Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. Mai 2005
Aktenzeichen: I-20 U 24/05
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.05.2005, Az.: I-20 U 24/05)
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 05. Januar 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der bestätigte Beschluss der Kam-mer vom 28. September 2004 mit folgender Fassung aufrecht erhalten wird:
Den Antragsgegnern wird unter Androhung der im Beschluss näher be-zeichneten Ordnungsmittel untersagt,
im geschäftlichen Verkehr im Internet eine Video-Chat-Plattform mit por-nographischen Inhalten im Sinne des § 184 StGB, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV bereit zu halten und dabei die Volljährigkeit der Internetnutzer durch ein Altersverifikationssystem zu überprüfen, das nutzerseitig auf der Eingabe der Personalausweisnummer oder Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl - sowie der hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei die persönliche Identifikation des Nutzers, etwa im Rahmen des Post-Ident-Verfahrens, bei seiner Registrierung er-folgt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin zu 1. zu 80 % und die Antragsgegnerin zu 2. zu 20 %.
Gründe
Die Antragstellerin bietet unter der Domain www.XXX.de eine Video-Chat-Platform an, von der Pornografie abrufbar ist. Als Altersverifikationssystem benutzt sie das System "X-Check".
Die Antragsgegnerin zu 1., deren Geschäftsführerin die Antragsgegnerin zu 2. ist, bietet unter der Domain www.XXX.de gleichfalls eine pornographische Video-Chat-Platform an. Sie benutzt das Altersverifikationssystem "über18.de".
Die Antragstellerin hält dieses System für unzureichend; es genüge nicht den Anforderungen der § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV. Jugendliche könnten mit Hilfe falscher Personalausweisnummern auf das Angebot der Antragsgegnerin zu 1. ohne Weiteres zurückgreifen.
Die Antragsgegnerin macht geltend, die Antragstellerin verhalte sich selbst rechtswidrig. Bei vor dem Inkrafttreten des JMStV gewonnenen Kunden verzichte sie auf eine nähere Überprüfung.
Zudem sei das System "über18.de" sicher. Der Nutzer müsse eine Personalausweisnummer sowie seine Postleitzahl eingeben. Eltern könnten den Zugriff auf Pornografie durch Aktivierung des ICRA-Filters sowie durch Sperrung ihrer Personalausweisnummern verhindern. Nach Version 2 des Systems müsse der potentielle Nutzer auch eine Bankverbindung angeben. An die Sicherstellung einer Sperrung des Zugangs von Minderjährigen dürften bereits deswegen keine hohen Anforderungen gestellt werden, weil Minderjährige ohne Probleme ausländische Webseiten mit pornographischen Inhalt ansteuern könnten und eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Abs. 2 JMStV veranlasst sei; auch seien die Grundrechte der Betreiber sowie der Erwachsenen, die in zumutbarer Weise auf die Webseiten Zugriff nehmen wollten, zu berücksichtigen.
Schließlich verhalte sich die Antragstellerin widersprüchlich. Sie selbst habe im Zuge von Verhandlungen über eine Veräußerung u.a. der Webseite www.XXX.de geäußert, die Umsätze auf dieser Seite ließen sich steigern, wenn man in der Zukunft ein lediglich auf der Nennung der Personalausweisnummer beruhendes AVS benutze.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil seine Beschlussverfügung bestätigt, derzufolge den Antragsgegnern untersagt wurde,
im geschäftlichen Verkehr im Internet eine Video-Chat-Plattform bereit zu halten, auf der sich private Anwender (Sender) mit ihren unterschiedlichen sexuellen Neigungen einer Vielzahl von Internet-Nutzern darbieten können (Portal), ohne vorher die Volljährigkeit der genannten Internetnutzer/Kunden in ausreichender und zweifelsfreier Weise verifiziert zu haben.
Die dagegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerinnen hat - bis auf eine Anpassung des Unterlassungsgebots an die Konkretisierung, die die Antragstellerin im Termin vom 19. April 2005 vorgenommen hat - keinen Erfolg.
