Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2010
Aktenzeichen: 25 W (pat) 116/09

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2010, Az.: 25 W (pat) 116/09)

Tenor

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 3. Juli 2006 angemeldete Wortmarkeist am 18. Oktober 2006 u. a. für die Waren

"Präparate für die Gesundheitspflege; pharmazeutische Erzeugnisse und Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Arzneimittel für humanmedizinische Zwecke"

in das Markenregister unter der Nummer 306 40 893 eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der älteren, seit dem 21. März 2005 unter der Nummer GM 3 382 413 für die Waren

"Pharmazeutische Präparate zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems"

eingetragenen Gemeinschaftsmarke XAPRILA Widerspruch erhoben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschluss vom 28. November 2008 (Bl. 62 VA) eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken teilweise, nämlich in Bezug auf die o. g. Waren der angegriffenen Marke bejaht und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Ausgehend von der Registerlage könnten sich die Vergleichsmarken insoweit auf identischen oder zumindest eng ähnlichen Waren begegnen, weil unter die von der angegriffenen Marke beanspruchten Warenoberbegriffe "Präparate für die Gesundheitspflege; pharmazeutische Erzeugnisse und Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Arzneimittel für humanmedizinische Zwecke" auch die spezielleren "pharmazeutischen Präparate zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems" fielen, für die die Widerspruchsmarke geschützt sei. Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Berücksichtigung allgemeiner Verkehrskreise könne dann aber in Bezug auf diese Waren der angegriffenen Marke eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht nicht verneint werden, selbst wenn man die grundsätzlich zu stellenden strengen Anforderungen an den Markenabstand aufgrund des Umstands, dass auch allgemeine Verbraucher beim Erwerb der hier maßgeblichen Waren aufmerksamer seien, reduziere.

Die in klanglicher Hinsicht miteinander zu vergleichenden Markenwörter "Xarita" und "XAPRILA" stimmten in Vokalfolge, Silbenzahl sowie Sprechund Betonungsrhythmus überein. Die konsonantischen Unterschiede im Wortinnern seien gering und könnten nicht zuletzt auch aufgrund der Betonung des identischen Vokals "i" in der Wortmitte leicht überhört werden. Eine hinreichend sichere Unterscheidung beider Marken sei daher nicht gewährleistet, zumal der Verkehr die beiden Marken in der Regel nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnehme, seine Auffassung vielmehr in aller Regel nur aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eine der Marken gewinne.

Da bereits eine klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen sei, komme es auf das Vorliegen anderer Arten von Verwechslungsgefahren nicht an.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, die im Laufe des Beschwerdeverfahrens auf die von der Löschungsanordnung betroffenen Waren "pharmazeutische Erzeugnisse und Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Arzneimittel für humanmedizinische Zwecke" verzichtet hat, so dass nur noch die Waren "Präparate für die Gesundheitspflege" streitgegenständlich sind.

Insoweit beantragt sie sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patentund Markenamts vom 28. November 2008 den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 3 382 413 auch hinsichtlich der Waren "Präparate für die Gesundheitspflege" zurückzuweisen.

Die Widerspruchsmarke werde nicht benutzt, so dass das Publikum gar nicht die Möglichkeit habe, die Widerspruchsmarke mit der Marke XARITA zu verwechseln.

