Landesarbeitsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 16. Mai 2013
Aktenzeichen: 5 Sa 1029/12

(LAG Düsseldorf: Urteil v. 16.05.2013, Az.: 5 Sa 1029/12)

kein Leitsatz vorhanden

Tenor

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeits-

gerichts Düsseldorf vom 06.12.2012 - 2 Ca 3194/11 - wird

kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Vorliegen und den Umfang einer nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht des Beklagten.

Der Beklagte war bei der Klägerin vom 01.09.2005 bis zum 31.12.2007 als Direktor angestellt. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das seit mehreren Jahrzehnten im Bereich der Metallverarbeitung tätig ist. Seit dem Jahr 1995 stellt die Klägerin unter anderem das Reinsteisenprodukt F. 14 K her. Abnehmer dieses speziellen Produkts sind vor allen Dingen Gießereien, die Induktionsschmelzen betreiben. Bis zum Juli 2010 war die Klägerin - nach ihren eigenen Angaben - die einzige Anbieterin eines Reinsteisenproduktes. Dieses Produkt wird aus sogenanntem IF- oder ULC-Stahl (IF-Stahl) gewonnen, der von (normalen) Stahlherstellern produziert wird. Der Marktpreis des Produkts F. 14 K liegt bei ca. 750,00 € brutto.

Grundlage des Anstellungsverhältnisses der Parteien bildete ein Arbeitsvertrag vom 22.04.2005 (Bl. 58 ff d. A.). In dem Arbeitsvertrag heißt es unter anderem wie folgt:

"§ 9 Vertraulichkeit/Dokumentenrückgabe

(1) Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und für jede Zeit danach, ist es dem Arbeitnehmer untersagt, vertrauliche Informationen bekanntzugeben oder zu benutzen, es sei denn im Rahmen der Gesellschaft. Eingeschlossen sind Berufsgeheimnisse bzgl. der Tätigkeiten, vertraglichen Beziehungen, Handel, Transaktionen oder Geschäfte der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften. Diese vertraulichen Informationen betreffen insbesondere, aber nicht ausschließlich, den Schutz geistigen Eigentums der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften, den Kundenkreis, Preislisten, Preisfestsetzungsmethoden, Gehaltsdaten, die taktische Vorgehensweise in verschiedenen Arbeitsgebieten, strategische Arbeitsentscheidungen und jegliche andere Vorkommnisse in der Gesellschaft, die als vertraulich oder als im Eigentum der Gesellschaft befindlich angesehen werden könnten."

Im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag (Bl. 64 ff d. A.), der unter anderem folgende Passage enthält:

"Der Arbeitnehmer stimmt darüber hinaus zu, seine vertraglichen und nachvertraglichen Pflichten, insbesondere im Hinblick auf das Verbot der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen bzgl. der Preise, Herstellungsmethoden, Geschäftsentwicklung und andere Betriebsgeheimnisse auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen."

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin wurde der Beklagte seit Juli 2010 als Geschäftsführer der N. F. International GmbH (N.) in A. tätig. Die N. bietet seit Ende 2010 ebenfalls Reinsteisenprodukte auf dem Markt an, und zwar unter der Bezeichnung "pure iron". Der Gesellschaftszweck der N. ist ausweislich des Handelsregisters der Ankauf, Handel, Austausch, Bearbeitung und Verkauf von Nichteisenmetallen aller Qualitäten. Dazu gehört auch der Vertrieb von Reinstaluminium.

Nachdem der Beklagte mit E-Mail vom 30.11.2010 einer Kundin der Klägerin Reinsteisenprodukte der N. zum Kauf angeboten hatte, forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 17.03.2011 auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dem kam der Beklagte nicht nach.

Mit ihrer am 30.05.2011 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat die Klägerin vom Beklagten im Wesentlichen die Unterlassung seiner Tätigkeiten bei der Herstellung und beim Vertrieb von bestimmten Reinsteisenprodukten der N. begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflichtverletzung begangen und sich damit schadensersatzpflichtig gemacht hätte. Hierzu hat sie des Weiteren die Auffassung vertreten, dass die Herstellung ihres eigenen Produktes F. 14 K als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu werten sei. Sie hat vorgetragen, dass F. 14 K in jahrelanger intensiver Forschungsarbeit entwickelt worden sei. Ausgangspunkt für die Herstellung von F. 14 K seien Stahlnebenprodukte, die im Rahmen der Stahlproduktion anfielen. Sie, die Klägerin, hätte solche Produkte zunächst identifiziert und Methoden entwickelt, sie in hochwertiger Qualität auszusondern und Verunreinigungen zu verhindern. Dazu hätte sie zunächst entsprechende Stahlwerke identifizieren müssen, bei denen zu verarbeitende Stahlprodukte in verwertbarer Menge anfielen. Sie habe darüber hinaus ein Verfahren zur Aussonderung entwickelt, das geeignet sei, eine Verunreinigung durch kohlenstoffreichere Produkte zu vermeiden.

