Bundespatentgericht:
Urteil vom 18. September 2001
Aktenzeichen: 3 Ni 44/00
(BPatG: Urteil v. 18.09.2001, Az.: 3 Ni 44/00)
Tenor
Das europäische Patent 0 808 162 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 20.000 vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 7. Februar 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 195 03 995 vom 8. Februar 1995 sowie der Priorität der amerikanischen Patentanmeldung 483 635 vom 7. Juni 1995 international angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 808 162 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 696 02 424 geführt wird. Das Streitpatent betrifft die "Verwendung von Carbazolverbindungen zur Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung von kongestivem Herzversagen" und umfasst 12 Patentansprüche. Die Patentansprüche 1 bis 12 haben in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
"1. Verwendung einer Verbindung, die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein 1-Adrenorezeptorantagonist ist, zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern, allein oder in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid.
2. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 1, bei der es sich um eine Verbindung der Formel I handelt:
worin R1 Wasserstoff, Niederalkanoyl mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen oder ein aus Benzoyl und Naphthoyl ausgewähltes Aroyl ist, R2 Wasserstoff, Niederalkyl mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen oder ein aus Benzyl, Phenylethyl und Phenylpropyl ausgewähltes Arylalkyl ist, R3 Wasserstoff oder Niederalkyl mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen ist, R4 Wasserstoff oder Niederalkyl mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen ist, oder wenn X Sauerstoff ist, R4 zusammen mit R5 -CH2-0- bedeuten kann, X eine Valenzbindung, -CH2, Sauerstoff oder Schwefel ist, Ar ausgewählt ist aus Phenyl, Naphthyl, Indanyl und Tetrahydronaphthyl, R5 und R6 individuell ausgewählt sind aus Wasserstoff, Fluor, Chlor, Brom, Hydroxyl, Niederalkyl mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen, einer -CONH2-Gruppe, Niederalkoxy mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen, Benzyloxy, Niederalkylthio mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen, Niederalkysulfonyl mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen und Niederalkylsulfonyl mit bis zu 6 Kohlenstoff-Atomen, oder R5 und R6 zusammen Methylendioxy bedeuten, und der pharmazeutisch annehmbaren Salze derselben.
3. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Verbindung Carvedilol ist.
4. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 3, wobei eine pharmazeutische Formulierung, enthaltend entweder 3,125 oder 6,25 mg Carvedilol in einer Einzeleinheit, über einen Zeitraum von 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich als Anfangsdosis verabreicht werden.
5. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 3, wobei eine pharmazeutische Formulierung, enthaltend 12,5 mg Carvedilol in einer Einzeleinheit, über einen Zeitraum von 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich verabreicht werden.
6. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 3, wobei eine pharmazeutische Formulierung, enthaltend entweder 25,0 oder 50,0 mg Carvedilol in einer Einzeleinheit, einmal oder zweimal täglich als Erhaltungsdosis verabreicht werden.
7. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 1, wobei der ACE-Hemmer ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Captopril, Lisinopril, Fosinopril oder Enalapril oder irgendeinem pharmazeutisch annehmbaren Salz derselben.
8. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 1, wobei das Diuretikum ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Hydrochlorothiazid, Torasemid oder Furosemid oder irgendeinem pharmazeutisch annehmbaren Salz derselben.
9. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 1, wobei das Herzglycosid ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Digoxin, -Methyldigoxin oder Digitoxin.
10. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern gemäß folgendem Schema:
(a) Verabreichung einer pharmazeutischen Formulierung, die entweder 3,125 oder 6,25 mg Carvedilol pro Einzeleinheit enthält, die über einen Zeitraum von 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich gegeben werden;
(b) danach Verabreichung einer pharmazeutischen Formulierung, die 12,5 mg Carvedilol pro Einzeleinheit enthält, die über einen Zeitraum von weiteren 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich gegeben werden; und
(c) schließlich Verabreichung einer pharmazeutischen Formulierung, die entweder 25,0 oder 50,0 mg Carvedilol pro Einzeleinheit enthält, die einmal oder zweimal täglich als Erhaltungsdosis gegeben werden.
11. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 10, wobei Carvedilol in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln verabreicht wird, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem, Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid.
12. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 1 zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung von kongestivem Herzversagen, das in einer täglichen Erhaltungsdosis von 10-100 mg zu verabreichen ist, wobei das Medikament in inkrementalen Dosierungsschemata verabreicht wird, die drei Dosisschemata umfassen, wobei das erste Schema die Verabreichung einer Menge von 10 bis 30 % der täglichen Erhaltungsdosis der Verbindung über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst, das zweite Schema die Verabreichung einer Menge von 20-70 % dieser täglichen Dosis über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst, und das dritte Schema die Verabreichung von 100 % dieser täglichen Dosis umfasst, die nach Beendigung des zweiten Schemas beginnt."
