Landgericht Hamburg:
Urteil vom 25. Oktober 2013
Aktenzeichen: 308 O 31/13
(LG Hamburg: Urteil v. 25.10.2013, Az.: 308 O 31/13)
Tenor
I. Der Beklagte und Widerkläger wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin und Widerbeklagte € 1.589,00 zu zahlen.
II. Die Widerklage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und Widerbeklagte zu 12 % und der Beklagte und Widerkläger zu 88 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin und Widerbeklagte aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin und Widerbeklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch den Beklagten und Widerkläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden.
und beschließt:
Der Streitwert wird auf € 86.589,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden: Klägerin) produziert und verkauft unter der Bezeichnung KONNEX K. ein Regalsystem. Der Beklagte und Widerkläger (im Folgenden: Beklagter) sieht darin eine Urheberrechtsverletzung und ließ das vorgerichtlich durch Anwaltsschreiben gegenüber der Klägerin geltend machen. Die Klägerin sah sich daraufhin veranlasst, die Beanstandungen durch Anwaltsschreiben zurückweisen zu lassen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Erstattung ihrer vorgerichtlicher Anwaltskosten und vorbeugend Unterlassung im Hinblick auf angekündigte Mitteilungen des Beklagten über die angebliche Rechtsverletzung der Klägerin gegenüber der Presse und Dritten. Mit seiner Widerklage macht der Beklagte urheberrechtliche Verletzungsansprüche geltend.
Das Grundelement des Regalstecksystems KONNEX K. der Klägerin besteht aus einem Regalkasten in Quadratform, der vorne und hinten offen ist und in dessen Seitenteile in gleichmäßigen Abständen von einem Rand ausgehend bis zu Mitte Aussparungen eingearbeitet sind. Dieses Element gibt es, wie aus der folgenden Abbildung (aus Anlage K 1, dort S. 3) ersichtlich, in drei Größen:
Diese Elemente lassen sich aufgrund der Aussparungen in vielfältiger Weise zu Regalen unterschiedlicher Gestaltungen zusammenstecken. Ein Beispiel (aus der Anlage K 1 und dem Wiederklageantrag) wird nachfolgend dargestellt.
Weitere Bespiele finden sich in der Anlage K 1, dort auf den S. 4 und 5, auf die verwiesen wird.
Der Beklagte stellte in seiner Diplomarbeit (Anlage K 6) im Bereich Industrial Design im Jahre 2002 ein Regalstecksystem vor, dessen Grundelement ein rechteckiger an den Längsseiten offener Kasten in Quaderform ist, in dessen Seitenteile in gleichmäßigen Abständen von einem Rand ausgehend bis zu Mitte Aussparungen eingearbeitet sind. Die Gestaltung verdeutlicht die folgende Abbildung von S. 94 der Diplomarbeit:
Das Grundelement wird auf S. 97 der Diplomarbeit auch mit gerundeten Kanten dargestellt. Auf Gestaltungen in dieser Ausführung stützt der Beklagte seine Ansprüche aber nicht.
Auch diese Elemente lassen sich in vielfältiger Weise zu Regalen unterschiedlicher Gestaltungen zusammenstecken. Eine mögliche Ausführungsform, ebenfalls von S. 94 der Diplomarbeit, wird nachfolgend dargestellt.
Weitere Beispiele finden sich auf den S. 7 und 8 des Beklagtenschriftsatzes vom 23.05.2013 und S. 117 der Diplomarbeit des Beklagten; darauf wird verwiesen.
Anfang des Jahres 2011 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin das Regalsystem KONNEX K. über ihre Internetseite bewirbt und unter Benennung von F. G. als Designer im Handel vertreibt. Mit Anwaltsschreiben vom 19.01.2011 (Anlage K 2) machte der Beklagte gegenüber der Klägerin daraufhin Ansprüche wegen der Verletzung seines Urheberrechts an dem von ihm entwickelten Regalsystem geltend und forderte den Beklagten auf, Nachweise für eine zuvor gegenüber dem Beklagten abgegebene Erklärung zu erbringen, es gäbe bereits ältere Möbelentwürfe, die dem des Beklagten ähnlich seien. Mit Schreiben vom 25.01.2011 (Anlage K 3) wies der Bevollmächtigte der Klägerin das Bestehen der geltend gemachten Rechte des Beklagten zurück.
Der Beklagte antwortete mit Anwaltsschreiben vom 23.02.2011 (Anlage K 4). Darin heißt es auszugsweise:
€Sollte ihre Mandantin die Rechte unseres Mandanten daher tatsächlich in Abrede stellen, wird unser Mandant die ihm zustehenden urheberrechtlichen Ansprüche, insbesondere auf Auskunft und Zahlung von Schadensersatz z. B. in Form der Abschöpfung des von Ihnen eingenommenen Gewinns, gerichtlich gegen Ihre Mandantin geltend machen.
