Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. November 2008
Aktenzeichen: 5 W (pat) 15/07
(BPatG: Beschluss v. 17.11.2008, Az.: 5 W (pat) 15/07)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. August 2007 aufgehoben und Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der ersten Aufrechterhaltungsgebühr gewährt.
Gründe
I Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 203 17 689 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur Nassund Verweilbehandlung einer textilen Warenbahn". Mit einer Nachricht gemäß § 23 Abs. 2 Gebrauchsmustergesetz vom 19. April 2007 wurde die Beschwerdeführerin von der Gebrauchsmusterstelle darüber informiert, dass die dreijährige Schutzdauer des Gebrauchsmusters am 15. November 2006 abgelaufen sei. Sofern eine Aufrechterhaltung gewünscht werde, sei eine Aufrechterhaltungsgebühr nebst Zuschlag bis zum 31. Mai 2007 zu entrichten. Eine Zahlung ist bis zu dem genannten Zeitpunkt nicht eingegangen.
Mit am 8. Juni 2007 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangenen Schriftsatz vom 6. Juni 2007 beantragte die Beschwerdeführerin Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der ersten Aufrechterhaltungsgebührund zahlte die fällige Gebühr am 5. Juni 2007 ein.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags führte die Gebrauchsmusterinhaberin aus, ihr Mitarbeiter Herr N... habe versehentlich die Aufrechterhaltungsgebühr nicht rechtzeitig überwiesen. Herr N... sei für solche Belange seit 10 Jahren zuständig und mit Ausführung solch wichtiger Aufgaben vertraut. Ihm sei in der Zeit seiner Betriebszugehörigkeit noch nie ein derartig gravierender Fehler unterlaufen.
Zur Glaubhaftmachung war dem Schriftsatz eine eidesstattliche Versicherung von Herrn N... beigefügt, in der er erklärt, der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe ihn nach Eingang des Löschungsvorbescheides vertrauensvoll mit der Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr betraut. Aufgrund seiner privaten Probleme habe er -Herr N... -den Zahlungsvorgang versehentlich auf einen falschen Termin gelegt. Nachdem er den Fehler bemerkt habe, habe er sofort die Aufrechterhaltungsgebühr bezahlt.
Die Gebrauchsmusterstelle hat den Antrag auf Wiedereinsetzung mit Beschluss vom 8. August 2007 zurückgewiesen und die Rückerstattung des eingezahlten Betrags angeordnet. Das fahrlässige Verhalten des Mitarbeiters N... sei der Antragstellerin zuzurechnen, weil diese in der betreffenden Angelegenheit von ihm vertreten worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird:
Wie sich aus den vor der Gebrauchsmusterstelle eingereichten Unterlagen ergebe, habe Herr N... nicht als Vertreter der Gebrauchsmusterinhaberin, sondern als Hilfskraft für deren Geschäftsführer Herrn K... gehandelt, so dass der Beschwerdeführerin das Verschulden von Herrn N... nicht zuzurechnen sei. Aus der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags und der eidesstattlichen Versicherung des Herrn N... gehe hervor, dass Herr K... der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und dass der Löschungsvorbescheid von Herrn K... geöffnet und gelesen worden sei, der dann Herrn N... die Weisung erteilt habe, die Zahlung sofort vorzunehmen. Dies habe Herr N... jedoch nicht getan, sondern eine zu lange und zudem nicht zutreffende Frist notiert. Als Herr N... seinen Fehler kurz nach Ablauf der Frist bemerkt habe, habe er den Betrag unmittelbar überwiesen. Gleichzeitig sei Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden. Die Hilfstätigkeit des Herrn N... sei nicht gleichzusetzen mit einer Vertretung. Insbesondere mangele es an einer eigenen Entscheidungskompetenz. Vielmehr habe Herr N... auf Anweisung und ohne jeglichen Entscheidungsspielraum gehandelt. Herr N... übernehme zusätzlich zu seiner eigentlichen Funktion in der technischen Abteilung der Antragstellerin Hilfsarbeiten bzw. Sekretariatsarbeiten für den Geschäftsführer, zu denen auch die Durchführung von Überweisungen nach Anweisung gehöre. So sei der Satz "Unser Mitarbeiter, Herr N... ist für solche Belange zuständig" im Wiedereinsetzungsantrag zu verstehen. Die Zuverlässigkeit von Herrn N... ergebe sich ebenfalls aus diesem Vortrag.
Weiterhin wird erstmals im Beschwerdeverfahren eine eidesstattliche Versicherung von Herrn K...vom 15. November 2007 eingereicht, in der der oben genannte Vortrag im Beschwerdeverfahren nochmals ausgeführt wird.
Die Antragstellerin beantragt, dem angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und die Schriftsätze der Antragstellerin sowie deren Anlagen verwiesen und Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist zulässig, und hat in der Sache auch Erfolg, weil jedenfalls nach jetzigem Sachstand dem Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben ist.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig und in rechter Form gestellt worden. Die versäumte Handlung -Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr -ist innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden (§§ 21 GebrMG, 123 Abs. 2 PatG).
Nach Auffassung des Senats kann aufgrund des im Beschwerdeverfahren klargestellten Sachverhalts die Wiedereinsetzung gem. §§ 21 Abs. 1 GebrMG, 123 Abs. 1 PatG gewährt werden.
1. Der Vortrag im Beschwerdeverfahren stellt lediglich eine zulässige Klarstellung und nicht ein unzulässiges Nachschieben von neuen, bisher nicht vorgebrachten Gründen oder einen Austausch des Sachverhalts dar (vgl. dazu Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Auflage, § 21 Randnummer 63).
