Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Februar 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 448/02

(BPatG: Beschluss v. 11.02.2004, Az.: 5 W (pat) 448/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 30. Juli 2002 aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 298 02 495 wird im Umfang der Schutzansprüche 1, 4 und 11 gelöscht.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 13. Februar 1998 angemeldeten und am 16. April 1998 mit 11 Schutzansprüchen in das Register eingetragenen Gebrauchsmusters 298 02 495 betreffend eine Wandkassette, dessen Schutzdauer verlängert ist. Die Priorität einer inländischen Voranmeldung vom 7. August 1997 ist in Anspruch genommen worden.

Die Antragstellerin hat am 13. Juli 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang seiner Ansprüche 1, 4 und 11 beantragt.

Die Schutzansprüche 1, 4 und 11 haben folgenden Wortlaut:

1. Wandkassette für insbesondere eine Gebäudefassade aus übereinander angeordneten Wandkassetten aus vorzugsweise Stahlblech mit horizontal vorspringenden Kassettenstegen, an deren freien Enden vorstehende Kassettenstegflansche vorgesehen sind sowie dazwischen angeordneten Dämmplatten, deren Dicke vorzugsweise größer als die horizontale Erstreckung der Kassettenstege ist und die durch die Kassettenstegflansche gehalten sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Befestigung der Dämmplatten in der Wandkassette durch messer- oder krallenartigen Eingriff der Kassettenstegflansche (4; 4') unmittelbar in das Material der in diesem Bereich ausnehmungsfreien Dämmplatte (5) erfolgt.

4. Wandkassette nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Dämmstoffplatte im Bereich des Eingriffs der Kassettenstegflansche (4; 4') mit einem Einschnitt (5') (ohne Materialherausarbeitung) versehen ist.

11. Dämmstoffplatte zum Einsetzen in eine Wandkassette nach mindestens einem der Ansprüche 1 - 10, dadurch gekennzeichnet, dass diese aus Mineralwolle besteht und mindestens an einer Stirnseite einen vorzugsweise durchgehenden Einschnitt (5') aufweist.

Zur Begründung hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass der Gegenstand der angegriffenen Schutzansprüche des Gebrauchsmusters im Hinblick auf den Stand der Technik nach dem DE 91 05 036 U1 und dem DE 90 05 635 U1 nicht schutzfähig sei.

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen und das Gebrauchsmuster gemäß Schriftsatz mit einer beschränkten Fassung des Schutzanspruchs 1 vom 29. Februar 2000, dem die übrigen Schutzansprüche unverändert anzuschließen sind, verteidigt.

Schutzanspruch 1 in der vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts verteidigten Fassung lautet:

Wandkassette für insbesondere eine Gebäudefassade aus übereinander angeordneten Wandkassetten aus vorzugsweise Stahlblech mit horizontal vorspringenden Kassettenstegen, an deren freien Enden vorstehende Kassettenstegflansche vorgesehen sind sowie dazwischen angeordnete Dämmplatten, deren Dicke vorzugsweise größer als die horizontale Erstreckung der Kassettenstege ist und die durch die Kassettenstegflansche gehalten sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Befestigung der aus kompressiblen Mineralwollematerial gebildeten Dämmplatten in der Wandkassette durch messer- oder krallenartigen Eingriff der Kassettenstegflansche (4; 4') unmittelbar in das Material der in diesem Bereich ausnehmungsfreien Dämmplatte (5) erfolgt.

Die Gebrauchsmusterabteilung hat das Gebrauchsmuster durch Beschluss vom 30. Juli 2002 im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1, 4 und 11 gelöscht, soweit es über die Schutzansprüche 1, 4 und 11 vom 28. Februar 2002 hinausgeht.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie meint, dass der verteidigte Schutzgegenstand nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

Die Antragsgegnerin verteidigt das Gebrauchsmuster mit einem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht vom 11. Februar 2004 vorgelegten neuen Anspruch 1 auf der Basis der bisherigen Ansprüche 1 und 4 und mit dem mittelbar hierauf bezogenen Schutzanspruch 11 in der eingetragenen Fassung.