Die Klägerin hat weiter vorgetragen, die ausgesonderten Stahlprodukte würden in einem Quarantänebereich gelagert und dabei nochmals auf ihre chemische Zusammensetzung geprüft, bevor sie zu einer Verarbeitungsstätte nach Lüttich transportiert würden. Auch die dort benutzten Einrichtungen seien einmalig, insbesondere mit Blick auf den angewendeten Zuschneideprozess. Die Klägerin hat weiterhin behauptet, die Reinsteisenprodukte der N. wiesen exakt die Eigenschaften ihres Produkts F. 14 K auf. N. sei die Nachahmung ihres Produktes aber nur möglich gewesen, weil der Beklagte unter Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflichten Betriebsgeheimnisse weitergegeben hätte. Es wäre demgegenüber nicht möglich, ohne Rückgriff auf die Herstellungsmethoden der Klägerin derartige Reinsteisenprodukte zu fertigen.

Die Klägerin hat darüber hinaus betont, dass die Herstellungs-, Auswahl- und Bearbeitungsprozesse in der Tat als Betriebsgeheimnisse zu werten seien, die keinem Wettbewerber (bisher) bekannt gewesen wären. Die Herstellungsmethoden seien jedenfalls nicht offenkundig. Dies gelte mit Blick auf die Stahlwerke, die in der Lage seien, die Herstellung und Aussonderung des IF-Stahls vorzunehmen. Dies gelte weiter für das Verfahren zur Identifizierung und Aussonderung der Nebenprodukte der Stahlproduktion und die weitere Bearbeitung der ausgesonderten Stahlprodukte in Lüttich. Insgesamt stelle das Geschäftsmodell F. 14 K deshalb ein Betriebsgeheimnis dar, weil sie die einzelnen, schon nicht offenkundigen Herstellungsschritte in einer bisher unbekannten Weise kombiniert hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

1.Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb des Produktes "pure iron" des Unternehmens N. N. F. International GmbH, T. strasse 45 CH-9. A., Schweiz, mit den Spezifikationen

€"plate material" mit den Abmessungen 45 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 15 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,02 % oder

€"blank material" mit den Abmessungen 5 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 1 bis 2 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,02 % oder

€"plate material" mit den Abmessungen 45 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 15 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,01 %

€"blank material" mit den Abmessungen 5 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 1 bis 2 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,01 %

mitzuwirken.

2.Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb des Produktes "pure iron" des Unternehmens N. N. F. International GmbH, T. strasse 45, CH-9. A., Schweiz, mit den Spezifikationen

-"plate material" und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % oder

-"blank material" und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %

mit einer Abmessung und/oder einem Gewicht, die bzw. das von den unter 1) aufgeführten Abmessungen und Gewichten abweicht, mitzuwirken.

3. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb von Reinsteisenprodukten zum Einschmelzen mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %, die unter Verwendung des Herstellungsverfahren ihres Reinsteisenproduktes F. 14K hergestellt werden, das folgende Schritte beinhaltet:

-Identifikation von Stahlwerken, in denen aufgrund der technischen Einrichtungen IF-Stahl oder ULC-Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % als Nebenprodukt anfällt und in denen dieser IF-Stahl oder ULC-Stahl von Materialien mit anderen Spezifikationen durch unverzügliches Entfernen aus dem Produktionsablauf und Markierung isoliert werden kann, wobei diese Stahlwerke über die folgenden Einrichtungen und Materialien verfügen müssen, um die gewünschten Nebenprodukte in der erforderlichen Qualität herzustellen:

- ausreichender Vorrat an Eisenerz und Kalk mit geringem Schwefelgehalt

- Vorhandensein eines LD-Konverters und einer Vakuum-Entgasungspfanne

- Einrichtungen zur röntgenspektrographischen Analyse von Material im LD-Konverter

- Schattenrohre mit qualitativ hochwertigem Kalk zur Verhinderung einer ungewünschten Gas- oder Schwefelaufnahme

- etablierte Guss- und Walztechnologie für Stahl mit niedrigem Kohlenstoff- und Mangangehalt;

-Aussonderung von Nebenprodukten mit diesen Spezifikationen in einem solchen Stahlwerk, wobei jeweils Gruppen von Nebenprodukten mit gleicher chemischer Zusammensetzung unter Verhinderung einer Vermischung mit anderen Materialien oder Nebenprodukten anderer chemischer Zusammensetzung durch unverzügliche Markierung und Aussonderung der anfallenden Nebenprodukte gebildet werden;

