Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 328/03
(BPatG: Beschluss v. 07.12.2004, Az.: 27 W (pat) 328/03)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 2. September 2003 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen "Schallplatten; Ausbildung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; technische Beratung" zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
Die Anmeldung der Wortmarke Spielkisteist von der Markenstelle für Klasse 9 durch Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes teilweise für die Waren und Dienstleistungen
"Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Ausbildung, Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"
wegen mangelnder Unterscheidungskraft und als freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe zurückgewiesen worden. Der Begriff "Spielkiste" werde heute nicht nur als Bezeichnung für Kisten verwendet, in denen Spielzeug gesammelt werde, sondern stelle auch einen üblichen umgangssprachlichen Ausdruck für Hard- und Software dar, die mit Spielen zu tun habe. So gebe es Computerprogramme, die ausschließlich Spiele zum Inhalt hätten; auch Hardware, die nur zum Spielen bestimmt sei, wie Spielkonsolen, nehme im Bereich EDV/Internet/Telekommunikation einen breiten Raum ein. In Anbetracht der Bekanntheit des Begriffs "Kiste" für eine Sammlung von Informationen und Wissen, wie etwa die für Software verwendete Bezeichnung "Wissenskiste" verdeutliche, werde auch die Wortkombination "Spielkiste" von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres als beschreibender Hinweis auf Inhalt und Gegenstand der von der Zurückweisung der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen verstanden. Aufgrund seiner Gebräuchlichkeit dürfe der Begriff "Spielkiste" insoweit auch nicht zugunsten eines Einzelnen monopolisiert und damit dem freien Gebrauch durch die Mitbewerber entzogen werden.
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Nach Rücknahme der Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen "Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten" beantragt er, den angefochtene Beschluss aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Er ist der Ansicht, dass die angemeldete Marke keinen unmittelbar beschreibenden Bezug zu der noch beanspruchten Ware "Schallplatten" und zu den Dienstleistungen "Ausbildung; Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen" aufweise, die weder mit einem Spiel als interaktivem Vorgang noch mit einer Kiste als körperlichem Gegenstand etwas zu tun hätten.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Für die nach der teilweisen Rücknahme der Anmeldung noch verbliebenen Waren und Dienstleistungen "Schallplatten; Ausbildung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" stehen der angemeldeten Marke Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.
Die Markenstelle hat zwar zutreffend ausgeführt, dass der Begriff "Kiste" in der deutschen Sprache nicht nur in dem wörtlichen Sinne eines Behälters zur Aufbewahrung und zum Transport von Sachen verwendet wird, sondern eine Reihe von übertragenen Bedeutungen besitzt, die vor allem umgangssprachlich sehr gebräuchlich sind (vgl Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl, S. 2121; Küpper, Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache, 1983, S. 1485, jeweils Stichwort: Kiste). So werden mit dem Wort "Kiste" nicht nur Fahrzeuge, Flugzeuge, Radios, Musikautomaten Fernsehgeräte (Flimmerkiste) und Computer in salopper Form bezeichnet (vgl Küpper aaO; Abel, Cyberslang, Die Sprache des Internet von A-Z, 1999, 70); der Ausdruck "Kiste" wird auch in Verbindung mit zwischenmenschlichen Beziehungen (ua Beziehungskiste) und im Sinne einer Sammlung unkörperlicher Dinge verwendet, wie der von der Markenstelle erwähnte Begriff "Wissenskiste" für eine Zusammenstellung von Wissen und Informationen zeigt. Auch die beanspruchte Wortkombination "Spielkiste" hat sich bereits nachweislich als Bezeichnung für mechanische und elektrische bzw elektronische Geräte eingebürgert, die Spielzwecken dienen. Dasselbe gilt in bezug auf Videokassetten oder CD-ROMs als moderner virtueller Spielkiste mit einer Zusammenstellung verschiedener Spiele.