Der neue Schutzanspruch 1 lautet:

Wandkassette für insbesondere eine Gebäudefassade aus übereinander angeordneten Wandkassetten aus vorzugsweise Stahlblech mit horizontal vorspringenden Kassettenstegen, an deren freien Enden vorstehende Kassettenstegflansche vorgesehen sind sowie dazwischen angeordnete Dämmplatten, deren Dicke vorzugsweise größer als die horizontale Erstreckung der Kassettenstege ist und die durch die Kassettenstegflansche gehalten sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Befestigung der aus kompressiblen Mineralwollematerial gebildeten Dämmplatten in der Wandkassette durch messer- oder krallenartigen Eingriff der Kassettenstegflansche (4; 4') unmittelbar in das Material der in diesem Bereich mit einem Einschnitt ohne Materialherausarbeitung versehenen Dämmplatten (5) erfolgt.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Gebrauchsmuster im Umfang der angegriffenen Ansprüche zu löschen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde und den Löschungsantrag im Umfang der Schutzansprüche 1 und 11 vom 11. Februar 2004 zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass der Ausgangspunkt des Gebrauchsmusters in der nunmehr verteidigten Fassung eine Wandkassette in Verbindung mit einer Dämmplatte sei, wobei die Dämmplatte eine spezielle Herrichtung zum Einsetzen in die Wandkassette erfahren habe. Diese Herrichtung bestehe aus einem Einschnitt ohne Materialherausarbeitung, wobei dieser Schnitt der Vorbereitung zum späteren Eingriff der Kassettenstegflansche im Zuge eines raschen Einbaus auch durch wenig geschultes Personal diene. Ein derartiger Einschnitt werde nach Auffassung der Antragsgegnerin durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt. Vielmehr sei bei der Lehre nach dem Streitgebrauchsmuster in der verteidigten Fassung ein synergistisches Zusammentreffen mehrerer Merkmale, nämlich das Einbringen von Schnitten, welche aber ohne Materialausarbeitung erfolge, an einer kompressiblen Platte zu verzeichnen. Sie trägt vor, dass sich kompressible Platten beim Einbringen von flächigen Materialien anders verhalten als etwa steifere Platten, wie sie z.B. bei dem Haftsicherungsanker nach dem DE 90 05 635 U1 Verwendung finden. Bei einer kompressiblen Platte sei es schwer, flächige Materialien ohne vorherigen Schnitt einzubringen, weil entweder Schichten von annähernd parallel verlaufenden Fasern hierdurch voneinander getrennt werden oder einzelne Fasern durch das eingebrachte flächige Material verdrängt und komprimiert werden. Das Einbringen von Nuten indes sei - anders als das Einbringen von Schnitten - eher bei steiferen Dämmplatten zweckmäßig, welche ein Raumgewicht von 120 kg/m3 aufweisen, während dieses im Falle der sog. kompressiblen Mineralwoll-Dämmplatten bei ca. 20 kg/m3 liege. Bei Verwendung kompressibler Dämmplatten sei eine Herrichtung im Sinne des Einbringens seitlicher Schnitte an den Stirnseiten im Hinblick auf eine spätere Montage in eine Wandkassette besonders vorteilhaft. Die Antragsgegnerin demonstriert dies anhand mitgebrachter Dämmstoffplatten und Muster von unterschiedlicher Kompressibilität und legt ferner eine prospektartig aufgemachte Verlegeanleitung zur Erläuterung dieses Arbeitsvorgangs vor.

Die Antragstellerin macht geltend, die Lehre des neuen Anspruchs 1 liege noch näher am Stand der Technik.

II Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Soweit das Gebrauchsmuster bereits gelöscht ist, verbleibt es bei dieser Entscheidung. Soweit die Antragsgegnerin das Gebrauchsmuster darüber hinaus vor dem Bundespatentgericht nicht verteidigt hat, erfolgt die Löschung wegen Fallenlassen des Widerspruchs auf der Grundlage des § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG. Aber auch im übrigen ist der Löschungsantrag begründet. Denn der geltend gemachte Löschungsanspruch wegen mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG) ist gegeben.

1. Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 ist eine Wandkassette für insbesondere eine Gebäudefassade aus übereinander angeordneten Wandkassetten aus vorzugsweise Stahlblech mit folgenden Merkmalen 1. Die Wandkassette weist horizontal vorspringende Kassettenstege auf.