...
Lediglich zur Abwendung einer gerichtlichen Auseinandersetzung bietet unser Mandant Ihrer Mandantin hiermit ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz an, bei Anerkenntnis seiner Urheberrechte, insbesondere seines Urheberbenennungsrechts, und Abschluss eines angemessenen Lizenzvertrags mit Ihrer Mandantin von der umfänglichen Geltendmachung der ihm zustehenden Ansprüche, insbesondere einer vollständigen Gewinnabschöpfung sowie Einstellung der Produktion und des Vertriebs des Regals, abzusehen.€
...
€Sollte diese Frist nicht gewahrt werden, wird unser Mandant seine Rechte auf gerichtlichem Weg gegen ihre Mandantin verfolgen, sein Regalsystem darüber hinaus an ein Konkurrenzunternehmen ihrer Mandantin lizensieren und zugleich die Presse und die Öffentlichkeit in rechtlich zulässiger Weise über die Geschehnisse informieren.€
...
€Die schöpferische Leistung wird zudem dadurch belegt, dass der nahezu identische Nachbau €Konnex K.€ von Herrn F. G. von dem Rat für Formgebung mit dem Innovation Award 2011 ausgezeichnet wurde.€
Bezüglich des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Anlage K 4 verwiesen.
In einem weiteren Anwaltsschreiben des Beklagten vom 01.03.2011 (Anlage K 5) heißt es auszugsweise:
€Sollte ihre Mandantin die Frist verstreichen lassen, wird unser Mandant € wie bereits klargestellt € Klage auf Zahlung von Schadensersatz gegen ihre Mandantin erheben, sein Steck-Boxregalsystem an ein Konkurrenzunternehmen ihrer Mandantin lizensieren und die Presse/Öffentlichkeit in rechtlich zulässiger Weise informieren.€ (Bl. 6)
...
€Gerade wegen dieser neuartigen schöpferischen Werkform ist der fast identische Nachbau des Steckbox-Regalsystems durch Herrn F. G. auch vom Rat für Formgebung mit dem Interior Innovation Award 2011 ausgezeichnet worden [...].€ (Bl. 6)
Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Anlage K 5 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 30.09.2011 (Anlage K 7) wurde der Beklagtenseite eine Honorarrechnung an den Kläger (Anlage K 8) über die vorgerichtlich in Anspruch genommene anwaltliche Tätigkeit in Höhe von € 1.589,00 übersandt, entsprechend einer 1,3 Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG nach einem Streitwert von € 50.000,00. Mit Schreiben vom 10.10.2011 (Anlage K 9) wies der Beklagte die Forderung als unberechtigt zurück.
Die Klägerin meint, die Beschreibung und Darstellung des Regalsystems im Rahmen der Diplomarbeit des Beklagten sei bereits mangels Formgebung nicht geeignet ein Urheberrecht zu begründen. Ein Urheberrecht könne dem Beklagten zudem allenfalls an dem durch ihn entworfenen Grundelement zustehen, da der Beklagte nicht als Schöpfer der durch die Benutzer zusammengesetzten Regale anzusehen sei. Im Übrigen handele es sich weder bei dem Grundmodul noch bei den daraus entstehenden Regalen um persönliche geistige Schöpfungen, da die ästhetische Wirkung allein technisch bedingt sei. Eine künstlerische Gestaltung habe der insoweit darlegungspflichtige Beklagte nicht vorgetragen. Darüber hinaus weise das KONNEX K. gestalterisch einen solchen Abstand auf, dass der vermittelte Gesamteindruck ein gänzlich anderer sei. Das einzig Verbindende der beiden Regalsysteme sei das technische Prinzip. Selbst bei Zubilligung eines Schutzes für den Entwurf des Beklagten und Kenntnis des Entwerfers von KONNEX K. liege daher eine freie Benutzung vor.
Der mit Klageantrag zu 1 geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergebe sich aus unberechtigter Schutzrechtsverwarnung.
