Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 29. Mai 2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 12/06
(BGH: Beschluss v. 29.05.2007, Az.: AnwZ (B) 12/06)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. November 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit dem Jahr 1985 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und beim Landgericht W. zugelassen; im Jahr 2002 erfolgte die Zulassung beim Oberlandesgericht D. . Die Antragsgegnerin widerrief mit Verfügung vom 28. Februar 2005 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.
Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. In der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2007 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung erfüllt und liegen weiterhin vor.
1. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluss vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Derartige Beweisanzeichen, welche die Annahme des Vermögensverfalls rechtfertigten, waren hier - unabhängig von den in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO geregelten Vermutungstatbeständen - gegeben.
Im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung waren die im angefochtenen Beschluss aufgeführten Vollstreckungstitel gegen den Antragsteller ergangen. Hierbei handelt es sich um die Nummern 2, 4, 5 bis 7, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 18 bis 20 der Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin, die Bestandteil der Widerrufsverfügung ist. Wegen der Einzelheiten der offenen Forderungen wird auf Seite 5 bis 7 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Auf Grund dieser Titel waren zahlreiche Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller eingeleitet worden; am 26. April 2004 hatte der zuständige Gerichtsvollzieher eine Unpfändbarkeitsbescheinigung ausgestellt.
Angesichts dieser Umstände sind die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof mit Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten war. Dagegen bringt der Antragsteller nichts vor.
2. Der Widerrufsgrund ist auch nicht nachträglich entfallen. Eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers nach Erlass der Widerrufsverfügung wäre zwar im laufenden Verfahren noch zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356); die Voraussetzungen für einen zweifelsfreien Wegfall des Widerrufsgrundes liegen jedoch nicht vor.
Der Antragsteller hat zwar einige Forderungen seiner Gläubiger beglichen. Von geordneten finanziellen Verhältnissen ist er aber, wie der Anwaltsgerichtshof mit Recht angenommen hat, noch weit entfernt. Der aktualisierten, in der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof von der Antragsgegnerin vorgelegten Forderungsaufstellung (Stand: 7. November 2005) ist der Antragsteller nur hinsichtlich der Forderungen Nr. 20 bis 23 und 25 entgegengetreten; einen Beleg für die Erfüllung dieser Forderungen hat er jedoch nicht vorgelegt. Auch die übrigen Forderungen der Aufstellung sind nach den unangegriffenen Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs nicht erledigt. Vielmehr ist es auch nach Erlass der Widerrufsverfügung zu weiteren Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen, unter anderem von Seiten der C. bank eG wegen einer Forderung in Höhe von 21.799,46 € (Nr. 15 der Forderungsaufstellung) bzw. 5.125,70 € (Nr. 26). Mittlerweile ist der Antragsteller nach der Auskunft des Amtsgerichts W. mit vier Haftbefehlen aus dem Jahr 2005 im Schuldnerverzeichnis eingetragen; am 10. Februar 2006 hat er die eidesstattliche Versicherung abgegeben (42 M /06 Amtsgericht W. ). Darüber hinaus wurde der Antrag des Finanzamts W. auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers durch Beschluss des Amtsgerichts W. vom 17. Oktober 2006 (145 IN /06) mangels Masse abgewiesen. Damit greift jetzt auch die gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers ein (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO), die dieser nicht widerlegt hat. Nach Mitteilung des Finanzamts W. vom 20. November 2006 belaufen sich die Steuer- und Nebenforderungen gegen den Antragsteller auf 195.087,15 €. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Vermögensverfall des Antragstellers fortbesteht.
Das Vorbringen des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Antragsteller hat zwar behauptet, an ihn sei ein Honorar in Höhe von 250.000 € zuzüglich Umsatzsteuer überwiesen worden, mit dem er kurzfristig alle Verpflichtungen, die in der aktuellen Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2007 aufgeführt seien, erledigen werde. Einen Nachweis für den Eingang des Honorars und die Tilgung der Verbindlichkeiten hat der Antragsteller innerhalb der ihm vom Senat eingeräumten Frist jedoch nicht vorgelegt.
3. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit den Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern des Rechtsanwalts (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 a). Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts hier ausnahmsweise verneint werden könnte (dazu Senats-
beschluss vom 18. Oktober 2004, aaO, unter II 2 c), sind weder vom Antragsteller dargetan noch aus den Umständen ersichtlich.
Hirsch Otten Ernemann Frellesen Kappelhoff Stüer Martini Vorinstanz:
OLG Hamm, Entscheidung vom 11.11.2005 - 1 ZU 36/05 -
BGH:
Beschluss v. 29.05.2007
Az: AnwZ (B) 12/06
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