Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Oktober 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 225/01
(BPatG: Beschluss v. 07.10.2002, Az.: 30 W (pat) 225/01)
Tenor
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Markesiehe Abb. 1 am Endeist international registriert unter der Nr 671 249 unter anderem für
"Tous produits metalliques pour l'accrochage, l'agrafage, l'assemblage, l'attache, le clavetage, le clipage, la fermerture, la fixation, l'immobilisation, la jonction, la liaison, le pincement, la suspension, le serrage elastique, le verouillage, le vissage d'elements de construction entre eux.
Für diese Marke ist die Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland beantragt worden. Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der Wortmarke 2 046 120 Rapid, eingetragen am 30. September 1993 nach Teillöschung noch für
"Metall-, Guß- und Schmiedeteile für Fahrzeuge, für Sondermüllbehälter, für Fahrzeugarmaturen und für Sportgeräte; Scharniere, Verschlüsse und Rungen als Metall-, Guß- und Schmiedeteile für Fahrzeuge, für Kofferaufbauten und für Container".
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat zunächst mit Beschluß vom 14. Februar 2000 u.a. diesem Widerspruch hinsichtlich der Waren der Klasse 6 stattgegeben im übrigen jedoch zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß haben die Bevollmächtigten der Inhaberin der angegriffenen Marke Erinnerung eingelegt.
Der entsprechende Schriftsatz lautet (auszugsweise):
01760-98 Ra/Z/gw R... S.A. ./. H... GmbH wegen Widerspruch gegen IR 671 249 RAPID IR 671 249/6 Wz Wir legen hiermit namens und im Auftrag der Inhaberin der DE-Marke 1 187 119 "RapidClip" gegen den Beschluß des Deutschen Patentamts vom 14. Februar 2000, uns zugestellt am 24. Februar 2000, das Rechtsmittel der Erinnerungein.
Die Widersprechende hält diese Erinnerung für unzulässig, da sie nicht für die Inhaberin der angegriffenen Marke eingelegt sei, für die weitere Widersprechende jedoch keine Vollmacht vorliege.
Auf die Erinnerung hin wurde der Erstbeschluß durch die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes teilweise mit Beschluß vom 6. August 2001 bestätigt und insoweit die Erinnerung der Markeninhaberin zurückgewiesen. Begründend wurde angeführt, angesichts der gegebenen Identität der Markenwörter komme es nur auf die Warenähnlichkeit innerhalb der Warenklasse 6 an. Diese sei gegeben, denn auch wenn die Waren der Widerspruchsmarke in ihrer Zweckbestimmung begrenzt seien, seien sie vom Warenverzeichnis der angegriffenen Marke umfaßt.
Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, die Markenstelle habe zutreffend erkannt, daß die Waren der Widerspruchsmarke in ihrer Zweckbestimmung begrenzt seien, jedoch unzutreffend darauf hingewiesen, daß die Waren der Widerspruchsmarke durch das Verzeichnis der um Schutz nachsuchenden IR-Marke erfaßt würden. Vor allen Dingen sei der unterschiedliche Vertriebsweg der einander gegenüberstehenden Waren nicht hinreichend beachtet worden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Februar 2000 und vom 6. August 2001 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 2 046 120 vollumfänglich zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke erklärte in der mündlichen Verhandlung, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke derzeit nicht zu bestreiten.
Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes sowie auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet.
Das die Erinnerung nach dem Wortlaut des Erinnerungsschriftsatzes in Namen der Inhaberin der Marke 1 187 119 eingelegt worden ist, hatte nicht die Wirkung, dass entweder seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke keine Erinnerung eingelegt oder überhaupt kein zulässiges Erinnerungsverfahren eingeleitet worden war.
Die Markenstelle hat die Erinnerung zu Recht als durch die Inhaberin der angegriffenen Marke eingelegt behandelt. Zwar hat die Inhaberin der angegriffenen Marke unter der Bezeichnung einer weiteren Widersprechenden mit Schriftsatz vom 20. März 2000 Erinnerung gegen den Erstbeschluß der Markenstelle eingelegt. Das hinter der Bezeichnung "Inhaberin" angegebene Zeichen ist zwar nicht das der angegriffenen Marke und hier auch nicht ohne weiteres als Schreibversehen erkennbar, weil es sich um eine Marke einer weiteren Widersprechenden handelte, die ebenfalls am Verfahren beteiligt und auch beschwert war.
