Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 8. November 2013
Aktenzeichen: 25 U 79/12
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 08.11.2013, Az.: 25 U 79/12)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 28. März 2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.000,00 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 17. November 2007 sowie weitere 174,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Oktober 2008 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 98 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 2 % zu tragen.
Das vorliegende Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind, letzteres soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 101.113,09 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten wegen der Folgen angeblicher ärztlicher Behandlungsfehler, wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken einer Operation und wegen des unterlassenen Abschlusses einer Probandenversicherung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der am € 1958 geborene Kläger stürzte am € 1997 von einem sechs Meter hohen Gerüst und zog sich beim Aufprall zahlreiche Verletzungen zu, unter anderem einen Bruch des rechten Oberschenkelhalses, der mit einer Schraubenosteosynthese versorgt wurde.
Am 2. Dezember 1998 wurden die hierbei eingebrachten Schrauben operativ entfernt. Anschließend litt der Kläger unter anhaltenden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Hüftgelenks. Es wurde eine posttraumatische Hüftkopfnekrose diagnostiziert, aufgrund derer die Indikation zur Implantation einer Hüftgelenkstotalendoprothese gestellt wurde. Zur Durchführung dieses Eingriffs begab sich der Kläger am 11. August 1999 in die von der Beklagten zu 1 betriebene orthopädische Klinik.
Nach einem in den Mittagsstunden des 11. August 1999 mit der Ärztin A geführten Aufklärungsgespräch willigte der Kläger in die geplante Operation ein. Grundlage des Gesprächs war eine schriftliche Basisinformation, in der unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass Längenunterschiede der Beine als Folge der Operation nicht mit letzter Sicherheit vermeidbar seien und dass es durch Verkalkungen in den benachbarten Muskeln zu erheblichen Bewegungseinschränkungen kommen könne. Auf die Gefahr intraoperativer Muskelverletzungen wurde nicht hingewiesen.
Am Abend des 11. August 1999 führte der Kläger ein weiteres Aufklärungsgespräch, nunmehr mit dem Arzt B. Hierbei wurde der Kläger darüber informiert, dass die Operationsmethode CASPAR zur Anwendung kommen sollte.
Bei dieser Methode wird die zum Einbringen des Prothesenschaftes notwendige Fräsung des Oberschenkelknochens nicht, wie bei der herkömmlichen Operationstechnik, manuell, sondern mit einem Roboter vorgenommen. Um den Roboter einsetzen zu können, müssen ein Computertomogramm des Bein-Beckenbereichs gefertigt und eine Voroperation durchgeführt werden, bei der Markierungsschrauben im Knochen eingebracht werden, die am Ende der eigentlichen Hüftgelenksoperation wieder entfernt werden können. In einem dem Kläger von B übergebenen Merkblatt wird ausgeführt, dass durch die Roboterfräsung ein gegenüber der herkömmlichen Operationstechnik deutlich verbesserter Flächenkontakt zwischen dem künstlichen Schaft und dem Oberschenkelknochen erreicht werden könne, wodurch ein besseres Einheilen und eine längere Standzeit des künstlichen Hüftimplantats in der Schaftkomponente zu erwarten seien. Die robotergesteuerte Fräsung des Oberschenkelschaftes sei bereits in über 2.000 Operationen durchgeführt worden. Nach dreijähriger Beobachtungszeit sei festzustellen, dass durch diese Operationsmethode eine optimierte Verankerung des Schaftes erzielt werden könne, wodurch das Einheilungsverfahren der Prothese positiv beeinflusst worden sei. Als Nachteile der Operationsmethode werden die Notwendigkeit einer Voroperation und ein möglicherweise auftretender Wundschmerz infolge der dabei vorzunehmenden Stichinzisionen genannt. Beim Einbringen der Endoprothese entstehe durch den Einsatz des CASPAR kein zusätzliches Risiko. Durch seine Unterschrift auf dem Merkblatt erklärte sich der Kläger mit der Anwendung dieser Operationsmethode, der Voroperation zum Einsetzen der Markierungsschrauben und der computertomographischen Untersuchung der Bein-Beckenregion einverstanden. Außerdem heißt es in dem Merkblatt, dass der Kläger an der klinischen Studie mit CASPAR teilnehme.
Nach Einsetzen der Markierungsschrauben wurde das rechte Hüftgelenk des Klägers am 12. August 1999 durch eine zementfreie Totalendoprothese ersetzt. Die Operation führte der in der Klinik der Beklagten zu 1 als Chefarzt tätige Beklagte zu 2 unter Einsatz eines Fräsroboters durch.
Ausweislich des Operationsberichts ordnete er eine frühfunktionelle Nachbehandlung mit sofortiger Vollbelastung an.
Der Kläger hat behauptet:
Er leide sowohl beim Gehen als auch beim Liegen unter anhaltenden Schmerzen im Bereich des rechten Hüftgelenks und des rechten Oberschenkels, weshalb er regelmäßig Schmerzmittel einnehmen müsse. Sein rechtes Bein sei kraftlos, er hinke, könne nur mit Mühe Treppen steigen, sein Bewegungsradius sei eingeschränkt. Das rechte Bein sei 2 cm kürzer als das linke.