-Identifikation von Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien, die Reinsteisen zum Einschmelzen benötigen;

-Zuschneiden des Produktes nach Vorgaben des Abnehmers in speziell ausgestatteten Bearbeitungsstätten mit Scheren, Sägen oder Azetylenbrennern, die geeignet sind, das Material auch in kleine Stücke zuzuschneiden, wobei zur Verhinderung von Oberflächenbeschädigungen Flüssigkeitsreste entfernt, Kohlenstoffrückstände durch Sandstrahlung entfernt und eine Oxidation durch

-Schrumpffolienverpackung oder

- Abdeckung mit Stahldecken oder schwerem Papier und Verpackung in Trommeln aus gestrahltem Stahl

verhindert werden, teilzunehmen.

4.Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeld von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, das Herstellungsverfahren ihres Reinsteisenproduktes F. 14K mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %, das folgende Schritte beinhaltet

-Identifikation von Stahlwerken, in denen aufgrund der technischen Einrichtungen IF-Stahl oder ULC-Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % als Nebenprodukt anfällt und in denen dieser IF-Stahl oder ULC-Stahl von Materialien mit anderen Spezifikationen durch unverzügliches Entfernen aus dem Produktionsablauf und Markierung isoliert werden kann, wobei diese Stahlwerke über die folgenden Einrichtungen und Materialien verfügen müssen, um die gewünschten Nebenprodukte in der erforderlichen Qualität herzustellen:

- ausreichender Vorrat an Eisenerz und Kalk mit geringem Schwefelgehalt

- Vorhandensein eines LD-Konverters und einer Vakuum-Entgasungspfanne

- Einrichtungen zur röntgenspektrographischen Analyse von Material im LD-Konverter

- Schattenrohre mit qualitativ hochwertigem Kalk zur Verhinderung einer ungewünschten Gas- oder Schwefelaufnahme

- etablierte Guss- und Walztechnologie für Stahl mit niedrigem Kohlenstoff- und Mangangehalt;

-Aussonderung von Nebenprodukten mit diesen Spezifikationen in einem solchen Stahlwerk, wobei jeweils Gruppen von Nebenprodukten mit gleicher chemischer Zusammensetzung unter Verhinderung einer Vermischung mit anderen Materialien oder Nebenprodukten anderer chemischer Zusammensetzung durch unverzügliche Markierung und Aussonderung der anfallenden Nebenprodukte gebildet werden;

-Identifikation von Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien, die Reinsteisen zum Einschmelzen benötigen;

-Zuschneiden des Produktes nach Vorgaben des Abnehmers in speziell ausgestatteten Bearbeitungsstätten mit Scheren, Sägen oder Azetylenbrennern, die geeignet sind, das Material auch in kleine Stücke zuzuschneiden, wobei zur Verhinderung von Oberflächenbeschädigungen Flüssigkeitsreste entfernt, Kohlenstoffrückstände durch Sandstrahlung entfernt und eine Oxidation durch

-Schrumpffolienverpackung oder

- Abdeckung mit Stahldecken oder schwerem Papier und Verpackung in Trommeln aus gestrahltem Stahl

verhindert werden, Dritten mittelbar oder unmittelbar zur Kenntnis zu geben.

5.Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffern 1 bis 4 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass er nicht gegen eine irgendwie geartete Verschwiegenheitspflicht verstoßen hätte, weil es sich bei der Herstellung und Weiterverarbeitung des Produkts F. 14 K nicht um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis handele.

Das Produkt F. 14 K sei in Fachkreisen allgemein bekannt. Bekannt seien allerdings auch die Unternehmen, die IF-Stahl herstellten. Diese könnten unproblematisch unter dem Stichwort "IF-Stahl" identifiziert und z. B. im Internet ermittelt werden. Zwar müssten diese Produzenten die von der Klägerin angesprochene Ausstattung besitzen, was allerdings in der Praxis eine Selbstverständlichkeit wäre.

Der Beklagte hat weiter behauptet, sowohl der Herstellungsprozess wie auch die Abnehmer des Produkts F. 14 K seien in Fachkreisen bekannt und ohne größere Schwierigkeiten zu ermitteln. Insgesamt könne deshalb schon nicht von einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gesprochen werden, weil alle insoweit relevanten Fakten offenkundig wären.

Der Beklagte hat weiter vorgetragen, N. verwende ein von der Klägerin abweichendes Herstellungsverfahren, kaufe das Vormaterial bei Stahlproduzenten, transportiere es zu einem Drittunternehmen zum Zuschneiden und veräußere es dann an die jeweiligen Kunden.

