Bundespatentgericht:
Urteil vom 10. Juli 2008
Aktenzeichen: 10 Ni 22/07

(BPatG: Urteil v. 10.07.2008, Az.: 10 Ni 22/07)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 749 549 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 und 5, letzterer soweit er unmittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen ist, sowie im Umfang seiner Patentansprüche 6 und 10, letzterer soweit er unmittelbar auf Patentanspruch 6 rückbezogen ist, teilweise für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist die im Register eingetragene Inhaberin des am 3. März 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität der schwedischen Anmeldung SE 9400755 vom 7. März 1994 angemeldeten und unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 749 549 (Streitpatent, EP 0 749 549 B1). Das Streitpatent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 695 00 656 geführt. Es trägt in der deutschen Übersetzung (DE 695 00 656 T2) die Bezeichnung "Methode und Vorrichtung zum Kühlen eines Produktes unter Verwendung von einem kondensierten Gas". Seine Patentansprüche 1, 5, 6 und 10 lauten (DE 695 00 656 T2):

1. Verfahren zum Kühlen eines Produkts mit Hilfe des Kältegehalts eines kondensierten Gases, bei dem man das Produkt, vorzugsweise in einem Gas- oder flüssigen Zustand, wenigstens einen Produktkühlwärmetauscher passieren lässt, gekennzeichnet durch Verdampfen des kondensierten Gases in wenigstens einem Verdampfungswärmetauscher; Zuführen des verdampften Gases zu dem Produktkühlwärmetauscher zum Kühlen des darin befindlichen Produktes; und Zurückführen des durch das Produkt in dem Produktkühlwärmetauscher erwärmten Gases zu dem Verdampfungswärmetauscher zum Verdampfen des darin befindlichen kondensierten Gases.

5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das kondensierte Gas kondensierter bzw. kondensiertes Stickstoff, Argon, Sauerstoff, Kohlendioxid oder Erdgas ist.

6. Anordnung zum Kühlen eines Produkts mit Hilfe des Kältegehalts eines kondensierten Gases, mit wenigstens einem Produktkühlwärmetauscher (20), durch den ein Passieren des Produktes vorzugsweise im Gas- oder flüssigen Zustand vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Anordnung wenigstens einen Verdampfungswärmetauscher (30) zum Verdampfen des kondensierten Gases aufweist, ferner Mittel (3) zum Zuführen des verdampften Gases zu dem Produktkühlwärmetauscher (20) zum Kühlen des darin befindlichen Produktes, und Mittel (4) zum Zurückführen des durch das Produkt in dem Produktkühlwärmetauscher (20) erwärmten Gases zu dem Verdampfungswärmetauscher (30) zum Verdampfen des darin befindlichen kondensierten Gases.

10. Anordnung nach einem der Ansprüche 6 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass alle Wärmetauscher separate Wärmetauscher vom Mitstrom-, Gegenstrom- oder Querstromtyp sind.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents im Umfang der Patentansprüche 1 und 5, soweit letzterer unmittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogen ist, sowie 6 und 10, soweit letzterer unmittelbar auf den Patentanspruch 6 rückbezogen ist, sei nicht patentfähig, weil er nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Begründung stützt sie sich unter anderem auf folgende Druckschriften:

DE-OS 27 33 745 (D1) und DE-OS 27 53 495 (D3).

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie verweist zur Bedeutung des Begriffs "Wärmetauscher" auf Lueger, Lexikon der Verfahrenstechnik, Band 16, Seite 562 (Anlage G4).

In der mündlichen Verhandlung hat sie Patentansprüche 1, 5 und 6 gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 sowie Patentansprüche 1 und 5 gemäß Hilfsanträgen 3 und 4 vorgelegt.

Die Patentansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheiden sich dadurch von den oben zitierten Patentansprüchen 1 und 6 gemäß DE 695 00 656 T2, dass an deren Ende jeweils folgendes Merkmal angefügt ist

"wobei alle Wärmetauscher separate Wärmetauscher vom Mitstrom-, Gegenstrom- oder Querstromtyp sind."