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil die Patentansprüche 1 bis 3, 5, 6 und 9 nicht mehr neu seien und die Patentansprüche 1 bis 12 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Unterlagen:
(Anlage 1) Europäische Patentschrift 0 808 162
(Anlage 1a) Deutsche Übersetzung DE 696 02 424 der europäischen Patentschrift 0 808 162
(Anlage 1b) Auszüge aus den Patentregistern des Europäischen Patentamtes und des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. August 2000
(Entgegenhaltung 2) Journal of the American College of Cardiology (JACC) 23 (1994) Seiten 814 bis 821
(Entgegenhaltung 3) Journal of Cardiovascular Pharmacology 19, Suppl. 1, (1992) Seiten S117 bis S121
(Entgegenhaltung 4) Drugs 45 (2) (1993) Seiten 232 bis 258
(Entgegenhaltung 5) Cardiology 82, Suppl. 3 (1993) Seiten 24 bis 28
(Entgegenhaltung 6) Journal of Cardiovascular Pharmacology 19, Suppl. 1 (1992) Seiten S62 bis S67
(Entgegenhaltung 7) Journal of the Cardiovascular Pharmacology 19, Suppl. 1 (1992) Seiten S138 bis S141
(Entgegenhaltung 8) Journal of the American College of Cardiology (JACC) 21, Suppl. A (1993) Seite 114A, Referat Nr. 725-2
(Entgegenhaltung 9) The American Journal of Cardiology 66 (1990) Seiten 1118 bis 1123
(Entgegenhaltung 10) Journal of Cardiovascular Pharmacology 18, Suppl. 4 (1991) Seite S12 bis S16
(Anlage 11a) Prüfungsbescheid des Deutschen Patentamtes vom 17. August 1995 zur deutschen Patentanmeldung 195 03 995.5
(Anlage 11b) Patentansprüche der deutschen Patentanmeldung 195 03 995.5
(Anlage 11c) Niederschrift über die mündliche Anhörung vom 7. November 1995 in Sachen der deutschen Patentanmeldung 195 03 995.5
(Anlage 11d) Patentanspruch 1 vom 5. März 1996 der deutschen Patentanmeldung 195 03 995.5
(Entgegenhaltung 12) Journal of Hypertension 11, Suppl. 4 (1993) Seiten S41 bis S48
(Entgegenhaltung 13) Journal of the American College of Cardiology (JACC) 21, Suppl. A (1993) Seite 114A, Referat Nr. 725-1
(Anlage 21) Neutralisierte Kopien des Urteils des BPatG vom 27. Oktober 1992 in der Sache 3 Ni 57/91 und von Advances in Prostaglandin and Thromboxane Research, Vol. 2 (1976) Seiten 819 bis 823
(Anlage 22) Neutralisierte Kopien des Beschlusses des BPatG vom 13. Januar 1989 in der Sache 14 W (pat) 42/86
(Entgegenhaltung 23) Circulation 85, Suppl. I (1992) Seiten I-107 bis I-111
(Entgegenhaltung 24) The Lancet (1979) Seiten 1374 bis 1376
(Entgegenhaltung 25) Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 255. Auflage, 1986, Seiten 830 und 831
(Entgegenhaltung 26) Journal of the American College of Cardiology (JACC) 21 (1993) Seite 378A
(Entgegenhaltung 27) The American Journal of Cardiology 74 (1994) Seiten 674 bis 680
(Entgegenhaltung 28) American Heart Journal 114 (1987) Seiten 148 bis 152
(Entgegenhaltung 29) Auszug aus Rote Liste 2001 (Nr. 27 121)
(Entgegenhaltung 30) Auszug aus Rote Liste 2001, FachInfo-Service "Dilatrend"
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 808 162 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2000 einen neuen Patentanspruch 12 vorgelegt und erklärt, dass sie das Streitpatent nur noch auf der Grundlage der erteilten Patentansprüche 1 bis 11 und des nunmehr geltenden Patentanspruchs 12 verteidige.
Patentanspruch 12 in der gemäß Eingabe vom 23. August 2001 verteidigten Fassung lautet:
"12. Verwendung einer Verbindung nach Anspruch 1 zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität auf Grund kongestiven Herzversagens, das in einer täglichen Erhaltungsdosis von 10-100 mg zu verabreichen ist, wobei das Medikament in inkrementalen Dosierungsschemata verabreicht wird, die drei Dosisschemata umfassen, wobei das erste Schema die Verabreichung einer Menge von 10 bis 30 % der täglichen Erhaltungsdosis der Verbindung über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst, das zweite Schema die Verabreichung einer Menge von 20-70 % dieser täglichen Dosis über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst und das dritte Schema die Verabreichung von 100 % dieser täglichen Dosis umfasst, die nach Beendigung des zweiten Schemas beginnt."
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der verteidigten Fassung richtet.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent in der verteidigten Fassung für patentfähig.
