Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 27. Juni 2002
Aktenzeichen: 4 Sa 468/02

(LAG Hamm: Urteil v. 27.06.2002, Az.: 4 Sa 468/02)

Der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfüllende Urlaubsabgeltungsanspruch gehört zu den Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Dies gilt auch für Urlaubsansprüche, die aus dem Vorjahr stammen und infolge rechtzeitiger Geltendmachung nach den tariflichen Vorschriften nicht mit Ablauf des 31.03. verfallen sind.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 13.02.2002 (1 Ca 1583/01) wird auf seine Kosten zurückgewiesen

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.495,10 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rangordnung von Urlaubsabgeltungsansprüchen des Klägers gegen die Insolvenzmasse.

Der Beklagte ist durch Beschluß des Amtsgerichts Detmold vom 16.07.2001 (10a IN 47/00) zum vorläufigen Insolvenzverwalter und durch Beschluß vom 01.09. 2001 (10a IN 47/00) auch zum endgültigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der im Handelsregister des Amtsgerichts Detmold unter HRB 12x eingetragenen S1xxx GmbH (Insolvenzschuldnerin) bestellt worden.

Der Kläger war seit dem 15.08.1995 bei der Insolvenzschuldnerin als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Verbandzugehörigkeit der Manteltarifvertrag für das Sanitär-, Installateur-, Zentralheizungs- und Lüftungsbauer-, Klempner- und Kupferschmiede-Handwerk im Land Nordrhein-Westfalen vom 10.04.1997 (MTV) Anwendung, in dem unter anderem bestimmt ist:

§ 6

Grundsätze der Urlaubsgewährung

1. Jeder Arbeitnehmer hat nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

2 ...

3. Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur zulässig, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche bestehen. Die Urlaubsabgeltung entfällt ausnahmsweise, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes schwerwiegendes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung

rechtfertigt oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitigt gelöst hat und in diesen Fällen eine Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.

...

§ 7

Allgemeine Urlaubsbestimmungen

1. ...

2. Im Ein- und Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer gegen den alten und neuen Arbeitgeber auf so viele Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs Anspruch, als er Monate bei ihnen gearbeitet hat (Beschäftigungsmonate).

Ein angefangener Monat wird voll gerechnet, wenn die Beschäftigung mindestens zehn Arbeitstage bestanden hat. Für eine Beschäftigung bis zu zwei Wochen besteht kein Urlaubsanspruch.

...

5. Ein Urlaubsanspruch besteht insoweit nicht, als dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr bereits von einem anderen Arbeitgeber Urlaub gewährt oder abgegolten worden ist. Beim Ausscheiden aus dem Betrieb ist dem Arbeitnehmer ein Nachweis über den erhaltenen Urlaub zu erteilen. Dieser Nachweis ist im neuen Betrieb dem Arbeitgeber vorzulegen.

6. Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte.

...

7. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub wird um soviel Tage gekürzt, wie der Arbeitnehmer seit seinem letzten Urlaub oder, falls er noch keinen Urlaub genommen hat, seit seinem Eintritt in den Betrieb unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist (Fehltage). Der Mindesturlaub gemäß Bundesurlaubsgesetz darf jedoch nicht unterschritten werden.

§ 8

Urlaubsdauer

1. Der Urlaub beträgt für alle Arbeitnehmer 30 Arbeitstage.

...

§ 9

Urlaubsvergütung

1. Bei der Berechnung der Urlaubsvergütung sind zugrundezulegen:

100% des Arbeitsentgelts plus 50% zusätzliches Urlaubsgeld, ausgehend von der tariflichen Arbeitszeit von 7,4 Stunden pro Tag.

...

Die Insolvenzschuldnerin hatte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 03.11.2000 aus verhaltensbedingten Gründen fristlos und später mit

Schreiben vom 06.11.2000 vorsorglich aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 02.12.2000 gekündigt. Der Kläger hat hiergegen rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und seiner Arbeitgeberin während des Kündigungsschutzprozesses mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 13.02.2001, zugestellt am 14.02.2001, unter anderem folgendes mitteilen lassen:

Namens und im Auftrag von Herrn H1xxx beantragen wir für Herrn H1xxx in der Zeit vom 20.-30.03.2001 9 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2000.

Für den Fall, daß es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der ausgesprochenen Kündigungen kommt, machen wir Urlaubsabgeltung in Höhe von DM 2.563,43 brutto (9 Urlaubstage x 7,4 Stunden x DM 25,66 x 150%) geltend.

Der beantragte Urlaub wurde dem Kläger nicht gewährt.