Der Patentanspruch 5 gemäß Hilfsantrag 1 stimmt mit dem oben zitierten Patentanspruch 5 gemäß DE 695 00 656 T2 überein.

Die Patentansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheiden sich dadurch von den Patentansprüchen 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 1, dass jeweils in der ersten Zeile die Wortfolge "eines Produkts" durch die Wortfolge "eines gasförmigen Produkts" ersetzt ist und dass im Folgenden die Wortfolge "vorzugsweise in einem Gas- oder flüssigen Zustand" (Anspruch 1) bzw. "vorzugsweise im Gas- oder flüssigen Zustand" (Anspruch 6) gestrichen ist. Der Patentanspruch 5 nach Hilfsantrag 2 entspricht dem Patentanspruch 5 nach Hilfsantrag 1.

Die Patentansprüche 1 und 5 nach den Hilfsanträgen 3 und 4 entsprechen den Patentansprüchen 1 und 5 gemäß den Hilfsanträgen 1 bzw. 2.

Die Klägerin beantragt, das Patent EP 0 749 549 im Umfang der erteilten Patenansprüche 1 und 5, soweit unmittelbar rückbezogen auf Patenanspruch 1, sowie 6 und 10, soweit unmittelbar rückbezogen auf Patentanspruch 6, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen gemäß den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträgen 1 bis 4 und beantragt auch insoweit Klageabweisung.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents (im angegriffenen Umfang) zumindest in der Fassung der Patentansprüche nach einem der in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge patentfähig sei.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents im beantragten Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a. EPÜ.

I.

1. Zum Stand der Technik, von dem die Lehre des Streitpatents ausgeht, ist in der Patentschrift ausgeführt, dass vielen großen Gasverbrauchern das Gas im kondensierten Zustand geliefert werde (hier und im Folgenden wird stets auf die DE 695 00 656 T2 Bezug genommen). Zur Verwendung werde das kondensierte Gas normalerweise in einem Luftverdampfer verdampft, was zum Verlust des Kältegehalts des kondensierten Gases führe. Um dies zu vermeiden werde ein flexibles und kostengünstiges Gerät benötigt, das zum Kühlen verschiedener Produkte verwendet werden könne, ohne dass die Produkte gefroren würden. Das Gerät solle weder separate Antriebsmittel, wie Pumpen oder Gebläse, noch andere Energie verbrauchende Einheiten benötigen, da die gesamte zugeführte Energie zu ansteigenden Kühlverlusten beitrage. Das Gerät solle weiter ohne die Verwendung eines zusätzlichen Wärmeübertragungsmediums mit niedrigem Gefrierpunkt arbeiten können, da ein solches Mittel die Verwendung einer Pumpe oder einer ähnlichen Einrichtung benötige (S. 1 Abs. 2).

Laut Patentschrift besteht die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin, ein Verfahren und eine Anordnung für die hocheffektive Nutzung des Kältegehalts von kondensiertem Gas mit Hilfe einfacher und kostengünstiger Teile zu schaffen, die nicht die Verwendung von Pumpen, Gebläsen oder anderer Energiezuführungsgeräte benötigen und die das Risiko eines Gefrierens des zu kühlenden Produkts beseitigen (S. 2 Abs. 1).

2. Der Patentanspruch 1 des Streitpatents gibt zur Lösung dieser Aufgabe folgendes Verfahren an:

1. Verfahren zum Kühlen eines Produkts 1.1 mit Hilfe des Kältegehaltes eines kondensierten Gases, 2. das Produkt passiert wenigstens einen Produktkühlwärmetauscher, 3. kondensiertes Gas wird in einem Verdampfungswärmetauscher verdampft, 3.1 das verdampfte Gas wird zu dem Produktkühlwärmetauscher geführt, 3.2 es kühlt das darin befindliche Produkt, 3.3 das durch das Produkt in dem Produktkühlwärmetauscher erwärmte Gas wird zu dem Verdampfungswärmetauscher zurückgeführt 3.4 zum Verdampfen des darin befindlichen kondensierten Gases.