Zur Begründung bezieht sie sich auf folgende Unterlagen:
(Dokument 14) The New England Journal of Medicine 336 (1997) S. 525-533
(Dokument 15) The New England Journal of Medicine 314 (1986) S. 1547-1552
(Dokument 16) The New England Journal of Medicine 325 (1991) S. 1468-1475
(Dokument 17) Rote Liste 1994 "Carvedilol"
(Dokument 18) The Lancet 342 (1993) S. 1441-1446
(Dokument 19) Circulation 90 (1994) S. 1765-1773
(Dokument 20) Journal of the American College of Cardiology (JACC) 18 (1991) S. 14-19 Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1, 2 und 3.
Die Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1 lauten:
"1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität auf Grund kongestiven Herzversagens bei Säugern, allein oder in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid, und wobei das Medikament in einer täglichen Erhaltungsdosis von 10-100 mg zu verabreichen ist, wobei das Medikament in inkrementalen Dosierungsschemata verabreicht wird, die drei Dosisschemata umfassen, wobei das erste Schema die Verabreichung einer Menge von 10-30 % der täglichen Erhaltungsdosis der Verbindung über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst, das zweite Schema die Verabreichung einer Menge von 20-70 % dieser täglichen Dosis über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst und das dritte Schema die Verabreichung von 100 % dieser täglichen Dosis umfasst, die nach Beendigung des zweiten Schemas beginnt.
2. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 1, wobei eine pharmazeutische Formulierung, enthaltend entweder 3,125 oder 6,25 mg Carvedilol in einer Einzeleinheit, über einen Zeitraum von 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich als Anfangsdosis verabreicht werden.
3. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 1, wobei eine pharmazeutische Formulierung, enthaltend 12,5 mg Carvedilol in einer Einzeleinheit, über einen Zeitraum von 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich verabreicht werden.
4. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 1, wobei eine pharmazeutische Formulierung, enthaltend entweder 25,0 oder 50,0 mg Carvedilol in einer Einzeleinheit, einmal oder zweimal täglich als Erhaltungsdosis verabreicht werden.
5. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 1, wobei der ACE-Hemmer ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Captopril, Lisinopril, Fosinopril oder Enalapril oder irgendeinem pharmazeutisch annehmbaren Salz derselben.
6. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 1, wobei das Diuretikum ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Hydrochlorothiazid, Torasemid oder Furosemid oder irgendeinem pharmazeutisch annehmbaren Salz derselben.
7. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 1, wobei das Herzglycosid ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Digoxin, -Methyldigoxin oder Digitoxin.
8. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern gemäß folgendem Schema:
(a) Verabreichung einer pharmazeutischen Formulierung, die entweder 3,125 oder 6,25 mg Carvedilol pro Einzeleinheit enthält, die über einen Zeitraum von 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich gegeben werden;
(b) danach Verabreichung einer pharmazeutischen Formulierung, die 12,5 mg Carvedilol pro Einzeleinheit enthält, die über einen Zeitraum von weiteren 7-28 Tagen einmal oder zweimal täglich gegeben werden; und
(c) schließlich Verabreichung einer pharmazeutischen Formulierung, die entweder 25,0 oder 50,0 mg Carvedilol pro Einzeleinheit enthält, die einmal oder zweimal täglich als Erhaltungsdosis gegeben werden.
9. Verwendung von Carvedilol nach Anspruch 8, wobei Carvedilol in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln verabreicht wird, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem, Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid."
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
"1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität auf Grund kongestiven Herzversagens bei Säugern, in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid, und wobei das Medikament in einer täglichen Erhaltungsdosis von 10-100 mg zu verabreichen ist, wobei das Medikament in inkrementalen Dosierungsschemata verabreicht wird, die drei Dosisschemata umfassen, wobei das erste Schema die Verabreichung einer Menge von 10-30 % der täglichen Erhaltungsdosis der Verbindung über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst, das zweite Schema die Verabreichung einer Menge von 20-70 % dieser täglichen Dosis über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst und das dritte Schema die Verabreichung von 100 % dieser täglichen Dosis umfasst, die nach Beendigung des zweiten Schemas beginnt."
Die Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den Patentansprüchen 2 bis 9 nach Hilfsantrag 1.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet:
"1. Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität auf Grund kongestiven Herzversagens bei Säugern, in Verbindung mit mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid, und wobei das Medikament in einer täglichen Erhaltungsdosis von 10-100 mg zu verabreichen ist, wobei das Medikament in inkrementalen Dosierungsschemata verabreicht wird, die drei Dosisschemata umfassen, wobei das erste Schema die Verabreichung einer Menge von 10-30 % der täglichen Erhaltungsdosis der Verbindung über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst, das zweite Schema die Verabreichung einer Menge von 20-70 % dieser täglichen Dosis über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst und das dritte Schema die Verabreichung von 100 % dieser täglichen Dosis umfasst, die nach Beendigung des zweiten Schemas beginnt."
Die Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den Patentansprüchen 2 bis 9 nach Hilfsantrag 1 und 2.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigkeit des Streitpatents, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ, Art 52, 54 und 56 EPÜ.
