Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. September 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 19/09

(BPatG: Beschluss v. 09.09.2009, Az.: 35 W (pat) 19/09)

Tenor

Die Beschwerde des Gebrauchsmusterinhabers gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 26. März 2009 wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I.

Der Gebrauchsmusterinhaber und Antragsteller hat am 26. Juli 2005 ein Gebrauchsmuster mit der Bezeichnung "Zusatzgeschirr für die Microwelle" angemeldet, das am 23. März 2006 in das Register eingetragen worden ist. Für das Eintragungsverfahren war ihm mit Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts (DPMA) vom 7. September 2005 antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe gewährt worden.

Nachdem die dreijährige Grundlaufzeit des Gebrauchsmusters am 26. Juli 2008 abgelaufen war und der Gebrauchsmusterinhaber die Aufrechterhaltungsgebühr für das 4. bis 6. Jahr der Schutzdauer nicht bis zum Ablauf der zuschlagsfreien Zahlungsfrist bezahlt hatte, wurde ihm von der Gebrauchsmusterstelle mit Bescheid vom 12. Dezember 2008 mitgeteilt, dass eine weitere Aufrechterhaltung seines Gebrauchsmusters davon abhängig sei, dass bis zum 2. Februar 2009 die Aufrechterhaltungsgebühr in Höhe von 210,--€ sowie der Zuschlag in Höhe von 50,--€ (insgesamt 260,--€) entrichtet werde. Hierauf hat der Gebrauchsmusterinhaber mit Eingabe vom 8. Januar 2009, die am 13. Januar 2006 (fristgerecht) beim DPMA eingegangen ist, beantragt, ihm für die Aufrechterhaltungsgebühr Verfahrenskostenhilfe zu gewähren. Dem Antrag waren Unterlagen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt.

Die Gebrauchsmusterstelle hat sodann mit Bescheid vom 4. Februar 2009 den Antragsteller aufgefordert nachzuweisen, dass er erfolgversprechende Verwertungsversuche unternommen habe. In dem Bescheid wurde dem Antragsteller ferner aufgegeben, innerhalb eines Monats Unterlagen, aus denen etwaige von ihm unternommene Verwertungsversuche zu ersehen seien, vorzulegen; für den Fall des fruchtlosen Ablaufs dieser Frist wurde die Zurückweisung des Verfahrenskostenhilfeantrags angedroht. Der Antragsteller hat diesen Bescheid mit Eingabe vom 6. März 2009 beantwortet und im Wesentlichen erklärt, dass bisher niemand einen vergleichbaren keramischen Druckbehälter, der für den Dauereinsatz in der Mikrowelle geeignet sei, vorgelegt habe. In der Vergangenheit habe er mit ca. 20 Betrieben ausführlich über eine Zusammenarbeit gesprochen. Mit einigen Betrieben stehe er immer noch in Kontakt. Diese hätten sich zum Teil als sehr hilfsbereit gezeigt, letztlich aber weder Geld noch Zeit in ein Projekt, dessen Ausgang noch nicht hinreichend bestimmt sei, investieren wollen. Seiner Eingabe hatte der Antragsteller ferner Unterlagen über einen "KOCH-FUCHS DRUCKGARER" (22 Seiten) beigefügt.

Mit Beschluss vom 26. März 2009 hat die Gebrauchsmusterstelle gestützt auf den Bescheid vom 4. Februar 2009 den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers zurückgewiesen. Begründet hat die Gebrauchsmusterstelle ihre Entscheidung damit, dass der Antragsteller keine ausreichenden Nachweise über erfolgversprechende Verwertungsversuche vorgelegt habe. Auch die der Eingabe vom 6. März 2009 beigefügten Unterlagen über die Anwendung des "KOCH-FUCHS DRUCKGARERS" stellten keine Belege für einen künftigen Erfolg von Verwertungsversuchen dar. Daher entspreche die Aufrechterhaltung des vorliegenden Gebrauchsmusters offensichtlich nicht mehr den Grundsätzen wirtschaftlichen Handelns, sondern diese erscheine vielmehr "mutwillig" im Sinne von § 114 ZPO i. V. m. § 21 Abs. 2 GebrMG und § 130 Abs. 1 PatG. Die beantragte Verfahrenskostenhilfe könne daher nicht gewährt werden.