Eine Anordnung zur Lösung der genannten Aufgabe hat nach Patentanspruch 6 des Streitpatents folgende Merkmale:

1. Anordnung zum Kühlen eines Produkts 1.1 mit Hilfe des Kältegehalts eines kondensierten Gases, mit 2. einem Produktkühlwärmetauscher (20), den das zu kühlende Produkt passiert, 3. einem Verdampfungswärmetauscher (30) zum Verdampfen des kondensierten Gases, 4. Mitteln (3) zum Zuführen des verdampften Gases zum Produktkühlwärmetauscher (20) zum Kühlen des darin befindlichen Produkts, 5. Mitteln (4) zum Zurückführen des durch das Produkt im Produktkühlwärmetauscher (20) erwärmten Gases zum Verdampfungswärmetauscher (30) zum Verdampfen des darin befindlichen kondensierten Gases.

II.

1. Als maßgebender Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Diplom-Ingenieur der Verfahrenstechnik oder des Maschinenbaus mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Kältetechnik anzusehen.

2. Streng genommen ist es technisch nicht korrekt, wenn die Patentschrift von einem Kältegehalt eines kondensierten Gases spricht. Gemeint ist hier (Merkmal 1.1) die Wärme, die zur Verdampfung des kondensierten Gases und ggfs. zur anschließenden Aufheizung des Dampfes benötigt und einem Wärme abgebenden Medium, dem zu kühlenden Produkt, entzogen wird. Die nicht ganz zutreffende Ausdrucksweise führt aber nicht zu Unklarheiten oder Verständnisschwierigkeiten und wird daher der Terminologie des Streitpatents folgend beibehalten.

Das Merkmal 1.1 ist i. V. m. dem Merkmal 3.3 und unter Beachtung der Beschreibung so zu verstehen, dass der gesamte Kältegehalt des eingesetzten kondensierten Gases in die Abkühlung des Produkts geht, d. h. dass auch die zur Verdampfung des kondensierten Gases benötigte Wärme letztlich dem zu kühlenden Produkt entzogen wird. Eine Kühlung, d. h. ein Wärmeentzug, führt nicht zwangsläufig zu einer Temperaturabsenkung, z. B. dann nicht, wenn es sich bei dem zu kühlenden Produkt um einen kondensierenden Dampf handelt.

Die Merkmale 3.1 bis 3.4 (Anspruch 1) sowie 4 und 5 (Anspruch 6) sind unter Beachtung der Beschreibung so zu verstehen, dass jeweils die gesamte Menge des verdampften bzw kondensierten Gases gemeint ist und nicht etwa nur einer von mehreren Teilströmen. Das Merkmal 3.3 (Anspruch 1) bzw. 5 (Anspruch 6) besagt, dass das Gas vom Produktkühlwärmetauscher direkt, d. h. ohne weitere Erwärmung durch eine andere Wärmequelle, zum Verdampfungswärmetauscher zurückgeführt wird.

Im Streitpatent ist das zu kühlende Produkt nicht näher spezifiziert. Es soll vorzugsweise gasförmig oder flüssig sein. Erst in den Hilfsanträgen 2 und 4 ist festgelegt, dass es sich um ein gasförmiges Produkt handelt. Sein Massenstrom (pro Zeiteinheit den Produktkühlwärmetauscher passierende Menge) und seine physikalischen Eigenschaften (z. B. Dichte, Wärmekapazität und Temperaturen) sind ebenso wenig spezifiziert wie die entsprechenden Werte des zur Kühlung verwendeten kondensierten bzw. verdampften Gases. Lediglich in einem Ausführungsbeispiel sind als zu kühlendes Produkt Wasser (Abkühlung von 40 auf 25 ¡C) und Stickstoff (Druck etwa 10) genannt (Tabelle 1).

Das Streitpatent enthält keine Aussage darüber, wie die Ströme des zu kühlenden Produkts und des kondensierten bzw. verdampften Gases eingestellt werden. Es wird vielmehr vorausgesetzt, dass die durchgesetzten Ströme und der Kühlbedarf bzw. die Kühlleistung zueinander passen oder außerhalb des Sichtbereichs der patentgemäßen Lehre gesteuert oder geregelt werden.