Mit Urteil vom 06.12.2011 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 2 Ca 3194/11 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klageanträge zu 1) bis 5) seien unbegründet, weil der Beklagte keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse preisgegeben hätte. Sowohl bei der Identifizierung von Stahlwerken, die IF-Stahl produzierten, wie auch bei dem Wissen um die Aussonderung von Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % handele es sich um offenkundige Tatsachen, weil sie ohne größeren Aufwand wie für jedermann zugänglich seien. Gleiches gelte für die Identifizierung von potentiellen Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien wie auch für das Zuschneiden der Stahlprodukte. Schließlich könne auch kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darin zu erkennen sein, dass sich die Klägerin bekannter Verfahren bediene, aber geheim sei, dass gerade die Klägerin dieses Verfahren nutze und damit möglicherweise besondere Erfolge erziele. Letztlich bestehe die Geschäftsidee der Klägerin darin, ein Produkt der Stahlindustrie von bestimmter Qualität auf die für die Abnehmer interessante Größe zuzuschneiden. Ein damit erzielter, besonderer Erfolg sei indessen nicht zu erkennen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.01.2012 zugestellte Urteil mit einem am 16.02.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.04.2012 - mit einem am 16.04.2012 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt zunächst ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und unterstreicht ihre Rechtsauffassung, wonach der Beklagte eine Verletzung seiner nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht begangen hätte, als er sein Wissen über die Herstellung von F. 14 K an die N. weitergegeben hätte. Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, dass die Herstellung von F. 14 K in folgenden Herstellungsschritten erfolge:

Ausgangspunkt für die Herstellung des Produktes F. 14 K seien Nebenprodukte, die im Rahmen der IF-Stahlproduktion anfielen. Die Klägerin hätte einen langwierigen Prozess durchlaufen müssen, um diejenigen Stahlwerke, in welchen Nebenprodukten mit der erforderlichen Zusammensetzung und in der notwenigen Menge anfielen, zu identifizieren. Daher sei ein spezieller Analyse- und Auswahlprozess erforderlich, um die Eignung der Nebenprodukte zu prüfen, wobei die Klägerin diese Nebenprodukte identifiziere und Methoden entwickelt hätte, die eine Aussonderung der Nebenprodukte im Rahmen der Stahlproduktion unter Sicherstellung einer hohen Qualität und einer Verhinderung von Verunreinigungen ermöglichten. Lediglich Stahlwerke, in denen eine Aussonderung der geeigneten Nebenprodukte möglich sei, wären als Lieferanten auch geeignet.

Die erforderlichen Nebenprodukte würden nicht aktiv auf dem Markt von Stahlwerken angeboten. Für die Herstellung von F. 14 K sei es unerlässlich, die geeigneten Nebenprodukte gegen Verunreinigungen im Rahmen der Stahlproduktion durch andere Produkte mit einem höheren Kohlenstoffgehalt zu schützen. Die Stahlwerke müssten daher angewiesen werden, die Nebenprodukte auf Basis der jeweiligen chemischen Zusammensetzung zu separieren und diese nicht zu vermischen.

Schließlich müssten die erworbenen Nebenprodukte weiterverarbeitet werden, was in einer speziell ausgerüsteten Einrichtung in Lüttich nach den Wünschen der Kunden geschehe. Auch während dieses Prozesses sei es erforderlich, die Nebenprodukte strikt von Nebenprodukten einer anderen chemischen Zusammensetzung zu trennen.

Die Klägerin trägt hierzu weiter vor, es sei nicht öffentlich bekannt, auf welche Weise das kostengünstig angebundene Produkt F. 14 K hergestellt werde. Es könne dafür nicht auf öffentlich verfügbare Quellen zurückgegriffen werden, um herauszufinden, auf welche Art und Weise die Klägerin das Produkt F. 14 K herstelle. Entsprechendes Wissen habe der Beklagte allerdings während seiner Tätigkeit für die Klägerin erworben, das er nun zugunsten der N. versuche einzusetzen.

Die Klägerin behauptet weiter, der Beklagte hätte durch sein rechtswidriges Verhalten und durch seine Pflichtverletzungen finanzielle Schäden in Höhe von ca. 938.000,00 € bis zum Ende des Jahres 2011 verursacht. Die Klägerin meint, dass er deshalb nicht nur zum Schadensersatz verpflichtet sei, sondern auch ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht und gem. § 8 UWG bestehe.

Die Klägerin beantragt,

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2011 - 2 Ca 3194/11 - wie folgt abgeändert:

1.Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb des Produktes "pure iron" des Unternehmens N. N. F. International GmbH, T. strasse 45 CH-9. A., Schweiz, mit den Spezifikationen

€"plate material" mit den Abmessungen 45 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 15 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,02 % oder

€"blank material" mit den Abmessungen 5 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 1 bis 2 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,02 % oder

€"plate material" mit den Abmessungen 45 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 15 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,01 %

€"blank material" mit den Abmessungen 5 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 1 bis 2 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,01 %

mitzuwirken.

