Landgericht Mönchengladbach:
Beschluss vom 21. März 2005
Aktenzeichen: 5 T 136/05

(LG Mönchengladbach: Beschluss v. 21.03.2005, Az.: 5 T 136/05)

1. Vorgerichtliche Anwaltstätigkeit vor dem 01.07.2004 rechtfertigt nicht die Anwendung der BRAGO für die Berechnung von Gebühren im gerichtlichen Verfahren.

2. Auch die Zustellung einer Klage an den Rechtsanwalt am 30.06.2004 rechtfertigt nicht die Anwendung der BRAGO, wenn der Anwalt erst am 01.07.2004 mit seiner prozessbezogenen Tätigkeit begonnen hat.

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.01.2005 wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, welches nach Maßgabe nachfolgender Begründung über den Kostenfestsetzungsantrag des Beklag-ten erneut zu entscheiden hat.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Der Kläger hat dem Beklagten dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Beschwerdewert: 268,40 €

Gründe

I.

Mit einer dem Beklagten am 30.06.2004 zugestellten Klage verlangte der Kläger 4.857,27 € aus angeblich nicht abgeführten Mandantengeldern. Nachdem der Beklagte Widerklage wegen restlichen Anwaltshonorars in Höhe von 576,36 € erhoben hatte, nahm der Kläger im Termin am 19.11.2004 die Klage zurück und erkannte den Widerklageanspruch an. Mit Anerkenntnisurteil vom selben Tage wurde der Kläger antragsgemäß verurteilt und ihm wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Unter Hinweis darauf, dass die Mandatsbearbeitung auf Beklagtenseite am 01.07.2004 begonnen worden sei, beantragte der Beklagte die Festsetzung seiner Kosten auf der Grundlage des am 01.07.2004 in Kraft getretenen RVG in Höhe von 964,40 €. Mit Beschluss vom 25.01.2005 setzte das Amtsgericht gegen den Kläger Kosten in Höhe von 696,00 € fest und legte seiner Berechnung die bis zum 30.06.2004 geltenden Vorschriften der BRAGO zugrunde. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er ist weiterhin der Auffassung, dass er berechtigt sei, seiner Berechnung die Vorschriften des RVG zugrunde zu legen. Außerdem erweitert er seinen bisherigen Antrag. Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagte ist berechtigt, seine Gebühren nach den Vorschriften des RVG abzurechnen.

Gem. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes erstattet verlangen könnte. Ob altes oder neues Gebührenrecht Anwendung findet, ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG. Danach ist das bisherige Recht dann weiter anzuwenden, wenn vor dem Inkrafttreten des RVG "der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit" erteilt worden ist. Ein Auftrag zur Vertretung einer Partei ist allerdings im vorliegenden Fall nicht erteilt worden. Der Fall der Kostenberechnung auf Grund der Mandatsfiktion des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist in § 60 RVG – ebenso wie in dem früher geltenden, gleichlautenden § 134 BRAGO – als seltener Ausnahmefall ersichtlich nicht bedacht worden. Es bedarf mithin einer richterlichen Lückenausfüllung. Als dem gesetzlich geregelten Fall der Auftragserteilung vergleichbares objektives Kriterium kommt allein diejenige prozessbezogene Tätigkeit des Beklagten in Frage, auf Grund deren erstmals ein Kostenansatz nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO in Betracht gekommen wäre. Dabei muss es sich um eine der Bearbeitung eines fremden Mandats vergleichbare prozessbezogene Tätigkeit handeln, die über bloß interne Überlegungen hinausgeht (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 26.03.1976, Az. 1 W 862/76 – JurBüro 1976, 762 zu einer früher geltenden vergleichbaren Regelung). Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann insoweit nicht an das vorprozessuale Schreiben des Klägervertreters vom 03.11.2003 angeknüpft werden, mit welchem Klage angedroht worden ist. Denn der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.11.2004 Kosten für das gerichtliche Verfahren angemeldet. Diese Angelegenheit im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist von einer Tätigkeit im vorgerichtlichen Verfahren zu unterscheiden. Mit der Entgegennahme des Schriftsatzes vom 03.11.2003 und einer eventuellen schriftlichen Erwiderung ist der Beklagte lediglich im vorgerichtlichen Verfahren tätig geworden. Dies ist mit einer prozessbezogenen Tätigkeit nicht vergleichbar, weil zu diesem Zeitpunkt noch offen war, ob es überhaupt zum Klageverfahren kommen würde. Der Beklagte ist also in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten tätig geworden, auf die jeweils unterschiedliche Gebührenvorschriften Anwendung finden können (vgl. HansOLG, Beschluss vom 27.07.1988, Az. 8 W 220/88 – MDR 1989, 78). Dem hat der Beklagte im Übrigen auch in seinem ergänzenden Antrag vom 23.02.2005 Rechnung getragen.

Auch der Zeitpunkt der Klagezustellung am 30.06.2004 kommt als Anknüpfungspunkt für die prozessbezogene Tätigkeit des Beklagten, die mit einer Bearbeitung eines fremden Mandats vergleichbar wäre, nicht in Betracht. Denn die Zustellung der Klage ist ein vom Willen des Beklagten unabhängiger Vorgang, der mit dem Beginn einer prozessbezogenen Bearbeitung der Sache nicht vergleichbar ist. Hier hat der Beklagte nach dem 30.06.2004 mit der Bearbeitung begonnen, indem er mit Schriftsatz vom 01.07.2004 die Gerichtsakte zur Einsicht angefordert hat. Zu diesem Zeitpunkt war das RVG bereits in Kraft getreten. Deshalb sind die Anwaltskosten für das gerichtliche Verfahren nach diesem Gesetz zu berechnen.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Beginn der prozessbezogenen Tätigkeit mit der Abfassung eines Schriftsatzes auch dann anzunehmen wäre, wenn der Rechtsanwalt eine ihm zugestellte Klage ungeöffnet mehrere Tage liegen ließe, um das Inkrafttreten einer ihm günstigen Gesetzesänderung abzuwarten. Denn ein solcher Fall liegt hier angesichts der Klagezustellung am 30.06.2004 und der am nächsten Tag begonnenen Anwaltstätigkeit ersichtlich nicht vor.

Die Kammer hat davon abgesehen, den Kostenfestsetzungsbeschluss selbst abzuändern, da der Beklagte weitere Kosten angemeldet hat und es zweckmäßig erscheint, dass insoweit durch einheitlichen Beschluss entschieden wird.

III.

Gerichtskosten sind nicht zu erheben (arg. aus KV 1811 Anlage 1 zum GKG) Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung, da die Voraussetzungen gem. § 574 ZPO nicht vorliegen.






LG Mönchengladbach:
Beschluss v. 21.03.2005
Az: 5 T 136/05


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