Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. Februar 2014
Aktenzeichen: 6 U 71/13
(OLG Köln: Urteil v. 26.02.2014, Az.: 6 U 71/13)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. März 2013 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 123/12 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage mit dem Antrag zu II. als unzulässig abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin stellt seit Beginn der 1990er Jahre Thermostecker her und vertreibt sie ausschließlich an Großhändler und Erstausrüster (OEM), die die Stecker zur Herstellung von Thermoelementen und Messgeräten verwenden, und die jeweils über besondere fachliche Kenntnisse verfügen. In Deutschland umfasst der Kundenkreis der Klägerin etwa 15 bis 20 Kunden, bei denen es sich um Thermoelement- und Instrumentenhersteller handelt.
Auf ihrer Internetseite stellt die Klägerin ihr Geschäftsmodell wie folgt dar:
"I [die Klägerin] verkauft seine Produkte ausschließlich an ,OEM‘-Kunden z. B. Hersteller von Temperatursensoren, Komponentengroßhändler oder Instrumentenhersteller. Dies bedeutet, dass wir keine eigenen Verkaufsvertretungen unterhalten. I verkauft und produziert keine Temperatursensoren, Messgeräte oder Leitungen, so dass wir niemals mit unseren eigenen Kunden in eine Wettbewerbssituation geraten können. Ebenfalls annonciert I nicht unter eigenem Namen und nimmt auch nicht an Ausstellungen und Messen teil. Es ist sogar möglich, die Steckverbinder mit einem eigenen Firmennamen oder Logo zu versehen."
Thermosteckverbindungen werden in der Industrie zur Temperaturmessung genutzt, unter anderem in der Automobilindustrie. Die Thermostecker werden mit Thermoelementen zur Temperaturmessung verbunden. Sie werden je nach Temperaturbereich farblich unterschiedlich gekennzeichnet.
Die Beklagte ist Tochterunternehmen der britischen U, die seit etwa 40 Jahren am Markt tätig ist, seit etwa 20 Jahren von der Klägerin beliefert wird und die Thermostecker - neben den Produkten anderer Hersteller - weitervertreibt. Die U war zu Beginn 2012 der wichtigste Kunde der Klägerin. Bei den Kunden der Beklagten handelt es sich nicht um OEM-Hersteller oder Massenabnehmer; die Beklagte vertreibt die Steckverbinder üblicherweise als Komponenten bestimmter Lösungen in geringen Stückzahlen. Sie verfügt aus der Lieferbeziehung noch über Vorräte von Produkten der Klägerin.
Die Abnahme von Produkten der Klägerin durch die U und die Beklagte ging nachhaltig zurück, nachdem die U eigene Produkte herstellte, die die Beklagte vertreibt, darunter die nachfolgend dargestellten Steckverbindungen:
Im Jahr 2012 gab es weitere fünf größere Hersteller von Thermosteckverbindungen, nämlich P., N, I2, M und U2 GmbH. Bis auf die Firmen P und U2 werden die Produkte nicht mit Herstellerkennzeichnungen versehen. Dies gilt auch für die Produkte der Klägerin und für die von der Beklagten vertriebenen Produkte. Die Thermoverbindungen der Klägerin werden zu höheren Preisen vertrieben als die Konkurrenzprodukte.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die von der Beklagten vertriebenen Thermostecker seien identische Nachahmungen ihrer Produkte. Unstreitig sind die Produkte der Klägerin und die der Beklagten kompatibel. Die äußere Form sei bis auf nicht prägende Details identisch. Insbesondere sei das Gehäuse mit drei Aussparungen auf beiden Seiten als Rutschschutz sowie zwei Deckelschrauben bei dem Miniatur- und einer mittigen Deckelschraube bei dem Standardstecker kopiert. Die Beklagte habe auch ein Blindloch ohne Funktion bei dem Standardstecker in Hochtemperaturausführung kopiert. Die Beklagte verwende identische Schrauben. Auch weitere Details wie Material, Kodierung, Federkonstruktion, Design von Stiften und Einsätzen, Rändelhülsen, eine auf Kundenanforderung angebrachte Abschrägung bei der BV-Miniaturbuchse sowie eine spezielle Aushöhlung für den Klemmeinsatz seien übernommen worden.