1.
Der Antrag ist nunmehr hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Während der ursprüngliche Antrag und demzufolge auch der Tenor des landgerichtlichen Beschlusses gerade die zwischen den Parteien streitige Frage abstrakt in den Tenor aufnahm, ob das von den Antragsgegnerinnen benutze System geeignet ist, "die Volljährigkeit der ... Internetnutzer in ausreichender und zweifelsfreier Weise [zu] verifizieren", enthält die jetzige Antragsfassung eine Beschreibung der Versionen 1 und 2 des Altersverifikationssystems "über18.de", welches die Antragstellerin für unzureichend hält.
Über den Begriff "Pornographie" streiten die Parteien nicht.
2.
Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt.
Die Antragstellerin hat innerhalb einer angemessenen Frist reagiert, als sie von der Verfahrensweise der Antragsgegnerin zu 1. Kenntnis erhalten hat. Dass zuvor von der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin zu 1. in gleicher Weise verfahren wurde und die Antragstellerin insoweit möglicherweise mit der Einleitung eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu lange gezögert hat, steht dem nicht entgegen. Bei der Antragsgegnerin zu 1. handelt es sich um eine selbständige juristische Person, was sich bereits darin zeigt, dass sich ihre Muttergesellschaft durch die Einschaltung der Antragsgegnerin zu 1. einer gegen sie, die Mutergesellschaft, ergangenen gerichtlichen Verfügung entziehen wollte.
3.
Unerheblich ist des Weiteren, dass nach dem Vorbringen der Antragsgegnerinnen die Antragstellerin im Rahmen von Verhandlungen über einen Geschäftsteil der Antragstellerin, darunter die Webseite www.XXX.de, geäußert haben soll, die Umsätze ließen sich steigern, wenn man in der Zukunft ein lediglich auf der Nennung der Personalausweisnummer beruhendes Altersverifikationssystem benutze. Aus dieser Bemerkung ließe sich nicht schlussfolgern, dass die Antragstellerin gegen derartige Altersverifikationssysteme nicht vorgehen werde, wenn sie doch selbst "im Geschäft bleiben" werde. Dagegen sprach bereits, dass eine Duldung derartiger Systeme ihre eigenen Seiten auch für Erwachsene unattraktiv werden ließ.
4.
Auch in der Sache selbst ist die Auffassung des Landgerichts nicht zu beanstanden, die Darbietung pornographischer Inhalte sei mit der als Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Köhler, in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdnr. 11.180) aufzufassenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 JMStV nicht zu vereinbaren, weil die Versionen 1 und 2 des Altersverifikationssystems "über18.de" nicht hinreichend sicherstellen, dass die Inhalte nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Die Tatsache, dass erwachsene Inhaber eines Internet-Zugangs möglicherweise durch eigene Maßnahmen dazu beitragen können, dass der Zugang Minderjähriger zu Pornographie erschwert oder unmöglich gemacht wird, reicht nicht aus, da die Beschränkung der Zugänglichmachung auf Erwachsene Sache der Anbieters ist.
Der Senat hat in einem gegen den Vertreiber des Altersverifikationssystems "ueber18.de" gerichteten Verfahren in seinem Urteil vom heutigen Tage (I-20 U 143/04) Folgendes ausgeführt:
1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 3, 4 Nr. 11 UWG n.F, den auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch anwendbaren Vorschriften.
a)
Das Angebot und der Vertrieb des Altersverifikationssystems der Beklagten "ueber 18.de" verstößt, wenn es für die Gewährung des Zugriffs auf Internetseiten eingesetzt wird, welche pornografische Darstellungen enthalten, in sämtlichen hier in Frage stehenden Versionen, gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV sowie § 184 c StGB n.F. (§ 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.).