Zwischen den Vergleichswaren fehle die Ähnlichkeit. Ein Präparat zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems habe in keiner Weise etwas mit einem Aromatherapieöl für den Wellnessbereich zu tun. Der Käufer und Konsument des einen Präparats komme nicht automatisch mit dem anderen Produkt in Berührung. Erkrankungen des zentralen Nervensystems könne man nicht durch ein Aromatherapieöl behandeln oder heilen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zwischen den allein noch streitgegenständlichen Waren "Präparate für die Gesundheitspflege" und den Waren der Widerspruchsmarke bestehe eine mittlere bis enge Ähnlichkeit, da der Oberbegriff "Präparate für die Gesundheitspflege" ein breites Spektrum unterschiedlicher Produkte wie z. B. Arzneimittel, medizinisch wirksame Produkte, aber auch paramedizinische oder homöopatische Mittel ebenso wie die verschiedenen Tees wie etwa Beruhigungstees, schlaffördernde Tees, stärkende, kräftigende oder belebende Präparate als Brausetabletten oder in anderen Darreichungsformen, Wellnessprodukte abdecke.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen beiden Marken in Bezug auf die allein noch streitgegenständlichen Waren "Präparate für die Gesundheitspflege" der angegriffenen Marke die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Soweit die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten hat, erweist sich diese Einrede als unzulässig, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke gemäß § 125 b Nr. 4 MarkenG i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG noch nicht abgelaufen ist. Für die Beurteilung der Warenund Dienstleistungsähnlichkeit ist daher von der Registerlage auszugehen.

Unerheblich ist danach, ob die angegriffenen Marke für ein Aromatherapieöl im Wellnessbereich benutzt wird bzw. benutzt werden soll, wie die Markeninhaberin geltend macht. Denn im Widerspruchsverfahren ist für die Beurteilung der Ähnlichkeit allein von den im Register eingetragenen Waren und/oder Dienstleistungen auszugehen. Keine Bedeutung hat hingegen, auf welchen tatsächlichen Geschäftsfeldern die Inhaber der Marken tätig sind oder für welche konkreten Waren die Zeichen benutzt werden bzw. werden sollen (vgl. BGH GRUR 1999, 245, 247 -LIBERO; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 81). Auf Seiten der angegriffenen Marke ist daher allein auf den noch streitgegenständlichen Warenoberbegriff "Präparate für die Gesundheitspflege" abzustellen.

Da von diesem Warenoberbegriff auch Präparate umfasst werden, die ohne Arzneimittel im Sinne von § 2 AMG zu sein, vornehmlich aufgrund enthaltener pflanzlicher Wirkstoffe eine beruhigende Wirkung auf das Zentralnervensystem besitzen können, bestehen zu den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden "pharmazeutischen Präparaten zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems" erhebliche Berührungspunkte. Wenngleich solche "Präparate für die Gesundheitspflege" zwar regelmäßig nicht direkt für die Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems in einem engen funktionalen Sinne bestimmt sein werden, so dienen sie gleichwohl ebenso wie die entsprechenden Arzneimittel und pharmazeutischen Erzeugnisse einem gesundheitlichen Zweck, so dass unter Berücksichtigung weiterer Berührungspunkte bei den Vertriebsstätten, den Abgabeformen und Aufmachungen der Produkte kein deutlicher Warenabstand oder gar eine Warenferne angenommen werden kann, sondern eher eine engere Ähnlichkeit zwischen diesen Waren vorliegt.

Aber selbst wenn man zugunsten der Markeninhaberin lediglich von einer mittleren Warenähnlichkeit ausgeht, besteht in Bezug auf die streitgegenständlichen Waren Verwechslungsgefahr. Mangels einer Beschränkung auf rezeptpflichtige Arzneimittel sind auf Seiten der Widerspruchsmarke neben dem Fachverkehr auch Endverbraucher als maßgebliche Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen, wobei jedoch nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 -SAT.2), der zudem allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, mehr Aufmerksamkeit widmet als vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. BGH GRUR 1995, 50 -INDOREKTAL / INDOHEXAL). Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte genügt die angegriffene Marke den danach zu stellenden Anforderungen an den Markenabstand nicht.

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichszeichen, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 170). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 -Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395 Tz. 21 -HEITEC).

Davon ausgehend sind nach Auffassung des Senats die Vergleichszeichen bereits im klanglichen Gesamteindruck so stark angenähert, dass eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht gewährleistet ist.