1.1 An den freien Enden der Kassettenstege sind vorstehende Kassettenstegflansche vorgesehen.

1.2 Zwischen den Kassettenstegen sind Dämmstoffplatten angeordnet.

1.2.1 Die Dämmstoffplatten sind durch die Kassettenstege gehalten.

1.2.2 Die Dicke der Dämmstoffplatten ist (vorzugsweise) größer als die horizontale Erstreckung der Kassettenstege.

1.2.3 Die Dämmstoffplatten sind aus kompressiblem Mineralwollmaterial gebildet.

1.3 Die Befestigung der Dämmplatten in der Wandkassette erfolgt durch messer- oder krallenartigen Eingriff der Kassettenflansche unmittelbar in das Material der in diesem Bereich mit einem Einschnitt ohne Materialherausarbeitung versehenen Dämmplatten.

Der Lehre des Gebrauchsmusters liegt gemäß Seite 2, 3. Abs der Beschreibung die Aufgabe zugrunde eine Wandkassette vorzusehen, die sich einfach montieren lässt, kostengünstig herstellbar ist und aufwendige Halteelemente an den Stahlkassettenblechen, in die die Dämmplatten eingebaut werden, unnötig macht.

Zur Erzielung der in Beschreibung und Zeichnung des Streitgebrauchsmusters erläuterten Einbaulage der Dämmstoffplatte ist es unerlässlich, dass die Dicke der Dämmstoffplatte jedenfalls größer ist als die horizontale Erstreckung der Kassettenstege. Aus diesem Grund wurde der insoweit unklare Ausdruck "vorzugsweise" aus dem Anspruchstext im Merkmal 1.2.2 der obigen Merkmalsgliederung in Klammern gesetzt und findet im folgenden keine Beachtung. Bei dem Einschnitt ohne Materialausnehmung gemäß Merkmal 1.3 handelt es sich um einen "echten" Schnitt, der dazu führt, dass die Kassettenstegflansche nach Eingriff in den Schnitt insoweit in umittelbaren Kontakt mit dem Material der Dämmstoffplatten treten, d.h. spielfrei in diese eingreifen können. Die Formulierung "mit einem Einschnitt ... versehenen Dämmplatten" ist dabei so zu verstehen, dass die Dämmplatten vor dem Einsetzen in die Stahlblechkassette in einem gesonderten Arbeitsgang im Rahmen einer Herrichtung mit dem Einschnitt versehen worden ist.

Das Merkmal 1.2.3, wonach die Dämmstoffplatten aus kompressiblem Mineralwollmaterial gebildet sind, gibt eine Materialgattung und nicht etwa physikalische Eigenschaften dieses Dämmstoffs wieder. Unter "kompressiblem Mineralwollmaterial" ist vor dem Hintergrund der Gesamtoffenbarung des angegriffenen Gebrauchsmusters ein Dämmmaterial zu verstehen, welches sich beim Einsetzen in die Stahlblechkassetten allseits den Konturen der Kassette anpasst, ohne Hohlräume freizulassen oder zu umschließen. Das vollständige Ausfüllen der Kassette, ohne Zwischenräume zu hinterlassen, ist auf S 8, 2. Abs der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters sowie aus dessen Zeichnung (Fig 1 bis 6) ersichtlich.

2. Mit den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 in der verteidigten Fassung wird der Gegenstand des Gebrauchsmusters in zulässiger Weise beschränkt. Der Schutzanspruch 1 beruht auf den eingetragenen Schutzansprüchen 1 und 4 unter Hinzunahme von Einzelheiten aus der Beschreibung.

3. Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 ist nicht schutzfähig. Sein Gegenstand mag neu sein, er beruht jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt (§ 1 GebrMG).

Durch das DE 91 05 036 U1 ist eine Wandkassette (2) aus Stahlblech (S 4, Z 27 bis 30) bekannt geworden, wobei diese zum Zwecke der Errichtung von Fassaden von Industriegebäuden (vgl Anspruch 1 der Entgegenhaltung) auch übereinander angeordnet werden (vgl S 3, Z 1 bis 4 und Fig). Diese bekannte Wandkassette weist horizontal vorspringende Kassettenstege (4) auf (Merkmal 1. gemäß Merkmalsgliederung), an deren freien Enden vorstehende Kassettenstegflansche (5, 5') vorgesehen sind (Merkmal 1.1). Die Dämmstoffplatten (6) sind zwischen den Kassettenstegen (4) angeordnet (Merkmal 1.2) und werden durch diese gehalten (Merkmal 1.2.1), wobei die Dicke der Dämmstoffplatten (6) größer bemessen ist als die horizontale Erstreckung der Kassettenstege (4) (vgl Fig und Anspruch 1) (Merkmal 1.2.2).