Das Streitpatent war bereits insoweit für nichtig zu erklären, als es die Beklagte in bezug auf Patentanspruch 12 nur noch in beschränktem Umfang verteidigt. Die Beschränkung, die anstelle der ursprünglichen Formulierung "zur Behandlung von kongestivem Herzversagen" die Formulierung "zur Senkung der Mortalität auf Grund kongestiven Herzversagens" betrifft, stellt eine Präzisierung der Indikation im Sinne des Patentanspruchs 1 dar und hält sich damit im Umfang der ursprünglichen Offenbarung. Weder der Gegenstand noch der Schutzbereich des Streitpatents sind hierdurch erweitert worden, die Beschränkung ist somit zulässig.
I.
1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung einer Verbindung, die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein 1-Adrenorezeptorantagonist ist, zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität auf Grund von kongestiven Herzversagens bei Säugern, eine Behandlungsmethode unter Verwendung solcher Verbindungen zusammen mit einem oder mehreren therapeutischen Mitteln, die aus der Gruppe von Hemmern für Angiotensin umwandelndes Enzym, Diuretika und Herzglycosiden ausgewählt sind, sowie ein Applikationsschema zur Verabreichung dieser Verbindungen.
Zur Behandlung von Stauungsherzinsuffizienz wird herkömmlicherweise die Einschränkung körperlicher Tätigkeit, die Beschränkung der Salzaufnahme sowie die Verordnung eines Diuretikums empfohlen. Reicht dieses Behandlungsschema nicht aus, wird die Therapie um ein Herzglycosid erweitert, oder wenn auch dies nicht ausreicht, ein ACE-Hemmer im Verbindung mit einem Diuretikum und/oder einem Herzglycosid verordnet. In diesem Zusammenhang hat sich die Behandlung mit Carvedilol als günstig erwiesen (s StrPS S 3 Z 24 - 33), das in der amerikanischen Patentschrift 4 503 067 (s StrPS S 3 Z 50 - S 4 Z 39) beschrieben wird. Dieser Wirkstoff ist sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein Vasodilatator und wirkt bei höheren Konzentrationen auch als Calciumantagonist (s StrPS S 5 Z 1 - 11), was nach den Untersuchungen am Ratten-, Hunde- und Schweinemodell insgesamt zu einer deutlichen Verringerung der Auswirkungen des akuten Myokardinfarkts führt (s StrPS S 5 Z 12 - 17).
2. Vor diesem Hintergrund ist es sinngemäß Aufgabe des Streitpatents, eine neue Behandlungsmethode des kongestiven Herzversagens bereitzustellen.
3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassungdie Verwendung 1. einer Verbindung 1.1. die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist ist 1.2. als auch ein 1- Adrenorezeptorantagonist ist, 2. zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern 3. allein 4. oder in Verbindung mit 4.1. einem 4.2. oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln, 4.2.1. wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus 4.2.1.1. einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, 4.2.1.2. einem Diuretikum und 4.2.1.3. einem Herzgylcosid.
4. Der für die Lösung dieses Problems zuständige Fachmann ist ein Facharzt für Innere Medizin, der über Erfahrungen auf dem Gebiet der medikamentösen Therapie kardiologischer Erkrankungen verfügt.
II.
1.1 Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 6 und 9 in der B1-Fassung des Streitpatents (Hauptantrag) erweisen sich mangels Neuheit als nicht bestandsfähig.
Patentanspruch 1 richtet sich nach seinem Wortlaut auf die Verwendung einer Verbindung, die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein 1-Adrenorezeptorantagonist ist, zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern, allein oder in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid. Nach Auffassung des Senats ist die damit umschriebene technische Lehre die Behandlung des kongestiven Herzversagens bei Säugern mit näher definierten chemischen Verbindungen. Die Mortalität der Säuger wird als Erfolg dieser technischen Maßnahme gesenkt.
a) Doughty et al., JACC 23 (1994) 814-821 (Entgegenhaltung 2) haben in einem Übersichtsartikel, über die Verwendung von ß-Blockern bei der Behandlung der Herzinsuffizienz referiert. In Tabelle 1 auf Seite 817 werden verschiedene kontrollierte Studien über die Behandlung des kongestiven Herzversagens (Congestive Heart Failure) mit ß-Blockern aufgelistet. Carvedilol ist hier als mögliches Therapeutikum erwähnt. Es wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf zwei Studien (Entgegenhaltungen (8) und (13)) Bezug genommen, in denen eine Verbesserung der Ejektionsfraktion (EF) bei Verwendung von Carvedilol, dem patentgemäß besonders bevorzugten Wirkstoff, gefunden wird. Somit ist aus Druckschrift (2) Tabelle 1 bekannt, dass eine Verbindung, die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein 1-Adrenorezeptorantagonist ist (Carvedilol), im Stand der Technik zumindest versuchsweise zur Behandlung des kongestiven Herzversagens bei Säugern eingesetzt wurde. Auf Seite 819 li Sp Abs 2 Z 6 von unten bis letzte Zeile wird auch auf die besonders günstige Kombination von -Blockern mit ACE-Hemmern bei der Behandlung des Zustands nach Herzinfarkt sowie der Herzinsuffizienz hingewiesen.
