Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Mai 2011
Aktenzeichen: 19 W (pat) 56/08

(BPatG: Beschluss v. 04.05.2011, Az.: 19 W (pat) 56/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 K des Deutschen Patentund Markenamts vom 21. Mai 2008 aufgehoben und das Patent erteilt.

BPatG 154 Bezeichnung: Sekundärteil für einen Linearmotor Anmeldetag: 18. November 1998 Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 11 sowie angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 6, vom Anmeldetag.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse -H 02 K -hat die am 18. November 1998 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 21. Mai 2008 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 K des Deutschen Patentund Markenamts vom 21. Mai 2008 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: Patentansprüche 1 bis 11 sowieangepasste Beschreibung, Seite 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 6, vom Anmeldetag 18. November 1998.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet aufgegliedert:

"Sekundärteil für einen Linearmotora) mit Magnetelementen (30), b) die eine Laufbahn für den Läufer (70) des Linearmotors definieren, c) mit einer flachen Abdeckung (40) der Laufbahn, d) wobei die Abdeckung (40) magnetisierbares Material aufweist, e) die Abdeckung (40) auf der Sekundäroberfläche aufliegtf) und allein durch die Wirkung der Magnetelemente (30) des Sekundärteils an diesem haftet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.

1. Die Anmeldung betrifft einen Sekundärteil für einen Linearmotor. Der Beschreibung zufolge besteht ein solches Teil im Fall eines synchronen Linearmotors aus einer Anzahl von Magnetelementen (Permanentmagnete), die aneinandergereiht sind. Die dabei entstehenden Stoßfugen seien allerdings nachteilig, da sich Staub, aggressive Stoffe usw. darin sammeln könnten. Um dieses zu vermeiden, sei es üblich, das Sekundärteil mit einer Abdeckung zu versehen, die als Kunststofffolie ausgebildet und auf das Sekundärteil aufgeklebt werde. Diese könnte aber relativ leicht beschädigt werden und müsste von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden, was wegen der Verklebung mit dem Sekundärteil schwierig sei.

Aufgabe der Erfindung sei es deshalb, ein Sekundärteil für einen Linearmotor anzugeben, bei dem eine Abdeckung die Lauffläche des Sekundärteils zuverlässig schützt und wobei die Abdeckung einfach austauschbar ist (Beschreibung S. 2, Z. 28 bis 32).

Dazu weise die Abdeckung des Sekundärteils magnetisierbares Material auf. Sie könne dann einfach auf die Sekundäroberfläche aufgelegt werden und hafte ohne Zusatz weiterer Mittel allein durch die Wirkung der Magnetelemente an diesem. Um andererseits die Abdeckung zu entfernen, könne sie einfach angehoben werden, wobei jeweils immer nur die Wirkung eines Magnetelements zu überwinden sei.

2.

Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Elektromotoren, insbesondere Linearmotoren als Fachmann.

3.

Die Ansprüche sind ursprünglich offenbart Der Anspruch 1 wurde um die Merkmale e) und f) aus der ursprünglichen Beschreibung Seite 3, Zeile 7 bis 11 ergänzt. Die Ansprüche 2 bis 11 sind bis auf eine berichtigte Rückbeziehung in Anspruch 11 unverändert.

4.

Einige Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:

Unter den Magnetelementen sind, wie in der Beschreibung (S. 1, Z 9 bis 13) angegeben, Permanentmagnete zu verstehen.

Das mit Permanentmagneten versehene Sekundärteil definiert nach Merkmal b) eine Laufbahn für einen Läufer 70. Dem Fachmann ist dabei klar, dass die Laufbahn durch den Luftspalt des Linearmotors verläuft, in dem keine Rollen oder ähnliches auf einer Laufbahn abrollen können. Die Führung und Lagerung ist bei Linearmotoren regelmäßig außerhalb des Luftspalts angeordnet. "Laufbahn" versteht er also im vorliegenden Fall als eine Fläche, die parallel zur Bewegungsrichtung des Läufers 70 verläuft und die Länge seiner Bewegungsbahn definiert. Mit der Nennung des Läufers 70 ist auch festgelegt, dass das Sekundärteil der ortsfeste Ständer ist.

Unter einem magnetisierbarem Material nach Merkmal d) versteht der Fachmann weichmagnetisches Material im Unterschied zu den permanentmagnetischen Magnetelementen nach Merkmal a).

Im Merkmal f) sieht der Fachmann nach Überzeugung des Senats mehr als nur eine Wirkungsangabe: es definiert die Gestaltung der Abdeckung derart, dass sie zwar den Luftspaltfluss und damit die Schubkraftentwicklung nicht übermäßig stört

(S.