Gegen den am 1. April 2009 dem Antragsteller zugestellten Beschluss richtet sich seine am 9. April 2009 beim DPMA eingegangene Beschwerde, mit der er seinen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe weiterverfolgt. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass er seine Lage in klaren Worten geschildert habe. Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Aussage, dass er keine ausreichenden Nachweise über erfolgversprechende Verwertungsversuche geliefert habe, sei lediglich eine Behauptung. Eine verstehbare Begründung, weshalb ihm nunmehr keine Verfahrenskostenhilfe mehr gewährt werde, sei dem Beschluss nicht zu entnehmen. Mit der angegebenen Verweisungskette von § 21 Abs. 2 GebrMG über § 130 Abs. 1 PatG auf § 114 ZPO sei die ablehnende Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Die fachliche Seite habe den Verfasser des angefochtenen Beschlusses überhaupt nicht interessiert. Die Entscheidung sei zudem willkürlich, da ihm für die Verlängerung des Patent ..., das er für denselben Erfindungsgegenstand erhalten habe, Verfahrenskostenhilfe gewährt worden sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 26. März 2009 aufzuheben und ihm für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr seines Gebrauchsmusters Verfahrenkostenhilfe zu bewilligen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde führt nicht zum Erfolg, da die Gebrauchsmusterstelle den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Recht zurückgewiesen hat.

Der angefochtene Beschluss ist von einem funktional zuständigen Beamten erlassen worden. Entscheidungen der Gebrauchsmusterstelle, mit denen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für Aufrechterhaltungsgebühren verweigert wird, können durch Beamte im gehobenen Dienst und durch vergleichbare Tarifbeschäftigte erlassen werden. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 7 Wahrnehmungsverordnung (WahrnV) i. V. m. § 10 Abs. 2 GebrMG und § 1 Abs. 2 Verordnung über das Deutsche Patentund Markenamt (DPMAV).

Darüber hinaus erweist sich der angefochtene Beschluss auch inhaltlich als rechtmäßig.

Einem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 Satz 2 PatG Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich auch für Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist allerdings -wie in allen Fällen von Verfahrenskostenhilfe -§ 114 ZPO entsprechend zu beachten; diese Regelung wird durch § 130 Abs. 1 Satz 1 PatG ausdrücklich für anwendbar erklärt. Nach § 114 Satz 1 ZPO muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht "mutwillig" erscheinen. Hierbei handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gewollte und -entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung -auch klar formulierte Verweisung, mit der die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe von einer positiven Prognose, die sich auf die Verwertbarkeit einer Erfindung bezieht, abhängig gemacht wird. Diese Einschränkung ist erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern. Verfassungsrechtlich ist keine vollständige Gleichstellung geboten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Wirtschaftlich schwache Personen sollen nicht allein aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse von der Verwirklichung des Rechtsschutzes ausgeschlossen werden.

Ob Mutwilligkeit vorliegend gegeben ist, entscheidet sich letztlich danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage die Aufrechterhaltung ihres Schutzrechts in derselben Weise verfolgen würde, wie dies der Antragsteller vorliegend begehrt (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 130 Rdn. 34 m. w. N.; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 130 Rdn. 53; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). Mutwilligkeit ist danach ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der konkret vorgetragenen Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG a. a. O., m. w. N.).

Die Gebrauchsmusterstelle hat insoweit zunächst zu Recht Nachweise dafür eingefordert, dass der Antragsteller ernsthaft versucht hat, das Streitgebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Denn im Fall der Aufrecherhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Das Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungsund Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber insbesondere in der ersten Zeit nach Eintragung seines Schutzrechts ernsthaft um dessen Vermarktung bemühen und im Falle der Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen von einer weiteren Aufrechterhaltung seines Gebrauchsmusters absehen. Diesen Verhaltensmaßstab muss sich der Antragsteller vorliegend entgegenhalten lassen. Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus.