Das Arbeitsgericht Detmold hat durch Urteil vom 07.03.2001 (1 Ca 1233/00) beide Kündigungen für rechtsunwirksam erklärt und die spätere Insolvenzschuldnerin verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Gas- und Wasserinstallateur weiterzubeschäftigen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2001 hat die spätere Insolvenzschuldnerin dem Kläger folgendes mitteilen lassen:

Mit Schreiben vom 05.04.2001 hatten wir Sie bereits aufgefordert, ab Montag, dem 09.04.2001, wieder zur Arbeit zu erscheinen und Ihnen angeboten, Sie zu unveränderten Bedingungen als Gas- und Wasserinstallateur weiterzubeschäftigen und zwar bis zur Beendigung des Rechtsstreits. Das haben Sie mit Schreiben des DGB vom 10.04.2001 abgelehnt mit der Begründung, daß wir die fristgemäße und die fristlose Kündigung aufrechterhalten.

Wir haben mit gleicher Post die von uns gegen das arbeitsgerichtliche Urteil eingelegte Berufung beschränkt. Wir halten nur noch die fristgemäße, betriebsbedingte Kündigung aufrecht. Die fristlose Kündigung halten wir nicht aufrecht. Wir halten auch nicht die zugrundeliegenden Vorwürfe aufrecht. Und wir halten auch nicht die von uns erhobenen Vorwürfe des Prozeßbetrugs und der Schwarzarbeit aufrecht.

Wir fordern Sie daher hiermit auf, ab Montag, dem 30.04.2001, wieder zur Arbeit zu erscheinen. Bitte kommen Sie am Montag, dem 30.04.2001, um 7.30 Uhr zum Betrieb. Sie werden zu unveränderten Bedingungen als Gas- und Wasserinstallateur weiterbeschäftigt und zwar bis zur Beendigung des Rechtsstreits.

Wir halten nur die fristgemäße, betriebsbedingte Kündigung aufrecht. Die betriebsbedingten Gründe sind jetzt allerdings weggefallen durch die Kündigung des Herrn D5xxxxxx und einen neuen Auftrag, den unsere Mandantin erhalten hat. Wir bieten Ihnen daher hiermit die Wiedereinstellung an zu unveränderten Bedingungen als Gas- und Wasserinstallateur.

Zu einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme des Klägers kam es nicht.

Die gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 07.03.2001 rechtzeitig eingelegte und ordnungsgemäß begründete Berufung hat die spätere Insolvenzschuldnerin per Telefax am 23.08.2001 zurückgenommen. Mit Beschluß vom 12.09. 2001 (12 Sa 563/01) hat das Landesarbeitsgericht Hamm die spätere Insolvenzschuldnerin des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt und ihr die durch die Berufung entstandenen Kosten auferlegt.

Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 09.10.2001, dem Beklagten am 10.10. 2001 zugestellt, hat der Kläger, der am 18.06.2001 ein neues Vollzeitarbeitsverhältnis begonnen hat, sein "Arbeitsverhältnis fristlos wegen der noch offenstehenden Lohnforderungen für die Zeit ab 01.01.2001" kündigen und gleichzeitig Urlaubsabgeltung für 2000 für 9 Tage Resturlaub in Höhe von 2.563,43 DM brutto und für 2001 für 15 Tage anteiligen Tarifurlaub in Höhe von 4.272,39 DM brutto (15 Tage x 7,4 Stunden x DM 25,66 x 150%), insgesamt 6.835,82 DM, als Masseansprüche geltend machen lassen. Mit Schreiben vom 30.10.2001 hat der Beklagte die Anerkennung des Urlaubsabgeltungsanspruchs als Masseforderung mit der Begründung abgelehnt, daß "der Anspruch vor dem 18.06.2001 entstanden" sei.

Mit Klageschrift vom 19.11.2001, beim Arbeitsgericht am gleichen Tage eingegangen, hat der Kläger seinen Urlaubsabgeltungsanspruch als Masseforderung weiterverfolgt. Er hat sich darauf berufen, daß er keineswegs faktischen Urlaub genommen habe, da der Urlaub vom Arbeitgeber gewährt werden müsse. Aufgrund der besonderen Umstände der versuchten Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei ihm trotz des Schreibens vom 27.04.2001 eine tatsächliche Aufnahme der Arbeit nicht zumutbar gewesen.

Der Kläger hat nach der Währungsumstellung beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.495,10 EUR brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank seit dem 01.11. 2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die geltend gemachte Forderung auf Urlaubsabgeltung sei nicht begründet, denn dem Kläger sei es möglich gewesen, den Urlaub selbst zu nehmen. Da er trotz Aufforderung gemäß Schreiben vom 27.04.2001 keine Arbeitsleistung erbracht habe, habe er in der Zeit ab dem 01.05.2001 bis zum 10.10.2001 seinen Urlaub faktisch genommen. Da der (mögliche) Anspruch vor Verfahrenseröffnung am 01.09.2001 entstanden sei, könne es sich allenfalls um eine Insolvenzforderung, nicht aber um eine Masseforderung handeln.

