Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Dezember 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 156/04
(BPatG: Beschluss v. 16.12.2005, Az.: 27 W (pat) 156/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutsche Patent- und Markenamts vom 23. März 2004 aufgehoben und die Erinnerung des Markeninhabers gegen den Beschluss vom 25. Januar 2002 insoweit zurückgewiesen, als damit die Löschung der angegriffenen Marke im Hinblick auf den Widerspruch aus der Marke 395 50 253 ausgesprochen wurde.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der schwarz/gelben Wort/Bildmarke 397 25 232 Grafik der Marke 39725232.3 für Klasse 9 : Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Klasse 42 : Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitungist (ua) Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 395 50 253 SOLAR eingetragen für eine Reihe von Waren der Klasse 9, darunter auch
"Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerprogramme und Computer-Datenbanken; Computerhard- und -software, einschließlich Computersoftware für die Anwendung im Bereich des Netzwerk- und Systemmanagements sowie für die Entwicklung weiterer Software; Computerhard- und -software, einschließlich Computersoftware zum Eingeben und Abrufen von Informationen im Internet und World Wide Web; Computerprogramme zum Benutzen des Internet und World Wide Web; Computerhard- und -software, insbesondere für den Zugang zu Internet-Systemen und für die Benutzung dieser Systeme; Computerhardware, nämlich Computer, Arbeitsplatzrechner, Laufwerke für Floppy-Disks, Computerdrucker, Computertastaturen, Computermäuse, Joysticks und deren Teile, Computerbildschirme, LCD-Anzeigegeräte, Sichtgeräte, Platinen, Modems, Zusatz-Schaltkarten für Computer, integrierte Schaltkreise, Computersoftware (soweit in Klasse 9 enthalten), insbesondere Computerbetriebssystem-Software; graphische Benutzerschnittstellenprogramme, auf maschinenlesbare Datenträger aufgebrachte Computerprogramme und Betriebssysteme; mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger aller Art; tragbare Computersysteme bestehend aus Betriebssystem, Netzwerk- und Dienstsoftware, ausgenommen Waren für solartechnische Anwendungen und/oder Waren, die mit Solarenergie betrieben werden".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat zunächst durch Beschluss vom 25. Januar 2002 auf den Widerspruch aus dieser Marke die angegriffene Marke wegen der Gefahr der Verwechslung gelöscht und das Verfahren wegen der weiteren Widersprüche ausgesetzt. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle mit dem angegriffenen Beschluss den Erstbeschluss insgesamt aufgehoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, trotz bestehender teilweiser Identität bzw hochgradiger Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruchsmarke komme wegen ihres beschreibenden Charakters nur ein deutlich reduzierter Schutzumfang zu. Die Angabe "solar" stehe im Technikbereich, in dem die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen anzusiedeln seien, allgemein als Gattungsbezeichnung für unter der "Solartechnik" zusammengefasste Technik zur Erzeugung von Strom durch Umwandlung von Sonnenstrahlen oder aber für die Erzeugung von Solarwärme durch das Aufheizen von Konvektoren mit einer bestimmten Flüssigkeit im Austausch zu Wasser. In Bezug auf Datenverarbeitungsgeräte und Computer weise sie beschreibend darauf hin, dass diese beispielsweise mit Solarenergie betrieben werden könnten. Dies gelte sinngemäß auch für die übrigen sich gegenüberstehenden Waren. Daher sei der Schutzbereich der Widerspruchsmarke eng zu bemessen, und zwar nach Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft, die dem Zeichen trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe die Eintragungsfähigkeit verleihe. Dies berücksichtigend reiche die grafische Gestaltung des jüngeren Zeichens aus, um die markenrechtliche Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie begehrt weiterhin die Löschung der angegriffenen Marke und ist der Auffassung, außerhalb des Bereichs der Solartechnologie - wie hier - könne der Begriff "solar" nicht als beschreibend angesehen werden. Der Widerspruchsmarke komme daher nicht nur eine schwache, sondern eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Angesichts der teilweisen Warenidentität bzw hochgradigen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und des identischen Markenwortes "solar" sei daher die Gefahr der Verwechslung mit der angegriffenen Marke zu bejahen.
Die Markeninhaber begehren dagegen die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigen den angegriffenen Beschluss als zutreffend.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG ist die Löschung der angegriffenen Marke gerechtfertigt, denn es besteht die Gefahr von Verwechslungen mit der älteren Widerspruchsmarke im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
a)
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Hierzu gehören in erster Linie die Ähnlichkeit der Marken, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei diese Faktoren derart in Wechselbeziehung zueinander stehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR Int 1998, 875, Tz 17, 18 - Canon; GRUR Int 1999, 734 Tz 19, 20 - Lloyd; BGH GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade).
b)
Die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr sind vorliegend erfüllt. Angesichts der Zeichenidentität in klanglicher und begrifflicher Hinsicht sowie der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ist bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine beachtliche Gefahr der Verwechslung der Vergleichsmarken nicht auszuschließen.