Der vorbeugende Unterlassungsanspruch folgt nach Ansicht der Klägerin aus §§ 823, 1004 BGB. Er sei dadurch begründet, dass der Beklagte damit drohe, den gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwurf des nahezu identischen Nachbaus ohne Erhebung einer Klage oder noch während des schwebenden Rechtsstreits auch gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit zu äußern. Da der Beklagte diese Drohung in seinen Schreiben an die Klägerin mit der Forderung nach der Anerkennung des von ihm behaupteten Urheberrechts verbunden habe, sei davon auszugehen, dass der Beklagte die Presse und die Öffentlichkeit unwahr über das von ihm behaupteten Urheberrecht an dem Regalsystem informieren werde, falls die Klägerin seine Forderungen nicht anerkenne. Bei einer derartigen Veröffentlichung sei eine gezielte Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu ihren Lieferanten und Kunden zu befürchten. Ein solcher Vorwurf setze das Ansehen des gesamten Sortiments der Klägerin bei ihren Händlern und Kunden herab und könne zu schweren Umsatzeinbußen bis hin zum Boykott führen. Die Drohung sei zudem rechtswidrig, da keinerlei anerkennenswerte Interessen des Beklagten erkennbar seien, die ihn zu einer solchen Drohung berechtigten und in einen Abwägungsvorgang einzubeziehen wären. Dass die Information über einen tatsächlich nicht erfolgten nahezu identischen Nachbau in rechtlich zulässiger Weise erfolge, sei denknotwendig ausgeschlossen. Da der Beklagte auf seinem Vorwurf beharre, sei zu befürchten, dass er die Presse und die Öffentlichkeit tatsächlich falsch informieren werde.
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zur Erstattung der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Unterlassung im Hinblick auf die drohende Veröffentlichung der Vorwürfe zu verurteilen sowie hilfsweise festzustellen, dass dem Beklagten gegen die Klägerin kein Schadensersatzanspruch und keine Ansprüche auf Gewinnabschöpfung sowie auf Einstellung der Produktion und des Vertriebs wegen der behaupteten Urheberrechtsverletzung zustehen. Nach Stellung der Widerklageanträge in der mündlichen Verhandlung am 28.08.2013 haben die Parteien den Feststellungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zur Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.589,- EUR an die Klägerin zu verurteilen, entsprechend einer 1,3 Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG nach einem Streitwert von 50.000,- EUR;
2. den Beklagten es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung drohenden Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu einem Jahr, zu untersagen, gegenüber der Presse und/oder der Öffentlichkeit zu behaupten, das Regalsystem KONNEX K. der Klägerin sei ein nahezu identischer Nachbau eines urheberrechtlich geschützten Werks des Beklagten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt widerklagend,
1. die Klägerin zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes. ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft (Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu € 250.000.00, Ordnungshaft bis zu 6 Monate, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahre, diese zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer), zu unterlassen, ein Regalstecksystem, wie aus der nachfolgenden Abbildung eines Ausführungsbeispiels ersichtlich
herzustellen, anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen;
2. die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten und/oder, soweit sie selbst nicht Herstellerin ist, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmenge, -zeiten und -preisen der Angebotsempfänger,
d) der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, insbesondere der variablen Kosten für die Herstellung und den Vertrieb und des erzielten Gewinnes,
e) und der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet.
3. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte meint, es handele sich bei dem durch ihn entwickelten Regalsystem um ein Werk der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Er habe sehr wohl ein konkretes Werk geschaffen, nämlich in Form der Abbildungen seiner Diplomarbeit. Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit sei nicht auf das einzelne Regalelement abzustellen, da Möbel eines Möbelsystems ungeachtet ihrer Einzelverkäuflichkeit einem gemeinsamen Urheberrechtsschutz unterlägen, wenn sie vom Verkehr als Einheit aufgefasst und verwendet würden. Dass das durch ihn entworfene Einzelelement auf die gemeinsame Verwendung mit weiteren Elementen angelegt sei, zeigten bereits die in den Seitenwänden befindlichen Aussparungen. Ungeachtet des Umstands, dass die einzelnen Regalelemente durch den Benutzer beliebig kombiniert werden könnten, entstünde eine immer gleiche Gesamtwirkung, bei der es sich nicht nur um eine abstrakte Idee, sondern um ein konkretes Erzeugnis handele. Die ästhetische Wirkung des Regals beruhe auf dem durch quadratische Formen geprägten Verschachtelungseffekt, der