Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 28. Mai 2015
Aktenzeichen: 13 U 104/14

(OLG Celle: Urteil v. 28.05.2015, Az.: 13 U 104/14)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird die Klage unter Abänderung des am 28. Mai 2014 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin mahnte den beklagten Presseverlag wegen einer vermeintlich unzulässigen Bildberichterstattung durch Anwaltsschreiben ab. Dieses Abmahnschreiben schloss mit dem Hinweis: €Unsere Mandantin ist für eine Antwort in Bezug auf dieses Schreiben nicht empfangsbereit. Sie wünscht nicht direkt diesbezüglich angeschrieben zu werden, sondern dass die Rechtsangelegenheit ausschließlich mit der Kanzlei (€) abgewickelt wird.€ Die Beklagte schrieb die Klägerin dennoch persönlich an, legte in diesem Schreiben dar, dass die Berichterstattung nach ihrer Auffassung zulässig gewesen sei und lud die Klägerin abschließend zu einem persönlichen Gespräch ein, um €für die Zukunft eine (€) Gesprächsgrundlage€ zu schaffen. Gleichzeitig informierte sie die Rechtsanwälte der Klägerin über dieses Schreiben.

Die Klägerin begehrt in dem vorliegenden Verfahren der Beklagten zu untersagen, sie in vergleichbaren Fällen direkt anzuschreiben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1, § 543 Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 20. Mai 2015 geht dem nach pflichtgemäßem Ermessen keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht nicht.

1. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aufgrund einer Störung ihres Eigentums oder Besitzes aus §§ 1004, 903, 862 BGB zu.

Die einmalige Versendung eines Briefes in einer konkreten Angelegenheit stellt noch keine relevante Störung des Eigentums oder Besitzes dar. Zwar wird eine mögliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes dadurch vermittelt, dass der Brief in den Postkasten eingeworfen wird, der im Besitz und möglicherweise auch im Eigentum des Betroffenen steht. Eine Störung setzt aber eine negative Einwirkung voraus, die noch nicht in dem einmaligen Einwurf eines Briefes in den grundsätzlich für einen solchen Vorgang bestimmten Postkasten liegt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem unerwünschten Einwurf von Werbesendungen. Diese stellen ein Massenphänomen dar und sind deshalb auch besitzrechtlich erheblich. Zwar hat der Bundesgerichtshof und ihm folgend auch die sonstige Rechtsprechung Besitzschutzansprüche schon gegen den €vereinzelt unerwünschten Einwurf von Werbematerial€ zuerkannt, dies aber damit begründet, dass schon der Ausweitung einer derartigen Inanspruchnahme, die anders nicht gesteuert werden könne, zu begegnen sei (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1988 - VI ZR 182/88, juris Tz. 13).

Im Übrigen geht es der Klägerin hier nach der gesamten Begründung ihrer Ansprüche in der Sache nicht um die Abwehr einer Beeinträchtigung ihres gegenständlich-räumlichen Eigenbereiches, sondern vielmehr darum, einer Konfrontation gerade mit Schreiben der Beklagten in dieser Angelegenheit zu entgehen und Belästigungen oder auch weitergehende Gefährdungen ihrer Persönlichkeit zu vermeiden, weshalb Abwehrrechte aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ganz in den Vordergrund treten (zu diesem Gesichtspunkt: BGH, a. a. O. Tz. 14).

Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof in dem vergleichbaren Fall eines unerwünschten Anschreibens zur Forderungsdurchsetzung insbesondere Besitzschutzansprüche nicht geprüft (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - VI ZR 311/09, juris). Die Annahme der Klägerin, dies sei damit zu begründen, dass in dem dortigen Fall keine Briefe sondern (drei) E-Mails streitgegenständlich gewesen seien, findet in dem Tatbestand der dortigen Entscheidung keine Stütze.

2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin aber auch nicht aufgrund einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus § 1004 Abs. 1 analog, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu.