Die neue und erfinderische Verwendung einer als Arzneimittel bereits bekannten Substanz zur Behandlung einer mit dieser Substanz noch nicht behandelten Krankheit ist patentfähig (BGH GRUR 1983, 729 "Hydropyridin"). Auf der Grundlage dieser Entscheidung ist zu untersuchen, ob die aus Entgegenhaltung (2) sinngemäß bekannte "Verwendung von Carvedilol zur Behandlung des kongestiven Herzversagens" eine andere Indikation als die beanspruchte "Verwendung einer Verbindung, die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein 1-Adrenorezeptorantagonist ist, zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern" definiert und damit einen Unterschied beinhaltet, der die Neuheit begründen könnte.
Der Fall der Behandlung einer anderen Krankheit, die bisher noch nicht mit den beanspruchten Carbazolverbindungen behandelt wurde, liegt hier nicht vor.
Die Senkung der Mortalität bei der Behandlung des kongestiven Herzversagens ergibt sich bei der bekannten Verwendung von Carvedilol von selbst. Es handelt sich daher bei der patentgemäßen Verwendung nicht um eine neue technische oder therapeutische Maßnahme, sondern lediglich um eine statistische Erfassung der Gegebenheiten bei der Behandlung des kongestiven Herzversagens mit Carvedilol. Eine Änderung der technischen Realisierung der bekannten Verwendung ist nicht notwendig, um eine Senkung der Mortalität zu erreichen. Es werden patentgemäß die gleichen Patienten behandelt, wie nach der Entgegenhaltung (2), nämlich Patienten mit kongestivem Herzversagen. Damit handelt es sich bei der Angabe "zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern" nicht um die Definition einer anderen Krankheit, sondern um die Umschreibung einer zusätzlichen vorteilhaften Wirkung, die sich bei der aus Druckschrift (2) bekannten Behandlung von Patienten mit kongestivem Herzversagen von selbst einstellt. Die Ausrichtung eines vorbeschriebenen Verfahrens auf die Erzielung eines bisher nicht erkannten Ergebnisses ist aber kein neues Verfahren, sofern sich das erstrebte Ergebnis von selbst einstellt, wenn das vorbeschriebene Verfahren ohne jegliche Änderung tatsächlich ausgeführt wird (BGH BlPMZ 79, 63 "-Aminobenzylpenicillin"). Diese Rechtsauffassung wird auch durch die Entscheidung T 254/93 der technische Beschwerdekammer 3.3.2 des Europäischen Patentamts (Amtsblatt EPA 1998, 285) gestützt.
Der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 3 nach Streitpatent wird somit durch die Druckschrift (2) neuheitsschädlich vorweggenommen, soweit diese Patentansprüche die Verwendung von Carvedilol alleine oder in Verbindung mit einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität aufgrund kongestiven Herzversagens bei Säugern betreffen. Dass die in Druckschrift (2) offenbarten Daten hinsichtlich Mortalitätsverbesserung eher skeptisch dargestellt werden und uU keine statistisch signifikante Verbesserung der Mortalitätsrate bei der Verabreichung von Carvedilol erwarten lassen, kann die Neuheit der Verwendung gemäß den Patentansprüchen 1 bis 3 nicht herstellen.
b) Eine ähnliche Beurteilung des Patentgegenstandes ergibt sich auch im Hinblick auf Senior et al., J. Cardiovasc. Pharm. 19, Suppl. 1 (1992) S117-S121 (Entgegenhaltung 3). Hier wird die Wirkung von Carvedilol an Patienten mit verschiedenen Kreislauferkrankungen und der Einfluss von Carvedilol auf den Rhythmus des Herzens beschreiben. In der Zusammenfassung wird erwähnt, dass Carvedilol ein -Adrenorezeptorantagonist ist, der auch eine Wirkung über die -Adrenorezeptoren entfaltet. Carvedilol ist ua wirksam bei der Behandlung des kongestiven Herzversagens (CHF) ((3) Zusammenfassung S S117 li Sp Z 1 bis 4). Es wurden 12 Patienten mit 12,5 bis 50 mg Carvedilol zweimal täglich 4 bis 8 Wochen lang behandelt, die an Stauungsherzinsuffizienz (CHF, congestive heart failure) litten ((3) Zusammenfassung SS117 li Sp Z 4 bis 9). In der CHF-Gruppe wurde beobachtet, dass sich der günstige Effekt von Carvedilol auf die Funktion des linken Ventrikels und die Hämodynamik mit einer Verbesserung des Auftretens ventrikulärer Extrasystolen (PVC, premature ventricular contraction) verbindet. Die Mortalität konnte dadurch in dieser Patientengruppe signifikant verbessert werden ((3) Zusammenfassung S S117 re Sp Z 11 bis 14 iVm S S120 re Sp Z 15 bis 19 und Z 30 bis 38). In Entgegenhaltung (3) wird auf Seite S118 li Sp Abs 2 und 3 auch die Kombination von Diuretika mit Carvedilol beschrieben. Damit wird der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 3, 5 und 6 durch Dokument (3) neuheitsschädlich vorweggenommen, soweit sie den Einsatz von Carvedilol alleine und dessen Verwendung zusammen mit Diuretika betreffen.