beim Zusammenstecken der Einzelelemente entstünde. Dieser Verschachtelungseffekt sei auch geeignet, das ästhetische Empfinden des Verkehrs anzuregen. Insbesondere werde ein im Vergleich zum vorbekannten Formenschatz überraschender ästhetischer Gesamteindruck erzielt, in dem eine das Durchschnittskönnen des Möbelgestalters erheblich übersteigende gestalterische Leistung zum Ausdruck komme. Bei dem Regalsystem KONNEX K. handele es sich um eine in den Schutzbereich seines Systems fallende Nachbildung. Wie das Regalsystem des Beklagten bestünde das Regalsystem der Klägerin aus rechteckigen Regalkästen mit vier starren Seitenwänden, an denen sich jeweils in gleichen Abständen Aussparungen befänden, die bis zur Mitte der Seitenwände reichten und es ermöglichten, die Kästen beliebig zusammenzustecken, ohne weitere Zusatzteile zu verwenden. Durch das Zusammenfügen der Elemente entstünden in beiden Fällen quadratische und rechteckige Figuren. Die den ästhetischen Gehalt des Regals bestimmenden Merkmale seien somit identisch übernommen worden. Eine neue, außerhalb des Schutzbereichs des Regalsystems des Beklagten liegende Gesamtwirkung vermittelte das Regalsystem der Klägerin nicht. Es handele sich vielmehr um eine unfreie Bearbeitung gemäß § 23 S. 1 UrhG.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin auch unabhängig davon nicht zu. Da er sich darauf beschränkt habe, damit zu drohen, die Presse/Öffentlichkeit in rechtlich zulässiger Weise über die Geschehnisse zu informieren, ergebe sich daraus eindeutig, dass er gerade nicht vorgehabt habe, gegenüber der Presse oder Öffentlichkeit zu behaupten, das Regelsystem der Klägerin stelle einen nahezu identischen Nachbau dar. Er habe vielmehr lediglich damit gedroht, sich über Tatsachen zu äußern, was von der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG gedeckt und daher hinzunehmen sei. Da es sich bei dem Regalsystem der Klägerin tatsächlich um einen nahezu identischen Nachbau handele, sei die von der Klägerin befürchtete Äußerung zudem wahrheitsgemäß und somit rechtmäßig.
Da die Klägerin danach sein Urheberrecht verletzt habe, stünden ihm die mit der Widerklage geltend gemachten Verletzungsansprüche zu.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze und den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2013 verwiesen.
Gründe
A. Der Klagantrag zu 1. ist begründet, der Klagantrag zu 2. und die Widerklage sind unbegründet.
I. Die Begründetheit bzw. Unbegründetheit von Klage und Widerklage hängt maßgeblich davon ab, ob das Regalsystem des Beklagten € das Klagemuster € als Werk der angewandten Kunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG geschützt ist und ob das Regalsystem KONNEX K. der Klägerin € Verletzungsmuster - für den Fall der Bejahung eines solchen Schutzes dadurch begründete Urheberrechte des Beklagten verletzt. Nach Auffassung der Kammer ist ein Werkschutz für das Klagemuster zu verneinen und selbst wenn ein solcher Schutz zu bejahen wäre, läge keine Verletzung vor.
1. Dass für das Klagemuster kein Werkschutz besteht, ergibt sich aus Folgendem:
a) Urheberrechtsschutz für einen Gebrauchsgegenstand kommt nur in Betracht, wenn seine Gestaltung nicht nur eine technische Lösung verkörpert, sondern einen durch eine künstlerische Leistung geschaffenen ästhetischen Gehalt aufweist. Zwar kann auch eine Gestaltung, die lediglich eine technische Lösung verkörpert, eine ästhetische Wirkung haben. Urheberrechtlich geschützt ist jedoch nur die Gestaltung, die auf einer künstlerischen Leistung beruht. Dabei muss das künstlerische Element nicht in schmückendem Beiwerk liegen. Ebenso wenig muss der ästhetische Gehalt gegenüber dem Gebrauchszweck überwiegen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit besteht vielmehr auch bei einem überwiegenden Gebrauchszweck und kann auch dann gegeben sein, wenn der ästhetische Gehalt in die ihrem Zwecke gemäß € in klarer Linienführung ohne schmückendes Beiwerk € gestaltete Gebrauchsform eingegangen ist. Maßgebend ist allein, ob der ästhetische Gehalt als solcher ausreicht, um von einer künstlerischen Leistung zu sprechen (BGH GRUR 2012, 58 Tz 22 € Seilzirkus, m.w.N.). Ausgeschlossen ist ein Schutz allerdings dort, wo für eine künstlerische Gestaltung kein Raum bleibt, weil die Gestaltung durch technische Erfordernisse vorgegeben ist. Die mangelnde Schutzfähigkeit entsprechender Gestaltungen folgt zudem daraus, dass im System der Rechte des geistigen Eigentums technisch bedingte Merkmale, die keinen Sonderrechtsschutz durch das Patent- oder Gebrauchsmusterrecht genießen, im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer ungehinderten technischen Entwicklung grundsätzlich frei verwendbar sein sollen. Diesem Ziel liefe es zuwider, wenn technisch bedingte Merkmale einem Urheberrechtsschutz unterlägen und der Urheber den freien Stand der Technik für sich monopolisieren könnte (BGH, a.a.O. Tz 21).
b) Nach diesen Maßstäben besteht für das Klagemuster kein Werkschutz.