Zwar kann in der bloßen - als solchen nicht ehrverletzenden - Kontaktaufnahme eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt und bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seine Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK das Interesse des Beklagten, mit ihm unmittelbar in Kontakt zu treten, überwiegt (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - VI ZR 311/09, juris Tz. 8, 11 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier aber unabhängig davon nicht vor, ob die Klägerin überhaupt hinreichend deutlich gemacht hat, auch insoweit nicht unmittelbar kontaktiert werden zu wollen, als das Anliegen der Beklagten wie hier mit der Einladung zu einem Gespräch über die €Rechtsangelegenheit€ im engeren Sinne hinausging.

Jedenfalls folgt aus einer Abwägung der widerstreitenden Interessen - sofern diese objektiv erkennbar sind -, dass Interessen der Beklagten daran, der Klägerin das fragliche Schreiben unmittelbar zu übersenden, mögliche Interessen der Klägerin, nicht direkt kontaktiert zu werden, überwiegen.

a) Eine derartige Interessenabwägung ist im vorliegenden Fall durchzuführen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sog. offenes Recht, dessen Beeinträchtigung nicht bereits eine widerrechtliche Verletzung indiziert. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH a. a. O., Tz. 12 m. w. N.). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof zu Recht in einem im Wesentlichen vergleichbaren Fall eine solche Abwägung vorgenommen (BGH, a.a.O. Tz. 12 ff.).

Der Einwand der Klägerin, die dortige Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil dort Ansprüche aus einem vertraglichen Verhältnis im Raum gestanden hätten, verfängt nicht. Das Abwägungserfordernis folgt bereits aus allgemeinen Grundsätzen.

b) Entsprechend den Erwägungen des Bundesgerichtshofs in dem vorgenannten Fall ist das Interesse der Klägerin, nicht durch eine unmittelbare Kontaktaufnahme der Beklagten in ihrer Privatsphäre gestört zu werden, vergleichsweise geringfügig. Zwar ist der Einwand zutreffend, dass die Klägerin allein aufgrund der Wahrnehmung des Absenders des Schreibens noch nicht darüber entscheiden kann, ob dies ungelesen an ihre Anwälte weitergeleitet werden soll. Erforderlich ist demgegenüber, den Umschlag zu öffnen und zumindest den Betreff, möglicherweise auch den Anfang des Schreibens zur Kenntnis zu nehmen. Nach diesem Vorgang, der keinen nennenswerten Aufwand erforderte, konnte die Klägerin jedoch entscheiden, das Schreiben gegebenenfalls ungelesen weiterzuleiten, wenn sie in dieser Angelegenheit nicht weiter involviert werden wollte. Der für eine Weiterleitung erforderliche Aufwand ist ebenfalls unerheblich (vgl. zum Ganzen auch: J. Lange/Schmidbauer in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 823 Rdnr. 74 a.E.).

Die Auffassung der Klägerin, das Schreiben stehe in einem Zusammenhang mit sonst durch die Beklagte als Herausgeberin der Zeitschrift €C.€ durchgeführten Observierungen und Bespitzelungen, ist unzutreffend. Ebenfalls übt das Schreiben keinen Zwang auf die Klägerin aus, mit der Beklagten zu debattieren. Es enthielt keine suggestiven Mittel nennenswerten Umfangs, die die Entscheidungsfreiheit eines durchschnittlich verständigen und aufgeklärten Bürgers zu beeinträchtigen geeignet wären. Dass das Schreiben geeignet wäre, eine solche Person - geschweige denn die Klägerin - nennenswert zu verunsichern, war objektiv jedenfalls nicht vorhersehbar. Sofern dies aufgrund einer besonderen Anfälligkeit der Klägerin der Fall gewesen sein sollte, musste die Beklagte hiermit nicht rechnen. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin das Schreiben als €infam€ empfunden haben mag. Das Schreiben selbst war sachlich gefasst und enthielt keine ehrverletzenden Äußerungen.

