Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2003
Aktenzeichen: 19 W (pat) 716/02

(BPatG: Beschluss v. 13.10.2003, Az.: 19 W (pat) 716/02)

Tenor

Das Patent 44 19 615 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 7 nach Hilfsantrag, sowie Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2003, Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat am 31. Mai 2000 die Erteilung des Patents 44 19 615 veröffentlicht, das am 3. Juni 1994 angemeldet worden ist und für das die Prioritäten in Japan vom 4. Juni 1993 mit dem Aktenzeichen P 5-134619 und vom 29. September 1993 mit dem Aktenzeichen P5-243052 in Anspruch genommen sind. Das Patent betrifft eine Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung.

Gegen das Patent hat die Fa. R... GmbH am 25. August 2000 Einspruch erhoben. Zur Begründung hat sie auf §§ 1 bis 5 PatG verwiesen und behauptet, der Gegenstand des Patents beruhe unter Berücksichtigung des Standes der Technik, insbesondere der DE 39 24 210 A1, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Mit Eingabe vom 5. Juli 2002 hat die Einsprechende den Antrag gemäß § 147 Abs 3 Nr 2 PatG gestellt, die Sache an das Bundespatentgericht abzugeben und den zuständigen 19. Senat des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren entscheiden zu lassen.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit den erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit Patentansprüchen 1 bis 7 nach Hilfsantrag, sowie Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2003, Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag entspricht dem erteilten Patentanspruch 1, der unter Einfügung der Gliederungsbuchstaben a) bis h) lautet:

"Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung mita) einem Klinkenmechanismus (3), b) einem auf den Klinkenmechanismus (3) einwirkenden Hubhebel (61), c) einem auf den Hubhebel (61) einwirkenden Offenhebel (62) undd) einem mit dem Offenhebel (62) verbundenen Verriegelungshebel (63, 67), der eine Verriegelungsposition (A) einnehmen kann, bei der eine Betätigung des Klinkenmechanismus (3) verhindert ist, und der eine Entriegelungsposition (B) einnehmen kann, bei der eine Betätigung des Klinkenmechanismus (3) zugelassen ist;

e) einem mit dem Verriegelungshebel (63, 67) wirkverbundenen Schlüsselverriegelungshebel (64), mit dem der Verriegelungshebel (63, 67) in seine Verriegelungsposition (A) und in seine Entriegelungsposition (B) betätigbar ist;

f) einer Detektionseinrichtung (51), die mit einer Detektionswelle (51b) verbunden ist, um eine Verriegelungsposition (A) und Entriegelungsposition (B) der Drehbewegung des Schlüsselverriegelungshebels (64) zu erfassen;

dadurch gekennzeichnet, dassg) der Schlüsselverriegelungshebel (64) an der Detektionswelle drehfest fixiert ist, h) so daß die im Gehäuse (4) drehbar gelagerte Detektionswelle (51b) als Drehlager für die Detektionseinrichtung (51) und den Schlüsselverriegelungshebel (64) dient".

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ergänzt um die mit den Gliederungsbuchstaben i) und j) versehenen Merkmale (unter Berichtigung des Wortes "verbundenen" in "verbundene"):

"i) wobei eine zweite mit einer zweiten Detektionseinrichtung (81) verbundene Detektionswelle (81b) vorgesehen ist, die mit dem Verriegelungshebel (67) drehfest verbunden ist, um eine Position des Verriegelungshebels (67) zu detektieren, j) wobei die Detektionswellen (51b, 81b) parallel zueinander angeordnet sind".

Den Vorrichtungen der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag soll nach der Streitpatentschrift und nach der eingereichten Beschreibung gemäß Hilfsantrag jeweils die Aufgabe zugrunde liegen, eine betriebssichere Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung zur Verfügung zu stellen, die einfach aufgebaut und einfach zu montieren ist (jeweils Sp 1 Z 65 bis 68).