aa) Zunächst ist festzustellen, dass der Beklagte nicht für das von ihm geschaffene Grundelement Schutz beansprucht, sondern für das Stecksystem als solches, also die sich aus mehreren Grundformen ergebenden vielfältigen Ausführungsformen, von denen im Tatbestand mit der Abb. 4 eine Ausführungsform bildhaft dargestellt ist. Ein solches Stecksystem ist einem Werkschutz zugänglich. Nach ständiger Rechtsprechung können Möbel eines Möbelprogramms ungeachtet ihrer Einzelverkäuflichkeit einem gemeinsamen Urheberrechtsschutz unterliegen, wenn sie vom Verkehr als Einheit aufgefasst und verwendet werden. Entscheidend ist, dass die Anbauteile konstruktionsmäßig und im Hinblick auf die ästhetische Wirkung auf eine gemeinsame Verwendung als Einheit angelegt sind und dass ihre Verwendung als Einzelmöbel praktisch die Ausnahme bleiben wird (BGH GRUR 1982, 305, 306 m.w.N. - Büromöbelprogramm; OLG Frankfurt a. M., GRUR 1990, 121, 122 m.w.N. - USM-Haller). Dies trifft auf das durch den Beklagten entworfene Regalsystem zu. In konstruktiver Hinsicht legen bereits die in den Seitenteilen der Einzelelemente befindlichen Aussparungen, die es ermöglichen, mehrere Boxen zu einem stabilen Regal zu verbinden, eine gemeinsame Verwendung mehrerer Module nahe. Auch die besondere Variabilität, durch die sich das Regalsystem des Beklagten auszeichnet, setzt eine gemeinsame Verwendung mehrerer Boxen voraus. Gleiches gilt für die ästhetische Wirkung. Der Verschachtelungseffekt, der den Gesamteindruck des Regals bestimmt, entsteht erst, wenn mehrere Elemente zu einer Einheit verbunden werden. Die Verwendung eines Grundelements als Einzelmöbel wird daher die Ausnahme bleiben. Allerdings fehlt dem Regalsystem der erforderliche ästhetische Gehalt. Dabei kann dahinstehen, welche Anforderungen an den ästhetischen Gehalt zu stellen sind und ob weiterhin der Auffassung des BGH zu folgen ist, dass für die Urheberrechtsschutzfähigkeit eines Gebrauchsgegenstandes ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung vorliegen muss (BGH GRUR 1995, 581, 582 € Silberdistel), oder ob die Schutzanforderungen geringer anzusetzen sind (siehe die Darstellung des Streitstandes bei Koschtial, GRUR 2004, 555). Denn hier genügt das Regalsystem auch nicht etwaigen geringeren Anforderungen.
bb) Auch wenn der Beklagte keinen Schutz für das von ihm geschaffene Grundelement beansprucht, sondern für die dadurch ermöglichten Ausführungsformen, wie zum Beispiel die Abb. 4 im Tatbestand, beschränkt sich sein Beitrag zu den verschiedenen Ausführungsformen auf das Grundelement. Dessen Gestaltung, ein rechteckiger Kasten in Quaderform, ist vorbekannt. Die offenen Längsseiten sind bei einem solchen Regalsystem technisch bedingt, damit das Regal offen ist. Gestaltungsfreiheit bestand bei den eingearbeiteten Aussparungen nicht, weil die Aussparungen in der Mitte der Außenteile enden und die Abstände untereinander und zum Rand gleich sein mussten. Gestaltungsspielraum bestand nur in den Proportionen; deren Festlegung kann aber nicht als schöpferischer Schritt gewertet werden. Zwar ist durch die Gestaltung des Grundelements jede Ausführungsform und der hierdurch erzielte Gesamteindruck angelegt. Das kann bei einzelnen Ausführungsformen auch den erforderlichen ästhetischen Gehalt begründen, genügt aber nicht, einen solchen Gehalt auch dem System an sich zuzugestehen. Denn bei einem System müsste ein vergleichbarer Gesamteindruck mit dem erforderlichen ästhetischen Gehalt jedenfalls bei Verbindung einer Mindestzahl von Elementen regelmäßig zu bejahen sein. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
Diese Wertung wird gestützt durch die Entscheidung €Büromöbelprogramm€ des BGH (GRUR 1982, 305 € Büromöbelprogramm), in der es um Kombinationen mehrerer verschiedener nach einem einheitlichen Prinzip gestalteter Elemente wie Tischgestelle, Arbeitsplatten und Unterbauten sowie deren Verbindungselemente ging; die Vorinstanz hatte dem Programm Werkschutz zugestanden, den der BGH nicht sah, weil er die Gestaltungen als überwiegend technisch und ergonomisch bedingt wertete. Deutlich wird unabhängig vom Ergebnis der Entscheidung, dass es im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt im Ausgangspunkt um die Kombination verschiedener aufeinander abgestimmter Elemente geht und nicht lediglich um Kombinationen nur eines Elements.