Wie aus der Zeichnung der Entgegenhaltung ersichtlich und in deren Beschreibung (S 5, Z 7 bis 15) erläutert, erfolgt die Befestigung der Dämmstoffplatten (6) in der Wandkassette (2) durch messer- oder krallenartigen Eingriff der Kassettenstegflansche (5, 5') in das Material der in diesem Bereich mit schlitzartigen Ausnehmungen (9) versehenen Dämmplatten (6). Aus der relativ großflächig angelegten Zeichnung der Entgegenhaltung ist zu ersehen, dass die Kassettenstegflansche (5, 5') spielfrei in die sehr dünn bemessenen "schlitzartigen" Ausnehmungen eingreifen. Gemäß Seite 3, 3. Absatz wird hierzu noch expressis verbis darauf hingewiesen, dass das Ergebnis einer derartigen Montage ein "fester Halt" der Dämmstoffplatten ist, insbesondere wenn diese mit ihren schlitzartigen Ausnehmungen von der Seite her auf die Flansche aufgeschoben werden. Ein fester und spielfreier Halt der Platten auf den Kassettenstegflanschen ist bei der entgegengehaltenen Wandkassette auch deshalb erforderlich, weil die den Stahlblechkassetten abgewandten Außenseiten der Dämmstoffplatten als Putzuntergrund, und zwar für eine fugenlose Putzbeschichtung, dienen soll (S 5, Z 20 bis 26). Ein nicht spielfreier Eingriff einzelner Kassettenstegflansche in einzelne Platten würde stellenweise zu "Wackeln bestimmter Bereiche der Fassade führen, was entsprechend stellenweise Risse in der fugenlosen Putzschicht zur Folge hätte. Nach alledem ist festzustellen, dass auch bei dem entgegengehaltenen Wandelement ein spielfreier Eingriff der Kassettenstegflansche in die schlitzförmigen Ausnehmungen der Dämmstoffplatten zwingend erfolgen muss, um den beschriebenen "festen Halt" zu erreichen. Dies hat aber zwangsläufig zur Folge, dass die Kassettenstegflansche auch hier bereits unmittelbar in das Material der Dämmstoffplatten eingreifen. Somit ist auch das Merkmal 1.3 bereits größtenteils durch das DE 91 05 036 U1 vorweggenommen.

Die Wandkassette nach dem zuletzt verteidigten Schutzanspruch 1 unterscheidet sich vom Gegenstand nach dem DE 91 05 036 U1 lediglich noch darin, dassdie Dämmstoffplatten aus kompressiblem Mineralwollmaterial gebildet sind (Merkmal 1.2.3), sowie dadurch, dassdie Dämmstoffplatten im Eingriffsbereich der Kassettenstegflansche mit einem Einschnitt ohne Materialherausarbeitung versehen sind (Teilmerkmal von Merkmal 1.3).

Zu den aus kompressiblem Mineralwollmaterial gefertigten Dämmplatten wird in der Beschreibung des angegriffenen Gebrauchsmusters ausgeführt, dass die (kompressiblen) Dämmplatten mit einer gewissen Überbreite zwischen die Kassettenstege gespannt werden mit der Folge, dass im Stoßbereich keine Fugen entstehen und die Platten bei der Montage nicht herausfallen (S 7, letzter Abs bis S 8, Z 1, 2). Weiterhin wird als Vorteil der kompressiblen Ausbildung der Dämmplatten erachtet, dass sich diese dadurch den die Flächenstabilität der Stahlkassettenbleche erhöhenden Profilierungen anpassen, ohne Zwischenräume entstehen zu lassen (S 8, 2. Abs). Diese hier beschriebenen Eigenschaften von Dämmstoffplatten, welche aus kompressiblem Mineralwollmaterial gebildet sind, sind dem hier maßgeblichen Fachmann, einem mit Dämmungsverfahren für Gebäude befassten Bauingenieur mit Fachhochschulausbildung mit mehrjähriger Erfahrung in der Dämmung von Industriebauten, bekannt.