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass die Konstruktion der Hebel in der DE 39 24 210 A1 "ganz genauso" sei, wie die Konstruktion der im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beschriebenen Hebel und dass es aus Figur 22b der DE 39 24 210 A1 bekannt sei, sowohl den Schlüsselverriegelungshebel 13 als auch den Verriegelungshebel 9 hinsichtlich ihrer Positionen zu detektieren. Der Fachmann könne die eine oder die andere Detektionseinrichtung dem einen oder dem anderen Hebel (9 oder 13) zuordnen. Um als einzig verbleibenden Unterschied gegenüber dem Stand der Technik den Schlüsselverriegelungshebel 13 der Detektionswelle 10 zuzuordnen und damit die Hebel 9 und 13 auszuwechseln, müsse der Fachmann aber nicht erfinderisch tätig werden.

Der Fachmann müsse auch nicht erfinderisch tätig werden, um die Detektionswellen zweier Detektionseinrichtungen parallel zueinander anzuordnen, wie im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag angegeben. Denn dies ergebe sich für ihn, wenn er die Bauhöhe der Vorrichtung nach der Figur 22b der DE 39 24 210 A1 zu verringern habe. Auch wenn die Genauigkeit der Detektion verbessert werden müsse, böte sich eine Detektion über eine zweite Detektionswelle an. Der Fachmann könne dabei, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, die Hebel 9 und 13 konstruktiv so aneinander anpassen, dass sie auf zwei parallelen Achsen gelagert seien.

Zum Patentanspruch 1 nach Hauptantrag vertritt die Patentinhaberin die Meinung, ein Austausch des Verriegelungshebels 9 und des Schlüsselverriegelungshebels 13 bei der Vorrichtung nach der DE 39 24 210 A1 sei nicht ohne weiteres möglich, weil der Verriegelungshebel 9 von einer Zentralverriegelung angetrieben werde und dieser Antrieb nicht auf den Schlüsselverriegelungshebel 13 wirken dürfe. Da die von der Detektionseinrichtung herrührenden Signale zur Ansteuerung der Zentralverriegelung herangezogen würden, benötige der Fachmann nach Weglassen des zu der bekannten Vorrichtung gehörenden, im Patentanspruch 1 aber nicht angegebenen Zentralverriegelungsantriebes keine Detektion mehr. Die Patentinhaberin ist der Auffassung, die Hebel 9 und 13 könnten nicht einfach ausgetauscht werden, dafür sei mehr als eine einfache konstruktive, nämlich eine erfinderische Tätigkeit nötig.

Die Patentinhaberin ist hinsichtlich des Hilfsantrags der Auffassung, der Fachmann habe durch den Stand der Technik auch keinen Anlass, die Hebel 9 und 13 auf zwei parallel zueinander angeordneten Detektionswellen zu lagern. Der Fachmann würde mit einer solchen Umkonstruktion zudem überstrapaziert werden; er müsse daher erfinderisch tätig werden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das Verfahren ist auf den Antrag der Einsprechenden vom 5. Juli 2002 hin bei dem erkennenden Senat anhängig geworden, da die Patentabteilung, die dafür zuständig war, innerhalb von 2 Monaten nach Zugang des Antrags weder eine Ladung zur Anhörung noch eine Entscheidung über den Einspruch zugestellt hat (PatG § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 2).

Der Senat hatte - wie in der Entscheidung 19 W (pat) 701/02 (BPatGE 46, 134) ausführlich dargelegt ist - auf Grund öffentlicher, mündlicher Verhandlung, über das Patent zu entscheiden.

Der Einspruch ist zulässig und hat im Umfang des Hilfsantrags Erfolg. Die Vorrichtung nach Hauptantrag beruht auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Als Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus mit Berufserfahrungen bei der Entwicklung von elektrisch überwachten Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtungen anzusehen.