2.Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb des Produktes "pure iron" des Unternehmens N. N. F. International GmbH, T. strasse 45, CH-9. A., Schweiz, mit den Spezifikationen

-"plate material" und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % oder

-"blank material" und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %

mit einer Abmessung und/oder einem Gewicht, die bzw. das von den unter 1) aufgeführten Abmessungen und Gewichten abweicht, mitzuwirken.

3. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb von Reinsteisenprodukten zum Einschmelzen mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %, die unter Verwendung des Herstellungsverfahren ihres Reinsteisenproduktes F. 14K hergestellt werden, das folgende Schritte beinhaltet:

-Identifikation von Stahlwerken, in denen aufgrund der technischen Einrichtungen IF-Stahl oder ULC-Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % als Nebenprodukt anfällt und in denen dieser IF-Stahl oder ULC-Stahl von Materialien mit anderen Spezifikationen durch unverzügliches Entfernen aus dem Produktionsablauf und Markierung isoliert werden kann, wobei diese Stahlwerke über die folgenden Einrichtungen und Materialien verfügen müssen, um die gewünschten Nebenprodukte in der erforderlichen Qualität herzustellen:

- ausreichender Vorrat an Eisenerz und Kalk mit geringem Schwefelgehalt

- Vorhandensein eines LD-Konverters und einer Vakuum-Entgasungspfanne

- Einrichtungen zur röntgenspektrographischen Analyse von Material im LD-Konverter

- Schattenrohre mit qualitativ hochwertigem Kalk zur Verhinderung einer ungewünschten Gas- oder Schwefelaufnahme

- etablierte Guss- und Walztechnologie für Stahl mit niedrigem Kohlenstoff- und Mangangehalt;

-Aussonderung von Nebenprodukten mit diesen Spezifikationen in einem solchen Stahlwerk, wobei jeweils Gruppen von Nebenprodukten mit gleicher chemischer Zusammensetzung unter Verhinderung einer Vermischung mit anderen Materialien oder Nebenprodukten anderer chemischer Zusammensetzung durch unverzügliche Markierung und Aussonderung der anfallenden Nebenprodukte gebildet werden;

-Identifikation von Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien, die Reinsteisen zum Einschmelzen benötigen;

-Zuschneiden des Produktes nach Vorgaben des Abnehmers in speziell ausgestatteten Bearbeitungsstätten mit Scheren, Sägen oder Azetylenbrennern, die geeignet sind, das Material auch in kleine Stücke zuzuschneiden, wobei zur Verhinderung von Oberflächenbeschädigungen Flüssigkeitsreste entfernt, Kohlenstoffrückstände durch Sandstrahlung entfernt und eine Oxidation durch

-Schrumpffolienverpackung oder

- Abdeckung mit Stahldecken oder schwerem Papier und Verpackung in Trommeln aus gestrahltem Stahl

verhindert werden, teilzunehmen.

4.Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeld von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, das Herstellungsverfahren ihres Reinsteisenproduktes F. 14K mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %, das folgende Schritte beinhaltet

-Identifikation von Stahlwerken, in denen aufgrund der technischen Einrichtungen IF-Stahl oder ULC-Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % als Nebenprodukt anfällt und in denen dieser IF-Stahl oder ULC-Stahl von Materialien mit anderen Spezifikationen durch unverzügliches Entfernen aus dem Produktionsablauf und Markierung isoliert werden kann, wobei diese Stahlwerke über die folgenden Einrichtungen und Materialien verfügen müssen, um die gewünschten Nebenprodukte in der erforderlichen Qualität herzustellen:

- ausreichender Vorrat an Eisenerz und Kalk mit geringem Schwefelgehalt

- Vorhandensein eines LD-Konverters und einer Vakuum-Entgasungspfanne

- Einrichtungen zur röntgenspektrographischen Analyse von Material im LD-Konverter

- Schattenrohre mit qualitativ hochwertigem Kalk zur Verhinderung einer ungewünschten Gas- oder Schwefelaufnahme

- etablierte Guss- und Walztechnologie für Stahl mit niedrigem Kohlenstoff- und Mangangehalt;

-Aussonderung von Nebenprodukten mit diesen Spezifikationen in einem solchen Stahlwerk, wobei jeweils Gruppen von Nebenprodukten mit gleicher chemischer Zusammensetzung unter Verhinderung einer Vermischung mit anderen Materialien oder Nebenprodukten anderer chemischer Zusammensetzung durch unverzügliche Markierung und Aussonderung der anfallenden Nebenprodukte gebildet werden;

-Identifikation von Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien, die Reinsteisen zum Einschmelzen benötigen;