Die Klägerin hat für die von ihr hergestellten Thermostecker einen hervorragenden Ruf in Anspruch genommen bei einem Marktanteil in Deutschland von über 60 % und in Europa von ca. 40 %. Der höhere Preis ihrer Produkte werde wegen der guten Qualität akzeptiert. Den Kunden von U beziehungsweise der Beklagten sei stets bekannt gewesen, dass es sich nicht um eigene Stecker der Beklagten handele. Soweit sich die Beklagte auf Produkte der Unternehmen S, der U3 GmbH, der U4 GmbH und der P2 GmbH gestützt habe, so handele es sich dabei um die Produkte der Klägerin, die von diesen Unternehmen vertrieben würden.
Neben § 4 Nr. 9 a) UWG hat sich die Klägerin auch auf § 4 Nr. 9 b) UWG gestützt. Durch die Nachahmungen werde der mit besonderen Qualitäts- und Gütevorstellungen verbundene Ruf der Produkte der Klägerin beeinträchtigt. Die Nachahmungsprodukte würden nicht den gleichen strengen Qualitätskontrollen unterliegen. Die Beklagte nutze unangemessen den guten Ruf der Klägerin aus. In dem Verhalten der Beklagten liege ferner eine gezielte Behinderung im Sinn des § 4 Nr. 10 UWG.
Schließlich hat die Klägerin noch beanstandet, die Beklagte habe zur Bewerbung ihrer eigenen Produkte Fotos und grafische Darstellungen der Produkte der Klägerin verwendet (Anlagenkonvolut K 18, Anlage K 19).
Die Klägerin hat beantragt,
I.
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, Thermostecker gemäß den (in den Antrag eingeblendeten) Abbildungen ein- oder auszuführen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder dafür zu werben, bzw. ein- oder ausführen, anbieten, in den Verkehr bringen und/oder dafür werben zu lassen;
II.
mit Abbildungen von Produkten der Klägerin auf der eigenen Webseite und/oder in Printprodukten oder auf Webseiten Dritter und/oder deren Printprodukten für den Vertrieb der unter I. wiedergegebenen Stecker zu werben;
III.
über den Umfang des Vertriebs der in Ziffer I. genannten Thermostecker, jeweils durch Bekanntgabe von Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer sowie der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Thermostecker sowie der jeweiligen Einkaufs- und Verkaufspreise und der gewinnmindernden in Abzug zu bringenden Kosten, jeweils durch Übergabe eines geordneten Verzeichnisses bzw. durch Vorlage entsprechender, geordneter Rechnungsunterlagen Auskunft zu geben;
IV.
über den Umfang der Bewerbung der in Ziffer 1. genannten Thermostecker, jeweils aufgeschlüsselt nach Werbemedium (Print-/Katalogwerbung, Online-Werbung) Auskunft zu geben. Die Auskunft hat auszuweisen, in welchem Zeitraum die Werbung bereit gehalten wurde und hat zudem die Auflagenhöhe der jeweiligen Werbung (Print-/ Katalogwerbung) bzw. die Anzahl der Seitenabrufe/Pageimpressions (Online-Werbung) zu umfassen. Die Auskunft hat in Form eines geordneten Verzeichnisses zu erfolgen;
V.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, welcher ihr wegen der unter Ziffer I. und II. genannten Handlungen entstanden ist oder noch entsteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, die Steckverbindungselemente aller Hersteller seien ähnlich und in ähnlicher Form seit über 60 Jahren am Markt. Es handele sich um Dutzendware, aus deren Gestaltung die angesprochenen Verkehrskreise nicht auf einen bestimmten Hersteller schließen würden. Insbesondere die Stecker der U2 GmbH seien denen der Klägerin ähnlich. Den Endabnehmern der Messeinrichtungen sei die Klägerin als Herstellerin der Steckverbinder nicht bekannt, und es sei ihnen auch gleichgültig, wer die Produkte herstelle. Dies zeige sich auch daran, dass Unternehmen, die Thermoelemente zusammen mit Produkten der Klägerin vertreiben würden, am Markt als Hersteller - auch der Steckverbinder - auftreten würden, wie es auch dem Geschäftsmodell der Klägerin entspreche. Sie habe den Bezug von der Klägerin eingestellt, weil diese trotz schlechter werdender Qualität die Preise erhöht habe. Eine Verwechslungsgefahr bestehe angesichts der Unterschiede zwischen den Produkten nicht; der besonders fachkundige Kunde, der auf die von der Klägerin hervorgehobenen Gestaltungsmerkmale achte, werde auch die Unterschiede wahrnehmen.