Unter dem Begriff "Wärmetauscher" versteht der Fachmann generell einen Apparat, in dem Wärme von einem Medium an ein anderes Medium übertragen, d. h. Wärme zwischen den Medien ausgetauscht wird. Aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt sich, dass hier Verfahren und Vorrichtungen gemeint sind, bei denen der Wärmeaustausch durch Wände hindurch erfolgt und nicht etwa im direkten Kontakt, z. B. durch Vermischen der Medien. Der von der Beklagten unter Bezugnahme auf Lueger a. a. O. (Anlage G4) vertretenen Auffassung, dass Verdampfer, bei denen eine das Wärme abgebende Medium führende Rohrschlange in einen mehr oder weniger stehenden Vorrat an zu verdampfendem Medium tauche (vergl. DE-OS 27 33 745 Fig. 2 und DE-OS 27 53 495), nicht unter den generellen Begriff "Wärmetauscher" falle, kann sich der Senat aber nicht anschließen. Die Aufzählung an der zitierten Stelle in Lueger ist nicht als abschließend zu verstehen und hinsichtlich der hier allein interessierenden Rekuperatoren offensichtlich auf die bekannten Gleich- bzw. Mitstrom-, Gegenstrom- und Kreuzstromwärmetauscher abgestellt, die Gegenstand der Weiterbildung gemäß Patentanspruch 10 des Streitpatents sind. In den vorgenannten Druckschriften werden übrigens die betreffenden Apparate als Wärmetauscher bezeichnet (DE-OS 27 33 745: Wärmeaustauscherschlange 211; DE-OS 27 53 495 Wärmetauscher 15).

3. Zum Hauptantrag 3.1 Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents ist nicht patentfähig, denn es beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der DE-OS 27 53 495 (D3) ist eine ähnliche Ausgangslage beschrieben wie auch in der Einleitung des Streitpatents: Ein Gasverbraucher benötigt Gas, das im kondensierten Zustand gespeichert ist, in einem gasförmigen Zustand. Dazu muss das kondensierte Gas verdampft werden. Als Stand der Technik ist in der D3 beschrieben, dass kondensiertes Gas aus einem Lagerbehälter unten abgezogen und anschließend verdampft wird (S. 3 der D3). Da bei einem solchen Vorgehen das Gas evtl. mit Verunreinigungen belastet ist, die sich unten im Behälter angesammelt haben, werden in der Druckschrift ein Verfahren und eine Vorrichtung vorgeschlagen, bei dem bzw. der die Wärme zum Verdampfen der benötigten Gasmenge dem kondensierten Gas im Lagerbehälter zugeführt wird. Verdampftes Gas wird aus dem Behälter abgezogen und einem Wärmetauscher 13 zugeführt, in dem es erwärmt wird. Das erwärmte Gas wird zurück zum Speicherbehälter geführt und darin durch einen zweiten Wärmetauscher 15 geleitet, in dem es die zum Verdampfen des kondensierten Gases benötigte Wärme abgibt. Dadurch, dass an verschiedenen Stellen der Druckschrift angegeben ist, dass mindestens ein Teil des verdampften Gases erwärmt und zum Verdampfungswärmetauscher zurückgeführt wird (Patentanspruch 1 und S. 4 letzte Zeile bis S. 5 Z. 3) umfasst der Offenbarungsgehalt der Druckschrift über das beschriebene Ausführungsbeispiel (Fig.) hinaus auch den Fall, dass die gesamte verdampfte Gasmenge zur Erwärmung zu einem Wärmetauscher geführt und anschließend durch den Verdampfungswärmetauscher geleitet wird. Dies ergibt sich auch aus den Vorrichtungsansprüchen 5 und 7, wonach die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nicht notwendigerweise, sondern erst in einer besonderen Ausführung Regelventile aufweist.