In diesem Zusammenhang macht die Beklagte geltend, dass in Druckschrift (3) lediglich eine Verbesserung des Herzrhythmus beschrieben werde und dass Daten, die eine Verringerung der Mortalität belegen könnten, nicht vorgelegt werden. Lediglich in der Zusammenfassung werde vermutet, dass die Verringerung von vorzeitigen ventrikulären Kontraktionen zu einer signifikanten Verringerung in der Mortalität führen könnte. Diese Vermutung sei jedoch durch keinerlei Daten belegt. Außerdem werde sie noch nicht einmal im vollen Text der Publikation näher diskutiert. Die bloße Spekulation im Abstract von Entgegenhaltung (3) stelle keine ausführbare Lehre zum technischen Handeln dar. Eine derartige Vermutung hätte einen Fachmann auf dem Gebiet der klinischen Medizin niemals veranlasst, sie durch eine entsprechende klinische Studie zu überprüfen. Folglich werde der Gegenstand des Streitpatents durch Entgegenhaltung (3) weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch nahegelegt.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Zum Stand der Technik, der bei der Neuheitsprüfung berücksichtigt werden muss, zählt das tatsächlich Beschriebene sogar dann, wenn es noch nicht ausgeführt ist. Der Fachmann hatte beim Studium der Zusammenfassung von Druckschrift (3) keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Somit konnte er der Entgegenhaltung (3) durchaus die patentierte technische Lehre der Patentansprüche 1 bis 3, 5 und 6 entnehmen.
c) McTavish et al., Drugs 45 (1993) 232-258 (Entgegenhaltung 4) offenbaren eine Übersicht über die pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Eigenschaften und die therapeutische Wirksamkeit von Carvedilol. Es wird im Summary auf Seite 233 ausgeführt, dass Carvedilol in der Lage ist, die Befindlichkeit sowie einige hämodynamische Parameter bei kongestivem Herzversagen (NYHA Klasse II oder III) zu verbessern. Die eingesetzte Dosis von 12,5 bis 50 mg Carvedilol zweimal täglich wird auf Seite 235 Abs 2 Z 4 bis 8, S 251 re Sp Z 5 von unten bis S 252 li Sp Z 5 und S 253 li Sp Z 4 bis 7 genannt. Es findet sich in dieser Entgegenhaltung zwar keinerlei Hinweis auf eine mögliche Verringerung der Mortalität durch Carvedilol bei Stauungsherzinsuffienz (CHF). Im Hinblick auf die bei der Diskussion von Entgegenhaltung (2) unter Punkt a) dargelegte Rechtsprechungspraxis des BGH und der Technischen Beschwerdekammer 3.3.2 des Europäischen Patentamts wird der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 3, 5 und 6 des Streitpatents auch durch Druckschrift (4) neuheitsschädlich vorweggenommen.
d) Analoges ergibt sich aus Olsen et al., JACC 21 (1993) 114A, Referat Nr. 725-2 (Entgegenhaltung 8) sowie Krum et al., JACC 21, Suppl. A (1993) 114A, Referat Nr. 725-1 (Entgegenhaltung 13), die eine Verbesserung der klinischen Symptomatik und der hämodynamischen Parameter bei kongestivem Herzversagen durch Behandlung mit Carvedilol belegen. Die Entgegenhaltung (8) nennt eine Anfangsdosierung von 3,125 mg Carvedilol zweimal täglich. Die Dosis von 6,25 mg zweimal täglich wird dann innerhalb eines Monats auf 25 mg zweimal täglich bzw 50 mg zweimal täglich gesteigert. Die Behandlung mit der höchsten Dosierung wird in dieser Studie dann für zusätzliche 3 Monate durchgeführt. Damit werden durch die Druckschrift (8) die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 4 und 6 neuheitsschädlich vorweggenommen. In Druckschrift (13) wird Carvedilol mit dem Herzglycosid Digoxin mit Diuretika und mit ACE-Hemmern kombiniert. Daher steht Druckschrift (13) noch zusätzlich der Neuheit des Gegenstands nach Patentanspruch 9 entgegen.