Das Arbeitsgericht Detmold hat durch Urteil vom 13.02.2002 (1 Ca 1583/01), auf welches vollinhaltlich Bezug genommen wird, den Beklagten verurteilt, an den Kläger 3.495,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2001 zu zahlen, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 3.495,00 EUR festgesetzt. Durch Beschluß vom 22.03.2002 hat das Arbeitsgericht Detmold den Urteilstenor dahingehend berichtigt, daß der Zahlungsbetrag um den Zusatz "brutto" ergänzt wird.

Gegen das ihm am 22.02.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.03. 2002 per Telefax Berufung eingelegt und diese am 22.04.2002 per Telefax begründet.

Er trägt vor, das angefochtene Urteil könne weder im Ergebnis noch in der Begründung überzeugen. Er teile nicht die Ansicht des Arbeitsgerichts, daß der geltend gemachte Anspruch als Masseforderung zu klassifizieren sei, dies jedenfalls nicht in voller Höhe. Der Grund für die Kommerzialisierung der fehlenden Möglichkeit, den Urlaub in Natur zu nehmen, habe sich vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeben, so daß eine Belastung der Insolvenzmasse mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zulässig sein dürfte. Zunächst sei festzuhalten, daß der Kläger, nachdem er im Rahmen des schwebenden Kündigungsrechtsstreits mit Schreiben vom 27.04.2001 zur Arbeitsaufnahme aufgefordert worden sei, in der Lage gewesen sei, seinen Ur-

laub in Natur zu nehmen. Tatsächlich sei der Kläger nicht zur Arbeit erschienen, so daß er sich letztlich rechtsmißbräuchlich selbst beurlaubt habe, was dazu führe, daß auch sein Urlaubsanspruch nicht mehr bestehe.

Masseansprüche nach § 55 InsO seien zudem nur solche Ansprüche, die für die Zeit von der Verfahrenseröffnung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen seien. Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen Abrechnungszeitraum falle, sei der geltend gemachte Anspruch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeitraumbezogen zur reinen Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO abzugrenzen. Aufgrund des im Insolvenzverfahren geltenden Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung sei zwingend eine Aufspaltung der Abrechnungszeiträume notwendig, um eine den Prinzipien des Insolvenzrechts widersprechende Bevorzugung eines einzelnen Insolvenzgläubigers zu vermeiden. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch bedeute dies, daß dieser auch nur zeitanteilig erworben werde, und zwar für die Urlaubsansprüche vor und nach Verfahrenseröffnung. Das alleinige Abstellen auf die tarifvertraglichen bzw. gesetzlichen Regelungen zur Urlaubsabgeltung, die diesen Anspruch erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig stellten, könne den Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht durchbrechen. Zwar sei auf den ersten Blick nachvollziehbar, daß man auf den Entstehungszeitpunkt nach der Insolvenzeröffnung abstelle, soweit das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet werde, allerdings überzeuge das Ergebnis unter Berücksichtigung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes nicht.

Der Kläger mache Urlaubsansprüche allein aus Zeiträumen vor der Insolvenzeröffnung geltend, einmal in Form des Schadensersatzanspruchs für den nicht genommenen Urlaub im Jahr 2000 und einmal als Abgeltungsanspruch bis zur Mitte des Jahres 2001. Damit liege der Grund der Urlaubsabgeltungsansprü-che in bestehenden Urlaubsrechten vor Insolvenzeröffnung, so daß für den Fall der Umwandlung des Anspruchs auf Urlaub in Natur in Entgelt darauf abgestellt werden müsse, daß die für den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung entstehende Urlaubsabgeltung nicht zu einer Belastung der Insolvenzmasse führen

dürfe. Dogmatisch lasse sich diese Schlußfolgerung damit begründen, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch bereits dem Grunde nach im konkreten Urlaubsanspruch seine Ursache habe und das Entstehen des Entgeltanspruchs für nicht genommenen Urlaub latent dem einzelnen Urlaubsanspruch in Natur innewohne. Seiner Rechtsnatur sei der Abgeltungsanspruch als Surrogat für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht zu verstehen. Der Sinn und Zweck des Surrogatsgedankens lasse es nicht zu, den Urlaubsabgeltungsanspruch als Masseverbindlichkeit in voller Höhe zu bewerten, da der Abgeltungsanspruch nur Surrogat eines vor Insolvenzeröffnung bestehenden Urlaubsanspruchs in Natur sei. Dies gelte für den Urlaubsanspruch 2001, der bis Mitte 2001 entstanden und fällig geworden sei. Demgegenüber sei der Schadensersatzanspruch für den Urlaub 2000 bereits am 31.03.2001 fällig geworden und damit als Insolvenzforderung zu klassifizieren.