-Zuschneiden des Produktes nach Vorgaben des Abnehmers in speziell ausgestatteten Bearbeitungsstätten mit Scheren, Sägen oder Azetylenbrennern, die geeignet sind, das Material auch in kleine Stücke zuzuschneiden, wobei zur Verhinderung von Oberflächenbeschädigungen Flüssigkeitsreste entfernt, Kohlenstoffrückstände durch Sandstrahlung entfernt und eine Oxidation durch

-Schrumpffolienverpackung oder

- Abdeckung mit Stahldecken oder schwerem Papier und Verpackung in Trommeln aus gestrahltem Stahl

verhindert werden, Dritten mittelbar oder unmittelbar zur Kenntnis zu geben.

5.Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffern 1 bis 4 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug. Er unterstreicht in erster Linie seine Rechtsauffassung, wonach das gesamte Verfahren zur Herstellung der Reinsteisenprodukte offenkundig sei und deshalb keine darauf gerichtete Verschwiegenheitspflicht des Beklagten bestehe.

Das Landgericht Krefeld hat in einem Parallelprozess, in dem die Klägerin die N. unter anderem auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen hat, mit Beschluss vom 14.03.2012 Beweis erhoben über die Frage des Vorliegens von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 442 d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten von Herrn Prof. Dr. Beck vom 05.09.2012 (Bl. 738 - 741 d. A.) und auf die Antworten zu Ergänzungsfragen der Klägerin vom 14.01.2013 (Bl. 782 und 783 d. A.) verwiesen. Die Parteien haben einer Verwertung der Feststellungen des Sachverständigen im vorliegenden Rechtsstreit zugestimmt.

Mit Urteil vom 10.04.2013 hat die 11. Kammer des Landgerichts Krefeld - 11 O 70/11 - die Klage abgewiesen und dabei in erster Linie das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verneint. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 802 - 812 d. A. verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder aus § 8 OWG noch aus einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht noch aus anderen Rechtsgründen einen Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz gegen den Beklagten. Die hierauf gerichteten, auch im zweiten Rechtszug weiter verfolgten Ansprüche der Klägerin sind insgesamt unbegründet, weil der Kläger gerade nicht gegen seine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen hat und weil er insbesondere keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an die N. weitergegeben hat.

1.Bereits das Arbeitsgericht hat in seiner erstinstanzlichen Entscheidung mit durchweg zutreffenden Erwägungen und ausführlicher Begründung die Zulässigkeit der klägerischen Anträge festgestellt. Das Arbeitsgericht hat weiter mit überzeugenden Erwägungen eine arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht des Beklagten in Abrede gestellt und dabei herausgearbeitet, dass die Herstellung und Weiterverarbeitung von F. 14 K nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu qualifizieren sei. Dem schließt sich die erkennende Berufungskammer in vollem Umfang an und verzichtet zur Vermeidung von Wiederholungen auf eine erneute Darstellung der Entscheidungsgründe, § 69 Abs. 2 ArbGG.

2.Zur Ergänzung und bei gleichzeitiger Würdigung des Sachvortrags der Parteien im Berufungsrechtszug soll allerdings noch auf Folgendes hingewiesen werden:

Eine Verletzung seiner nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht kann nicht angenommen werden, weil der Beklagte eben keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin weitergegeben hat.

2.1Arbeitnehmer sind verpflichtet, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim zu halten sind. Dabei beziehen sich Betriebsgeheimnisse auf den technischen Betriebsablauf, insbesondere Herstellung und Herstellungsverfahren; Geschäftsgeheimnisse betreffen den allgemeinen Geschäftsverkehr des Unternehmens (BAG 15.12.1987 - 3 AZR 474/86 - NZA 1988, 502; BGH 26.02.2009 - I ZR 28/06 - NJW 2009, 1420; vgl. auch: LAG Rheinland-Pfalz 22.02.2008 - 6 Sa 626/07 - juris).

Offenkundig ist ein Betriebsgeheimnis demgegenüber schon dann, wenn es in einer Weise an die Öffentlichkeit gelangt ist, die es jedermann zugänglich macht, d. h. ohne Schwierigkeiten in Erfahrung gebracht werden kann, weil es etwa dem Stand der Technik entspricht. Das Offenkundigkeitsmerkmal bezieht sich dabei auf die Möglichkeit der Kenntniserlangung und nicht auf die tatsächliche Kenntnis (vgl. hierzu z.B. ErfK zum Arbeitsrecht/Preis 13. Aufl., § 611 BGB, Rz. 712).

2.2In Ansehung dieser Grundsätze kann entgegen der Auffassung der Klägerin dann aber gerade nicht von einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis gesprochen werden, wenn es um die Herstellung und die Weiterverarbeitung des Produkts F. 14 K geht.