Das Landgericht hat der Klage mit dem Antrag zu I. unter leichten Modifikationen stattgegeben sowie die Anträge zu III. bis V. zugesprochen; hinsichtlich des Klageantrags zu II. hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Produkte der Klägerin wiesen in ihrer konkreten Ausgestaltung eine hinreichende wettbewerbliche Eigenart auf und würden sich auch vom Marktumfeld abheben. Der Umstand, dass die Klägerin auch andere Unternehmen beliefere, die die Stecker als eigene Produkte vertreiben würden, stehe dem nicht entgegen, so wie auch die Erteilung von Herstellungslizenzen die wettbewerbliche Eigenart nicht entfallen lasse. Ferner sei nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin belieferten Unternehmen über Marktanteile verfügen würden, die in der Gesamtschau die Herkunftsfunktion nachhaltig beeinträchtigen würden. Bei den beanstandeten Produkten der Beklagten handele es sich um quasiidentische Nachahmungen der Produkte der Klägerin. Die Gefahr einer Herkunftstäuschung sei anzunehmen und im vorliegenden Fall vor allem deshalb gegeben, weil die Beklagte jahrelang die Produkte der Klägerin vertrieben habe. Der Klageantrag zu II. sei dagegen abzuweisen, da die Beklagte unstreitig noch über einen Bestand an Produkten der Klägerin verfügt habe. Diese dürfe sie auch mit den entsprechenden Abbildungen bewerben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel der vollständigen Klageabweisung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt insbesondere vor, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Produkte sämtlicher Hersteller zueinander kompatibel sein müssten. Dies zeige sich an den Produkten, die im Marktumfeld vertrieben würden. Ferner habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Klägerin nach ihrem Geschäftsmodell ausschließlich Unternehmen beliefere, die ihrerseits als Hersteller der Produkte auftreten würden. In diesem Zusammenhang rügt die Beklagte eine Verletzung der Hinweispflicht. Hätte das Landgericht darauf hingewiesen, dass es auf die Marktanteile der von der Klägerin belieferten Unternehmen ankomme, so hätte sie diese entsprechend vorgetragen, was sie nunmehr in der Berufungsbegründung nachholt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 3. Juli 2013, S. 6 (Bl. 124 der Akte) verwiesen. Ferner habe sie vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass es ihren Kunden nicht darauf ankomme, wer die Produkte hergestellt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 123/12 - vom 28. März 2013 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin,
das Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 123/12 - vom 28. März 2013 teilweise - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - abzuändern und die Beklagte auch zu verurteilen:
Der Beklagten wird es, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, untersagt, mit Abbildungen von Produkten der Klägerin auf der eigenen Webseite und/oder in Printprodukten oder auf Webseiten Dritter und/oder deren Printprodukten für den Vertrieb der unter I. der Klageschrift vom 5. November 2012 wiedergegebenen Stecker zu werben.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit ihrer Klage stattgegeben worden ist, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Zur Begründung ihrer Anschlussberufung verweist sie darauf, die Beklagte werbe mit Abbildungen von Produkten der Klägerin, habe aber auf eine entsprechende Bestellung ihre eigenen - nachgeahmten - Produkte geliefert. Im Übrigen habe sie selber vorgetragen, ein "Gemisch" ihrer eigenen Stecker und derer der Klägerin zu vertreiben.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet, während die Anschlussberufung nur dahingehend Erfolg hat, dass der Klageantrag zu II. nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abgewiesen wird.
1. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf §§ 4 Nr. 9 a) und b), 4 Nr. 10 und 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. § 4 Nr. 9 a) und b) sowie§ 5 Abs. 2 UWG bilden nur unterschiedliches vgl. (BGH GRUR 2013, 1052 Tz. 11 - Einkaufswagen III). Im vorliegenden Fall bezieht sich die Klägerin auf § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG wegen der Verwendung von Abbildungen ihrer Produkte durch die Beklagte, die Gegenstand des Klageantrags zu II. ist. Damit bildet der Anspruch aus § 5 Abs. 1 UWG hier einen eigenen Streitgegenstand, da er mit einem eigenen Antrag geltend gemacht wird. Demzufolge liegen zwei Streitgegenstände vor: Das Angebot der Stecker der Beklagten einerseits, ihre Bewerbung mit Bildern von Produkten der Klägerin andererseits. Das Angebot der Stecker wird im Rahmen des ersten Streitgegenstandes durch die Klägerin unter Verweis auf §§ 4 Nr. 9 a) und b), 10 UWG beanstandet, die Bewerbung der Stecker im Rahmen des zweiten Streitgegenstandes nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 4 Nr. 10 UWG. In beiden Fällen stellt der Verweis auf § 4 Nr. 10 UWG nur einen Hinweis auf eine weitere Verbotsnorm dar. Ein - weiterer - Streitgegenstand wird dadurch nicht begründet (vgl. BGH, GRUR 2012, 184 Tz. 15 - Branchenbuch Berg). Beide Streitgegenstände werden von der Klägerin unabhängig voneinander, mithin im Weg der kumulativen Anspruchshäufung, geltend gemacht.
2. Ein Anspruch aus §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 9, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG besteht nicht.
a) Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Auch wenn die Klägerin in ihrem Internetauftritt betont, sie trete niemals mit ihren eigenen Kunden - zu denen die Beklagte gehörte - in eine Wettbewerbssituation, kann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG auch zwischen Unternehmen, die auf verschiedenen Vertriebsstufen tätig sind, bestehen, sofern sie sich im Ergebnis an den gleichen Endabnehmerkreis wenden, wie es bei der Klägerin und der Beklagten der Fall ist (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 2 Rn. 96d).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 21 - LIKEaBIKE; GRUR 2012, 1155 Tz. 16 - Sandmalkasten; GRUR 2013, 951 Tz. 14 - Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Tz. 15 - Einkaufswagen III, jeweils m. w. N.).
c) Den Thermosteckern der Klägerin fehlt die wettbewerbliche Eigenart.
Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren konkreter Gestaltung oder aufgrund bestimmter Merkmale Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 19 - Sandmalkasten; GRUR 2013, 1052 Tz. 18 - Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2004, 21 - Küchen-Seiher; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.24, jeweils m. w. N.). Eine Herkunftstäuschung setzt nicht voraus, dass der Verkehr das Unternehmen, dem er die ihm bekannte Leistung zuschreibt, namentlich kennt. Vielmehr genügt die Vorstellung, dass das fragliche Erzeugnis von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen mag, in den Verkehr gebracht wurde (BGH, GRUR 2007, 339 Tz. 40 - Stufenleitern).
An der wettbewerblichen Eigenart kann es dagegen fehlen, wenn der Hersteller seine Erzeugnisse an verschiedene Unternehmen liefert, die sie unter eigener Kennzeichnung vertreiben, da ihre Ausgestaltung dann nicht mehr geeignet ist, den Verkehr auf den Hersteller hinzuweisen. Lediglich, wenn dies nur in geringem Umfang erfolgt, schadet es der wettbewerblichen Eigenart nicht (BGH, GRUR 2007, 984 = WRP 2007, 1455 Tz. 25f. - Gartenliegen; Ohly, in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. 2010, § 4 Rn. 9.35).
Unstreitig ist das Geschäftsmodell der Klägerin dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre Produkte (in Deutschland) ausschließlich an einen beschränkten Kreis von Unternehmen vertreibt, die die Thermosteckverbinder zusammen mit Thermoelementen und Messgeräten an die Endabnehmer weiterveräußern. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass sie ihren Kunden gegenüber damit wirbt, dass sie keinen eigenen Vertrieb unterhalte und damit auf der Ebene der Endabnehmer nicht mit ihren Kunden in Konkurrenz trete. Es ist vielmehr sogar möglich, dass die Produkte der Klägerin mit dem Firmennamen oder dem Logo des Kunden versehen werden.