Diese Beschwerden und Beeinträchtigungen seien auf den Einsatz des Fräsroboters bei der Hüftgelenksoperation vom 12. August 1999 zurückzuführen. Die Operationsmethode CASPAR habe ein erhöhtes Risiko für Beschädigungen der hüftumgreifenden Muskulatur mit sich gebracht, da ein erweiterter Zugang zum Operationsgebiet habe geschaffen werden müssen. Dieses Risiko habe sich bei ihm verwirklicht. Wie sich aus dem Bericht des Radiologen C vom 7. Februar 2007 über eine am 29. Dezember 2006 durchgeführte Magnetresonanztomografie ergebe, sei es zu Schädigungen der Muskeln gluteus medius und maximus, quadratus femoris, vastus lateralis, gemellus inferior und superior sowie der Sehne des Musculus Psoas major und der Fascia lata gekommen. Der mittlere Gesäßmuskel sei quer zu seiner Struktur erweitert worden, indem man ihn ansatznah eingekerbt habe. Bei der herkömmlichen Operationsmethode werde dieser Muskel längs zur Faserrichtung gespalten und könne sich nach dem Eingriff wieder unproblematisch schließen.
Die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode sei behandlungsfehlerhaft gewesen, weil es damals schon kritische Stimmen in der medizinischen Literatur und auf Fachkongressen gegeben habe, die vor den Nachteilen der Methode gewarnt hätten.
Vorzuwerfen sei den Beklagten auch, dass die beschädigte Muskulatur nicht mit der gebotenen Sorgfalt vernäht worden sei.
Entgegen der entsprechenden Anordnung des Beklagten zu 2 habe das rechte Bein nicht sofort voll belastet werden dürfen. Eine vorsichtige Teilmobilisierung über längere Zeit habe das €Ausreißen der Muskulatur€ womöglich verhindern können.
Da die eingetretenen Schäden postoperativ nicht festgestellt worden seien, sei die rechtzeitige Durchführung einer Revisionsoperation versäumt worden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei über die mit der experimentellen CASPAR-Operationsmethode verbundenen Risiken nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Das erst am Vorabend der Operation geführte Aufklärungsgespräch sei zu spät gewesen; zu diesem Zeitpunkt habe er nicht mehr die Möglichkeit gehabt, sich frei zu entscheiden, zumal er unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln gestanden habe. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die CASPAR-Operationsmethode erhöhte systembedingte Risiken mit sich bringe, insbesondere die gesteigerte Gefahr von Muskelschädigungen. Mögliche unbekannte Risiken seien nicht erwähnt worden. Auch sei er nicht hinreichend über Behandlungsalternativen informiert worden. Wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte er dem Einsatz der CASPAR-Operationsmethode nicht zugestimmt, vielmehr hätte er sich für die Anwendung der herkömmlichen Operationstechnik entschieden.
Schadensersatzpflichtig seien die Beklagten nicht nur wegen eines von ihnen verschuldeten Behandlungsfehlers und wegen mangelhafter Aufklärung, sondern auch deshalb, weil sie für ihn keine Probandenversicherung abgeschlossen hätten, durch die sämtliche Schäden aus der Operation vom 12. August 1999 abgedeckt worden wären. Eine solche Versicherung sei wegen seiner Teilnahme an einer klinischen Studie zwingend erforderlich gewesen.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 25.000,00 EUR verlangt. Insoweit hat er behauptet, er könne wegen der operationsbedingten Beschwerden frühere sportliche Betätigungen nicht mehr ausüben, er sei nicht mehr in der Lage, sich in seinem Garten zu betätigen, sich hinzuknien oder eine Leiter zu besteigen. Aus Sorge um eine zunehmende Verschlechterung seines Gesundheitszustands leide er unter depressiven Verstimmungen.
Weiterhin sei es ihm nicht mehr möglich, seinen Einpersonenhaushalt selbständig zu führen und seine im selben Haus lebende Mutter bei der Haushaltsführung zu unterstützen.
Der Kläger hat deshalb für die Zeit von Dezember 1999 bis Oktober 2007 einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 33.230,05 EUR und einen weiteren Betrag in Höhe von 7.869,44 EUR für Gartenarbeit geltend gemacht. Wegen der Berechnung dieser Beträge wird auf Seite 30 ff. der Klageschrift (Bd. I Bl. 30 ff. d. A.) Bezug genommen. Für die Zeit ab November 2007 bis September 2033 hat der Kläger die Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von 349,79 EUR verlangt.
Darüber hinaus hat der Kläger folgende materiellen Schäden geltend gemacht: Kosten für ein zur Linderung der Schmerzen angeschafftes Wasserbett von 1.400,00 EUR, Zuzahlungen für krankengymnastische Behandlungen von insgesamt 431,20 EUR, Zuzahlungen für Rehabilitationsmaßnahmen von insgesamt 875,00 EUR, Kosten für ein vom Radiologen C erstelltes Gutachten von 324,16 EUR, Mehrkosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs mit Automatikgetriebe von 2.300,00 EUR und vorgerichtliche Anwaltskosten von 626,68 EUR und 1.213,36 EUR.