Zwar lassen der Vortrag der Antragstellerin und die eidesstattliche Versicherung des Herrn N... im Verfahren vor der Gebrauchsmusterstelle nicht eindeutig erkennen, ob und inwieweit Herrn N... ein eigener Entscheidungsspielraum zustand. Es wird nämlich einerseits im Antragschriftsatz davon gesprochen, dass Herr N... für solche Belange wie die Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr zuständig sei. Andererseits ist in der eidesstattlichen Versicherung die Rede davon, dass Herr K... Herrn N... mit der Zahlung vertrauensvoll beauftragt habe.
Auch ist vor dem Deutschen Patentund Markenamt nicht ausdrücklich vorgetragen worden, dass Herr N... regelmäßig überwacht und angeleitet worden sei.
Allerdings ergibt sich aus der Fußnote im Briefpapier der Antragstellerin, dass Herr K... alleiniger Geschäftsführer der Antragstellerin ist. Auch kann man aus dem Vorbringen, dass Herr N... bereits 10 Jahre in dem Unternehmen tätig, mit dem Umgang solch wichtige Aufgaben vertraut und dass ihm noch nie ein solch gravierender Fehler unterlaufen sei, schließen, dass eine Anleitung und Überwachung stattgefunden hat. Das zusätzliche detaillierte Vorbringen in der Beschwerdebegründung über die Tätigkeit von Herrn N..., das diesen Sachverhalt näher erläutert, ist darum lediglich als zulässige Präzisierung des vor dem Deutschen Patentund Markenamt vorgebrachten Sachverhalts zu sehen.
2. Auf dieser Tatsachengrundlage ist hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Beschwerdeführerin an der Fristversäumung kein Verschulden trifft und ihr auch kein Verschulden zugerechnet werden kann (§§ 21 Abs. 1 GebrMG, 123 Abs. 1 PatG).
Nach dem Vorbringen vor der Gebrauchsmusterstelle und dem Bundespatentgericht sowie dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen ist davon auszugehen, dass Herr N... im Betrieb der Antragstellerin nicht eigenverantwortlich über die Zahlung von Aufrechterhaltungsgebühren zu entscheiden hatte, sondern die Zahlung lediglich als Hilfskraft für den Geschäftsführer zu tätigen hatte. Ein Fehler einer solchen Person kann der Antragstellerin nicht zugerechnet werden, wenn sie ihre Anleitungsund Aufsichtspflicht hinreichend wahrgenommen hat.
Der rechtliche Unterschied zwischen einem Vertreter, dessen Handeln dem Vertretenen zuzurechnen ist, und einer bloßen Hilfskraft besteht darin, dass beim Vertreter eine eigenständige Handlungsbefugnis mit Wirkung für und gegen den Vertretenen vorliegt, während die Hilfskraft unselbständig Weisungen ausführt (vgl. Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Auflage, § 21 Rn. 30 ff.). Letzteres ist hier der Fall.
Dass Herr N... nur als Hilfskraft -vergleichbar einer Sekretärin -tätig war, kann -wie schon von der Antragstellerin ausgeführt -bereits aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn N... geschlossen werden, in der dieser erklärt, der Geschäftsführer Herr K... habe ihn, Herrn N..., mit der Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühren vertrauensvoll beauftragt. Dies ergibt sich aber auch aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn K..., in der ausgeführt wird, Herr N... übernehme zusätzlich zu seiner eigentlichen Funktion in der technischen Abteilung der Antragstellerin Hilfsarbeiten bzw. Sekretariatsarbeiten für den Geschäftsführer, zu denen auch die Durchführung von Überweisungen nach Anweisung gehöre. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags steht dem nicht entgegen, weil die dortige Formulierung, "für solche Aufgaben sei Herrn N... zuständig", nicht zwingend auf eine selbständige, eigenverantwortliche Tätigkeit hinweist, sondern auch dahingehend verstanden werden kann, dass Herr N... üblicherweise auf Anweisung der Geschäftsführung Überweisungen tätigte.
Somit kann das Verschulden von Herrn N... nicht der Beschwerdeführerin zugerechnet werden.
3. Auch ein Verschulden des Geschäftsführers der Antragstellerin liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung besteht auch keine Verpflichtung nachzuprüfen, ob eine einer zuverlässigen Hilfskraft erteilte Einzelanweisung, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte, ausgeführt worden ist. Darauf, dass die Anweisung befolgt wird, kann sich z. B. ein Anwalt verlassen (vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Auflage, § 123 Rn. 95). Dies muss erst recht für eine Firma der Privatwirtschaft bzw. für deren Geschäftsführer gelten, zumal die Anforderungen an einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt im Allgemeinen höher sind als an einen Geschäftsmann.
4. Die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind auch durch die eingerechten eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht worden (§ 21 Abs. 1 GebrMG, § 123 Abs. 2 PatG, § 294 ZPO). Zwar fehlt jeweils der Hinweis auf die Kenntnis der Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Dies schmälert den Wert jedoch nicht, weil damit gerechnet werden kann, dass den Versichernden bekannt ist, dass falsche Angaben strafbar sind und weil rechtliche Unkenntnis vor strafrechtlichen Folgen nicht schützt (vgl. dazu etwa Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 43 Rn. 53; BPatGE 30, 101). Auch die Verwendung des Briefpapiers der Antragstellerin bzw. des Firmenstempels unter der Unterschrift von Herrn K... schaden letztlich nicht, weil aus der Formulierung der Erklärungen eindeutig hervorgeht, dass die eidesstattlichen Versicherungen jeweils im eigenen Namen abgegeben werden und nicht im Namen der Firma, die nicht eidesfähig ist und folglich auch keine eidesstattliche Erklärung abgeben kann (vgl. dazu etwa Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 43, Rn. 47).
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren.
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BPatG:
Beschluss v. 17.11.2008
Az: 5 W (pat) 15/07
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