e) Die Patentansprüche 1 bis 6 und 9 sind mangels Neuheit nicht beständig, weil die Verwendung einer Verbindung, die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein 1-Adrenorezeptorantagonist (Carvedilol) ist, zur Behandlung des kongestiven Herzversagens bei Säugern, allein oder in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid, im nachgewiesenen Stand der Technik bekannt ist. Da im Streitpatent nur Carvedilol als besonders bevorzugt genannt wird und hinsichtlich weiterer unter die Patentansprüche fallender Verbindungen, die sowohl ein -Adrenorezeptorantagonist als auch ein 1-Adrenorezeptorantagonist sind, in der Patentschrift nichts Konkretes ausgeführt ist, kann auch für diese Gegenstände, die als glatte Äquivalente zum Carvedilol gelten müssen, keine Patentfähigkeit anerkannt werden. Dass am Prioritätstag ein Vorurteil der Fachwelt bestanden hat, Carvedilol für den patentgemäßen Zweck zu verwenden, wie es die Patentinhaberin mit Hilfe von 7 Dokumenten (Dokument 14 bis Dokument 20) sinngemäß zu belegen versucht, kann den Senat im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den Entgegenhaltungen (2), (3), (4), (8) oder (13) nicht überzeugen.
1.2 Bezüglich der Patentansprüche 7, 8, 10, 11 und 12 gemäß Hauptantrag hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger erfinderischer Gehalt zukäme. Dies ist für den Senat auch nicht ersichtlich.
Die im Patentanspruch 7 genannten ACE-Hemmer sind durchaus übliche Arzneimittel, so dass auf Grund des Vorbekanntseins der beanspruchten Verwendung von Carvedilol in Verbindung mit ACE-Hemmern (Entgegenhaltung 13 oder Entgegenhaltung 2) deren Auswahl eine reine Routinemaßnahme ist. Analoges ergibt sich für die im Patentanspruch 8 aufgezählten Diuretika zur Verwendung in Kombination mit Carvedilol sowie die Kombination mit den Herzglycosiden des Patentanspruchs 9 im Hinblick auf die Entgegenhaltung (13).
Das Behandlungsschema des Patentanspruchs 10 sowie die Verwendung nach Patentanspruch 12 werden von der Druckschrift (8) derart nahegelegt, dass der Gegenstand dieses Patentanspruchs für sich mangels erfinderischer Tätigkeit nicht beständig ist. Eine Kombination der Druckschriften (8) und (13) legt die Maßnahmen des Patentanspruchs 11 nahe.
Die Patentansprüche 7, 8, 10, 11 und 12 gemäß Hauptantrag, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.
2. Auch die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen der Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 erweisen sich als nicht bestandsfähig.
Nach dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag 1 ist der Patentanspruch 1 gerichtet auf die "Verwendung von Carvedilol zur Herstellung eines Medikaments zur Senkung der Mortalität auf Grund kongestiven Herzversagens bei Säugern, allein oder in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid, und wobei das Medikament in einer täglichen Erhaltungsdosis von 10-100 mg zu verabreichen ist, wobei das Medikament in inkrementalen Dosierungsschemata verabreicht wird, die drei Dosisschemata umfassen, wobei das erste Schema die Verabreichung einer Menge von 10-30 % der täglichen Erhaltungsdosis der Verbindung über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst, das zweite Schema die Verabreichung einer Menge von 20-70 % dieser täglichen Dosis über einen Zeitraum von 7-28 Tagen umfasst und das dritte Schema die Verabreichung von 100 % dieser täglichen Dosis umfasst, die nach Beendigung des zweiten Schemas beginnt". Nach Hilfsantrag 2 wird Carvedilol nur noch in Verbindung mit einem oder mehreren anderen näher definierten therapeutischen Mitteln verwendet. Hilfsantrag 3 beschränkt die Verwendung auf den Einsatz von Carvedilol in Verbindung mit mehreren anderen definierten therapeutischen Mitteln.
Der neue Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 basiert auf den erteilten Patentansprüchen 1, 3 und 12. Die neuen Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 4 bis 11. Das Patentbegehren gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 hält sich im Umfang der ursprünglichen Offenbarung. Weder der Patentgegenstand noch der Schutzbereich des Streitpatents sind hierdurch erweitert worden, die Beschränkungen sind somit zulässig.