Der Beklagte beantragt,

das unter dem 13.02.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Detmold (1 Ca 1583/01), zugestellt am 22.02.2002, in Form des Berichtigungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Detmold vom 22.03.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Gegenseite zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst habe keinerlei Einfluß auf den Urlaubsanspruch als Freizeitanspruch. Das Urlaubsentgelt sei dem Zeitraum zuzurechnen, in dem der Urlaub in Natur genommen werde. Liege dieser Zeitraum nach Verfahrenseröffnung, sei das Urlaubsentgelt insoweit immer eine Masseverbindlichkeit. Für den Abgeltungsanspruch als Surrogat des Freizeitanspruchs gelte nicht anderes. Werde der Abgeltungsanspruch nach Verfahrenseröffnung fällig, sei fiktiv zurückzurechnen, in welchem Zeitraum der Urlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses liegen würde. Läge kein fiktiv zurückzurechnender Teil des Urlaubs in der Zeit vor Verfahrenseröffnung, sei die gesamte Forderung

Masseverbindlichkeit. So sei die Sach- und Rechtslage vorliegend, denn die Zeit von der Verfahrenseröffnung am 01.09.2001 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 09.10. 2001 umfasse mehr als 24 Arbeitstage, so daß die gesamten 24 Urlaubstage nach Insolvenzeröffnung lägen und mithin als Masseforderungen zu klassifizieren seien. Dies gelte nicht nur für den anteiligen Urlaub für 2001 von 15 Urlaubstagen, sondern auch für die Resturlaubsansprüche von 9 Urlaubstagen für 2000, denn die Ausführungen der Gegenseite zur Qualifizierung dieser Abgeltungsansprüche als bloße Schadensersatzansprüche gingen an der vom Arbeitsgericht als zutreffend erkannten Rechtslage, daß hier tarifliche Besonderheiten zu beachten seien, vorbei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.

Gründe

Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg und führt deshalb zur Zurückweisung des Rechtsmittels.

Die Berufung, mit der der Beklagte sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung von Abgeltung von tariflichem Resturlaub für das Urlaubsjahr 2000 und von anteiligem tariflichem Urlaub für das Urlaubsjahr 2001 zur Wehr setzt, ist unbegründet, da dieser Anspruch als Masseanspruch zu klassifizieren ist.

1. Mit der Verfahrenseröffnung rückt der Insolvenzverwalter voll in die Arbeitgeberstellung des Insolvenzschuldners und damit in den "gesamten" Pflichtenkreis des Arbeitgebers ein (BAG GS v. 13.12.1978 - GS 1/77, BB 1979, 267 = DB 1979, 261), denn er erhält die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über dessen Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO). Er ist an Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge ebenso gebunden wie vormals der Insolvenzschuldner als Arbeitgeber (BAG v. 28.01.1987 - 4 AZR 150/86, KTS 1987, 516 = NZA 1987, 455 = ZIP 1987, 727), selbst wenn er im Rahmen der Liquidation nur noch Restaufträge abwickelt (ArbG Siegen v. 03.06.1983 - 1 Ga 21/83, KTS 1983, 571 = ZIP 1983, 1117, 1119). Kraft Verbandzugehörigkeit des Klägers und der Insolvenzschuldnerin findet mithin vorliegend weiterhin auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für das Sanitär-, Installateur-, Zentralheizungs- und Lüftungsbauer-, Klempner- und Kupferschmiede-Handwerk im Land Nordrhein-Westfalen vom 10.04.1997 (MTV) Anwendung.