Allein kennzeichnender Bestandteil der angegriffenen Marke ist dabei der Wortbestandteil "Xarita". Denn der Verkehr orientiert sich bei einer komplexen Wort/Bildmarke erfahrungsgemäß an dem Wortbestandteil, wenn -wie vorliegend -der Bildbestandteil keine ins Gewicht fallende grafische Gestaltung aufweist (vgl. BGH GRUR 2006, 859, 862 [Tz. 29] -Malteserkreuz; GRUR 2008, 258, 260 [Tz. 23] -INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2008, 903, 905 [Tz. 25] -SIERRA ANTI-GUO). Die danach miteinander zu vergleichenden Wörter "Xarita" und ""XAPRILA" verfügen über die identische und klangstarke Silbe "XA" am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang. Sie besitzen ferner eine identische, das Gesamtklangbild maßgeblich beeinflussende Vokalfolge (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 193) und stimmen auch in Silbenzahl, Silbengliederung, im Betonungsund Sprechrhythmus sowie in dem Konsonanten "R" in der Wortmitte überein. Im Verhältnis zu diesen erheblichen Übereinstimmungen stellen die konsonantischen Abweichungen in der Wortmitte durch den zusätzlichen Konsonanten "P" bei der Widerspruchsmarke sowie im Anlaut "t" bzw. "L" der Endsilbe kein ausreichendes Gegengewicht dar, um auch dem Durchschnittsverbraucher trotz der anzunehmenden größeren Aufmerksamkeit ein sicheres Auseinanderhalten der Markenwörter in klanglicher Hinsicht zu ermöglichen. Der Unterschied in der Wortmitte tritt im Gesamtklangbild beider Marken vor dem gedehnt gesprochenen Vokal "i" nicht hinreichend deutlich hervor, um den vorhandenen klanglichen Übereinstimmungen in beiden Markenwörtern maßgebend entgegenzuwirken. Auch die Abweichung zwischen den zwischen zwei identischen Vokalen eingebetteten Konsonanten "t" und "L" wird insbesondere durch den Endvokal "a" überlagert, welcher aufgrund seiner gedehnten Aussprache das Klangbild der Endsilbe maßgeblich beeinflusst. Da der Verkehr die Marken zudem in aller Regel nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnimmt und seine Auffassung daher erfahrungsgemäß von einem eher undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (vgl. EuGH, MarkenR 1999, 236, 239 -Lloyd/Loints), kann eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

Der Senat neigt ferner auch zu der Auffassung, dass beide Marken ihrem schriftbildlichen Gesamteindruck nach keinen hinreichenden Abstand aufweisen. Bei der angegriffenen Marke handelt es sich um eine Bildmarke, deren graphische Ausgestaltung aber nur auf eine bestimmte Schriftart beschränkt ist. Das ¨ Symbol, welches für die Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke ohne Bedeutung ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, 233 [Tz. 72] -BioID), ist insoweit als bedeutungslose Zutat bzw. Verzierung zu vernachlässigen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 336), so dass sich allein die Markenwörter "Xarita" und "XAP-RILA" gegenüberstehen. Beim schriftbildlichen Vergleich sind neben den registrierten Markenformen alle anderen verkehrsüblichen Schreibweisen zu berücksichtigten (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9 Rdnr. 155). Dies gilt auch für die grafisch ausgestaltete angegriffene Marke (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdnr. 207). Neben einer Wiedergabe in Versalien ist dabei auch die Normalschreibweise mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung zu berücksichtigen. Gerade bei einer solchen Schreibweise sind beide Markenwörter aufgrund der Übereinstimmung in den Buchstaben "X-aria" sowie des kaum wahrnehmbaren figürlichen Unterschieds zwischen den Konsonaten "l" und "t" stark angenähert. Allein der zusätzliche Konsonant "p" im weniger beachteten Wortinnern der Widerspruchsmarke fällt demgegenüber trotz seiner Unterlänge auch unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnungen gestattet (siehe dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 206 m. w. N.), weniger ins Gewicht. Einer abschliessenden Entscheidung zur Frage der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr bedarf es jedoch nicht, da bereits die klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Knoll Metternich Merzbach Hu






BPatG:
Beschluss v. 02.03.2010
Az: 25 W (pat) 116/09


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