Schließlich hat der Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden begehrt. In diesem Zusammenhang hat er behauptet, infolge der Hüftgelenksoperation könne es zu weiteren, bislang nicht absehbaren Gesundheitsschäden und hierdurch bedingten zusätzlichen Kosten kommen. Möglicherweise werde er, wenn sich sein gesundheitlicher Zustand weiter verschlechtere, seinen Arbeitsplatz verlieren und Verdiensteinbußen erleiden.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung vom 12. August 1999 zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches mindestens jedoch 25.000,00 EUR nebst Zinsen seit dem 12. August 1999 in Höhe von 4 % betragen soll,
2. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz aus der fehlerhaften und rechtswidrigen ärztlichen Behandlung vom 12. August 1999 und der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Höhe von 47.056,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (16. November 2007) zu bezahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung vom 12. August 1999 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden,
4. die Beklagten zur Zahlung von weiteren 1.213,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ab Rechtshängigkeit (27. Oktober 2008) zu verurteilen,
5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ab dem 1. November 2007 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 349,79 EUR, jeweils im Voraus zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober eines jeden Jahres, bis zum 16. September 2033 zu bezahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Sie haben bestritten, dass die CASPAR-Operationsmethode im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Operation noch experimentellen Charakter gehabt habe. Es habe sich um ein allgemein zugelassenes Verfahren gehandelt, das nicht mit besonderen Risiken verbunden gewesen sei. Eine erweiterte Öffnung der Muskulatur sei nicht erforderlich gewesen, ein Querschnitt im Muskel sei nicht durchgeführt worden. Unbekannte Risiken hätten sich nicht verwirklicht.
Die vom Kläger behaupteten Beeinträchtigungen und Beschwerden seien nicht auf die Hüftgelenksoperation zurückzuführen. Der Eingriff sei behandlungsfehlerfrei durchgeführt worden, zu Muskelschädigungen sei es nicht gekommen, der Sitz der Prothese sei - insoweit unstreitig - regelgerecht. Eine Nachoperation sei wegen des guten Operationsergebnisses nicht notwendig gewesen.
Das Landgericht hat die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 6 OH 119/04 beigezogen, das zwischen den Parteien vor dem Landgericht Kassel anhängig gewesen ist und in dem der Sachverständige Sv1 ein fachorthopädisches Gutachten vom 27. März 2005 nebst Ergänzungsgutachten vom 13. Oktober 2005 und vom 26. Januar 2006 und der Sachverständige Sv2 ein bewegungsanalytisches Gutachten vom 23. August 2005 erstellt haben. Weiterhin hat das Landgericht ein fachorthopädisches Gutachten des Sachverständigen Sv3 vom 29. Juli 2010 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. Juni 2011 eingeholt, der ein radiologisches Zusatzgutachten des Sachverständigen Sv4 vom 25. Mai 2011 zugrunde liegt. Schließlich hat das Landgericht den Sachverständigen Sv3 im Verhandlungstermin vom 28. März 2012 ergänzend vernommen.
Durch Urteil vom 28. März 2012 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vom Kläger behaupteten Behandlungsfehler hätten sich nicht nachweisen lassen. Ob der Kläger über das mit Hüftgelenksoperationen allgemein verbundene Risiko von Muskelverletzungen und über die mit der CASPAR-Operationsmethode verbundenen besonderen Risiken ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung, weil der Kläger weder durch die Hüftgelenksoperation als solche noch durch die dabei angewendete CASPAR-Operationsmethode einen nachweisbaren Schaden erlitten habe. Insbesondere stehe nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dass seine ohnehin nicht erheblichen Muskelschädigungen auf den Einsatz des Fräsroboters zurückzuführen seien, über das mit einer Hüftgelenksoperation zwangsläufig verbundene Maß hinausgingen und nicht schon durch die beiden vorangegangenen Operationen im Bereich des Oberschenkels verursacht worden seien. Schließlich habe der Kläger nicht bewiesen, dass er an einer klinischen Studie teilgenommen habe.
Der Kläger hat gegen das ihm am 10. Mai 2012 zugestellte Urteil am 30. Mai 2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. August 2012 am 31. Juli 2012 begründet. Er verfolgt seine erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter. Der Kläger meint, dass sich seine Teilnahme an einer CASPAR-Studie schon aus dem von ihm und B am 11. August 1999 unterschriebenen Merkblatt ergebe. Für ihn habe deshalb gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 9 MPG in der damals geltenden Fassung eine Probandenversicherung abgeschlossen werden müssen, was wohl nicht erfolgt sei. Die Feststellung des Landgerichts, er habe durch den CASPAR-Einsatz keinen nachweisbaren Schaden erlitten, sei fehlerhaft. Vielmehr ergebe sich aus der von ihm eingeholten gutachterlichen Stellungnahme des Radiologen C vom 22. August 2011, der sich der gerichtlich bestellte Sachverständige Sv3 insoweit angeschlossen habe, dass Muskulatur teilweise abgelöst und refixiert worden sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts dürfe deshalb die Frage nach einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht offen bleiben. Tatsächlich sei die erfolgte Aufklärung unzureichend gewesen: Zum einen sei er nicht auf die mit Hüftgelenksoperationen verbundene Gefahr von Muskelverletzungen hingewiesen worden. Zum anderen sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass sich die Gefahr von Muskelverletzungen bei Anwendung der CASPAR-Operationsmethode deutlich erhöhe, dass diese Methode mit unbekannten Risiken verbunden sein könne und dass es sich um ein in Fachkreisen schon damals umstrittenes Verfahren gehandelt habe. Da er Muskelschäden erlitten habe, habe sich die fehlerhafte Aufklärung auch ausgewirkt. Jedenfalls sei es Sache der Beklagten nachzuweisen, dass sich die signifikante Risikoerhöhung nicht in einem Muskelschaden niedergeschlagen habe.