1. Zum Hauptantrag Die Fahrzeugtürverriegelungseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der DE 39 24 210 A1 ist in Übereinstimmung mit den Merkmalen a) bis e) eine Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung (Titel) bekannt mita) einem Klinkenmechanismus (Sp 3 Z 30), b) einem auf den Klinkenmechanismus (Sp 3 Z 30) einwirkenden Hubhebel (3), c) einem auf den Hubhebel (3) einwirkenden Offenhebel (5) undd) einem mit dem Offenhebel (5) verbundenen Verriegelungshebel (9), der eine Verriegelungsposition (Fig 1, 3, 4) einnehmen kann, bei der eine Betätigung des Klinkenmechanismus verhindert ist (Fig 3 iVm Sp 3 Z 61 bis Sp 4 Z 13), und der eine Entriegelungsposition einnehmen kann, bei der eine Betätigung des Klinkenmechanismus zugelassen ist (Fig 1, 2 iVm Sp 3 Z 59, 60 und Sp 3 Z 68 bis Sp 4 Z 4) unde) einem mit dem Verriegelungshebel (9) wirkverbundenen Schlüsselverriegelungshebel (13), mit dem der Verriegelungshebel (9) in seine Verriegelungsposition (Fig 1) und in seine Entriegelungsposition (Fig 2) betätigbar ist (Sp 4 Z 57 bis Sp 5 Z 14).

Weiterhin ist die Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung nach der DE 39 24 210 A1, in teilweiser Übereinstimmung mit den Merkmalen f) bis h) (Unterschiedsmerkmale sind unterstrichen) versehen mitf') einer Detektionseinrichtung (10, 17 123, 131), die mit einer Detektionswelle (10) verbunden ist, um eine Verriegelungsposition (Fig 1) und Entriegelungsposition (Fig 2) der Drehbewegung des Verriegelungshebels (9) zu erfassen (Fig 12 u 16 iVm Sp 6 Z 30 bis Sp 7 Z 50), wobeig') der Verriegelungshebel (9) an der Detektionsweile (10) drehfest fixiert ist (Fig 12: 10, 35, 9), h') so dass die im Gehäuse (2) drehbar gelagerte Detektionswelle (10) als Drehlager für die Detektionseinrichtung (10, 17 123, 131) und den Verriegelungshebel (9) dient (vgl Fig 16: 10).

Von der aus der DE 39 24 210 A1 bekannten Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung unterscheidet sich die des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag lediglich dadurch, dass nicht der Verriegelungshebel sondern der Schlüsselverriegelungshebel an der Detektionswelle drehfest fixiert ist.

Dieser Unterschied kann jedoch nicht patentbegründend sein, da er im Rahmen des üblichen Könnens des Fachmanns liegt.

Ausgehend von der Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung ohne Zentralverriegelung nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1, wie sie insbesondere aus den Figuren 1, 12 und 16 der DE 39 24 210 A1 bekannt ist (Sp 5 Z 19: Handbetätigung), stellt sich dem Fachmann die Aufgabe den Schlüsselverriegelungshebel zu detektieren in der Praxis stets von selbst, wenn er statt des Verriegelungshebels dieses Betätigungselement elektrisch zu überwachen hat.

Hierzu muss der Fachmann bei der Fahrzeugtürverriegelungseinrichtung nach der DE 39 24 210 A1 lediglich den Schlüsselverriegelungshebel 13 mit dem Verriegelungshebel 9 vertauschen, den Lappen 15 am Verriegelungshebel 9 in die andere Richtung biegen und den Schlüsselverriegelungshebel 13 in der für den Verriegelungshebel offenbarten Weise an der Drehwelle 10 der Detektionseinrichtung drehfest fixieren. Hierfür ist lediglich handwerkliches Können nötig, denn man würde die Fähigkeiten des Durchschnittsfachmanns unterschätzen, würde man ihm diese einfache konstruktive Anpassung an eine andere Überwachungsanforderung nicht zutrauen.