2.2.1Die Klägerin hat sich im Berufungsrechtszug zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung erneut auf die wesentlichen Schritte zur Herstellung und Verarbeitung des Produkts F. 14 K berufen und ihr Vorbringen nochmals wie folgt konkretisiert:

Für die Herstellung von F. 14 K seien Nebenprodukte aus der IF-Stahlproduktion erforderlich, wobei es notwendig wäre, diejenigen Stahlwerke durch eine Analyse der chemischen Zusammensetzung der Produkte zu bestimmen, in denen die geeigneten Nebenprodukte aus der IF-Stahlproduktion anfielen. Sodann seien die entsprechenden Nebenprodukte mit einer geeigneten Qualität und chemischen Zusammensetzung in diesen Stahlwerken zu identifizieren und die so identifizierten und geeigneten Nebenprodukte müssten im herkömmlichen Herstellungsprozess der Stahlproduktion ausgesondert werden, um eine Verunreinigung zu verhindern. Letztlich würden die ausgesonderten Nebenprodukte weiterverarbeitet und mit speziellen Schneidemethoden auf das vom Kunden gewünschte Format zurechtgeschnitten.

2.2.2Genau diese Herstellungsschritte sind aber nach Auffassung der erkennenden Kammer in Ansehung des Sachvortrags beider Parteien und nach Durchführung der Beweisaufnahme vor dem Landgericht Krefeld eben nicht als "geheim" zu qualifizieren, so dass von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht gesprochen werden kann.

2.2.2.1 Dies gilt zunächst, soweit sich die Klägerin auf das Schneiden der ausgesonderten Produkte in einer speziellen Betriebsstätte in Lüttich beruft. Die Klägerin hat es in beiden Instanzen unterlassen, substantiiert vorzutragen und unter Beweis zu stellen, welche speziellen Schneidemethoden in Lüttich angewendet werden könnten, die nicht jedermann zugänglich sind. Es fehlt vollständig an einer Darstellung, was das Besondere an dem Herstellungsverfahren in Lüttich ist, das sich der Beklagte zu Eigen gemacht und verwertet hat. Darüber hinaus wird aber auch in keiner Weise erkennbar, dass die N. sich exakt dieses Fertigungsverfahrens bedient, um ihr Produkt "pure iron" herzustellen. Dann kann aber von der Weitergabe eines Betriebsgeheimnisses schon nach dem Vortrag der Klägerin selbst nicht ausgegangen werden.

2.2.2.2 Soweit das von der Klägerin genannte weitere Herstellungsverfahren betroffen ist, sind alle wesentlichen und rechtliche relevanten Schritte schon deshalb keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, weil die entsprechenden Tatsachen für jedermann ohne Weiteres zugänglich und damit offenkundig sind. Dies ergibt sich vor allem aus dem vom Landgericht Krefeld in Auftrag gegebenen Gutachten und den Ausführungen des Sachverständigen vom 05.09.2012 bzw. 14.01.2013.

In dem eigentlichen Gutachten vom 05.09.2012 stellt der Gutachter zunächst fest, dass die beiden streitbefangenen Reinsteisenprodukte dieselbe chemische Zusammensetzung aufweisen und nach demselben Herstellungsverfahren hergestellt werden. Er bestätigt dann aber in aller Deutlichkeit, dass das Beschaffungsverfahren der Materialien und der Fertigungsprozess gerade nicht einzigartig sind, sondern vielmehr für Fachkreise offenkundig. Der Gutachter führt hierzu weiter aus, dass für den Fachmann leicht erkennbar sei, welche Stahlproduzenten für die Fertigung von ULC- und IF-Stählen ausgestattet seien. Er weist darauf hin, dass man zur Identifizierung derartiger Stahlproduzenten auf Datenbanken und Standardwerke zurückgreifen könnte und sie damit leicht ermittelbar seien. Der Sachverständige unterstreicht, dass die in Betracht kommenden Stahlhersteller Nebenprodukte mit der geforderten chemischen Zusammensetzung auch aktiv als Material anböten.

Dem entsprechen die Antworten auf die von der Klägerin gestellten Ergänzungsfragen. In seiner Stellungnahme vom 14.01.2013 unterstreicht der Sachverständige erneut, dass es für einen Fachmann, der mit dem Verfahren der Stahlherstellung vertraut sei, leicht sei zu erkennen, aus welcher Stahlproduktion die Produkte F. 14 K und "pure iron" der N. stammten. Darüber hinaus bestätigt der Gutachter, dass es ohne größere Schwierigkeiten und Opfer erkennbar wäre, dass sich die Klägerin einer Kombination der Auswahlmaterialien der IF- und ULC-Stahlproduktion und der herkömmlichen industriellen Fertigungsverfahren bediene, um ein kostengünstiges Produkt für Induktionsgießereien bereit zu stellen.