1.1. Der tarifliche Urlaub ist nach den gleichen Grundsätzen wie der gesetzliche Urlaub gem. § 7 Abs. 4 BUrlG nach § 6 Ziff. 3 Satz 1 MTV immer dann, aber auch nur dann abzugelten, wenn er "wegen" der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Freizeit gewährt werden kann (Griese, in Berscheid/Kunz/Brand [Hrsg.], Praxis des Arbeitsrechts, Teil 3 Rn. 1159). Der Abgeltungsanspruch ist Surrogat zum Urlaubsanspruch (GK-BUrlG/Bachmann, § 7 Rn. 141; BKB-Griese, PraxisArbR, Teil 3 Rn. 1178; a.A. Kohte, BB 1984, 604, 622; Natzel, § 7 BUrlG Rn. 157, die lediglich einen Ausgleichsanspruch annehmen). Mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wandelt sich nach § 6 Ziff. 3 Satz 1 MTV ein bis dahin noch nicht verfallener oder erfüllter Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Abgeltungsanspruch um, ohne daß es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf (BAG v. 21.09.1999 - 9 AZR 705/98, BB 2000, 881 = DB 2000, 2611). Der Abgeltungsanspruch soll den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, die Freizeit zur Erholung ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte zu nehmen, und ist deshalb an die gleichen Voraussetzungen geknüpft wie der Urlaubsanspruch; er ist unabhängig vom Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (GK-BUrlG/Bachmann, § 7 Rn. 142, 146), besteht also bei Kündigungen, Aufhebungsverträgen, Beendigung infolge einer Befristungsabrede, Erreichens der Altersgrenze und Erwerbsunfähigkeit (BKB-Griese, PraxisArbR, Teil 3 Rn. 1178). Voraussetzungen für die Urlaubsabgeltung nach § 6 Ziff. 3 Satz 1 MTV sind -inner- wie außerhalb der Insolvenz - ein noch bestehender Urlaubsanspruch zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 07.03.1985 - 6 AZR 334/82, BB 1985, 1197 = DB 1985, 1598; BAG v. 10.02.1987 - 8 AZR 529/84, BB 1987, 1955 = DB 1987, 1693) sowie kumulativ die fiktive Möglichkeit des Arbeitnehmers, den Urlaub in Freizeit zu nehmen, wäre er nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden (BAG v. 05.12.1995 - 9 AZR 871/94, BB 1996, 1559 = DB 1996, 1087). Mit anderen Worten, Urlaubsabgeltung wird nur dann geschuldet, wenn der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können (BAG v. 14.05.1986 - 8 AZR 604/84, BB 1986, 2338 = DB 1986, 2685; BAG v. 24.11.1987 - 8 AZR 140/87, DB 1988, 447). Diese Voraussetzungen sind vorliegend für die gesamten 24 geltend gemachten Urlaubstage gegeben. Der Kläger war arbeitsfähig und hätte bei einem über dem 10.10.2001 fortbestehenden Arbeitsverhältnis seinen Urlaub in Freizeit nehmen können.

1.2. Der Kläger hat für das Kalenderjahr 2000 einen Anspruch auf restliche 9 Urlaubstage, die nicht mit Ablauf des 31.03.2001 erloschen, sondern auf das Urlaubsjahr 2001 übergegangen sind. Grundsätzlich erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte (§ 7 Ziff. 6 Satz 1 MTV). Eine den Verfall des Urlaubsanspruchs ausschließende Geltendmachung i.S.d. § 7 Ziff. 6 Satz 1 MTV liegt nur vor, wenn der Urlaub in einem Zeitpunkt gefordert wird, der so früh liegt, daß der Urlaubsanspruch noch bis zum 31.03. des sog. Folgejahres erfüllt werden kann. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG v. 07.11.1985 - 6 AZR 62/84, DB 1986, 757 = NZA 1986, 393; BAG v. 13.11.1986 - 8 AZR 212/84, BB 1987, 1036 = DB 1987, 895) ist eine Tarifregelung, die für den Erhalt des Urlaubsanspruchs auf die Geltendmachung bis zum 31.03. des Folgejahres abstellt, dahingehend auszulegen, daß eine den Verfall des Urlaubsanspruchs ausschließende Geltendmachung so zu erfolgen hat, daß der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den Urlaubsanspruch vor dem 31.03. des Folgejahres zu erfüllen. Wie vergleichbare Urlaubsregelungen bezweckt auch die Bestimmung des § 7 Ziff. 6 Satz 1 MTV, daß Urlaub in einem bestimmten Rhythmus genommen wird und Urlaubshortungen vermieden werden. Aus dem Zweck dieser Regelung folgt die Pflicht des Arbeitnehmers, den Urlaubsanspruch so rechtzeitig geltend zu machen, daß der Urlaub noch vor Ablauf des ersten Quartals gewährt werden kann. Vorliegend hat der Kläger mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 13.02.2001, der Insolvenzschuldnerin am 14.02.2001 zugestellt, rechtzeitig die Gewährung von 9 Tagen Resturlaub aus dem Jahr 2000 "in der Zeit vom 20.-30.03.2001" betragt. Damit ist der Resturlaubsanspruch nicht mit Ablauf des 31.03.2001 verfallen, sondern auf das Urlaubsjahr 2001 übergegangen und teilt nunmehr das Schicksal des Urlaubs 2001. Angesichts dieser tariflichen Sonderregelung kommt es -wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BAG v. 07.11.1985 - 6 AZR 169/84, BB 1986, 735 = DB 1986, 973), wonach an die Stelle eines rechtzeitig beantragten, aber vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums nicht gewährten Urlaubs als Schadensersatzanspruch ein (Ersatz-)Urlaubsanspruch in gleicher Höhe tritt, nicht an. Ob ein solcher Ersatzanspruch als Insolvenzforderung oder als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren wäre, braucht daher vorliegend nicht beantwortet werden.