Bei dieser Sachlage treten den Endabnehmern die Produkte der Klägerin regelmäßig als Bestandteile zusammengesetzter Messeinrichtungen (Steckverbinder und Thermoelemente) entgegen, die von verschiedenen Drittunternehmen unter ihrer eigenen Bezeichnung vertrieben werden. Insoweit unterscheidet sich dieser Sachverhalt von dem, der der Entscheidung "Gartenliegen" (BGH, GRUR 2007, 984 = WRP 2007, 1455 Tz. 26) zugrundelag, bei dem die Produkte offensichtlich unter einer Handelsmarke vertrieben wurden. Die Klägerin ist vielmehr im "OEM" (original equipment manufacturer) - Geschäft tätig, so dass ihre Produkte den Endabnehmern als Komponenten der von Drittunternehmen vertriebenen eigenen Produkte entgegentreten. Diese Konstellation ist auch - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht mit der Erteilung von Herstellerlizenzen vergleichbar, bei denen der Originalhersteller nach wie vor den Endabnehmern als Hersteller gegenübertritt (wie beispielsweise in dem Sachverhalt, der der Entscheidung OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2010, 234, 236 zugrundelag). Dies ist bei dem Geschäftsmodell der Klägerin gerade nicht der Fall.
Daher kommt es auf die genauen Umsatzzahlen der von der Klägerin belieferten Drittunternehmen nicht an. Nach der unstreitigen Eigendarstellung der Klägerin ist davon auszugehen, dass das "OEM"-Geschäft für sie keinen unerheblichen Geschäftszweig darstellt. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, die über die entsprechenden Geschäftszahlen verfügt, das Gegenteil darzulegen.
Bei den Endabnehmern - Ingenieure der Automobilindustrie, aber auch der chemischen Industrie oder anderer Industriezweige, bei denen Temperaturmessungen von Bedeutung sind - handelt es sich zwar um Fachleute. Ihre besondere Fachkunde bezieht sich aber auf ihr jeweiliges Tätigkeitsfeld, und die Produkte der Klägerin stellen für sie lediglich Bestandteile ihrer Hilfsgeräte dar. Auch wenn die streitgegenständlichen Produkte hohen Anforderungen gewachsen sein müssen, ist ihr Preis - nach dem landgerichtlichen Urteil werden die Produkte der Beklagten für bis zu 10,80 EUR verkauft - im Verhältnis zu den Kosten industrieller Investitionsgüter oder von Ausstattungsgegenständen für Großlabore als verhältnismäßig gering einzustufen. Es besteht daher für den Endabnehmer von Thermoelementen oder Messgeräten keine Veranlassung, sich vertieft mit der Frage des Herstellers der Steckverbinder auseinanderzusetzen. Dies ist unabhängig davon, ob er die Produkte der Klägerin als Bestandteile einer Messeinrichtung von einem Drittunternehmen bezieht, oder ob er sie als Ersatzteile über den Großhandel bezieht.
Ohne Bedeutung ist dabei das Verständnis der direkten Kunden der Klägerin. Diese beziehen ihre Produkte direkt von der Klägerin, während sich die Beklagte nicht an diesen Kundenkreis wendet. Eine Täuschung dieser Kunden über die Herkunft der von der Beklagten vertriebenen Steckverbinder kann daher nicht eintreten. Im Übrigen handelt es sich dabei nach dem eigenen Vortrag der Klägerin um einen sehr kleinen Kreis von (15 - 20) Unternehmen, der im Verhältnis zur Zahl der Endabnehmer der fraglichen Produkte zahlenmäßig nicht ins Gewicht fällt.
Auch wenn die Mitglieder des Senats nicht zu den angesprochenen Fachkreisen der Endabnehmer zählen, sehen sie sich aufgrund ihrer ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen in der Lage, über diese Fragen aus eigener Sachkunde zu entscheiden. Es sind in diesem Zusammenhang nur Erwägungen anzustellen, für die die Zugehörigkeit zur potenziellen Kundschaft nicht erforderlich ist. Der Einholung eines demoskopischen Gutachtens - wie vom Senat zunächst in Erwägung gezogen und mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung als Möglichkeit erörtert - bedarf es bei einer solchen Konstellation nicht (BGH, GRUR 2006, 79 Tz. 27 - Jeans I; GRUR 2013, 1052 Tz. 29 - Einkaufswagen III; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.33).
d) Da demnach die Produkte der Klägerin keine wettbewerbliche Eigenart aufweisen, scheiden Ansprüche sowohl aus § 4 Nr. 9 a) UWG als auch aus § 4 Nr. 9 b) UWG aus.
3. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG ist ebenfalls nicht gegeben. Der Vertrieb von Produktnachahmungen ist nicht ohne Weiteres, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG unlauter (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rn. 10.54); § 4 Nr. 9 verdrängt also insoweit § 4 Nr. 10 UWG.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Ausspannens von Kunden liegt kein Wettbewerbsverstoß vor. Ein Mitbewerber hat keinen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstammes. Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden, auch wenn diese an einen Mitbewerber gebunden sind, gehören vielmehr grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Ein Wettbewerbsverstoß liegt erst dann vor, wenn auf Kunden, die bereits dem Mitbewerber "zuzurechnen” sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen. Eine unangemessene Einwirkung auf den Kunden liegt insbesondere dann vor, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses aufzudrängen, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend sind Maßnahmen nicht schon deshalb als unlauter anzusehen, weil sie sich auf den Absatz des Mitbewerbers nachteilig auswirken können, sondern erst dann, wenn sie auf die Verdrängung des Mitbewerbers abzielen (BGH, GRUR 2007, 987 Tz. 25 - Änderung der Voreinstellung; GRUR 2009, 416 Tz. 16 - Küchentiefstpreis-Garantie). Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte sich mit ihrem Angebot in die Beziehung der Klägerin zu ihren eigenen Kunden eindrängt; sie hat sich vielmehr nur darauf gestützt, dass die Beklagte nicht mehr die Produkte der Klägerin im gleichen Umfang wie früher abnehme. Hierin liegt aber noch keine unlautere Behinderung der Klägerin.
4. Da die angesprochenen Verkehrskreise mit den Produkten der Klägerin keine Herkunftsvorstellungen verbinden, scheidet auch die Annahme einer Verwechslungsgefahr im Sinn der § 5 Abs. 2 UWG oder § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG aus (zum Verhältnis der beiden Vorschriften: Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 6 Rn. 142).
5. Der Klageantrag zu II., den die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung weiterverfolgt, ist unzulässig, da er zu unbestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Mit ihm verfolgt die Klägerin das Ziel, der Beklagten zu untersagen, mit Abbildungen von Produkten der Klägerin für den Vertrieb der im Antrag zu I. wiedergegebenen Produkte zu werben. Auf eine konkrete Verletzungsform nimmt der Antrag nicht Bezug. Sie wird auch nicht durch den Bezug auf den Klageantrag zu I. hergestellt, da in diesen nicht Abbildungen der Produkte der Klägerin, sondern der Produkte der Beklagten eingeblendet sind. Es ist daher unklar, welche Abbildungen die Beklagten nicht verwenden soll. Dementsprechend war er als unzulässig, nicht als unbegründet zurückzuweisen.
Im Übrigen erfasst der Antrag nicht das von der Klägerin beanstandete Verhalten, so dass er auch - wie das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt hat - unbegründet wäre. Aus der Begründung der Anschlussberufung wird deutlich, dass die Klägerin nicht die Verwendung der Abbildungen beanstandet, sondern dass sie sich dagegen wendet, dass die Beklagte Kunden, die aufgrund dieser Werbung bei ihr Steckverbindungen bestellen, nicht mit den - abgebildeten - Produkten der Klägerin, sondern mit ihren eigenen Produkten beliefert. Der Antrag zu II. erfasst allerdings ausschließlich die Werbung, nicht aber die darauf (aus Sicht der Klägerin) erfolgende Falschlieferung. Die Werbung als solche ist aber insoweit nicht zu beanstanden, als die Beklagte noch über Originalprodukte der Klägerin verfügt, die sie auch vertreiben darf.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung außer Streit. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000 EUR (Berufung 83.333,33 EUR, Anschlussberufung 16.666,67 EUR) festgesetzt.
OLG Köln:
Urteil v. 26.02.2014
Az: 6 U 71/13
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ae802c2b6208/OLG-Koeln_Urteil_vom_26-Februar-2014_Az_6-U-71-13