Hiernach steht zur Überzeugung auch der erkennenden Berufungskammer fest, dass die Herstellung des Produktes F. 14 K weder in seinen einzelnen Herstellungsschritten noch in seiner Gesamtheit ein Betriebsgeheimnis darstellt, dessen Weitergabe dem Beklagten untersagt sein sollte. Zum einen ist bereits die Identifizierung der infrage kommenden Stahlproduzenten entgegen der Auffassung und Darstellung der Klägerin gerade nicht so schwer, dass hier von einem Betriebsgeheimnis gesprochen werden könnte. Potentielle Hersteller des benötigten Sekundärmaterials sind vielmehr über entsprechende Datenbanken und/oder über das Internet abzufragen, so dass ein besonderer Aufwand hier gar nicht erforderlich ist.

Auch die weitere Verarbeitung und damit die Kenntnis von den jeweiligen Verarbeitungsprozessen ist nach den Ausführungen des Gutachters offenkundig. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die infrage kommenden Stahlproduzenten inzwischen die von der Klägerin und jetzt von der N. benötigten Nebenprodukte offensichtlich aktiv anbieten. Hieraus folgt weiter - und vom Gutachter bestätigt -, dass die Stahlproduzenten selbst für die Identifizierung der geeigneten Stahlsorten und deren Aussonderung sorgen, um sie dann an die Klägerin bzw. jetzt die N. zu veräußern. Dann aber erweist sich das gesamte Herstellungsverfahren als für jeden Fachmann leicht zu "durchschauen"; ein besonderer Aufwand zur Erkennbarkeit des Verfahrens ist damit nicht gegeben.

Dies gilt auch für die Ermittlung von Kunden. Zwischen den Parteien ist letztlich unstreitig geworden, dass als potentielle Kunden nur Gießereien und Unternehmen, die über Schmelzbetriebe in ihrem Produktionsbereich als Vorstufe verfügen, in Betracht kommen. Diese Betriebe können allerdings schon aufgrund öffentlich zur Verfügung stehender Daten ermittelt werden, so dass auch eine Kontaktaufnahme ohne größere Probleme möglich ist.

Schließlich kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass ein legitimes Geheimhaltungsinteresse an einem an sich bekannten Verfahren dann bestehen kann, wenn geheim ist, dass sich ein Unternehmen dieses Verfahrens bedient und dadurch möglicherweise besondere Erfolge erzielt. Auch insoweit besteht ein Schutz jedoch nur wie der Gegenstand des Verfahrens nicht offenkundig ist. Genau hiervon muss aber für die vorliegende Fallkonstellation ausgegangen werden, weil bereits die verschiedenen Schritte, die der Erstellung des Endproduktes vorangehen, offenkundig sind. Darüber hinaus wirbt die Klägerin selbst unter Offenlegung ihrer Abmessungen und Spezifikationen in der Öffentlichkeit für das Produkt F. 14 K.

2.2.3Insgesamt ist der Beklagten einzuräumen, dass sie sich ihre bisherige Vormachtstellung in einer Nische der Stahlproduktion in den vergangenen Jahren mühevoll aufgebaut haben mag. Dabei kann auch zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie als Erste das Herstellungsverfahren durch jahrelange Forschung ermittelt und optimiert hat, dass sie die in Frage kommenden Stahlproduzenten ausgesucht und überzeugt hat und dass sie schließlich das Aussonderungsverfahren, das benötigt wird, (mit)entwickelt hat. Klar ist aber, dass alle infrage kommenden Stahlproduzenten inzwischen selbst dieses Verfahren und damit die Produkte anbieten, auf dem freien Markt bewerben und auch für die tatsächliche Aussonderung der benötigten Nebenprodukte Sorge tragen. Dann aber kann es sowohl dem Beklagten als auch der N. nicht untersagt werden, sich dieser Angebote zu bedienen, die Nebenprodukte zu kaufen und nach entsprechender Weiterverarbeitung an die ebenfalls bekannten Kunden zu veräußern. Der Kenntnis der Herstellung und der chemischen Zusammensetzung von F. 14 K durch den Beklagten bedarf es hierzu nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision waren nicht gegeben, da der Rechtssache unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG) noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision (§ 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG) gegeben sind.

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

gez.: Göttling gez.: Dr. Wuppermann gez.: Schmidt






LAG Düsseldorf:
Urteil v. 16.05.2013
Az: 5 Sa 1029/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ace072e9a10e/LAG-Duesseldorf_Urteil_vom_16-Mai-2013_Az_5-Sa-1029-12




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