Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Februar 2003
Aktenzeichen: 6 U 190/02

(OLG Köln: Urteil v. 21.02.2003, Az.: 6 U 190/02)

Tenor

1.

Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das am 22.10.2002 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 307/02 - wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragsgegnerinnen zu tragen.

3.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gründe

Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die zuvor im Wege des Beschlusses erlassene einstweilige Verfügung bestätigt, mit welcher den Antragsgegnerinnen die verfahrensgegenständliche Verkaufswerbung und/oder Durchführung eines solcherart beworbenen Verkaufs untersagt wurde. Der Antragstellerin steht ein auf die Untersagung dieser Verhaltensweisen gerichteter Anspruch aus § 7 Abs. 1 UWG zu, weil es sich bei der mit der hier zu beurteilenden Werbung angekündigten Kaufgelegenheit um eine gemäß § 7 Abs. 1 UWG verbotene Sonderveranstaltung handelt, und nicht etwa um zulässige Sonderangebote i. S. von § 7 Abs. 2 UWG.

Als Sonderveranstaltungen, deren Ankündigung oder Durchführung nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 UWG zu unterlassen ist, sind solche Verkaufsveranstaltungen anzusehen, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfinden, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorrufen. Was "Sonderangebot" i.S. von § 7 Abs. 2 UWG ist, kann nicht "Sonderveranstaltung" nach Maßgabe der vorbezeichneten Definition sein. Danach liegt eine Sonderveranstaltung dann nicht vor, wenn einzelne, nach Güte oder Preis gekennzeichnete Waren angeboten werden und diese Angebote sich in den regelmäßigen Geschäftsbetrieb des anbietenden Unternehmens einfügen. Die Beantwortung der Frage, ob eine vom Unterlassungstatbestand des § 7 Abs. 1 UWG erfasste Sonderveranstaltung vorliegt, wird entscheidend durch das Kriterium "außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs" beeinflusst bzw. davon, ob die in Frage stehende Verkaufsveranstaltung zum regelgerechten, in der Branche üblichen geschäftlichen Verkehr zählt. Wird in einer Werbeanzeige oder in einem Werbeprospekt für eine Verkaufsveranstaltung geworben, so beurteilt sich dies anhand des Gesamteindrucks, den die Werbung unter Berücksichtigung von Wortlaut, Inhalt und Aufmachung und aller sonstigen Begleitumstände in den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft.

Nach diesen Kriterien ist der mit der hier zu beurteilenden Werbung angekündigten Kaufgelegenheit der Charakter einer Sonderveranstaltung beizumessen.

Unzweifelhaft dient die streitbefangene Werbung der Beschleunigung des Warenabsatzes und ruft den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervor. Sie erweckt darüber hinaus aber auch den Eindruck einer außerhalb des regelmäßigen Geschäftsbetriebs liegenden Veranstaltung. Denn der Prospekt - ausgenommen die fraglichen Seiten 10, 11, 13, 14 und 15 - bewirbt zunächst ausdrücklich den außerhalb des regelmäßigen Geschäftsbetriebs angesiedelten Sommerschlussverkauf 2002. Die hier fraglichen Seiten 10, 11, 13 (rechter Bereich), 14 und 15 sind aber nach ihrer äußeren Aufmachung so nah an diese Schlussverkaufswerbung gerückt, dass sie den Eindruck einer in diesen Sonderverkauf integrierten, zeitlich befristeten und auf eine ganze Warengruppe bezogenen Kaufgelegenheit erwecken.

Dem steht nicht entgegen, dass sich auf den fraglichen Seiten 10, 11, 13, 14 und 15 der umlaufende Rahmen sowohl in farblicher Hinsicht (blau statt rot) als auch von der Beschriftung her ("(RAHMEN) KEINE SSV-WARE - TROTZDEM REDUZIERT")

von dem Rahmen der übrigen, die Schlussverkaufsveranstaltung betreffenden Seiten unterscheidet. Diese Unterscheidung ist nämlich nicht geeignet, den solcherart beworbenen Angeboten den Charakter einer sich von der Schlussverkaufsveranstaltung deutlich abhebenden Sonderangebotswerbung zu verschaffen. Das gesetzliche Verbot einer Sonderveranstaltung schließt es zwar nicht grundsätzlich aus, eine Sonderangebotswerbung für nicht schlussverkaufsfähige Waren während eines Schlussverkaufs zu platzieren und auf die Preisgünstigkeit der nicht schlussverkaufsfähigen Ware in einer der Preisgünstigkeit schlussverkaufsfähiger Ware gleichgestellten Weise hinzuweisen; zulässig ist dies aber nur dann, wenn der Verkehr erkennt, dass eine nicht schlussverkaufsfähige Ware angeboten wird und die beworbene Preiswürdigkeit ihren Grund folglich nicht in der Durchführung des Saisonschlussverkaufs hat (BGH GRUR 1990, 1026, 1027 -"Keine WSV-Angebote").