Wenngleich das für das Wandelement gemäß dem entgegengehaltenen DE 91 05 036 U1 verwendete Dämmmaterial im Text durchgängig lediglich mit "Dämmstoffplatte(n)" bezeichnet wird, vermag der Fachmann aus dieser Entgegenhaltung zu entnehmen, dass auch dort das gemäß Streitgebrauchsmuster geforderte Dämmmaterial Verwendung findet. Denn die Eigenschaften dieses Materials sind in der Entgegenhaltung beschrieben und zeichnerisch dargestellt. In den entsprechenden Textpassagen des DE 91 05 036 U1 wird immer wieder ausdrücklich auf die einzige Zeichnung hingewiesen. So wird auf Seite 5, Z 7 bis 10 ausgeführt: "Die Zeichnung zeigt, dass den Kassettenelementen 2 jeweils Dämmstoffplatten (6) zugeordnet sind, die sich zwischen den Querstegen 4 erstrecken und den Raum zwischen letzteren weitgehend ausfüllen". Im gleichen Absatz findet sich in den Zeilen 18 bis 20 der Hinweis: "Im über die Flansche 5, 5' vorstehenden Bereich stehen die Ränder 7, 8 der Dämmstoffplatten 6 miteinander in Berührung". Mit diesen Angaben und einem Blick auf die Zeichnung, auf die der entsprechende Text der Entgegenhaltung ausdrücklich hinweist, ist für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich, dass auch bei Wandkassetten nach dem DE 91 05 036 U1 als Dämmmaterial kompressibles Mineralwollmaterial Verwendung finden muss. Denn das Material hat dieselben Eigenschaften, wie dies auch in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters niedergelegt ist. So ist aus der Zeichnung der Entgegenhaltung ersichtlich, dass das Dämmmaterial (6) den Raum zwischen den Stegen (4) vollständig ausfüllt - sogar unter Anpassung an die Konturen der versteifenden Profilierungen (16) der Querstege (4) -, wobei jedoch gleichzeitig eine Berührung der über die Flansche vorstehenden Bereiche aneinandergrenzender Dämmplatten (wie dies auch textlich ausgedrückt wird) erfolgt. Diese Hinweise lassen für den Fachmann ohne weiteres den Schluss zu, dass kompressibles Dämmmaterial - diese ist nach allgemeinem Fachwissen auf der Basis von Mineralwolle hergestellt - zur Dämmung der in Rede stehenden Wandkassetten in hohem Maße geeignet ist und nach der dem DE 91 05 036 U1 innewohnenden Lehre auch dort bereits Verwendung gefunden haben muss. Aufgrund seines allgemeinen Fachwissens wird der Fachmann angeregt, im Hinblick auf die Hinweise aus der Zeichnung und den entsprechenden Textstellen der Entgegenhaltung, das gemäß Merkmal 1.2.3 geforderte Material in Betracht ziehen, ohne dass es hierzu mehr als routinemäßigen Bemühens bedarf. Hinzu kommt, daß weder im Anspruchstext noch in der Beschreibung des angegriffenen Gebrauchsmusters weitere physikalische Eigenschaften des geforderten Dämmmaterials wie Raumgewicht o.ä. angegeben sind, so dass ein Fachmann die entsprechende Materialwahl ohne weiteres bereits aufgrund der zeichnerischen Darstellung und der Beschreibung des Einbauverhaltens des Dämmmaterials gemäß dem DE 91 05 036 U1 treffen konnte.