4, Z. 1, 2: 5% -6% Schubkraftverlust), aber trotzdem eine ausreichende Haftkraft aufweist. Als Parameter hierfür sind die Sättigungsmagnetisierung (zwischen 0,3T und 1,5T) und die Dicke der Abdeckung (zwischen 0,1 mm und 0,5 mm) genannt. Daraus ergibt sich für den Fachmann: zu dick und magnetisch zu gut leitend schließt die Pole magnetisch kurz, und zu dünn bzw. zu schlecht leitend haftet nicht ausreichend. Es muss ein Optimum dazwischen gefunden werden (S. 3 Z.

4 bis 31).

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG).

Der Senat hält die E1 DE 195 01 938 A1 für den nächstkommender Stand der Technik. Sie zeigt einen permanentmagnetischen Läufer eines Linearmotors mit einer Abdeckhaube 8. Sie ist mit der Basisplatte 5 vernietet oder verschraubt. Nach Fig. 3 ist kein Abstand zwischen der Haube 8 und den Permanentmagnetelementen 2 erkennbar. Nach Anspruch 10 kann sie aus magnetisierbarem Material sein.

Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt ein:

Sekundärteil für einen Linearmotora) mit Magnetelementen 2, cteilw) mit einer Abdeckung 8, d) wobei die Abdeckung magnetisierbares Material aufweist (Anspruch 10).

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist die Abdeckung nicht flach sondern haubenförmig und sie ist mit Schrauben oder Nieten an der Rückplatte 5 befestigt (Sp. 2, Z. 44 bis 49) . Der Sekundärteil definiert keine Laufbahn, sondern ist selbst der Läufer (Sp 1, Z. 1 bis 20).

Die E2 DE 195 47 686 A1 entspricht der E1 DE 195 01 938 A1 weitgehend, jedoch ist dort für die Abdeckhaube 34 kein Material genannt, und in Figur 2 ist zwischen Haube 34 und Permanentmagnet 30 ein Abstand erkennbar.

Die E3 DE 195 03 511 A1 zeigt eine flache Abdeckplatte 6 über den mit Distanzelementen 2, 3, 5 fixierten Permanentmagneten 4 (Sp. 2, Z. 21 bis 31), die jedoch im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 mechanisch federnd befestigt ist (Sp. 2, Z. 1 bis 4, 31 bis 36). Über das Material der Abdeckplatte wird nichts ausgesagt. Für die Distanzelemente ist explizit unmagnetisches Material als geeignet genannt (Sp. 1, 54 bis 56, Sp. 2, Z. 19 bis 21).

6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Permanentmagneten sind häufig spröde und bruchempfindlich, und werden deshalb -alternativ zu der eingangs genannten Klebefolie -gerne gekapselt, wobei auch Blechgehäuse üblich sind (Entgegenhaltungen 1 bis 3). Diese sind aber in der Regel unmagnetisch, weil sie sonst das Magnetfeld im Luftspalt beeinträchtigen oder sogar kurzschließen. So erwähnt nur die E1 DE 195 01 938 A1 eine Haube aus magnetischem Material, allerdings so beiläufig und ohne jede Erläuterung, dass der Fachmann nicht weiß, was er damit anfangen soll. Er könnte es sogar für einen Fehler halten, wenn er an der Auffassung festhält, magnetisierbares Material gehöre nicht zwischen die Pole im Luftspalt.

Jedenfalls gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass diese Materialwahl der Befestigung der Abdeckung dienen könnte. Für den Fachmann ist auch nicht offenbart, dass die Abdeckung der E1 DE 195 01 938 A1 im Luftspaltbereich an den Magneten haftet. In der Figur ist zwar kein Abstand zwischen Abdeckung 8 und Magneten 2 erkennbar. Die mechanische Verbindung erfolgt aber im Bereich der Schrauben oder Nieten 7 und dort liegt die Haube auch auf der Rückschlussplatte 5 auf. Eine zusätzliche Auflage im oberen Bereich wäre statisch überbestimmt und könnte spröde Magnete beschädigen. Es gibt auch keine Hinweise darauf, wie mit dem Problem eines magnetischen Kurzschlusses zwischen den Polen umgegangen werden soll.

Erst die Anmeldung zeigt einen Weg, die nachteilige Wirkung von Magnetmaterial im Luftspalt positiv zu nutzen, um damit eine Abdeckung ausschließlich magnetisch festzuhalten (Beschreibung S. 3, Z. 8 bis 13). Dafür gab es im Stand der Technik keinen Hinweis.

Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

7. Der Anspruch 1 ist somit ebenso wie die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 patentfähig.

Bertl Kirschneck Groß Dr. Scholz Ko






BPatG:
Beschluss v. 04.05.2011
Az: 19 W (pat) 56/08


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