und Bedingung erlaube, ist unbegründet. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die als Rechtsanwaltsgesellschaften nach § 59 c BRAO zugelassen werden können, von den juristischen Personen, für die § 10 Abs. 1 der 1. AVO gilt, deutlich unterscheiden. So können Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft nach § 59 e Abs. 1 Satz 1 BRAO nur Rechtsanwälte und Angehörige der in § 59 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BRAO genannten Berufe sein. Den Gesellschaftern ist es nach § 59 e Abs. 2 BRAO auch untersagt, ihren in der Rechtsanwaltsgesellschaft ausgeübten Beruf in einem weiteren beruflichen Zusammenschluss auszuüben. Ferner muss die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte Rechtsanwälten zustehen (§ 59 e Abs. 3 Satz 1 BRAO). Außerdem darf die Rechtsanwaltsgesellschaft nur von Rechtsanwälten verantwortlich geführt werden. Damit zeichnen sich Rechtsanwaltsgesellschaften durch Besonderheiten aus, die andere juristische Personen, die fremde Rechtsangelegenheiten besorgen wollen, regelmäßig nicht aufweisen. Infolgedessen kann aus dem Umstand, dass Rechtsanwaltsgesellschaften nach § 59 c Abs. 1 BRAO zugelassen werden können, nicht gefolgert werden, dass § 10 Abs. 1 der 1. AVO, der nach Art 1 § 3 Nr. 2 RBerG auf Rechtsanwaltsgesellschaften keine Anwendung findet, wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sei.
Außerdem bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, soweit diese das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 der 1. AVO betrifft. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Hilfsantrag der Antragstellerin nur dann Erfolg haben kann, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass besondere Umstände für die Rechtsform einer Stiftung als Inkassounternehmen sprechen. Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Antragstellerin ist zwar der Meinung, dass der Verzicht auf die Geltendmachung der Rechtsanwaltskosten, die bei der Einziehung der erworbenen Forderungen entstehen, und das Verbot des Verkaufs "ausgeklagter" Forderungen nur im Rahmen einer Stiftung zu realisieren sei. Das Verwaltungsgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass ein "Honorarverzicht" auch bei einem Forderungseinzug in anderer Rechtsform denkbar sei. Entsprechendes gilt für das Verbot, ausgeklagte Forderungen zu veräußern. Daher ist zweifelhaft, ob es sich bei den von der Antragstellerin angesprochenen Gesichtspunkten um besondere Umstände handelt, die für den geschäftsmäßigen Erwerb der Forderung zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung gerade durch eine Stiftung sprechen. Dass derartige Umstände vorliegen, lässt sich jedenfalls nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit feststellen.
Die erstinstanzliche Entscheidung ist schließlich auch nicht deshalb zu beanstanden, weil das Verwaltungsgericht keine Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin vorgenommen hat. Ob eine zeitweise Vorwegnahme der Hauptsache in Betracht kommt, ist wegen der inneren Abhängigkeit des Anordnungsverfahrens vom Hauptsacheverfahren aufgrund eines materiellen Prüfungsmaßstabs zu beurteilen. Daher bedarf es neben der besonderen Eilbedürftigkeit einer positiven Vorausbeurteilung der Hauptsache (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn. 246 m. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 123 Rn. 14, m.w.N.; Redeker/v. Oertzen, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 123 Rn. 17). Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht keine Interessenabwägung vorgenommen. Folglich liegt der Beschwerdezulassungsgrund des § 146 Abs. 4 VwGO a. F. i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vor. Dafür spricht im übrigen auch, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, dass ein Anordnungsgrund vorliegt, was nur dann der Fall ist, wenn der Antragstellerin schwere und unzumutbare Nachteile drohen, wenn sie auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird (vgl. Kopp/Schenke, § 123 Rn. 14).
Die Beschwerde kann ferner nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten nach § 146 Abs. 4 VwGO a. F. i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Denn die Antragstellerin hat nicht hinreichend dargelegt, welche konkreten Rechtsfragen nur unter besonderen, d.h. überdurchschnittlichen Schwierigkeiten zu beantworten sein sollen und aus welchen Gründen dies der Fall ist. Ihrem Zulassungsantrag ist zwar zu entnehmen, dass sie "die zu berücksichtigenden verfassungsrechtlichen Fragen" als kompliziert ansieht. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang aber nicht erläutert, weshalb in diesem Verfahren, in dem es lediglich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geht, verfassungsrechtliche Fragen abschließend entschieden werden müssen. Darüber hinaus hat sie nicht dargetan, dass diese Fragen auch in Anbetracht der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur unter überdurchschnittlichen Schwierigkeiten zu beantworten sind. Die weitere Behauptung der Antragstellerin, dass die richtige Einordnung ihrer Organisationsform als Element des Schuldnerschutzes rechtlich schwierig sei, rechtfertigt die Zulassung der Beschwerde wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache gleichfalls nicht. Insoweit hat die Antragstellerin es schon versäumt darzulegen, welche konkrete Rechtsfrage nur unter besonderen Schwierigkeiten zu beantworten sein soll.
Die Beschwerde ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 146 Abs. 4 VwGO a. F. i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Antragstellerin hält zwar die Frage für ungeklärt, ob eine Stiftung, die fremde Forderungen ankauft und mit der Einziehung dieser Forderungen im eigenen Namen Rechtsanwälte beauftragt, einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz bedarf und € wenn dies bejaht werden sollte € einen Anspruch auf die Erteilung einer solchen Erlaubnis hat. Diese Frage verleiht ihrer Rechtssache aber keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie in diesem auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beschränkten Verfahren keiner abschließenden Klärung bedarf. Wie bereits ausgeführt, ist die Entscheidung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung davon abhängig, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Klage in der Hauptsache Erfolg haben wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn. 14, m.w.N.). Daher muss hier nicht abschließend darüber befunden werden, ob die Tätigkeit der Erlaubnis bedarf und € bejahendenfalls € ob ein Anspruch auf eine Erlaubnis besteht.
Schließlich scheidet auch eine Zulassung der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO a. F. i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO aus, weil der behauptete Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs nicht vorliegt. Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Als Prozessgrundrecht soll es sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.1985 - 1 BvR 933/94 -, BVerfGE 70, 215 (218); BVerwG, Beschl. v. 25.9.1998 - 3 B 113.98 - m.w.N.). Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nachkommt, ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls deutlich machen, dass dies wider Erwarten nicht geschehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.2.1978 - 1 BvR 426/77 -, BVerfGE 47, 182 (187)). Derartige Umstände sind in dem vorliegenden Fall aber weder dargelegt worden noch erkennbar. Dass das Verwaltungsgericht auf das Vorbringen der Antragstellerin zur verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 der 5. AVO nicht näher eingegangen ist, lässt nicht darauf schließen, dass es den diesbezüglichen Vortrag der Antragstellerin überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Außerdem sprechen keine besonderen Umstände dafür, dass das Verwaltungsgericht die Ausführungen der Antragstellerin zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 10 Abs.1 der 1. AVO und zu den Umständen, die für den Forderungserwerb in der Rechtsform einer Stiftung sprechen, nicht in Erwägung gezogen hat. Dass das Verwaltungsgericht auf eine Abwägung der Interessen nicht eingegangen ist, bedeutet schließlich ebenfalls keinen Gehörsverstoß.
Niedersächsisches OVG:
Beschluss v. 29.01.2002
Az: 8 MA 4171/01
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