Von dem, wie vorstehend erläutert, aus der DE-OS 27 53 495 (D3) bekannten Verfahren unterscheidet sich das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 dadurch, dass ein Produkt in einem Produktwärmetauscher abgekühlt wird. Die Druckschrift enthält keine Angaben dazu, welches Medium zur Aufheizung des verdampften Gases im ersten Wärmetauscher 13 verwendet wird. Aufgrund der Darstellung in der Zeichnung der Entgegenhaltung wird der Fachmann davon ausgehen, dass es sich um ein gasförmiges oder flüssiges Medium handelt, das im Gleich- oder Gegenstrom zum zu erwärmenden verdampften Gas geführt wird. Dieses Medium gibt im Wärmetauscher die zum Erwärmen des verdampften Gases benötigte Wärme an dieses ab, d. h. es wird selber gekühlt.

Nach Überzeugung des Senats bedarf es keiner erfinderischen Tätigkeit, die (im Wärmetauscher 13) durch den Wärmebedarf des aufzuwärmenden verdampften Gases gebildete Wärmesenke zur Kühlung eines gasförmigen oder flüssigen Produkts zu verwenden. Der Fachmann ist nämlich stets bemüht, Prozesse möglichst ökonomisch zu führen und keine Energie zu verschwenden. Auch in der breiten Öffentlichkeit sind Maßnahmen bekannt, die sog. Abwärmen aus technischen Prozessen, z. B. der bei der Kühlung von Motoren oder - in größerem Maßstab - Kraftwerken anfallenden Wärme, zu nutzen - Stichwort Wärme-Kraft-Koppelung. Für den Fachmann sind auch auf dem Gebiet der Kältetechnik unter geeigneten Voraussetzungen vergleichbare Maßnahmen selbstverständlich. Im Übrigen ist es aus der DE-OS 27 33 745 (D1) bekannt, ein Produkt, nämlich ein Verfahrensgas, mit Hilfe des Kältegehaltes von kondensiertem Stickstoff zu kühlen. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ergibt sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

3.2 Die Anordnung, gemäß Patentanspruch 6 des Streitpatents ist nicht neu, denn eine Anordnung mit den im Patentanspruch angegebenen Merkmalen der räumlichkörperlichen Ausgestaltung ist aus der DE-OS 27 53 495 (D3) bekannt.

Die bekannte Anordnung weist nämlich einen Wärmetauscher 13 auf, den ein Wärme abgebendes Medium passiert (Merkmal 2). Außerdem ist ein Wärmetauscher 15 zum Verdampfen des kondensierten Gases (flüssiger Stickstoff) vorhanden (Merkmal 3). Schließlich weist die Anordnung auch Mittel (Leitungen) zum Zuführen des verdampften Gases zum Wärmetauscher 13 (Merkmal 4) sowie Mittel zum Zurückführen des im Wärmetauscher 13 erwärmten Gases zum Wärmetauscher 15 zum Verdampfen des kondensierten Gases auf (Merkmal 5).

Eine Neuheit der Anordnung nach Patentanspruch 6 ergibt sich nicht dadurch, dass im Patentanspruch 6 als Zweck der Anordnung die Kühlung eines Produkts in einem Produktkühlwärmetauscher angegeben ist. Hieraus resultiert nämlich keine unterschiedliche Ausbildung der Komponenten der Anordnung, insbesondere des Produktkühlwärmetauschers. Auch die Tatsache, dass im Patentanspruch 6 keine Regelventile und keine Leitungsverzweigungen genannt sind, führt nicht zu einer Neuheit der Anordnung gegenüber dem Stand der Technik nach der DE-OS 27 53 495. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Verfahren nach Patentanspruch 1 ausgeführt wurde, offenbart die Entgegenhaltung auch eine Ausgestaltung, bei der das gesamte im Verdampfungswärmetauscher durch Verdampfen des kondensierten Gases erzeugte Gas einem Wärmetauscher zugeführt wird, in dem es erwärmt wird, bevor es zum Verdampfungswärmetauscher zurückgeführt wird. Auch die im Ausführungsbeispiel der Druckschrift beschriebenen Regelventile und Leitungsverzweigungen sind nicht obligatorisch (vergl. Patentanspruch 5), sondern Bestandteil einer bevorzugten Ausbildung.

