Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 8. November 2011
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 17/11

(BGH: Beschluss v. 08.11.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 17/11)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 2011 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

II.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Auch die übrigen vom Kläger behaupteten Zulassungsgründe (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2-5 VwGO) liegen nicht vor.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. nur Beschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 4 m.w.N.). Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).

2. Im Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung durch die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 2010 waren diese Voraussetzungen erfüllt. Der Kläger hatte am 23. März 2009 im Verfahren AG N. M auf Betreiben der Kreissparkasse A. die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Dem lag eine Teilforderung der Gläubigerin über 500.000 € zugrunde. Der Kläger war aufgrund dessen nach § 915 ZPO in das vom Vollstreckungsgericht geführte Schuldnerverzeichnis eingetragen worden. Diese Eintragung war zum 2 Zeitpunkt des Widerrufs nicht gelöscht, sodass weiterhin der Vermögensverfall gesetzlich vermutet wurde. Diese Vermutung hat der Kläger nicht entkräftet. Am 23. Juni 2010 bestand die Forderung der Kreissparkasse ungetilgt fort. Zu einer einvernehmlichen Regelung mit der Gläubigerin, um die sich der Kläger seit längerem vergeblich bemüht hatte, war es nicht gekommen. Dass - worauf der Kläger in seiner Rechtsmittelbegründung abstellt - in längeren Zeitabschnitten Verhandlungen mit der Gläubigerin stattgefunden haben und diese faktisch stillgehalten bzw. keine weitergehenden persönlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn veranlasst hat, widerlegt die Vermutung des Vermögensverfalls nicht. Diese kann im Übrigen ein Rechtsanwalt nur widerlegen, indem er eine umfassende und nachvollziehbare Übersicht über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlegt (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 7 m.w.N.). Das ist nicht geschehen, obwohl bereits die Beklagte wie auch der Anwaltsgerichtshof den Kläger zur vollständigen Offenlegung seiner Verhältnisse aufgefordert haben.

3. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung jedenfalls nachträglich entfallen seien.

a) Dies ist nach neuem Verfahrensrecht (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. den Bestimmungen der VwGO) nicht mehr zu prüfen. Zwar konnte nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum FGG-Verfahrensrecht (§ 40 Abs. 4, § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F. i.V.m. den Bestimmungen des FGG) der nachträgliche Wegfall des Widerrufsgrunds während des gerichtlichen Verfahrens berücksichtigt werden (vgl. nur Beschlüsse vom 12. November 1979 - AnwZ (B) 16/79, BGHZ 75, 356, 357, und vom 17. Mai 1982 - AnwZ (B) 5/82, BGHZ 84, 149, 150). Dies setzte voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, vom Rechtsanwalt zweifelsfrei nachgewiesen wur-5 de, wobei ihn dafür die Darlegungs- und Beweislast traf (vgl. nur Senat, Beschluss vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 10 m.w.N.). Die Rechtslage hat sich jedoch durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht ... vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) geändert. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, juris Rn. 9 ff., für BGHZ vorgesehen).

b) Im Übrigen hat der Kläger auch nicht zweifelsfrei seine Vermögensverhältnisse geordnet. Insoweit teilt der Senat die Bewertung des Anwaltsgerichtshofs im angefochtenen Urteil, auf die ergänzend verwiesen wird. Der Kläger ist immer noch im Schuldnerverzeichnis eingetragen; sein Vermögensverfall wird nach wie vor gesetzlich vermutet. Zwar hat er zwischenzeitlich eine mit der Kreissparkasse A. abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarung vorgelegt. Seine Auffassung, damit sei die Forderungsangelegenheit "geregelt", vermag der Senat aber nicht zu teilen. Die in der Vereinbarung von ihm im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit übernommenen Teilzahlungen von monatlich lediglich 1.000 €, deren Erfüllung der Kläger im Übrigen auch nur für den Monat Februar 2011 belegt hat, decken noch nicht einmal die anfallenden Zinsen. Der Kläger hat gegenüber der Gläubigerin anerkannt, ihr insgesamt 766.979,51 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszins der EZB zu schulden. Damit wird die Forderung der Kreissparkasse in jedem Fall weiter erheblich anwachsen. Auch ist der Kläger während der Geltung der Vereinbarung nur von persönlichen Zwangsmaßnahmen befreit. Im Übrigen ist die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht beschränkt. Die Bewilligung 7 einer Löschung der Eintragung im Schuldnerverzeichnis ist nicht vorgesehen. Dass dem Kläger eine endgültige Tilgung dieser Forderung gelingen wird, ist nicht absehbar. Letztlich ist zwischenzeitlich eine weitere nicht unbeträchtliche Forderung über 41.485,59 € gegen den Kläger rechtskräftig tituliert worden, die er bisher nicht zu regulieren vermocht hat. Soweit der Kläger mit der Rechtsmittelbegründung vom 18. Mai 2011 vorgetragen hat, er werde eine endgültige kurzfristige Abwicklung der Forderungsangelegenheit noch darlegen bzw. belegen, ist dies nicht geschehen. Eine zweifelsfreie Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Klägers ist damit nicht bewiesen.

4. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sie hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Auffassung des Klägers, § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO sei als unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verfassungswidrig, teilt der Senat nicht; die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung ist geklärt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 12. Februar 2001 - AnwZ (B) 7/00, juris Rn. 13, vom 17. Oktober 2005 - AnwZ (B) 73/04, NJW-RR 2006, 859, vom 24. März 2011 - AnwZ (Brfg) 4/11, juris Rn. 9, und vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 6; BVerfG, NJW 2005, 3057 zur Parallelvorschrift des § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO). Die Berufung ist nicht wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Abweichende Entscheidungen zeigt der Kläger nicht auf und sind auch nicht ersichtlich. Das angefochtene Urteil weist keine entscheidungserheblichen Verfahrensfehler auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Einer Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen bedurfte es nicht, da der diesbezügliche Vortrag zur Widerlegung des vermuteten Vermögensverfalls bzw. zum Nachweis nachträglich konsolidierter Vermögensverhältnisse nicht geeignet war.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Tolksdorf König Seiters Hauger Quaas Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 21.01.2011 - 1 AGH 69/10 - 9






BGH:
Beschluss v. 08.11.2011
Az: AnwZ (Brfg) 17/11


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