Allerdings ist auch dieser Schriftsatz auslegungsfähig und dabei auch zu berücksichtigen, dass bei der Markenstelle auch die Verfahrensakten vorliegen, so dass sie bei Zweifelsfragen mit zur Auslegung des tatsächlich Gewollten zur Verfügung stehen. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob der Erinnerungsschriftsatz auch in einem anderen Rechtsmittelverfahren, insbesondere als Berufung, für die zudem eigene strenge gesetzliche Vorgaben bestehen (zur möglichen Auslegung in diesen Fällen vgl. Thomas/Putzo, 23. Aufl. ZPO, § 518 Rdn 15) umgedeutet werden könnte.
Diese Auslegung ergibt, dass die Erinnerung für die Inhaberin der angegriffenen Marke eingelegt worden ist. Hierfür spricht zunächst, dass die übrigen Angaben im Erinnerungsschriftsatz in diese Richtung weisen. Zum einen nämlich sind an der Stelle, an der üblicherweise die Beteiligten des Widerspruchsverfahrens genannt werden, als Beteiligte nur die Inhaberin der angegriffenen Marke und die Widersprechende genannt, der die Marke 2 046 120 gehört. Hinzu kommt, dass das Zeichen 1 187 119 mit der Bezeichnung "Inhaberin der DE-Marke.." genannt ist, also der Bezeichnung, die üblicherweise für den Beteiligten auf der angriffenen Seite verwendet wird, während die Beteiligtenrolle von Widersprechenden in aller Regel mit Widersprechende und nicht mit Markeninhaber angegeben wird.
Hinzu kommt, dass im Verfahren alle Beteiligten anwaltschaftlich vertreten waren, so dass einem plötzlichen Mandatswechsel durch den Anwalt der Inhaberin der angegriffenen Marke hinüber zur Seite der weiteren Widersprechenden standes- wie auch sogar strafrechtliche Gesichtspunkte entgegenstanden.
All dies ließ bei vernünftiger Würdigung einen Mandatswechsel als so unwahrscheinlich erscheinen, daß die Markenstelle wie auch die Widersprechende die Einlegung der Erinnerung ohne weiteres der richtigen Partei zuordnen konnte.
Soweit die Widersprechende nur Zweifel verlautbart, dass die Erinnerung für die weitere Widersprechende wirksam eingelegt worden sein soll, gaben ihr diese Zweifel auch ausreichend Anhaltspunkte, um den Erinnerungsschriftsatz zutreffend auslegen zu können.
2. In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats zwischen den Marken Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG besteht.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei eine Wechselbezüglichkeit der Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke besteht (stRspr, vgl EuGH, MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - Honka; GRUR 2001, 158 - 3-Streifen-Kennzeichnung). Dabei kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit oder Identität der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/-TISSERAND).
In Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen.
Nach der - infolge der Nichtaufrechterhaltung der Einrede der mangelnden Benutzung - maßgeblichen Registerlage sind die Waren der Widerspruchsmarke mit den der angegriffenen Marke zumindest eng benachbart. Die Widerspruchsmarke ist geschützt für "Metall-, Guß- und Schmiedeteile für Fahrzeuge, für Sondermüllbehälter, für Fahrzeugarmaturen und für Sportgeräte; Scharniere, Verschlüsse und Rungen als Metall-, Guß- und Schmiedeteile für Fahrzeuge, für Kofferaufbauten und für Container". Demgegenüber beansprucht die schutzsuchende IR-Marke Schutz für "Gegenstände aus Metall zum Befestigen, Klammern, Montieren, Verbinden, Verschließen, Festmachen, Festkneifen, Aufhängen, Einspannen, Verriegeln oder zum Verschrauben von Gegenständen miteinander". Solche metallischen Verbindungs- oder Befestigungsteile spielen auch im Fahrzeugbau eine erhebliche Rolle, so dass der spezielle Einsatzbereich der Waren der angegriffenen Marke markenrechtlich jedenfalls zu keinem ins Gewicht fallenden Warenabstand führt. Zwischen den beiderseitigen Waren besteht daher möglicherweise teilweise Warenidentität, jedenfalls aber insgesamt ein nicht ins Gewicht fallender Warenabstand, weil die Waren nach allen maßgebenden Kriterien einander sehr weit angenähert sind.
Die danach an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellenden strengen Anforderungen hält diese weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht ein, so daß Verwechslungsgefahr besteht. Die Marken sind nämlich klanglich identisch und auch schriftbildlich selbst dann nahezu deckungsgleich, wenn man der bei der angegriffenen Marke gewählten Schriftart eine gewisse Individualität zuerkennen sollte.
Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Absatz 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.
Dr. Buchetmann Winter Voit Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 07.10.2002
Az: 30 W (pat) 225/01
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