Die Wertung wird verstärkt gestützt durch die Entscheidung €USM-Haller€ des OLG Frankfurt (GRUR 1990, 121, 122). Darin geht es um die Kombination einer Mehrzahl gestalterischer Elemente wie
- dünne, hochglanzverchromte Rohre und
- kugelförmige Verbindungsknoten, zur Herstellung eines tragenden Gerüsts, wobei
- die Verbindungsknoten nur geringfügig den äußeren Durchmesser der Rohre überschreiten und
- Rohre und Verbindungsknoten unmittelbar zusammenstoßen
und die zusammen ein tragendes Gerüst bilden, mit dem wirken
- metallene Trage- und Verschlussflächen zusammen,
- die so in das Tragegerüst eingefügt sind, dass sie die durch das Gerüst erzeugte Raumgitterstruktur nicht stören oder verkleiden.
Allen Möbelelementen mit der Kombination dieser Elemente ist schon für sich genommen die erforderliche ästhetische Wirkung zugestanden worden; sie ist verstärkt angenommen worden in der Kombination mit anderen auch anders gestalteten Möbelelementen in der entsprechenden Bauweise.
Im Gegensatz dazu bleibt es hier bei einem Grundelement wie ein Spielbaustein, das für sich nicht geschützt ist und das erst bei Verbindung mehrerer Elemente in bestimmten Ausführungsformen Schutz erlangen kann. Einen Systemschutz begründet das nicht.
2. Wenn unterstellt wird, dem System des Beklagten wäre Schutz zuzugestehen, etwa in der Ausführungsform der Abb. 4 im Tatbestand, die bildhaft in der Diplomarbeit des Beklagten dargestellt und damit wahrnehmbar gemacht worden ist, liegt gleichwohl keine Verletzung vor. Selbst wenn der Entwerfer des Systems KONNEX K. die Abbildungen aus der Diplomarbeit des Beklagten gekannt hätte, bestünde ein Fall der freien Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG.
Zunächst ist die Verwendung der drei unterschiedlich großen Grundelemente in Quadratform nicht zu beanstanden. Bei denen finden sich zwar auch die Aussparungen als Grundvoraussetzung für die Eignung für ein gleichartiges Stecksystems wieder und ein Quadrat ist auch nur eine Sonderform eines Rechtecks. Allerdings sind weder die übernommene Idee der Aussparungen für das Stecksystem noch die übernommene Gestaltung geschützt.
Tatsächlich eröffnet die Verwendung von drei unterschiedlich großen Grundelementen quadratischer Kästen eine Vielzahl weiterer Gestaltungsmöglichkeiten, die einen anderen Gesamteindruck vermitteln als die Ausführungsformen mit dem klägerischen Grundelement. Das verdeutlicht die folgende Gegenüberstellung der Ausführungsformen, aus denen der Beklagte eine unfreie Bearbeitung ableitet.
Die KONNEX K.-Kombination mit der Kombination der drei unterschiedlich großen Grundelemente quadratischer Steckelemente vermittelt gegenüber der durch die Gleichförmigkeit der rechteckigen Grundelemente bestimmten Gestaltung des Klagemusters eine verspieltere, leichtere und elegantere Anmutung und damit einen anderen Gesamteindruck.
II. Da danach keine Urheberrechtsverletzung vorliegt, ist die Widerklage unbegründet.
III. Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin mit dem Klagantrag zu 1. vorgerichtliche Anwaltskosten erstattet haben möchte. Der mit dem Klagantrag zu 2. begehrte Unterlassungsanspruch ist nicht begründet.
1. Der mit Klageantrag zu 1. geltend gemachte Erstattungsanspruch folgt aus § 823 Abs. 1 BGB, da der Beklagte durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung rechtswidrig und schuldhaft in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen hat.
a) Eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann den Verwarnenden nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichten (BGH, Beschl. v. 15.07.2005, GSZ 1/04 m.w.N.)
b) Die Schreiben vom 23.02.2011 (Anlage K 4) und vom 01.03.2011 (Anlage K 5) sind als Schutzrechtsverwarnung zu qualifizieren. Eine Schutzrechtsverwarnung setzt voraus, dass ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren ausgesprochen wird (BGH, Urt. v. 10.07.1997, I ZR 42/95 - Mecki-Igel III m.w.N.). Dabei muss das Begehren jedoch nicht ausdrücklich formuliert werden, sondern kann sich auch aus den Begleitumständen ergeben (BGH, Urt. v. 19.01.1979, I ZR 166/76 - Brombeerleuchte; OLG Koblenz, Beschl. v. 2.2.2012, 10 U 1281/11). Maßgeblich ist allein, ob der Adressat das Anliegen im konkreten Einzelfall als ernsthafte und endgültige Forderung verstehen muss, ein bestimmtes Verhalten unverzüglich einzustellen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.2011, 2 W 58/11).