1.3.Dem Kläger stehen für das Urlaubsjahr 2001 zumindest anteilig 15 Urlaubstage zu. Im Ein- und Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer gegen den alten und neuen Arbeitgeber auf so viele Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs Anspruch, als er Monate bei ihnen gearbeitet hat (§ 7 Ziff. 2 Abs. 1 MTV). Ein Urlaubsanspruch besteht allerdings insoweit nicht, als dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr bereits von einem anderen Arbeitgeber Urlaub gewährt oder abgegolten worden ist (§ 7 Ziff. 5 Satz 1 MTV). Da der Kläger, der am 18.06.2001 ein neues Vollzeitarbeitsverhältnis eingegangen ist, für das Urlaubsjahr 2001 nur den halben Jahresurlaub, nämlich nur 15 statt 30 Urlaubstage (§ 8 Ziff. 1 MTV) geltend macht, kommt es auf die Frage, ob er gegen die Insolvenzmasse wegen seines Ausscheidens am 10.10.2001 einen höheren Urlaubsabgeltungsanspruch geltend machen könnte, nicht an. Der Urlaubsanspruch setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG v. 26.05.1988 - 8 AZR 774/85, BB 1989, 288 = DB 1989, 182) nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraussetzt. Dies gilt auch für den Teil des Tarifurlaubs, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. Daher ist es unschädlich, daß der Kläger im Jahre 2001 keine Arbeitsleistung erbracht hat. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, der Kläger habe in der Zeit ab dem 01.05.2001 bis zum 10.10.2001 seinen Urlaub faktisch genommen, da er trotz Aufforderung gemäß Schreiben vom 27.04.2001 keine Arbeitsleistung erbracht habe, ist ihm folgendes entgegenzuhalten: Die Urlaubsgewährung setzt voraus, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erkennbar macht, er befreie ihn von der Arbeitspflicht, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen (BAG v. 25.01.1994 - 9 AZR 312/92, BB 1994, 1012 = DB 1994, 1243; BAG v. 09.06.1998 - 9 AZR 43/97, DB 1999, 159 = NZA 1999, 80). Hiervon könnte auch gesprochen werden, wenn ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht unter Anrechnung auf die tariflichen Urlaubsansprüche befreit, und dieser daraufhin nicht mehr zur Arbeit erscheint. Denn in einem solchen Falle hat der Arbeitnehmer das Freistellungsangebot des Arbeitgebers konkludent angenommen, so daß gemäß § 362 BGB die Erfüllung des Urlaubsanspruchs eintritt, und zwar unabhängig von der vorherigen Zahlung der Urlaubsvergütung (BAG v. 19.09.2000 - 9 AZR 504/99, BB 2001, 1156 = DB 2001, 1256 = DZWIR 2001, 319 [T. Wellensiek]). Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2001 hat die spätere Insolvenzschuldnerin zwar im laufenden Kündigungsschutzprozeß ihre Berufung auf die Feststellung der Wirksamkeit der fristgemäßen Kündigung beschränkt und deshalb die fristlose Kündigung nebst den zugrundeliegenden Vorwürfen, insbesondere auch die erhobenen Vorwürfe des Prozeßbetrugs und der Schwarzarbeit, nicht mehr aufrechterhalten sowie den Kläger aufgefordert, ab Montag, dem 30.04.2001, wieder zur Arbeit zu erscheinen. Darin liegt gerade keine Befreiung von der Arbeitspflicht und damit auch keine (konkludente) Urlaubsgewährung.

1.4.Das Abgeltungsbegehren des Klägers ist auch nicht deshalb rechtsmißbräuchlich, weil er trotz Arbeitsaufforderung gemäß anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2001 der Arbeit fern geblieben ist und damit seinen Urlaub "faktisch", nämlich im Zuge einer angeblichen Selbstbeurlaubung, in Freizeit genommen haben soll, denn die Tarifvertragsparteien haben die Anrechnung von willkürlichen Fehltagen auf den Urlaubsanspruch ausdrücklich geregelt. Nach § 7 Ziff. 7 Satz 1 MTV wird der Anspruch auf bezahlten Urlaub um soviel Tage gekürzt, wie der Arbeitnehmer seit seinem letzten Urlaub unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist. Der Mindesturlaub gemäß Bundesurlaubsgesetz darf dadurch allerdings nicht unterschritten werden (§ 7 Ziff. 7 Satz 2 MTV). Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt 24 Werktage in der Sechs-Tage-Woche (§ 3 Abs. 1, 2 BUrlG), was einem Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen in der Fünf-Tage-Woche entspricht (BAG v. 08.05.2001 - 9 AZR 240/00, BAGReport 2001, 4). Da der gesetzliche Urlaub nach erfüllter Wartezeit bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte in vollem Umfang entsteht (Umkehrschluß aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG), kommt eine Kürzung des Urlaubsanspruchs für 2001 nach § 7 Ziff. 7 Satz 1 MTV nicht in Betracht (§ 7 Ziff. 7 Satz 2 MTV). Für die insgesamt 24 Tage Urlaubsabgeltung (9 Urlaubstage 2000 und 15 Urlaubstage 2001) ist mithin die tarifliche Urlaubsvergütung (100% Arbeitsentgelt und 50% zusätzliches Urlaubsgeld) zu zahlen (§ 9 Ziff.1 MTV). Dies sind 6.835,82 DM (24 Tage x 7,4 Stunden x DM 25,66 x 150%), was dem erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag in Höhe von 3.495,10 EUR entspricht.