Eine andere Beurteilung ist dagegen bei den noch beanspruchten "Schallplatten" geboten, die als reine Tonträger üblicherweise keine Spiele zum Inhalt haben. Ebenso wie gegenständliche Spiele sind auch virtuelle Spiele normalerweise auch visuell gestaltet und finden nicht unter einer rein akustischen Anleitung des oder der Spieler statt. Allein die Tatsache, dass Schallplatten Aufnahmen von Kinderliedern enthalten können, die beim Spielen gesungen werden, verleiht ihnen noch nicht den Charakter einer Spielesammlung. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass diese Bezeichnung von den Mitbewerbern des Anmelders gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als Angabe über die Beschaffenheit, den Bestimmungszweck oder sonstige Merkmale von Schallplatten benötigt wird, liegen daher nicht vor. Sie entbehrt bei dem gebotenen großzügigen Beurteilungsmaßstab (vgl BGH GRUR 2002, 68 - INDIVIDUELLE; GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft), auch nicht jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), denn die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die breite Masse der Durchschnittsverbraucher gehört, werden den Begriff "Spielkiste" gerade deshalb, weil sie mit Schallplatten die Vorstellung reiner Tonaufnahmen, insbesondere von Musik, Lesungen oder Sprachkursen verbinden, als eigentümlichen und allenfalls assoziativen Hinweis auf einen spielerischen Charakter des Inhalts der Platten empfinden. Der angemeldeten Marke kann daher insoweit die Funktion, als betriebliches Unterscheidungsmittel der Waren von den Waren anderer Unternehmen zu dienen, nicht abgesprochen werden.
Auch in bezug auf die Dienstleistung "Ausbildung" bietet sich der Begriff "Spielkiste" nicht als beschreibende Angabe über Art und Gegenstand der Tätigkeit an. Selbst wenn die Ausbildung jüngerer Menschen oder spezifischer Berufsgruppen, zB Kindererzieher, teilweise auch spielerische Elemente aufweisen mag und es die spielerische Ausbildung von Tieren, insbesondere Hunden gibt, ist eine Gestaltung als "Spielkiste", in der nach herkömmlicher Vorstellung nur gespielt wird, mit der auf die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten gerichteten Tätigkeit der Ausbildung nicht vereinbar und steht dieser geradezu kontraproduktiv entgegen. Auch insoweit entbehrt die angemeldete Bezeichnung daher weder jeglicher Eigenart noch ist ersichtlich, dass sie von den Mitbewerbern als ohne weiteres verständliche beschreibende Angabe benötigt wird.
Hinsichtlich der Dienstleistungen "Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen" kommt dem Begriff "Spielkiste" ebenfalls keine unmittelbar beschreibende Bedeutung zu. Es mag zwar Unternehmen geben, die sich ausschließlich mit dem Erstellen von Spielsoftware für Computer oder Spielgeräte befassen, die dann zusammengestellt auf einer CD-Rom oder Videokassette unter der werbeüblich beschreibenden Angabe "Spielkiste" im Handel angeboten werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass die Bezeichnung "Spielkiste" zur Beschreibung der Dienstleistung selbst ernsthaft in Betracht käme, denn das Erstellen von EDV-Programmen ist keine Tätigkeit, die - wie etwa Unterhaltungsdienstleistungen - als Veranstaltung von Spielen in Interaktion mit einem bestimmten Teilnehmerkreis nach Art einer Spielkiste gestaltet ist. Es liegt auch fern, auf den Gegenstand der geschäftlichen Tätigkeit des Erstellens von Spielsoftware mit dem saloppen umgangssprachlichen Begriff "Spielkiste" hinzuweisen, der üblicherweise nur für die im Handel angebotenen Waren verwendet wird. Es besteht daher kein konkreter Anlass für die Annahme, dass die angesprochenen meist gewerblichen Verkehrskreise, die sich Software zu Spielzwecken erstellen lassen, in der angemeldeten Marke eine im Vordergrund stehende Sachangabe ohne jede betriebliche Hinweisfunktion sehen, oder dass für die Wettbewerber eine Notwendigkeit bestünde, Art und Inhalt ihrer Dienstleistung mit der insoweit ersichtlich nur assoziativen Anspielung "Spielkiste" zu beschreiben.
Dr. Schermer Prietzel-Funk Richter Dr. van Raden kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben Dr. Schermer Na
BPatG:
Beschluss v. 07.12.2004
Az: 27 W (pat) 328/03
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