Der zwischen den Bundesländern geschlossene Jugendmedienschutz-Staatsvertrag dient gemäß seinem § 1 dem einheitlichen Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die ihre Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden. Gemäß § 4 Abs. 2 JMStV sind Angebote in diesen Medien unzulässig, wenn sie "in sonstiger Weise" pornografisch - d.h. nicht in qualifizierter Weise gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 9-11 JMStV - sind, es sei denn, dass "von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe)". Gemäß § 184 c StGB n.F. (in Kraft seit dem 1. April 2004) wird bestraft, wer eine pornografische Darbietung durch Rundfunk-, Medien- oder Teledienste verbreitet. In den Fällen der Verbreitung "einfacher" pornografischer Darstellungen im Sinne des § 184 Abs. 1 Satz 1 StGB ist der Tatbestand des § 184 c Satz 1 StGB nicht erfüllt, wenn durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass die pornografische Darbietung Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich ist.
Ein "Sicherstellen" der Ausschließung Minderjähriger von pornografischen Darbietungen im Internet wird durch Altersverifikationssysteme, wie sie die Beklagte anbietet und vertreibt, nicht gewährleistet, da die hierdurch getroffenen Vorkehrungen nicht ausreichend sind, um den Zugang Minderjähriger zu pornografischen Inhalten regelmäßig zu verhindern.
Der Senat schließt sich der in der bisherigen strafrechtlichen Judikatur (vgl. OLG Düsseldorf MMR 2004, 409; KG Berlin MMR 2004, 478) sowie dem überwiegenden Schrifttum (vgl. Döring, MMR 2004, 231; Liesching, MMR, Heft 2/2004, Seite VII; Erdimir, MMR, Heft 2/2004, Seite VI) vertretenen Auffassung an, wonach ein Zugänglichmachen im Sinne des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. (§ 184 c StGB n.F.) nur dann nicht vorliegt bzw. ein "Sicherstellen" im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV nur dann gewährleistet ist, wenn zwischen der pornografischen Darstellung und dem Minderjährigen eine "effektive Barriere" besteht, die er überwinden muss, um die Darstellung wahrnehmen zu können (so BGH NJW 2003, 2838 für Automatenvideothek). Die Voraussetzungen, unter denen das Altersverifikationssystem "ueber 18.de" in den Versionen 1 und 2 den Zugriff auf hierdurch geschützte Internetinhalte gewährt, bilden keine solche effektive Barriere zwischen den Inhalten der Internetseite und einem potentiellen minderjährigen Nutzer. Dabei kann es dahinstehen, ob die Beklagte noch ein System anbietet, welches allein auf der Eingabe von Personalausweis- oder Reisepassnummer basiert. Denn auch in Verbindung mit der Angabe der Postleitzahl des Ausstel- lungsorts und der Überprüfung der Übereinstimmung zwischen Behördenkennziffer und Ausstellungsort sowie in der zusätzlichen Auslösung eines Zahlungsvorgangs durch Eingabe von Kontonummer und Bankleitzahl oder Kreditkartennummer bietet das System der Beklagten keine hinreichende Sicherheit vor dem Zugriff Minderjähriger auf die hierdurch geschützten Internetseiten. Dass die Überprüfung der Personalausweis- oder Reisepassnummern auf ihre "Gültigkeit", d.h. darauf, ob sie den Charakteristika, die tatsächlich vergebene Nummern aufweisen, entsprechen, keine sichere Zugangskontrolle darstellt, ergibt sich bereits daraus, dass derartige Nummern, wie die Beklagte nicht in Abrede stellt, über im Internet ohne weiteres auffindbare, frei zugängliche Programme berechnet werden können. Auch wenn, wie nach der Darstellung der Beklagten in der "Version 1" eine Eingabe der Postleitzahl des Ausstellungsorts erforderlich ist und das System einen Abgleich mit der in der Personalausweisnummer enthaltenen Behördenkennzahl vornimmt, besteht zum einen die nicht fernliegende Möglichkeit, dass Jugendliche sich Ausweispapiere von Eltern oder erwachsenen Freunden beschaffen und mit deren Hilfe das Altersverifikationssystem durch Eingabe "echter" Daten ohne weiteres überwinden. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten, die sich hierbei auf veröffentlichte Rechtsliteratur (Liesching MMR 2004, 481 f.; Döring/Günter MMR 2004, 231, 233) stützen kann, ist eine Umgehung auch ohne "echte" Ausweispapiere möglich, da im Internet Postleitzahlen mit den dazugehörigen Behördenkennziffern aufzufinden sind.