Die Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" sind in beiden Warenverzeichnissen identisch geschützt. Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke "Erstellen von Programmen" ist jedenfalls den in Klasse 9 für die Widerspruchsmarke geschützten und dort im Einzelnen im Hinblick auf ihren Bestimmungszweck näher bezeichneten Waren "Computerprogramme" und "Software" hochgradig ähnlich. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofs kommt grundsätzlich eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen in Betracht (EuGH GRUR 1998, 922, 924 Tz 29, 30 - Canon; BGH GRUR 2004, 241, 242 - GeDIOS). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen den Waren der Widerspruchsmarke auf der einen und der Dienstleistung der angegriffenen Marke auf der anderen Seite ist vorliegend festzustellen, dass der Verkehr bei der Begegnung mit den Marken der Fehlvorstellung unterliegt kann, der Hersteller der Waren, für die die Widerspruchsmarke Schutz genießt, trete auch als Erbringer der Dienstleistungen auf, die unter Verwendung der angegriffenen Marke erbracht und beworben werden. Der Verkehr rechnet die Erstellung und den Vertrieb von Software ohne weiteres demselben Unternehmen zu, denn dies trifft in einer Vielzahl von Fällen größerer und kleinerer Software-Hersteller zu (vgl iE ebenso BPatG vom 2. Oktober 1996, 29 W (pat) 131/94 - MacPrint/MACPAINT -, zitiert nach Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl).
Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann der Widerspruchsmarke keine ausgeprägte Kennzeichnungsschwäche unterstellt werden; sie weist vielmehr eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Zwar wird von keiner Seite in Zweifel gezogen, dass der Begriff "solar" im Zusammenhang mit Solartechnologie beschreibend verstanden werden kann. Jedoch ergibt sich aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke eine Beschränkung, mit der "Waren für solartechnische Anwendungen und/oder Waren, die mit Solarenergie betrieben werden", vom Schutzbereich der Marke ausgenommen worden sind. Damit sind solche Waren, für die der Begriff "solar" als merkmalsbeschreibend angesehen werden könnte, von der Widersprechenden nicht beansprucht. Für die im Warenverzeichnis genannten Waren kann daher eine - etwa durch die an einen freihaltebedürftigen Begriff angelehnte Markenbezeichnung herbeigeführte - Kennzeichnungsschwäche nicht festgestellt werden. Gleiches ergibt sich aus dem auf die Beschwerde gegen den ablehnenden Amtsbescheid ergangenen Beschluss des Bundespatentgerichts vom 7. August 2000 - 30 W (pat) 11/00, mit der die Widerspruchsmarke für diese Waren als eintragungsfähig angesehen worden ist.
Nachdem die sich gegenüberstehenden Zeichen das identische Markenwort aufweisen, ist eine Verwechslungsgefahr nicht von der Hand zu weisen. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit scheidet zwar aus, weil die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht übersehen werden wird. Jedoch stehen sich die beiden Marken in klanglicher Hinsicht identisch gegenüber. Wie schon die Markenstelle in ihrem Erstbeschluss ausgeführt hat, ist damit zu rechnen, dass ein entscheidungserheblicher Teil des Verkehrs in der grafischen Ausgestaltung der angegriffene Marke das Wort "SOLAR" als Markenwort erkennen und die angegriffene Marke auch so benennen wird, denn der Verkehr ist an die werbegrafischen Gepflogenheiten, das Kreisfeld des Vokals "O" bildlich auszugestalten - wie hier nach Art einer Zielscheibe -, hinreichend gewöhnt (vgl schon BPatG, Beschluss vom 28. Januar 1987 - 26 W (pat) 165/85 - SOLAR-Fit; Beschluss vom 3. März 1993 - 28 W (pat) 40/90 - SÜDFRUCHT). Somit spricht alles dafür, dass die angegriffene Marke - wie die Widerspruchsmarke - "SOLAR" benannt wird und der Verkehr die eine Marke mit der anderen verwechseln wird.
III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG abzuweichen, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Die im Erstbeschluss ausgesprochene Aussetzung des Widerspruchsverfahrens wegen der beiden weiteren Widerspruchsmarken bleibt bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Widerspruch aus der Marke 395 50 253 aufrechterhalten.
Dr. Albrecht Dr. van Raden Prietzel-Funk WA
BPatG:
Beschluss v. 16.12.2005
Az: 27 W (pat) 156/04
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