2.Der Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung ist nach Verfahrenseröffnung entstanden und deshalb in vollem Umfang Masseanspruch, und zwar nicht nur für die Urlaubsansprüche aus dem (laufenden) Urlaubsjahr 2001, sondern auch insoweit, wie die Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr 2000 stammen und infolge rechtzeitiger Geltendmachung nach den tariflichen Vorschriften nicht mit Ablauf des 31.03.2001 verfallen sind. Masseschulden aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung können durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse entstehen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), aus einer rechtlosen Bereicherung der Masse begründet sein (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) oder aus vorher abgeschlossenen Arbeitsverträgen stammen, deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach Insolvenzeröffnung erfolgen muß (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

2.1. Nach der ursprünglichen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (BAG v. 10.03.1966 - 5 AZR 498/65, AP Nr.2 zu § 59 KO [Weber] = KTS 1966, 124 = SAE 1966, 266 [Rother]) galt der Urlaubsabgeltungsanspruch dann als

Masseschuld, wenn die Dauer des Arbeitsverhältnisses nach der Konkurseröffnung ausgereicht hätte, um den Freizeitanspruch zeitlich zu erfüllen. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (BSG v. 30.11.1977 - 12 RAr 99/76, AP Nr.3 zu § 141b AFG = BB 1978, 1216) hat der Anspruch auf Urlaubsabgeltung den der abzugeltenden Urlaubsdauer entsprechenden letzten Tagen vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugeordnet werden müssen. Soweit dieser Zeitraum nach Konkurseröffnung lag, war der Anspruch auf die entsprechende Urlaubsabgeltung Masseschuld i.S.v. § 59 Abs.1 Nr.2 KO. Soweit dieser Zeitraum im letzten halben Jahr vor der Konkurseröffnung lag, handelte es sich um Rückstände auf Arbeitsentgelt nach § 59 Abs.1 Nr.3a KO. Dieser Auffassung zum Rang der Abgeltungsansprüche hat sich die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung angeschlossen (BAG v. 21.05.1980 - 5 AZR 441/78, AP Nr. 10 zu § 59 KO [Uhlenbruck] = EzInsR § 55 InsO Nr. 5 = KTS 1981, 98 = ZIP 1980, 784). Für den Rang im Konkurs und damit zugleich für den Anspruch auf Kaug war der Abgeltungsanspruch i.S.d. § 7 Abs. 4 BUrlG den letzten Tagen unmittelbar vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen, die der abzugeltenden Urlaubsdauer entsprachen (BSG v. 27.09.1994 - 10 RAr 6/93, KTS 1995, 110 = ZIP 1994, 1873; BSG v. 24.01.1995 - 10 RAr 4/94, DStR 1996, 636). Dies galt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis erst nach dem Eintritt des Insolvenzereignisses beendet wurde (BSG v. 27.09.1994 - 10 RAr 7/93, KTS 1995, 113 = ZIP 1994, 1875; BSG v. 03.12.1996 - 10 RAr 7/95, KTS 1997, 522 = ZIP 1997, 1040).

2.2. Mit dem vollständigen Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01.01.1999 sind die sog. Konkursvorrechte der §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bzw. der §§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 17 Abs. 3 Nr. 1 GesO entfallen. An die Stelle der unterschiedlichen Insolvenzgesetze ist die Insolvenzordnung getreten, die keine Vorrechte mehr, sondern nur noch eine Rangfolge bei Masseunzulänglichkeit kennt. Zugleich sind die Kaug-Vorschriften der §§ 141a ff. AFG durch die Insg-Bestimmungen der §§ 183 ff. SGB III ersetzt worden. Nach neuem Recht hat der Arbeitnehmer keinen Insg-Anspruch für Entgeltansprüche, die er "wegen" der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat (§ 184 Abs. 1 Nr. 1 [1. Alt.] SGB III). Hieraus folgt, daß Urlaubsabgeltungsansprüche nach § 7 Abs. 4 BUrlG