Auch in der Version 2 schließt das System der Beklagten den Zugriff Jugendlicher nicht sicher aus. Es gibt eine Vielzahl von Jugendlichen, die über eigene Girokonten verfügen. Ferner können Kinder und Jugendliche sich in ihrem Umfeld Kreditkarten oder Bankunterlagen Dritter beschaffen. Dass in Fällen, in denen Jugendliche Bankdaten z.B. ihrer Eltern ohne deren Zustimmung benutzen, der hierdurch ausgelöste Zahlungsvorgang bei der entsprechenden Buchung auf dem Konto zutage tritt, ändert nichts daran, dass die Notwendigkeit, einen Zahlungsvorgang auszulösen, kein ausreichendes Zugangshindernis darstellt. Wie auch der 5. Strafsenat des OLG Düsseldorf (MMR 2004, 410) ausgeführt hat, ist nach der Lebenserfahrung damit zu rechnen, dass Kinder und Jugendliche ungeachtet der Gefahr der "Entdeckung" durchaus nicht selten verhältnismäßig einfache Umgehungsmöglichkeiten nutzen, um an Darstellungen mit Inhalten zu gelangen, von denen sie eigentlich ausgeschlossen werden sollen, die aber gerade deshalb einen besonderen Reiz auf sie ausüben. Angesichts des relativ geringfügigen Betrags, der für den Zugang abgebucht wird, werden viele Kinder und Jugendliche darauf vertrauen, dass die Buchung nicht auffällt, wenn sie sich überhaupt Gedanken über die Konsequenzen ihres Handelns machen, wovon bei Kindern und Jugendlichen nicht regelmäßig ausgegangen werden kann. Bei der Vielzahl von Jugendlichen, die über ein eigenes, von den Eltern nicht regelmäßig kontrolliertes Girokonto verfügen, ist der Zahlungsvorgang von vornherein nicht geeignet, eine gegenüber der bloßen Eingabe von Personalausweisnummern wirksame Zugangsbeschränkung zu gewährleisten.
Diese offensichtlichen Möglichkeiten für Minderjährige, über das AVS der Beklagten auf die hierdurch geschützten Internetseiten zu gelangen, führt auch nach Auffassung des Senats dazu, dass das AVS "ueber 18.de" keine effektive Barriere bildet, um Kinder und Jugendliche von der Wahrnehmung von Internetseiten mit pornografischem Inhalt fernzuhalten. Soweit die Beklagte im Anschluss an die Privatgutachten Berger (veröffentlicht in MMR 2003, 773-778) sowie Schumann (nicht veröffentlicht) zu der Einschätzung gelangt, jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV sowie § 184 c StGB seien die von ihr angebotenen Altersverifikationssysteme geeignet, den Ausschluss Minderjähriger "sicherzustellen", vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Dem Argument der Beklagten, eine restriktive Auslegung der vorgenannten Vorschriften sei geboten, da nicht bewiesen sei, dass pornografische Darstellungen jugendgefährdende Wirkung hätten, überdies laufe angesichts der Vielzahl von im Internet frei zugänglichen pornografischen Darbietungen ausländischer Anbieter eine Zugangsbeschränkung ohnehin ins Leere, ist nicht zu folgen, weil der Gesetzgeber, wie u.a. die Neuregelung des § 184 c StGB zeigt, von seiner Einschätzungsprärogative dahin Gebrauch gemacht hat, dass Jugendliche von pornografischen Inhalten, auch wenn sie im Internet angeboten werden, im Geltungsbereich deutscher Gesetz möglichst wirksam ausgeschlossen werden sollen.