Dies ist ausweislich der Schreiben vom 23.02.2011 und vom 01.03.2011 der Fall. Die Auffassung des Beklagten, die Schreiben enthielten kein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsverlangen, steht im Widerspruch zu den im Schreiben vom 23.02.2011 enthaltenen Ankündigungen, der Beklagte werde Ansprüche auf Auskunft, Gewinnabschöpfung und Einstellung der Produktion und des Vertriebs geltend machen, sollte die Klägerin die Urheberrechte des Beklagten nicht anerkennen und keinen angemessenen Lizenzvertrag mit ihm abschließen. Gleiches gilt für das Schreiben vom 01.03.2011, in dem der Beklagte ankündigte, er werde die Klägerin auf Schadensersatz verklagen. In Verbindung mit der wiederholt aufgestellten Behauptung, bei dem Regalsystem der Klägerin handele es sich um einen nahezu identischen Nachbau, beinhalten diese Formulierungen die unmissverständliche Aufforderung, das Regalsystem wie bisher zu produzieren und zu vertreiben, auch wenn die Klägerin nicht ausdrücklich zur Unterlassung aufgefordert wurde.
c) Diese Verwarnung erfolgte unberechtigt, da, wie oben in den Gründen unter A.II. festgestellt, keine Rechte des Beklagten verletzt worden sind.
d) Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung stellt einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin dar.
aa) Als zu den durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern zählendes sonstiges Recht schützt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Fortsetzung der bisher rechtmäßig ausgeübten Tätigkeit unter Einschluss all dessen, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebes als bestehende Einheit ausmacht (Sprau, in: Palandt, 66. Aufl. 2007, § 823 Rn. 127 m.w.N.). Hierzu zählen im Fall der Klägerin die Produktion und der Vertrieb ihres Regalsystems.
bb) Ein betriebsbezogener Eingriff im Sinne einer unmittelbaren Beeinträchtigung bzw. einer Bedrohung seiner Grundlagen liegt vor, weil sich die Schutzrechtsverwarnung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Klägerin richtet und nicht nur ohne weiteres vom Betrieb ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft. In dem Anwaltsschreiben der Beklagtenseite vom 23.01.2011 wird ausdrücklich angedroht, dass der Beklagte für den Fall, dass die Klägerin sich nicht seinen Vorstellungen beugt, umfänglich seine Ansprüche geltend macht, €insbesondere einer vollständigen Gewinnabschöpfung sowie Einstellung der Produktion und des Vertriebs des Regals€
e) Der Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin erfolgte auch rechtswidrig. Dies ergibt sich zwar nicht bereits aus der objektiv fehlenden Berechtigung des Beklagten zur Schutzrechtsverwarnung, folgt jedoch aus der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung. Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben (BGH, Beschl. v. 15.07.2005, GSZ 1/04 - unberechtigte Schutzrechtsverwarnung m.w.N.). Ein das Interesse der Klägerin an der ungestörten Verwertung ihres Regalsystems überwiegendes Interesse des Beklagten ist vorliegend nicht ersichtlich. Ein Recht auf die außerprozessuale Durchsetzung nicht bestehender Ansprüche existiert grundsätzlich nicht und folgt auch nicht ausnahmsweise aus den Umständen des vorliegenden Einzelfalls.
f) Der Beklagte handelte auch schuldhaft, nämlich jedenfalls fahrlässig, da er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. An die Sorgfaltspflichten desjenigen, der eine Verwarnung aufgrund eines Urheberrechtsverstoßes aussprechen will, sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 1979, 332 - Brombeerleuchte). Um einen Schuldvorwurf zu begründen genügt es, wenn der Verwarnende die Verletzungsform vorwerfbar zu Unrecht als unter sein Recht fallend eingeordnet hat (BGH GRUR 1974, 290, 292 - maschenfester Strumpf). Eine falsche Beurteilung kann dem Verwarnenden nur dann nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er nach gründlicher Recherche und unter Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehender Erkenntnismittel zu der Überzeugung gelangt ist, bei Anwendung der anerkannten Beurteilungsgrundsätze könne ihm der begehrte Schutz nicht verweigert werden (BGH, Urt. v. 19.01.1979, I ZR 166/76 - Brombeerleuchte m.w.N.). Welcher konkreten Art die Überprüfung der Rechtslage war, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Bei geboten gewissenhafter Prüfung hätte aufgrund der Wertungsspielräume bei der Werkprüfung im Bereich der angewandten Kunst und den Fragen nach dem Vorliegen einer unfreien Bearbeitung bzw. einer freien Benutzung eine solche Überzeugung kaum zustande kommen können.