Der weitere formale Unterschied zwischen der Wandkassette nach dem verteidigten Schutzanspruch 1 und dem Gegenstand nach dem DE 91 05 036 U1 besteht darin, dass die Dämmstoffplatten gemäß Schutzgegenstand im Eingriffsbereich der Kassettenstegflansche mit einem Einschnitt ohne Materialherausarbeitung versehen sind (Teilmerkmal von Merkmal 1.3), während die Entgegenhaltung an dieser Stelle von "schlitzartigen Ausnehmungen" spricht, in die sich die Flansche der Querstege zur örtlichen Fixierung der Dämmstoffplatten erstrecken (vgl S 5, Z 10 bis 15). Die Bezeichnung "schlitzartige Ausnehmungen", welche der Aufnahme flächiger Flansche mit geringer Dicke dienen (vgl Zeichnung des DE 91 05 036 U1), lässt für den Fachmann in diesem Zusammenhang bereits erkennen, dass die sog. Ausnehmungen sehr dünn (schlitzartig) anzulegen sind. Im Hinblick darauf, dass das verwendete Dämmmaterial gemäß der Entgegenhaltung - wie vorher ausgeführt - aus fachmännischer Sicht kompressible Eigenschaften aufweist und das Dämmmaterial an den entgegengehaltenen Kassettenelementen einen festen Halt findet (S 3, 3. Abs), wird der Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissens dazu veranlasst, bei der Verwirklichung der Lehre nach dem DE 91 05 036 U1 die dort schlitzartigen Ausnehmungen so dünn wie möglich auszugestalten, um die einen festen Halt der Platten gewährleistende Spielfreiheit zwischen Flansch und Plattenmaterial zu erhalten. Sollte der Fachmann durch den Ausdruck "Ausnehmungen" zunächst auf die Technik einer Materialherausarbeitung hingewiesen werden, wird dies durch den Ausdruck "schlitzartig", insbesondere im Hinblick auf einen festen und spielfreien Eingriff der Stegflansche in diese Bereiche, bereits stark relativiert. Angesichts dieser Umstände ist vom Fachmann ohne weiteres zu erwarten, dass er beim Bemühen um eine Lösung im Wege von Versuchen anstatt sehr dünn angelegter schlitzartiger Ausnehmungen bei der Herrichtung der Platten einfach Schlitze durch Einschnitte ohne Materialherausarbeitung vorsieht, um den Halt der Platten an den Stegflanschen so fest wie möglich zu gestalten. Eine derartige Maßnahme stellt eine einfache Optimierung im Rahmen des Bekannten dar, die der Fachmann in Kenntnis der Eigenschaften der hier verwendeten Materialien und auf der Grundlage der Angaben aus dem DE 91 05 036 U1 routinemäßig vornimmt.

4. Gegenstand des nur mittelbar auf den verteidigten Anspruch 1 rückbezogenen Anspruchs 11 ist eine Dämmstoffplatte zum Einsetzen in eine Wandkassette mit folgenden Merkmalen:

A) Die Dämmstoffplatte besteht aus Mineralwolle B) Die Dämmstoffplatte weist an mindestens einer Stirnseite einen vorzugsweise durchgehenden Einschnitt auf.

Auch dieser Gegenstand ist nicht schutzfähig, denn er beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Wie in den entsprechenden Ausführungen zum Schutzanspruch 1 dargelegt, vermag ein Fachmann unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens aufgrund der Angaben im Stand der Technik nach dem DE 91 05 036 U1 ohne weiteres zu erkennen, dass kompressible Dämmstoffplatten zum Einsetzen in eine Wandkassette am besten geeignet sind, da sie sich - wie aus der Zeichnung des DE 91 05 036 U1 ersichtlich - den Konturen der Stahlblechkassetten ohne Bildung von Zwischenräumen anschmiegen. Dämmstoffplatten mit derartigen Eigenschaften werden nach allgemeinem Fachwissen fast ausschließlich auf der Basis von Mineralwolle hergestellt. Somit war es einem Fachmann ausgehend vom Stand der Technik nach dem DE 91 05 036 U1 unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens ohne weiteres möglich Dämmstoffplatten aus Mineralwolle zum Einsetzen in eine Wandkassette auszuwählen (Merkmal A).

Das DE 91 05 036 U1 lehrt zudem, an Dämmstoffplatten, die zum Einsetzen in eine Wandkassette hergerichtet werden, im Bereich ihrer sich zwischen den Querstegen erstreckenden Ränder, schlitzartige Ausnehmungen vorzusehen (S 5, Z 7 bis 12). Diese schlitzartigen Ausnehmungen sind vorzugsweise durchgehend und an beiden gegenüberliegenden Stirnseiten angebracht. Wie zu Schutzanspruch 1 ausgeführt, liegt es dabei im Rahmen fachmännischen Handelns, diese schlitzartigen Ausnehmungen im Zuge von fachüblichen Optimierungen als Einschnitte auszugestalten. Die Hinzufügung von Merkmal B ging damit über fachmännische Routine nicht hinaus.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91 Abs 1 ZPO.

Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Goebel Dr. Huber Kuhn Cl/Be






BPatG:
Beschluss v. 11.02.2004
Az: 5 W (pat) 448/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ad43299de3c9/BPatG_Beschluss_vom_11-Februar-2004_Az_5-W-pat-448-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share