Da die bekannte Vorrichtung ebenso wie die anspruchsgemäße Vorrichtung von Hand betreibbar ist, kommt es auf die spezielle, durch eine elektrische Zentralverriegelung bedingte konstruktive Anforderungen nicht an.

2. Zum Hilfsantrag 2.1 Zulässigkeit Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, dadurch, dass er zusätzlich die Merkmale

"i) wobei eine zweite mit einer zweiten Detektionseinrichtung (81) verbundene Detektionswelle (81b) vorgesehen ist, die mit dem Verriegelungshebel (67) drehfest verbunden ist, um eine Position des Verriegelungshebels (67) zu detektieren, j) wobei die Detektionswellen (51b, 81b) parallel zueinander angeordnet sind"

aufweist.

Das Merkmal i) ist im erteilten Patentanspruch 5 und den Figuren 5 bis 9 und insbesondere Spalte 10, Zeilen 18 bis 38 der Patentbeschreibung offenbart (entsprechend im ursprünglich eingereichten Patentanspruch 5 iVm der ursprünglichen Beschreibung Seite 22, Zeile 27 bis 31) und aus Figur 9 der Streitpatentschrift in Verbindung mit Spalte 6, Zeilen 61 bis Spalte 7, Zeile 15 (entsprechend Seite 15, Zeile 4 bis 18 iVm Figur 9 der ursprünglichen Unterlagen ist das Merkmal j) zu entnehmen.

2.2 Neuheit Die Fahrzeugtürverriegelung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag ist neu, da sie insbesondere keine parallel zueinander angeordneten Detektionswellen aufweist. Nach den Figuren 22a und 23 der DE 39 24 210 A1 liegt die Detektionswelle 10 der ersten Detektionseinrichtung 10, 17 123, 131 nicht parallel - d.h. seitlich beabstandet - sondern koaxial zu einer innerhalb der zweiten Detektionseinrichtung 205 liegenden Welle.

Die außerdem noch im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen in Bezug auf die Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag weiter ab, als der abgehandelte Stand der Technik und konnten daher außer Acht gelassen werden. Sie wurden in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufgegriffen.

2.3 Erfinderische Tätigkeit Ausgehend von einer Fahrzeugtürverriegelungsvorrichtung, wie sie in den Figuren 22 und 23 der DE 39 24 210 A1 beschrieben ist, mag der Fachmann, wenn er vor die Aufgabe gestellt ist, die Bauhöhe der Vorrichtung zu verringern zwar - im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden - daran denken, die zweite Detektionseinrichtung 205 seitlich neben die erste Detektionseinrichtung 10, 17 123, 131 zu setzen und die Abwinkelung 208 der zweiten Detektionseinrichtung 205 von dort im Loch 209 des Schlüsselverriegelungshebels 13 angreifen zu lassen. Der Fachmann mag auch daran denken zur Erhöhung der Detektionsgenauigkeit das Spiel zwischen dem Loch 208 des Schlüsselverriegelungshebels 13 und der Abwinkelung 208 der zweiten Detektionseinrichtung 205 zu verringern.

Er hat jedoch keinen Anlass, eine zweite mit der zweiten Detektionseinrichtung verbundene Detektionswelle vorzusehen, die mit dem Verriegelungshebel drehfest verbunden ist, wobei die Detektionswellen parallel zueinander angeordnet sind, wie es im einzelnen im Patentanspruch 1 angegeben ist. Eine gegenteilige Beurteilung würde auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung in Kenntnis der Erfindung beruhen.

Mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag haben auch die Patentansprüche 2 bis 4 nach Hilfsantrag, die den erteilten Patentansprüchen 2 bis 4 entsprechen und die Patentansprüche 5 bis 7 nach Hilfsantrag, die den erteilten Patentansprüchen 6 bis 8 entsprechen, Bestand.

Dr. Mayer Schmöger Dr. Kaminski Groß

Pr






BPatG:
Beschluss v. 13.10.2003
Az: 19 W (pat) 716/02


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