Auch mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hält der Senat eine andere Auslegung der vorgenannten jugendschutz- und strafrechtlichen Bestimmungen nicht für geboten. Die Ansicht, eine Zugangsbeschränkung durch persönliche Kontrolle etwa im Post-Ident-Verfahren sei bereits nicht geeignet, um Jugendliche von Internet-Auftritten mit pornografischem Inhalt fernzuhalten, weil diese ohne weiteres auf ausländische Angebote ohne jede Zugangsbeschränkung zugreifen könnten, hält der Senat nicht für überzeugend. Dass über das Internet jugendgefährdende Angebote vom Ausland aus betriebener Websites zugänglich sind, die der deutsche Gesetzgeber nicht verhindern kann, ändert nichts an seiner Befugnis, dem deutschen Recht unterworfenen Anbietern aufzuerlegen, den Zugang Minderjähriger zu pornografischen Darstellungen im Internet durch eine "effektive Barriere" zu verhindern. Wie Döring, MMR 2004, 235 f zutreffend ausgeführt hat, ist deshalb der Umstand, dass ausländische Internetangebote mit jugendgefährdendem Inhalt für Jugendliche zugänglich sind, nicht geeignet, eine Freizeichnung von Anbietern im Geltungsbereich der deutschen Jugendschutzbestimmungen zu rechtfertigen. Geeignet für eine zuverlässige Alterskontrolle, die den Zugang Jugendlicher zu Internetseiten mit pornografischem Inhalt, die von deutschen Anbietern betrieben werden, im Regelfall verhindert, ist etwa die im Rahmen eines persönlichen Kontrakts erfolgende Überprüfung des Alters des Nutzers im Wege des Post-Ident-Verfahrens. Dass hierdurch die Grundrechte Erwachsener aus Art. 5 Abs. 1 GG auf Wahrnehmung pornografischer Inhalte im Internet in unverhältnisverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, ist nicht ersichtlich. Auch der Zugang zu Pornografiedarstellungen in anderen Medien wird erst nach einer Altersüberprüfung im Rahmen eines persönlichen Kontakts gewährt. Die Einschränkung, die hiermit für Erwachsene verbunden ist, ist wegen der überwiegenden Belange des Jugendschutzes hinzunehmen.
5.
Die Antragsgegnerinnen können auch nicht einwenden, die Antragstellerin verstoße gleichfalls gegen § 4 Abs. 2 JMStV. Soweit sie das System "X-Check" einsetzt, werden konkrete Einwendungen gegen die Geeignetheit des Systems nicht erhoben. Beanstandet wird nur, dass sie das System nicht konsequent einsetze, insbesondere bei "Alt-Kunden" keine Überprüfung mehr vornehme. Insoweit ist nur darauf hinzuweisen, dass der Einwand der "unclean hands" einem Unterlassungsanspruch durchweg nicht entgegen steht (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.2005 - I ZR 101/02 unter IV.2. - Vitamin-Zell-Komplex).
6.
Der Gesetzesverstoß ist auch erheblich im Sinne des § 3 UWG.
Die Antragsgegnerinnen können sich nicht darauf berufen, auf dem Markt sei eine Vielzahl von Anbietern pornographischer Angebote vorhanden, die gleichfalls gegen § 4 Abs. 2 JMStV verstießen, wobei diese teilweise entweder überhaupt keine oder leichter zu umgehendere Systeme als sie einsetzten. Dies würde dazu führen, dass jeder, der auf Unterlassung in Anspruch genommen wird, auf den jeweils Anderen verweisen könnte. Das ist nicht zulässig. Bei dem Verstoß handelt es sich auch nicht um eine Bagatelle oder um einen für den Vertrieb ihrer Dienstleistungen nebensächlichen Gesetzesverstoß.