Der Kläger beantragt,
1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung vom 12. August 1999 zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches mindestens jedoch 25.000,00 EUR nebst Zinsen seit dem 12. August 1999 in Höhe von 4 % betragen soll,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz aus der fehlerhaften und rechtswidrigen ärztlichen Behandlung vom 12. August 1999 in Höhe von 47.056,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (16. November 2007) zu bezahlen,
4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung vom 12. August 1999 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden,
5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.213,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
6. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ab dem 1. November 2007 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 349,79 EUR, jeweils im Voraus zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober eines jeden Jahres, bis zum 16. September 2033 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Nach den eingeholten Sachverständigengutachten gebe es keine Hinweise darauf, dass der Kläger durch die Verwendung des Fräsroboters irgendeinen Schaden erlitten habe, der bei einer konventionellen Handfräsung vermieden worden wäre. Es habe sich demnach kein mit der CASPAR-Operationsmethode verbundenes Risiko verwirklicht. Bei der Implantation einer Hüftgelenkprothese sei es unumgänglich, die umgebende Muskulatur zu öffnen, um Zugang zum Hüftgelenk zu erhalten. Eine weitergehende Schädigung der Muskulatur habe der Kläger durch die Hüftgelenksoperation nicht erlitten. Der Kläger habe nicht an einer klinischen Studie teilgenommen.
Unabhängig hiervon wäre eine Probandenversicherung nicht eintrittspflichtig gewesen, weil der Kläger durch den Einsatz des Fräsroboters keinen Schaden erlitten habe.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache selbst hat das Rechtsmittel jedoch nur in geringem Umfang Erfolg. Ein ärztlicher Behandlungsfehler, der die Beklagten nach den - hier noch anwendbaren - Grundsätzen über die positive Vertragsverletzung des Behandlungsvertrags in Verbindung mit § 278 Satz 1 BGB oder auf deliktischer Grundlage (§§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB) zum Schadensersatz verpflichten würde, lässt sich nicht feststellen (unten 1.). Aus dem unterbliebenen Abschluss einer Probandenversicherung ist dem Kläger jedenfalls kein Schaden erwachsen (unten 3.). Unter dem Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung steht dem Kläger ein mit 2.000,00 EUR zu bemessendes Schmerzensgeld nur insoweit zu, als die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode präoperativ und intraoperativ zu körperlichen Belastungen geführt hat, die ihm bei Anwendung der herkömmlichen Operationsmethode erspart geblieben wären (unten 2).
1. Bei der Behandlung des Klägers ist den für die Beklagte zu 1 tätigen Ärzten, insbesondere dem Beklagten zu 2, kein Fehler unterlaufen.
a) Im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Hüftgelenksoperation, also am 12. August 1999, stellte die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode nicht schon als solche einen ärztlichen Behandlungsfehler dar.
Ausweislich des dem Kläger beim Aufklärungsgespräch übergebenen Merkblatts handelte es sich bei dieser Methode zwar im Jahr 1999 noch um ein in der Erprobung befindliches Verfahren, dessen Ergebnisse erst über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet worden waren.
Auch hat der vom Landgericht hinzugezogene Sachverständige Sv3 in seinem schriftlichen Gutachten vom 29. Juli 2010 bestätigt, dass es ab 1999 erste kritische Berichte über das vermehrte Schädigungspotential dieser Operationsmethode gab.
Die Anwendung einer nicht allgemein anerkannten Heilmethode ist aber grundsätzlich erlaubt und führt nicht ohne weiteres zu einer Haftung des Behandlers. Denn die Therapiewahl ist in erster Linie Sache des Arztes, dem für den Fall, dass praktisch gleichwertige Methoden zur Verfügung stehen, ein weites Ermessen eingeräumt ist. Bei der Wahl der Therapie ist der Arzt auch nicht stets auf den jeweils sichersten therapeutischen Weg festgelegt. Allerdings muss ein höheres Risiko in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falls oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden (BGH, NJW 2007, 2774 Rdn. 12 f. m. w. Nachw.).
Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte zu 2 für die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode entschieden hat. Gesicherte Erkenntnisse über besondere methodenspezifische Risiken beim Einsatz von Fräsrobotern lagen 1999 noch nicht vor. Dagegen ermöglichte der Einsatz solcher Roboter unbestritten eine im Vergleich zur händischen Operation deutlich präzisere Bohrung des Oberschenkelknochens, wodurch sich die Kontaktfläche zwischen Prothesenschaft und umgebendem Knochen erheblich vergrößerte. Dies ließ eine bessere Primärstabilität, ein besseres Einwachsverhalten und somit eine längere Standzeit der eingebrachten Prothese erwarten (vgl. Buchner, VersR 2006, 1460; Bender, VersR 2009, 176). Auch wenn im Jahr 1999 bis dahin unbekannte Risiken der Operationsmethode nicht ausgeschlossen werden konnten und es möglicherweise schon erste Hinweise auf besondere methodenspezifische Risiken gab, war die Anwendung dieses Operationsverfahrens angesichts der erwarteten Vorteile gerechtfertigt. Dementsprechend hat auch der Sachverständige Sv3 die Wahl dieser Methode nicht für vorwerfbar gehalten. In Übereinstimmung hiermit ist die Anwendung des mit dem CASPAR-Verfahren vergleichbaren Robodoc-Verfahrens jedenfalls für die Zeit bis zum Jahr 2000 in der Rechtsprechung nicht als behandlungsfehlerhaft bewertet worden (BGH, NJW 2006, 2477 Rdn. 6; OLG Frankfurt am Main, 8. Zivilsenat, NJW-RR 2005, 173, 174; OLG Dresden, Urteil vom 13. September 2007, 4 U 601/06, juris Rdn. 15). Auch das vom Kläger vorgelegte Grundsatzgutachten zu roboterunterstützten Fräsverfahren am coxalen Femur bei Hüftgelenkstotalendoprothesenimplantationen, das vom Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V. erstmals im Jahr 2004 veröffentlicht und im Jahr 2005 ergänzt worden ist, sieht in der Anwendung des Robodoc-Verfahrens als solcher keinen Behandlungsfehler.