4. Zum Hilfsantrag 1 4.1 Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass am Ende zusätzlich angegeben ist, dass alle Wärmetauscher separate Wärmetauscher vom Mitstrom-, Gegenstrom- oder Querstromtyp sind. Hierdurch ergibt sich jedoch kein Verfahren, dass sich vom Verfahren nach Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents unterscheidet. Nach wie vor wird kondensiertes Gas in einem Verdampfungswärmetauscher verdampft, das verdampfte Gas zu einem Produktkühlwärmetauscher geführt, in dem es das den Produktkühlwärmetauscher passierende Produkt kühlt, indem es ihm Wärme entzieht. Schließlich wird das im Produktkühlwärmetauscher aufgewärmte Gas zum Verdampfungswärmetauscher zurückgeführt, in dem es Wärme zum Verdampfen des kondensierten Gases abgibt. Somit gelten hinsichtlich der Erfindungshöhe des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 die Ausführungen zum Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in gleicher Weise.

4.2 Die Anordnung gemäß Patentanspruch 6 nach Hilfsantrag 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher ebenfalls nicht patentfähig.

Diese Anordnung unterscheidet sich von der Anordnung gemäß Patentanspruch 6 nach Hauptantrag dadurch, dass alle Wärmetauscher separate Wärmetauscher vom Mitstrom-, Gegenstrom- oder Querstromtyp sind. Da in der DE-OS 27 53 495 (D3) nur ein Verdampfungswärmetauscher offenbart ist, bei dem eine das Wärme abgebende Gas führende Rohrschlange in einem Volumen kondensierten Gases eingetaucht ist und kein ständiger Durchfluss kondensierten Gases durch das Volumen offenbart ist, ist die Anordnung nach Patentanspruch 6 zwar neu. Für den Fachmann ist es aber naheliegend, das verdampfte Gas ständig zu ersetzen und dazu einen ständigen Zustrom von kondensiertem Gas vorzusehen. Damit gelangt er ohne weiteres ausgehend von der in der Figur der Entgegenhaltung dargestellten Ausführung zu einem Verdampfungswärmetauscher vom Gegenstrom- oder Kreuzstromtyp. Somit ergibt sich die Anordnung gemäß Patentanspruch 6 nach Hilfsantrag 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

5. Zum Hilfsantrag 2 Das Verfahren nach Patentanspruch 1 und die Anordnung nach Patentanspruch 6 gemäß Hilfsantrag 2 beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und sind daher nicht patentfähig.

Die Patentansprüche unterscheiden sich von den entsprechenden Patentansprüchen nach Hilfsantrag 1 lediglich dadurch, dass das zu kühlende Produkt obligatorisch gasförmig ist. Dass sich dadurch für die Beurteilung der Patentfähigkeit der Anspruchsgegenstände gegenüber dem Hilfsantrag 1 eine andere Sachlage ergibt, kann der Senat nicht erkennen. Somit gelten hier die Ausführungen zum Hilfsantrag 1 in gleicher Weise.

6. Zu den Hilfsanträgen 3 und 4 Die Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 und Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 sind nicht patentfähig.

Diese Patentansprüche stimmen mit denen nach den Hilfsanträgen 1 bzw. 2 überein. Hinsichtlich der Patentfähigkeit ihrer Gegenstände gilt daher das dort Ausgeführte.

Auch wenn als kondensiertes Gas gemäß Patentanspruch 5 Stickstoff, Argon, Sauerstoff, Kohlendioxid oder Erdgas spezifiziert ist, ergibt sich insgesamt kein patentfähiges Verfahren. Das hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht. Bei den genannten Gasen handelt es sich nämlich um allgemein bekannte, in der Kälte-, Verfahrens- und Energietechnik häufig verwendete tiefsiedende Gase.

III.

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 10.07.2008
Az: 10 Ni 22/07


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