Der Antragsteller hat sich darauf beschränkt mitzuteilen, dass er in der Vergangenheit mit ca. 20 Betrieben ausführlich über eine Zusammenarbeit gesprochen habe und er mit einigen Betrieben gegenwärtig noch immer in Kontakt stehe. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die von ihm vorgelegten Unterlagen über einen "KOCH-FUCHS DRUCKGARER" haben, hat er nicht erläutert. Mit seiner Eingabe vom 6. März 2009 hat er jedoch eingeräumt, dass -insoweit, als die Vermarktung seines Gebrauchsmustergegenstandes in Frage stehe -bisher kein Betrieb Bereitschaft gezeigt habe, in seine Entwicklung zu investieren. Dies ergibt sich insbesondere aus seinen Ausführungen, wonach man nicht erwarten dürfe, dass sie (die Betriebe) in ein fremdes Projekt, "dessen Ausgang noch nicht bestimmt ist", Geld und Zeit einsetzten. An anderer Stelle seine Eingabe hat er sogar selbst herausgestellt: "Kein Betrieb will sich kostenmäßig an einer unfertigen Sache beteiligen." Selbst wenn man hiernach davon ausginge, dass sich der Antragsteller ernsthaft und engagiert um die Verwertung des Gebrauchsmustergegenstandes bemüht hat, so bleibt dennoch der Eindruck, dass das von ihm entwickelte "Zusatzgeschirr für die Microwelle" von einschlägigen Unternehmen als noch nicht hinreichend ausgereift beurteilt wird und seine Verwertungsbemühen deshalb bisher fruchtlos waren. Bei objektiver Betrachtung ist somit davon auszugehen, dass eine vermögende Person -in derselben Situation wie der Antragsteller -auf ihr Gebrauchsmuster verzichten würde. Vor diesem Hintergrund gelangt man weiter zu der Einschätzung, dass die weitere Aufrechterhaltung des Streitgebrauchsmusters als "mutwillig" im oben dargestellten Sinne erscheint.

Der Antragsteller kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass der Aufwand, den die Gebrauchsmusterstelle "auf Staatskosten" im Zusammenhang mit der Zurückweisung seines Verfahrenskostenhilfeantrags betrieben habe, unverhältnismäßig gewesen sei und durch eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe weniger Mittel beansprucht worden wären. Der Antragsteller übersieht hierbei, dass der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Pflicht zur Zahlung von Patentjahresbzw. Gebrauchsmuster-Aufrechterhaltungsgebühren das Ziel verfolgt, die Inhaber technischer Schutzrechte zur steten Prüfung anzuhalten, ob sich die Weiterführung ihres Rechts noch lohnt. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass eine möglichst große Zahl wirtschaftlich belangloser Schutzrechte fallengelassen und dadurch die Gefahr ungerechtfertigter Behinderungen der Allgemeinheit vermieden wird (vgl. Begründung zum PatÄndG 1967, BlPMZ 1967, 251; vgl. auch Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 17 Rdn. 5 -m. w. N.). Insoweit nimmt die Gebrauchsmusterstelle, indem sie einen Gebrauchsmusterinhaber im Falle eines Verfahrenskostenhilfeantrags gemäß § 114 Satz 1 ZPO auffordert, konkrete Nachweise über aussichtsreiche Verwertungsversuche vorzulegen, auch eine ihr obliegende, im übergeordneten Interesse aller Gewerbetreibenden liegende, öffentliche Aufgabe wahr.

Ferner rechtfertigt auch der Umstand, dass dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe möglicherweise für eine oder mehrerer Jahresgebühren bei seinem parallelen Patent ... bewilligt worden sind, keine andere Beurteilung. Die Entscheidungen der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des DPMA in Verfahrenskostenhilfesachen entfalten weder untereinander noch im Verhältnis zur Gebrauchsmusterstelle -auch unter der Voraussetzung eines vergleichbaren Sachverhalts -keine Bindungswirkung. Eine Selbstbindung der Stellen und Abteilungen des DPMA in Verfahrenskostenhilfesachen scheidet im Übrigen deshalb aus, weil der Behörde bei der Entscheidung über das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen kein Ermessensoder Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht. Die im Einzelfall zu treffende gebundene Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für Aufrechterhaltungsgebühren bzw. Jahresgebühren hat ausschließlich durch eine Prüfung des vorgetragenen Sachverhalts anhand der gesetzlich bestimmten Tatbeständen der §§ 129 bis 138 PatG und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung zu erfolgen. Die jeweils zuständige Stelle hat hierbei in eigener Verantwortung die Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe, wie z. B. hier den der "Mutwilligkeit" nach § 114 Satz 1 ZPO, vorzunehmen. Hierbei kann es in Einzelfällen zu sich widersprechen und damit gegebenenfalls auch zu Entscheidungen kommen, die möglicherweise einem Antragsteller einen Vorteil verschaffen, dessen Rechtmäßigkeit zweifelhaft erscheint. Eine umfassende Einheitlichkeit der Rechtsanwendung ist auch durch innerdienstliche Anweisungen, die eine bestimmt Rechtsauslegung vorgeben, oder allgemeine Richtlinien nicht herzustellen, die sich zwangsläufig als von vornherein unvollständig erweisen.

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BPatG:
Beschluss v. 09.09.2009
Az: 35 W (pat) 19/09


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