g) Aufgrund des rechtwidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hat der Beklagte der Klägerin die durch seine Schutzrechtsverwarnung veranlassten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Da die Klägerin durch anwaltliche Schreiben abgemahnt wurde, stand es ihr frei, ihrerseits einen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen zu beauftragen. Den geltend gemachten Gebühren begegnen auch der Höhe nach keine Bedenken. Der Ansatz einer 1,3-Gebühr und die Berechnung auf Basis eines Streitwerts in Höhe von € 50.000,00 entsprechen der ständigen Rechtsprechung der Kammer in vergleichbaren Fällen.
2. Die Klage ist hinsichtlich des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs unbegründet. Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch steht der Klägerin hingegen weder aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 824 BGB jeweils in Verbindung mit § 1004 BGB analog zu. Denn es bestehen keine ernsthaften und greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin durch das angekündigte Herantreten an die Presse und die Öffentlichkeit rechtwidrig in ihrer wirtschaftlichen Wertschätzung beeinträchtigt oder ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt würde.
Die nach Auffassung der Klägerin drohende Verbreitung der Äußerung, das Regalsystem KONNEX K. der Klägerin sei ein nahezu identischer Nachbau eine urheberrechtlich geschützten Werks des Beklagten, wäre ein Werturteil, nämlich eine Schlussfolgerung aus dem Vergleich zweier Produkte. Bereits damit scheidet ein Anspruch aus § 824 BGB aus, weil dieser eine unwahre Tatsachenbehauptung voraussetzt.
Aber auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht. Meinungsäußerungen genießen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, wobei dem Recht auf freie Meinungsäußerung breiter Raum zu gewähren ist. Denn in der Auseinandersetzung streitiger Ansichten kann eine Meinungsbildung erfolgen. Bei einem Werturteil, das die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreitet, kommt es nicht darauf an, ob das Werturteil richtig ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob es für die angegriffene Äußerung gemessen an ihrer Eingriffsintensität hinreichende Anknüpfungstatsachen gibt. Davon ausgehend wäre die nach Auffassung der Klägerin drohende Äußerung nicht als rechtswidrig einzuordnen. Denn für eine solche Wertung des Beklagten gibt es hinreichende Anknüpfungspunkte und die Grenze zur Schmähkritik ist nicht erreicht. Das gilt im Hinblick auf den breiten Raum, der der Meinungsäußerung zu gewähren ist, auch unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität gegenüber der Klägerin. Dabei ist in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Beklagte nicht allein mit der substanzarmen Äußerung eines nahezu identischen Nachbaus zur Presse oder in sonstiger Weise an die Öffentlichkeit geht, sondern die Regalsysteme auch vorstellt, so dass sich die Öffentlichkeit selbst ein Bild machen kann. Ginge er an die Presse, würde die Presse von sich aus derartiges verlangen.
Ob darüber hinaus unabhängig von der vorstehenden Wertung eine Erstbegehungsgefahr zu verneinen ist, kann dahingestellt bleiben. Zweifel daran wären bereits deshalb angebracht, weil der Beklagte die Angelegenheit über zwei Jahre bis zur Zustellung der Klage nicht weiter verfolgt hat.
B. Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Eine Entscheidung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über den beidseitig für erledigt erklärten Klageantrag zu 3. war nicht zu treffen, weil dieser nur hilfsweise gestellt und nicht beschieden wurde. Im Übrigen wäre der Antrag streitwertmäßig nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG ohnehin nicht gesondert zu berücksichtigen, da er das Gegenstück zur Leistungswiderklage darstellt. Die Kostenquote ergibt sich aus den Streitwertanteilen, mit denen die Parteien jeweils unterlegen sind. Dabei ist der Wert für die Klage auf 11.589,00 festgesetzt worden, wovon € 10.000,00 auf den Klagantrag zu 2. entfallen, mit dem die Klägerin unterlegen ist, und der Wert für die Widerklage auf € 75.000,00, von denen € 50.000,00 auf den Antrag zu 1. entfallen, € 5.000,00 auf den Antrag zu 2. und € 20.000,00 auf den Antrag zu 3.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 709 ZPO und hinsichtlich des Beklagten auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 25.10.2013
Az: 308 O 31/13
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