Das Schreiben griff weiter nicht in erheblicher Weise in das Mandatsverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Rechtsanwälten ein. Sofern die Klägerin es nicht ohnehin unbeachtet ließ, war nicht zu erwarten, dass sie ohne Rücksprache mit ihren Anwälten hierauf reagieren könnte. Darüber hinaus wurden ihre Anwälte unstreitig unmittelbar von der Beklagten über die erfolgte Kontaktaufnahme informiert. Das Schreiben greift auch inhaltlich die Art und Weise der Mandatsbearbeitung nicht an. Inwiefern der Schutz des Mandatsverhältnisses bei der vorzunehmenden Abwägung überhaupt zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen wäre, kann daher offenbleiben. Die § 12 BORA zugrunde liegenden Wertungen rechtfertigen entgegen der Auffassung der Klägerin kein abweichendes Ergebnis, auch wenn der für die Beklagte handelnde Mitarbeiter selbst als Rechtsanwalt zugelassen sein sollte.

Schließlich sind auch Gefahren einer direkten Kontaktaufnahme zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht in nennenswertem Umfang ersichtlich. Es war - wie dargestellt - nicht zu erwarten, dass die Klägerin ohne Rücksprache mit ihren Anwälten auf das Schreiben reagieren könnte.

Ob das Interesse der Klägerin bei - hier nicht in Frage stehenden - wiederholten unmittelbaren Kontaktaufnahmen anders zu bewerten wäre, ist nicht zu beurteilen.

c) Demgegenüber bestand ein Interesse der Beklagten an der vorgenommenen direkten Kontaktaufnahme zu der Klägerin, das jedenfalls nicht hinter dem Interesse der Klägerin zurückblieb, dieses nach Auffassung des Senats sogar überstieg.

Grundsätzlich besteht ein rechtliches Interesse einer Partei, in einer rechtlichen Auseinandersetzung Kontakt zu ihrem Gegner aufzunehmen, um eine argumentative Klärung dieser Auseinandersetzung herbeizuführen. Ein solches Interesse ist schon aufgrund der allgemeinen Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Ob darüber hinaus im vorliegenden Fall auch ein Schutz aufgrund der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bestand, kann offenbleiben.

Ein relevanter Unterschied zu dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 2011 zugrunde lag (a. a. O. Tz. 13), besteht insoweit nicht. Insbesondere folgt dieser nicht daraus, dass dort ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in Frage stand, insbesondere zunächst ein Vertrag geschlossen war. Vielmehr besteht ein Interesse an der Darlegung eigener Argumente unabhängig hiervon in jedem Fall.

Ob dies für sich genommen ohne weiteres die unmittelbare Kontaktaufnahme entgegen einer - unterstellt - eindeutigen Untersagung rechtfertigte, wie dies der Bundesgerichtshof in dem genannten Fall sogar betreffend dreier aufeinander folgender Kontaktaufnahmen angenommen hatte, nachdem dort eine Untersagung ausdrücklich in Reaktion auf ein zugegangenes Mahnschreiben erfolgt war, kann offenbleiben. Vielmehr ist vorliegend weiter von Bedeutung, dass die Beklagte in dem in Frage stehenden Schreiben nicht nur versucht hatte, ihren eigenen Rechtsstandpunkt zu rechtfertigen, sondern vielmehr ein persönliches Gespräch angeboten hatte, um eine grundsätzliche Klärung herbeizuführen. Bei einer solchen über den konkreten Streitfall hinausgehenden Anfrage lag die unmittelbare Kontaktaufnahme zu der Klägerin näher als bei einer Diskussion allein der erfolgten Abmahnung. Sie betraf eine andere Konfliktebene, betreffend die die Klägerin zwar unproblematisch ihre Anwälte hätte hinzuziehen können, bei der die Initiative respektive Bereitschaft zu einem Gespräch jedoch zunächst von der Klägerin persönlich ausgehen musste. Um die größtmögliche Chance zu haben, eine solche Bereitschaft zu erzielen, war es nicht sachfremd, die Klägerin unmittelbar anzuschreiben.

Ob bei einer Kommunikation allein über die bevollmächtigten Rechtsanwälte der Klägerin aus Sicht der Beklagten sichergestellt war, dass die Klägerin von dem fraglichen Schreiben in Kenntnis gesetzt worden wäre, kann offen bleiben. Bedenken hieran waren jedenfalls aufgrund der eigenen - später revidierten - Angaben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht fernliegend.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.






OLG Celle:
Urteil v. 28.05.2015
Az: 13 U 104/14


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