b) Ein konkreter Fehler bei der Behandlung des Klägers im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 11. bis zum 31. August 1999 fällt den Ärzten der Beklagten zu 1 ebenfalls nicht zur Last.
aa) Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass die Muskulatur des Klägers im Zuge der Hüftgelenksoperation vermeidbar geschädigt worden ist. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Feststellungen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eine erneute Tatsachenfeststellung in der Berufungsinstanz gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
Zwar hat der Radiologe C in seinem Bericht vom 7. Februar 2007 aufgrund einer von ihm durchgeführten Magnetresonanztomografie mäßige narbige Defekte des rechten mittleren Gesäßmuskels des Klägers und Atrophien bei verschiedenen anderen Muskeln beschrieben. Diese Muskelschäden sind jedoch nach Einschätzung des Sachverständigen Sv3 nicht erheblich. Jedenfalls lässt sich seinen Angaben zufolge nicht feststellen, dass diese Muskelschäden gerade auf die Hüftgelenksoperation vom 12. August 1999 und nicht auf die in derselben Körperregion zuvor bereits durchgeführten Operationen, nämlich die Schraubenosteosynthese im Jahr 1997 und die Metallentfernung im Jahr 1998, zurückzuführen sind. Ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang zwischen einem etwaigen Fehler bei der Hüftgelenksoperation und den Muskelschäden ergibt sich auch nicht aus dem Bericht des Radiologen C vom 7. Februar 2007 und aus dessen gutachterlichen Stellungnahme vom 22. August 2011.
Vielmehr hat C die beiden Voroperationen nicht in seine Erwägungen einbezogen und ist der Frage des Kausalzusammenhangs nicht weiter nachgegangen. Dieses negative Beweisergebnis geht zu Lasten des Klägers, weil es Sache des geschädigten Patienten ist, sowohl den Sorgfaltspflichtverstoß des Arztes als auch dessen Ursächlichkeit für die erlittene Gesundheitsverletzung nachzuweisen (MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rdn. 801 m. w. Nachw.).
Die Ausführungen C belegen ebenfalls nicht, dass der rechte mittlere Gesäßmuskel des Klägers, wie von ihm behauptet, quer zu seiner Struktur eingeschnitten worden ist. Eine derartige quere Myotomie des Musculus gluteus medius hat der Sachverständige Dr. Sv3 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Juni 2011 nach Einholung eines radiologischen Zusatzgutachtens des Sachverständigen Sv4 vom 25. Mai 2011 sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Danach ergibt sich aus den von C gefertigten Bildaufnahmen nur eine partielle Myotomie im Faserverlauf dieses Muskels. Ein solcher Einschnitt war, wie der Sachverständige Sv3 weiter ausgeführt hat und auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen worden ist, notwendig, um einen Zugang zum Hüftgelenk zu schaffen.
Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein rechter mittlerer Gesäßmuskel nach den Angaben Dr. C in dessen gutachterlichen Stellungnahme vom 22. August 2011 in erheblichem Umfang abgelöst und refixiert worden ist. Dies ist nach den Erläuterungen des Sachverständigen Sv3 im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 28. März 2012 ebenfalls darauf zurückzuführen, dass ein operativer Zugang zum Hüftgelenk geschaffen werden musste. Ein Behandlungsfehler liegt hierin nicht.
Es besteht keine Veranlassung, an den vom Landgericht zugrunde gelegten Feststellungen des Sachverständigen Sv3 zu zweifeln. Sie beruhen auf den vom Kläger selbst vorgelegten Bildaufnahmen des Radiologen C. Sollte C, was seinen Ausführungen allerdings nicht ohne weiteres zu entnehmen ist, der Auffassung sein, den Ärzten der Beklagten zu 1 sei bei der Operation des Klägers ein Fehler unterlaufen, stünde dies zwar im Widerspruch zur Einschätzung Sv3. Dies wäre jedoch schon deshalb nicht von entscheidender Bedeutung, weil C als Radiologe über keine erkennbare Kompetenz zur Beurteilung spezifisch orthopädischer Sachverhalte verfügt, während Sv3 etwaige Defizite auf radiologischem Fachgebiet durch die Hinzuziehung des Sachverständigen Sv4 kompensiert hat. Darüber hinaus hat C die Voroperationen des Klägers nicht berücksichtigt, die es nach den Feststellungen Sv3 unmöglich machen, die vorhandenen Muskelschädigungen zweifelsfrei der Hüftgelenksoperation vom 12. August 1999 zuzuordnen.
bb) Soweit der Kläger erstinstanzlich behauptet hat, die intraoperativ beschädigte Muskulatur sei nicht mit der gebotenen Sorgfalt vernäht worden, eine sofortige Vollbelastung des rechten Beins habe nicht angeordnet werden dürfen und postoperativ sei wegen einer unzureichenden Kontrolle die rechtzeitige Durchführung einer Revisionsoperation versäumt worden, hat das Landgericht entsprechende Feststellungen nicht zu treffen vermocht. Auch in diesen Punkten besteht kein Anlass, an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zu zweifeln. Vielmehr stehen die Ausführungen des Landgerichts im Einklang mit den Angaben des Sachverständigen Sv3. Insoweit hat der Kläger das erstinstanzliche Urteil auch nicht angegriffen.