Unerheblich ist des Weiteren, dass Jugendliche ohne Weiteres auf ausländische Webseiten pornographischen Inhalts ausweichen können. Es ist zwar richtig, dass die Wirksamkeit des § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV dadurch beeinträchtigt wird. Was unerheblich im Sinne des § 3 UWG ist, ist auch normativ zu bestimmen. Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis der im Internetbereich schwierigen Durchsetzung nationaler Schutzbestimmungen gegenüber ausländischen Anbietern und der dadurch auftretenden Gefahr der Benachteiligung deutscher Anbieter gegenüber ausländischen Anbietern bewusst dafür entschieden, dass pornographische Inhalte im Internet nur Erwachsenen zugänglich sein sollen. Diese Wertung kann nicht dadurch überspielt werden, dass der Gesetzesverstoß von Wettbewerbern als "unerheblich" eingestuft wird.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls unter den deutschen Anbietern die Antragstellerin einen Nachteil erleidet. Die Antragsgegnerinnen, die immerhin ein - wenn auch unzureichendes - Altersverifikationssystem einsetzen, machen nicht geltend, Interessenten für ihre Dienstleistungen seien überhaupt nicht gewillt, sich Beschränkungen zu unterwerfen; andernfalls könnten die Antragsgegnerinnen kaum Kunden aufweisen, da letztere den auch durch das Altersverifikationssystem "ueber18.de" verursachten Unannehmlichkeiten sonst ohne Weiteres auf ausländischen Webseiten ausweichen würden. Ersichtlich bevorzugt der Verkehr bei kostenpflichtigen Webseiten jedenfalls in gewissem Umfange deutsche Webseiten.
7.
Für den Gesetzesverstoß ist auch die Antragsgegnerin zu 2. als Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zu 1. persönlich verantwortlich. Sie macht selbst nicht geltend, die Tätigkeit der Antragsgegnerin mit dem Altersverifikationssystem "über18.de" geschehe ohne ihr Vorwissen.
8.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Das Urteil ist kraft Gesetzes nicht revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt. Dies gilt auch, insoweit in Abänderung der Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 28. September 2004, für das Verfahren vor dem Landgericht (§ 63 Abs. 3 GKG). Einerseits sind die Beeinträchtigungen, die die Antragstellerin bei Einsatz von "xcheck" erleidet, erheblich. Es ist nachvollziehbar, dass durch die Existenz des Systems "über18.de" auch Erwachsene von der Inanspruchnahme der Dienstleistungen, der mit dem strengeren System "xcheck" arbeitenden Antragstellerin abgehalten werden; denn sie werden versucht sein, mit geringerem Aufwand an vergleichbare pornographische Inhalte zu gelangen; dies gilt insbesondere wegen des Zwangs, sich im Rahmen des Post-Ident-Verfahrens in gewisser Weise zu "outen". Auch wenn die Erschwerung des Zugangs von Erwachsenen zu Pornographie nicht Zielrichtung des § 4 Abs. 2 JMStV ist, so sind jedoch bei der Bemessung der wirtschaftlichen Interessen, die die Antragstellerin mit ihrem Unterlassungsbegehren verfolgt, auch die praktischen Auswirkungen insgesamt zu berücksichtigen. Andererseits ist der Beitrag, den gerade die Antragsgegnerinnen dazu leisten, dass Nachfrager sich nicht an die Antragstellerin mit ihrem System "xcheck" wenden, nicht besonders hoch. Im Termin vom 19. April 2005 sind zur Marktbedeutung der Beteiligten nur pauschale Angaben gemacht worden. Auch in Deutschland wird auf dem fraglichen Sektor eine Vielzahl von Anbietern existieren. Bei der Bemessung der der Antragstellerin drohenden wirtschaftlichen Nachteile muss zudem die ohnehin gegebene Ausweichmöglichkeit auf frei zugängliche ausländische Seiten berücksichtigt werden.
Sch. F.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 24.05.2005
Az: I-20 U 24/05
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