An dieser Voraussetzung fehlt es. Die fraglichen Seiten 10, 11, 13, 14 und 15 sind in ihrer farblichen und grafischen Gestaltung so eng an die im Übrigen eindeutig als Werbung für den Sommerschlussverkauf ausgewiesenen Seiten angepasst, dass es an einer hinreichend deutlichen Abgrenzung fehlt.

Die farbliche und grafische Gestaltung aller Prospektseiten einschließlich Titel- und Rückseite ist, die Umrahmung ausgenommen, vollkommen identisch. Durchgehend werden alle Waren auf leuchtend gelbem Hintergrund abgebildet. Auf allen Seiten, wiederum einschließlich Titel- und Rückseite, befindet sich links oben ein durch Größe und rote Farbe auffallendes Emblem, das an einen Pfeil erinnert. Durchgehend werden auf allen Prospektseiten rote Buttons mit Preisangaben in völlig identischer Gestaltung verwendet. Große blaue Buttons mit der Beschriftung "Einzelstücke bis zu 30% 50% 70% radikal reduziert!" befinden sich auf allen Seiten einschließlich Titel, welche Schlussverkaufsware bewerben, aber auch auf den nicht schlussverkaufsfähige Ware bewerbenden Doppelseiten 10/11 und 14/15, bei letzterer mit den leicht abweichenden Prozentzahlen "... 25% 35% 45%...". Angesichts dieser vollkommen übereinstimmenden Gestaltung kommt dem Umstand, dass sich nur die Rahmenfarbe der Seiten mit schlussverkaufsfähiger bzw. nicht schlussverkaufsfähiger Ware unterscheidet, keine ausreichend abgrenzende Wirkung mehr zu, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beschriftung sowohl der Seitenrahmen als auch der großen roten Embleme links oben zwischen Waren des Sommerschlussverkaufs und nicht schlussverkaufsfähiger Ware unterscheidet. Der durchschnittlich aufmerksame und informierte Werbeadressat wird nämlich bei Durchblättern des Prospekts trotz der Hinweise, dass es sich auf den fraglichen Seiten nicht um "SSV-Ware" handelt, die dort abgebildeten Waren in einen engen Zusammenhang mit den auf den übrigen Seiten beworbenen Schlussverkaufswaren setzen und den Eindruck gewinnen, dass die nicht schlussverkaufsfähige Ware in derselben Weise wie die schlussverkaufsfähige abgesetzt werden soll. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die fraglichen Seiten erst auf Seite 10 des Prospekts beginnen, der Werbeadressat mithin zum einen von den vorangegangenen Seiten beeinflusst, zum anderen wegen der nahezu identischen farblichgrafischen Gestaltung auch der Folgeseiten an der Wahrnehmung einer Änderung des Prospektinhalts gehindert wird. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die - hier schmal gehaltenen - Seitenrahmen ohnehin zu den am wenigsten augenfälligen grafischen Elementen zählen, dies insbesondere im Vergleich zu den regelrecht ins Auge springenden roten und blauen punktförmigen Elementen. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass aufgrund ihrer Positionierung besonders ins Auge fallende Elemente wie die waagerechten Rahmenteile auf Seite 13 gerade nicht mit dem Texthinweis "RAHMEN KEINE SSV-WARE" beschriftet sind wie die deutlich schlechter lesbaren, weil senkrecht angebrachten Rahmenbeschriftungen auf derselben Seite, sondern mit dem neutralen Text "EXTRA TIPP", ein Umstand, der die Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers wiederum von dem entscheidenden Unterschied zwischen den beworbenen Waren eher ablenkt. Infolge der durchgehenden Verwendung besonders auffälliger gestalterischer Elemente wie der großen roten Buttons links oben und der blauen Buttons auf allen Prospektseiten wird der Werbeadressat schließlich auch nicht in die Lage versetzt, bestimmte Seiten dank eines bestimmten auffälligen Elements etwa nur mit Schlussverkaufsware zu verbinden - ein Punkt, in welchem sich der vorliegende Prospekt entscheidend von dem aus Anlass des Sommerschlussverkaufs 2001 verbreiteten Prospekt unterscheidet, welchen der Senat in dem zu Informationszwecken beigezogenen früheren Verfahren der Parteien 6 U 103/02 OLG Köln (33 0 354/01 Landgericht Köln) zu beurteilen hatte und dabei zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen ist.

Suggeriert die Seitengestaltung des Prospekts aber, dass das Warenangebot insgesamt gleich sei, so führen weder die farblichen Unterschiede bei den Seitenrahmen noch die Texthinweise auf nicht schlussverkaufsfähige Ware zu einer hinreichend deutlichen Abgrenzung der Werbung für Schlussverkaufsware einerseits und für Sonderangebote andererseits.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Streitwert im Berufungsverfahren: 250.000 EUR






OLG Köln:
Urteil v. 21.02.2003
Az: 6 U 190/02


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