2. Zwar war die Aufklärung des Klägers über die mit der Hüftgelenksoperation unter Anwendung der CASPAR-Operationsmethode verbundenen Risiken nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß. Dies hat sich für den Kläger jedoch nur in verhältnismäßig geringem Umfang nachteilig ausgewirkt.
a) Es kann dahinstehen, ob der Kläger im Rahmen der von der Ärztin A durchgeführten Grundaufklärung darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass die Hüftgelenksoperation als solche unabhängig von der Anwendung der CASPAR-Operationsmethode die Gefahr von Muskelverletzungen mit sich brachte. Ein solcher Hinweis findet sich in dem dem Kläger von der Ärztin A übergebenen Aufklärungsbogen nicht; dass der Kläger über diese Gefahr mündlich unterrichtet worden wäre, haben die Beklagten nicht behauptet.
Die Gefahr von Muskelverletzungen hat sich nämlich nicht realisiert. Soweit der mittlere Gesäßmuskel des Klägers abgelöst wurde, handelte es sich nicht um die Verwirklichung eines möglichst zu vermeidenden Operationsrisikos. Diese Ablösung war vielmehr nach den Angaben des Sachverständigen Sv3 erforderlich, um einen Zugang zum Hüftgelenk des Klägers zu schaffen. Es handelte sich mithin um einen planmäßigen Teil der durchgeführten Operation. Dass es zur Implantation eines künstlichen Hüftgelenks notwendig ist, die umgebenden Gewebestrukturen zu öffnen, ist derart selbstverständlich, dass der Kläger hierüber nicht im Zweifel gewesen sein kann. Dies wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
Medizinisches Detailwissen, etwa zu Art und Umfang von Muskelablösungen, musste ihm nicht vermittelt werden (BGH, NJW 1991, 2346, 2347; NJW 2009, 1209, 1210 Rdn. 11). Soweit Vernarbungen und Atrophien von Muskeln des Klägers feststellbar sind, können sie nach dem oben Gesagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) auf die Hüftgelenksoperation zurückgeführt werden. Diese Schädigungen können vielmehr Folgen der beiden vorangegangenen Operationen im Oberschenkelbereich sein.
Allerdings geht der Bundesgerichtshof im Grundsatz davon aus, dass Aufklärungsdefizite, unabhängig davon, ob sich ein aufklärungsbedürftiges Risiko verwirklicht oder nicht, nicht anders als bei einem eigenmächtigen ärztlichen Vorgehen ohne jede Einwilligung den ärztlichen Eingriff insgesamt mangels ausreichender Einwilligung des Patienten rechtswidrig machen und deshalb bei einem Verschulden des Arztes grundsätzlich zu einer Haftung für alle Schadensfolgen führen (BGH, NJW 1989, 1533, 1535; NJW 1991, 2346, 2347). Aufgrund der in erster Instanz und im vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch auch unter Berücksichtigung der dem Kläger insoweit gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zugutekommenden Beweiserleichterungen nicht fest, dass sich die Hüftgelenksoperation für ihn in irgendeiner Weise nachteilig ausgewirkt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Sv1 in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 27. März 2005 und in seinem Ergänzungsgutachten vom 26. Januar 2006 lässt sich den vorliegenden Röntgenbildern entnehmen, dass bei dem Kläger schon vor der Hüftgelenksoperation eine Verkürzung des rechten Beins um 1,5 cm bestand, die nach der Operation unverändert geblieben ist, und dass der Kläger bereits präoperativ unter einer deutlichen Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Hüfte litt, die nach einem Attest des Orthopäden D jedenfalls ab Juli 1999 mit zunehmenden Schmerzen verbunden gewesen sei. Dass sich dieser Zustand durch die Hüftgelenksoperation in irgendeiner Weise verschlechtert hätte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Sachverständige Sv1 bei einer klinischen Untersuchung des Klägers eine allenfalls leichtgradig eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks feststellen können. Soweit der Kläger ein rechts betontes hinkendes Gangbild aufweist, ist dies nach den Angaben des Sachverständigen auf die nach wie vor bestehenden Schmerzen zurückzuführen. Deren Ursache sei allerdings unklar.
Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Schmerzen und das hinkende Gangbild Folgen der Hüftgelenksoperation sind. Dass der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Sv2 in seinem bewegungsanalytischen Gutachten vom 23. August 2005 unter funktionellen Einschränkungen leidet, die an sich erst nach einem Implantatwechsel zu erwarten sind, lässt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Sv3 ohne weiteres damit erklären, dass die Hüftgelenksoperation vom 12. August 1999 wegen der beiden Voroperationen einer Revisionsoperation gleichkam. Dass durch die Operation vom 12. August 1999 ein besseres Ergebnis hätte erzielt werden können, ist damit nicht ersichtlich. Eine Verschlechterung gegenüber dem präoperativen Zustand ist nicht erwiesen.