nunmehr keine Insg-Zahlung mehr auslösen können (LSG Nordrhein-Westfalen v. 22.8.2001 - L 12 AL 212/00, ZInsO 2002, 392, bestätigt durch BSG v. 20.2.2002 - B 11 AL 71/01 R, EzA-SD 2002, Nr. 10, S. 13; Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, S. 313 Rn. 859; ders., BuW 1999, 592, 594; FK-Mues, Anh. zu § 113 InsO Rn. 23, 114; a.A. Gagel, ZIP 2000, 257, 258; Gagel/Peters-Lange, § 183 SGB III Rn. 114 und § 184 SGB III Rn. 9c; GK-SGB III/Hess, § 183 Rn. 117). Hat der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung zu beanspruchen, so ruht zwar im allgemeinen der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abzugeltenden Urlaubs (§ 143 Abs. 2 Satz 1 SGB III), jedoch führt die Existenz des Urlaubsabgeltungsanspruchs dann nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, denn soweit der Arbeitslose in der Insolvenz die Urlaubsabgeltung tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld im Rahmen der sog. Gleichwohlgewährung auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III ruht (s. dazu Berscheid, ZInsO 2000, 134, 136; Uhlenbruck/Berscheid, § 22 InsO Rn. 155). Mithin besteht kein Bedürfnis, die Insg-Versicherung mit Urlaubsabgeltungsansprüchen zu belasten.

2.3. Die bisherige arbeits- und sozialgerichtliche Rechtsprechung (BAG v. 21.05.1980 - 5 AZR 441/78, AP Nr. 10 zu § 59 KO [Uhlenbruck] = EzInsR § 55 InsO Nr. 5 = KTS 1981, 98 = ZIP 1980, 784; BSG v. 18.12.1980 - 8b/12 RAr 14/79, ZIP 1981, 635), wonach der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs.4 BUrlG dem Zeitraum zuzuordnen sei, der der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmittelbar vorausgehe, läßt sich nach Streichung der sog. Konkursvorrechte und nach der Umgestaltung der Insg-Vorschriften auf den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht (mehr) übertragen. Bei Entgeltansprüchen der Arbeitnehmer ist -von der Regelung des § 55 Abs. 2 InsO abgesehen (BAG v. 03.04.2001 - 9 AZR 143/00, BAGReport 2002, 9 [Berscheid] = ZInsO 2001, 1174; BAG v. 03.04.2001 - 9 AZR 301/00, ZInsO 2001, 1171 = ZIP 2001, 1964) - für ihre Einordnung als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 InsO) im übrigen allein maßgeblich, ob sie aus der Zeit vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

herrühren (§ 108 Abs. 2 InsO). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch ist mithin allein auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen und nicht mehr zu prüfen, ob der unmittelbar vor der Verfahrenseröffnung liegende Zeitraum zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs ausgereicht hätte oder nicht (Grunsky, Das Arbeitsverhältnis im Konkurs- und Vergleichsverfahren, S.70f., m.w.N.; ebenso KassArbR/Mues, 1.9 Rn.438; a.A. Hess/Weis/Wienberg, § 55 InsO Rn.139-141; NR-Andres, § 55 InsO Rn.108; ferner zum bisherigen Recht BAG v. 22.10.1998 - 8 AZR 688/97, KTS 1999, 543 = ZInsO 1999, 302). Der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfüllende Urlaubsabgeltungsanspruch gehört damit stets zu den Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO (LAG Hamm v. 18.10.2001 - 4 Sa 1197/01, DZWIR 2002, 194, 197 = LAGReport 2002, 70, 73 = ZInsO 2002, 341, 344; zust. Mues, ArbRB 2002, 76). Da das Arbeitsverhältnis des Klägers vorliegend aufgrund seiner Eigenkündigung mit Zugang des gewerkschaftlichen Schreibens vom 09.10.2001 am 10.10.2001 und damit nach der Verfahrenseröffnung vom 01.09.2001 beendet worden ist, ohne daß der Kläger seine Urlaubsansprüche in Freizeit genommen und gewährt bekommen hat, sind sie nach § 6 Ziff. 3 Satz 1 MTV i.V.m. § 55 Abs.1 Nr.2 InsO als Masseverbindlichkeiten abzugelten.

3. Mithin war die Berufung des Beklagten in vollem Umfang zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 25 Abs. 1 GKG, § 9 BRAGO festzusetzen. Nach §§ 3 ff. ZPO war von der Höhe der eingeklagten Forderung auszugehen. Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können. Die Revision war nach § 72 Abs. 3 ArbGG zuzulassen.

Berscheid Kerkenberg Berhorst

/Der.






LAG Hamm:
Urteil v. 27.06.2002
Az: 4 Sa 468/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ad5c151f65fe/LAG-Hamm_Urteil_vom_27-Juni-2002_Az_4-Sa-468-02




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