Die Entgegenhaltung (8) Olsen et al., JACC 21 (1993) 114A, Referat Nr. 725-2 belegt die Verbesserung der klinischen Symptomatik und der hämodynamischen Parameter bei kongestivem Herzversagen unter der Gabe von Carvedilol. Die Behandlung gemäß Entgegenhaltung (8) beginnt mit einer Dosierung von 3,125 mg Carvedilol zweimal täglich. Diese Dosierung, die 12,5 % einer Erhaltungsdosis von 25 mg Carvedilol entspricht, wird eine Woche beibehalten. Innerhalb eines weiteren Monats wird dann die Dosis von 6,25 mg zweimal täglich (entspricht 25 % einer Erhaltungsdosis von 25 mg Carvedilol) auf 25 mg zweimal täglich (für Patienten mit weniger als 75 kg Körpergewicht) bzw 50 mg zweimal täglich (für Patienten mit mehr als 75 kg Körpergewicht) gesteigert. Die Therapie mit der höchsten Dosierung wird in dieser Studie für zusätzliche 3 Monate fortgesetzt. Diesem letzten Behandlungsschritt der Studie entspricht im klinischen Alltag eine Dauerbehandlung mit der Erhaltungsdosis von 100 %. Das Dosisschema nach Entgegenhaltung (8) umfasst somit mindestens drei Stufen, wobei im ersten Schritt die Verabreichung einer Menge von 12,5 % der täglichen Erhaltungsdosis der Verbindung Carvedilol über einen Zeitraum von 7 Tagen vorgeschlagen wird. Die zweite Stufe dieses Dosisschemas umfasst die Verabreichung einer Menge von mindestens 25 % der täglichen Erhaltungsdosis über einen Zeitraum von maximal einem Monat. Spätestens nach Beendigung des zweiten Schemas beginnt gemäß Entgegenhaltung (8) die Verabreichung von 100 % der täglichen Erhaltungsdosis des Wirkstoffs Carvedilol. Damit wird aber einem Fachmann bereits durch die technische Lehre der Druckschrift (8) nahegelegt, bei der Behandlung des kongestiven Herzversagens innerhalb von etwa ein bis zwei Monaten die Dosis des Wirkstoffs Carvedilol von etwa 10 % langsam auf 100 % der Erhaltungsdosis zu steigern. Die Verfahrenschritte nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, soweit er die Verwendung von Carvedilol alleine betrifft, werden daher schon durch die Entgegenhaltung (8) derart nahegelegt, dass dieser Patentanspruch mangels erfinderischer Tätigkeit nicht beständig ist.
Insoweit der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 bzw nach den Hilfsanträgen 2 und 3 die Verwendung von Carvedilol in Verbindung mit einem oder mehreren anderen therapeutischen Mitteln betrifft, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid, ist noch zusätzlich auf die Entgegenhaltungen (2), (3) oder (13) hinzuweisen.
Auf Seite 819 li Sp Abs 2 Z 6 von unten bis letzte Zeile der Druckschrift (2) wird, wie oben bereits dargelegt, auf die besonders günstige Kombination von -Blockern mit ACE-Hemmern bei der Behandlung des Zustands nach Herzinfarkt sowie der Herzinsuffizienz hingewiesen. In Entgegenhaltung (3) wird auf Seite S118 li Sp Abs 2 und 3 die Kombination von Diuretika mit Carvedilol beschrieben. Damit wird der Gegenstand der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 durch eine Zusammenschau des Dokuments (8) mit Dokument (2) oder (3) nahegelegt, soweit sie den Einsatz von Carvedilol zusammen mit ACE-Hemmern oder Diuretika betreffen. Aus Krum et al., JACC 21, Suppl. A (1993) 114A, Referat Nr. 725-1 Entgegenhaltung (13) ist bekannt, Carvedilol mit dem Herzglycosid Digoxin, mit Diuretika und mit ACE-Hemmern zu kombinieren. Damit wird in Anbetracht der Entgegenhaltungen (8) und (13) auch die Verwendung von Carvedilol in Verbindung mit mehreren anderen therapeutischen Mitteln gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 nahegelegt, wobei diese Mittel ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus einem Hemmer für Angiotensin umwandelndes Enzym, einem Diuretikum und einem Herzglycosid. Dies gilt umso mehr, als die Entgegenhaltungen (8) und (13) auf derselben Seite in der wissenschaftlichen Zeitschrift JACC abgedruckt sind. Die in den Entgegenhaltungen (2), (3) oder (13) nicht explizit erwähnten Kombinationen von Carvedilol mit anderen patentgemäßen Wirkstoffen gemäß den Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge liegen bei Kenntnis des nachgewiesenen Standes der Technik voll im Bereich des Wissens und Könnens eines Durchschnittsfachmanns.
Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 ist somit mangels erfinderischer Tätigkeit nicht beständig. Bezüglich der Patentansprüche 2 bis 9 der Hilfsanträge 1 bis 3, die den erteilten Patentansprüchen 4 bis 11 entsprechen, hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger erfinderischer Gehalt zukäme. Dies ist für den Senat auch nicht ersichtlich. Diese Patentansprüche, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.
3. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung noch weitere, bereits schriftsätzlich geltend gemachte Angriffe (zB mangelnde gewerbliche Anwendbarkeit) gegen das Streitpatent vorgetragen. Der Senat verzichtet auf ein detailliertes Eingehen hierauf, weil dem Bestreben der Klägerin schon durch die erfolgte Vernichtung des Patents Rechnung getragen wurde.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 ZPO.
Sredl G. Wagner Jordan Brandt F. Feuerlein Ko
BPatG:
Urteil v. 18.09.2001
Az: 3 Ni 44/00
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