Unabhängig hiervon ist der Kläger ausweislich des von ihm unterzeichneten Aufklärungsbogens von der Ärztin A darüber aufgeklärt worden, dass es infolge der Hüftgelenksoperation zu einem Längenunterschied der Beine, zu anhaltenden Schmerzen und zu erheblichen Bewegungseinschränkungen kommen kann. Der Kläger hat also in Kenntnis dieser möglichen Folgen in die Operation eingewilligt. Ihm stünden deshalb unter dem Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung selbst dann keine Schadensersatzansprüche zu, wenn die von ihm beklagten Beeinträchtigungen und Beschwerden auf die Hüftgelenksoperation zurückzuführen wären. Verwirklicht sich nämlich nur ein Risiko, über das aufgeklärt werden musste und über das auch tatsächlich aufgeklärt worden ist, dann kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob auch über andere Risiken, die sich nicht verwirklicht haben - hier: etwaige Muskelverletzungen - hätte aufgeklärt werden müssen. Hat der Patient bei seiner Einwilligung das später eingetretene Risiko in Kauf genommen, so kann er bei wertender Betrachtungsweise nach dem Schutzzweck der Aufklärungspflicht aus der Verwirklichung dieses Risikos keine Haftung herleiten (BGH, NJW 2006, 2477, 2479 Rdn. 18 - Robodoc).
b) Es ist unzweifelhaft, dass der Kläger über die mit der CASPAR-Operationsmethode verbundenen Gefahren nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist.
Will der Arzt keine allseits anerkannte Standardmethode, sondern eine relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken anwenden, so hat er den Patienten unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind (BGH, NJW 2006, 2477, 2478 Rdn. 14 - Robodoc). Dies haben die Beklagten nicht getan. Vielmehr heißt es in dem Merkblatt, das B dem Kläger ausgehändigt hat, durch den Einsatz des CASPAR entstehe kein zusätzliches Risiko beim Einbringen der Endoprothese. Dies war objektiv unzutreffend, weil der Einsatz eines Fräsroboters nach den Angaben des Sachverständigen Sv3 die Gefahr von Muskelverletzungen vergrößert. Dies konnten die Ärzte der Beklagten zu 1 im Jahr 1999 zwar noch nicht wissen. Sie wussten jedoch, dass wegen der relativ kurzen Beobachtungszeit noch keine abschließenden Aussagen über das Risikopotential der CASPAR-Operationsmethode getroffen werden konnten. Hierauf hätten sie den Kläger hinweisen müssen, was sie jedoch nicht getan haben.
Da die Einwilligung des Klägers in die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode somit mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksam war, müssen die Beklagten grundsätzlich für alle hieraus resultierenden Schadensfolgen haften.
Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger durch den Einsatz des Fräsroboters einen Schaden erlitten hat. Insbesondere hat es nicht für erwiesen erachtet, dass der rechte mittlere Gesäßmuskel des Klägers quer eingeschnitten wurde, um einen gegenüber der Standardmethode erweiterten Zugang zum Hüftgelenk zu schaffen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Feststellungen bestehen nicht. Sie stehen im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen Sv3, der in Übereinstimmung mit dem von ihm hinzugezogenen Radiologen Sv4 auf den von C gefertigten Bildaufnahmen keine quere Myotomie des Musculus gluteus medius zu erkennen vermochte und zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger sei durch das roboterunterstützte Fräsverfahren nicht geschädigt worden. Hiergegen hat der Kläger mit seiner Berufung keine erheblichen Einwände erhoben. Insbesondere steht die in der gutachterlichen Stellungnahme C vom 22. August 2011 beschriebene teilweise Ablösung des mittleren Gesäßmuskels in keinem Zusammenhang mit der CASPAR-Operationsmethode.
Wie der Sachverständige Sv3 im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 28. März 2012 näher erläutert hat, musste dieser Eingriff vorgenommen werden, um den auch bei herkömmlicher Operationstechnik erforderlichen Zugang zum Hüftgelenk zu schaffen. Dass hier mehr Muskelmasse abgelöst worden sei als bei Anwendung der Standardmethode notwendig gewesen wäre, sei nicht ersichtlich.
Das Landgericht hat allerdings übersehen, dass die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode zusätzliche Belastungen mit sich gebracht hat, die dem Kläger erspart geblieben wären, wenn er die Hüftgelenksoperation - was er nach eigenem Vorbringen bei ordnungsgemäßer Aufklärung getan hätte - in herkömmlicher Technik hätte durchführen lassen. In diesem Fall hätte sich der Kläger keiner Voroperation zum Einsetzen von Markierungsschrauben unterziehen müssen. Auch wäre die mit einer Computertomografie verbundene Strahlenbelastung des Klägers vermieden worden. Schließlich mag sich die Dauer der eigentlichen Hüftgelenksoperation durch den Einsatz des Fräsroboters etwas verlängert haben, wozu das Landgericht aber mangels dahingehenden Vortrags des Klägers keine näheren Feststellungen hat treffen können. Zwar waren dem Kläger diese zusätzlichen Belastungen bei Abgabe seiner Einwilligungserklärung bekannt. Wenn er gleichwohl bereit war, sie in Kauf zu nehmen, geschah dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode, wie in dem ihm übergebenen Merkblatt dargestellt, ansonsten ausschließlich Vorteile und keine besonderen Risiken mit sich brachte, was indes nicht zutraf. Die mit der Voroperation verbundenen Belastungen sind daher nach dem Schutzzweck der Aufklärungspflicht haftungsrelevant, weil die darauf bezogene Einwilligung des Klägers auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhte, die ihm eine selbstbestimmte Entscheidung nicht ermöglichte.
Berücksichtigt man, dass den Beklagten nur die leicht fahrlässige Verletzung einer bis dahin in der Rechtsprechung noch nicht ausdrücklich postulierten Aufklärungspflicht über unbekannte Risiken einer Neulandmethode zur Last fällt, weshalb der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes im vorliegenden Fall keine erhebliche Bedeutung zukommt, ist es zum Ausgleich der immateriellen Schäden des Klägers ausreichend, aber auch erforderlich, dass ihm die Beklagten einen Betrag in Höhe von 2.000,00 EUR zahlen (§ 847 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB). Auf diese schon vor dem 1. Mai 2000 fällig gewordene Geldschuld haben die Beklagten für die Zeit ab Zustellung der Klage am 16. November 2007 Prozesszinsen in Höhe von 4 % zu entrichten (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Dezember 2010, VI-U Kart 17/10, juris Rdn. 95 m. w. Nachw.). Woraus sich eine weitergehende Zinsforderung ergeben soll, hat der Kläger nicht dargelegt.
Da durch die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode keine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Klägers verursacht worden ist, müssen die Beklagten auch nicht für die angeblichen materiellen und immateriellen Folgen der vom Kläger behaupteten körperlichen Beschwerden und Beeinträchtigungen einstehen.
Dass der Kläger zukünftig wegen der Anwendung der CASPAR-Operationsmethode weitergehende Schäden erleiden könnte, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Der Feststellungsantrag ist daher unbegründet.
Soweit der Kläger Anspruch auf Schmerzensgeld hat, haben ihm die Beklagten auch die durch dessen Geltendmachung angefallenen anteiligen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe sich, um die medizinischen Grundlagen einer ordnungsgemäßen ärztlichen Aufklärung über die CASPAR-Operationsmethode zu klären, vorgerichtlich mit sachkundigen Ärzten besprechen müssen. Hierdurch ist - unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Materie - eine 10/10 Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung angefallen, die sich bei einem Gegenstandswert von 2.000,00 EUR auf 133,00 EUR beläuft.
Zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 25 Abs. 2 BRAGO) und Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO) belaufen sich die erstattungsfähigen Kosten auf [133,00 EUR + (133,00 EUR x 16 %) + (133,00 EUR x 15 %) =] 174,23 EUR. Auf diese erst nach dem 1. Mai 2000 fällig gewordene Geldschuld haben die Beklagten für die Zeit ab Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes vom 21. Oktober 2008 am 27. Oktober 2008 Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu entrichten (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in der ab dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB). Zwar war dieser Anspruch bereits von dem mit der Klageschrift anhängig gemachten Feststellungsantrag umfasst; dies reicht für den Eintritt der Rechtshängigkeit jedoch nicht aus (MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl., § 291 Rdn. 8 m. w. Nachw.).
3. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen des unterbliebenen Abschlusses einer Probandenversicherung steht dem Kläger nicht zu.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger, was das von ihm und B unterzeichnete Merkblatt nahelegt, an einer klinischen Studie zu dem CASPAR-Operationsverfahren teilgenommen hat und ob die Beklagte zu 1 deshalb gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 9 MPG in der bis zum 6. November 2001 geltenden Fassung (a. F.) zum Abschluss einer ihn begünstigenden Probandenversicherung verpflichtet war. Offen bleiben kann auch, ob in einem Verstoß gegen diese Pflicht zugleich eine Verletzung des zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 geschlossenen Behandlungsvertrags läge. Durch den unterlassenen Abschluss einer Probenversicherung ist dem Kläger nämlich kein ersatzfähiger Schaden entstanden. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 9 MPG a. F. war eine Versicherung nämlich nur für den Fall abzuschließen, dass bei der Durchführung der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder beeinträchtigt wird. Zu versichern waren daher nur solche Gesundheitsschädigungen, die ursächlich auf die bei der klinischen Prüfung angewendeten Medizinprodukte oder damit zusammenhängende Maßnahmen zurückzuführen sind (vgl. Nr. 1.3. der vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. herausgegebenen Allgemeine Versicherungsbedingungen für eine versicherungspflichtige klinische Prüfung von Medizinprodukten). Durch die Anwendung der CASPAR-Operationsmethode ist dem Kläger jedoch, wie oben dargelegt, kein Gesundheitsschaden entstanden. Aus einer Probandenversicherung hätte er deshalb keine Leistungen erhalten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Ausschlaggebend für die Beurteilung waren nicht klärungsbedürftige Rechtsfragen grundsätzlicher Art, sondern die besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalles. Eine darüber hinausreichende Bedeutung des Streitfalles oder eine entscheidungserhebliche Abweichung von obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, ebenso wenig, dass die Streitsache im Interesse der Allgemeinheit Anlass zur Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze geben könnte.
Da das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angefochten worden ist, entspricht der Streitwert des Berufungsverfahrens demjenigen des erstinstanzlichen Verfahrens, der vom Landgericht durch Beschluss vom 11. April 2012 zutreffend und von den Parteien unbeanstandet auf 101.113,09 EUR festgesetzt worden ist.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 08.11.2013
Az: 25 U 79/12
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