Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 19. Februar 2014
Aktenzeichen: L 8 R 872/12

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 19.02.2014, Az.: L 8 R 872/12)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6.9.2012 geändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin, außer den Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird in beiden Rechtszügen auf 42.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob die von dem Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ausgeübte Tätigkeit Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet.

Der Beigeladene zu 1) war zunächst Gesellschafter und Geschäftsführer der G Vermögensberatung und -verwaltungs GmbH [Amtsgericht (AG) Köln HRB 000], an der er einen Anteil am Stammkapital von 30 % hielt. Ein schriftlicher Geschäftsführervertrag bestand nicht.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 13.11.2007 wurde die Klägerin mit Sitz in F gegründet und am 11.12.2007 in das Handelsregister des AG Köln (HRB 000) eingetragen worden. Gegenstand des Unternehmens ist das Halten von Beteiligungen an Gesellschaften, welche unter dem Firmenbestandteil "G" firmieren und die Marke "G" nutzen. Gründungsgesellschafter und alleinvertretungsberechtigte sowie nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreite Geschäftsführer der Klägerin sind neben dem Beigeladenen zu 1), Frau T und Herr C. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug im Zeitpunkt der Gründung 25.000,00 EUR, die je zu 11.250,00 EUR von Frau T und Herrn C und zu 2.500,00 EUR durch den Beigeladenen zu 1) geleistet worden sind (§ 5 des Gesellschaftsvertrags).

Nach dem - weiterhin unveränderten - Gesellschaftsvertrag werden die Geschäftsführer von den Gesellschaftern bestellt und abberufen. Der Abschluss, die Ànderung und die Lösung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers obliegen den Gesellschaftern (§ 11 des Gesellschaftsvertrags). Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung kann bestimmt werden, dass einzelne Geschäftsführer ermächtigt sind, die Gesellschaft allein zu vertreten. In gleicher Weise können einzelne Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden (§ 12 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags). Aufgaben, Rechte und Pflichten der Geschäftsführer richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Im Óbrigen haben sie bei ihrer Geschäftsführung die Beschlüsse der Gesellschafter zu befolgen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags). Die Geschäftsführer benötigen zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen, die Zustimmung der Gesellschafter (§ 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags). Darunter fallen u.a. der Erwerb, die Veräußerung und Belastung von Grundstücken und Rechten an Grundstücken, die Bestellung und Abberufung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten, Versorgungszusagen jeder Art und der Erwerb sowie die Veräußerung von Beteiligungen an anderen Unternehmen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags). Für die Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich erforderlich, dass mehr als 60 % des Stammkapitals vertreten sind (§ 15 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags). Jeder 1,00 EUR Nennbetrag eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 18 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags). Im Óbrigen wird auf den Vertrag Bezug genommen.

Die Klägerin hat sodann als herrschende Gesellschaft mit notarieller Urkunde vom 14.12.2007 i.d.F. des notariellen Ànderungsvertrages vom 3.11.2009 mit der G Vermögensberatung und -verwaltungs GmbH und den nachfolgenden vier weiteren Gesellschaften einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, nämlich mit der G Assekuranz GmbH (AG Köln HRB 000), der G Finanzierungen GmbH (AG Köln HRB 000), der F GmbH (AG Köln HRB 000) und der G Beteiligungen GmbH (AG Köln HRB 000).

Zum 1.7.2010 wurde die Klägerin im Wege der Sacheinlage gegen Barzahlung und Tausch von Aktien in die schweizerische S Private Group AG (nachfolgend: S AG) eingebracht, die daraufhin alleinige Gesellschafterin der Klägerin wurde. Infolge des Verkaufs erhielt der Beigeladene zu 1) ein Aktienpaket von zunächst 175.843 Stückaktien zum Nennwert von je 1,00 Schweizer Franken (CHF) an der S AG, was einer Beteiligung von 7,745 % entspricht. Nach einer Kapitalerhöhung handelt es sich nunmehr um 228.743 Stückaktien, wobei der prozentuale Anteil der Beteiligung identisch geblieben ist.

Bei der S AG, welche am 4.11.2009 in das Handelsregister des Kantons Schwyz eingetragen worden ist, handelt es sich um eine schweizerische Aktiengesellschaft (AG) mit Niederlassungen verschiedener Tochtergesellschaften in Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb und der Verkauf, das Halten und Verwalten von Beteiligungen im In- und Ausland sowie das Erwerben, Belasten, Veräußern und Verwalten von Liegenschaften. Der Verwaltungsrat der S AG besteht aus vier Mitgliedern. Präsidentin des Verwaltungsrates ist bis gegen Ende des Jahres 2013 die Geschäftsführerin der Klägerin, Frau T, gewesen. Im Anschluss daran ist der Beigeladene zu 1) (einfaches) Mitglied des Verwaltungsrates geworden. Die Beschlussfassung innerhalb des Verwaltungsrates erfolgt mit einfacher Mehrheit, wobei dem Präsidenten im Fall der Stimmengleichheit das Entscheidungsrecht obliegt.

Mit Wirkung zum 1.7.2010 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) den Geschäftsführervertrag vom 29.6.2010. Darin ist u.a. Folgendes geregelt:

Der Geschäftsführer hat das Unternehmen mit aufgebaut und verfügt über besondere interne Kenntnisse, Branchenkenntnisse und Kundenkontakte etc.

§ 1 Grundpflichten; Zuständigkeit

(1) Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet die Gesellschaft nach Maßgabe der Satzung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft einschließlich solcher etwaiger Beteiligungsgesellschaften zu führen.

(2) Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

(3) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns und unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften.

(4) Der Geschäftsführer ist wegen seiner Branchenkenntnisse gegenüber der Gesellschafterversammlung nicht weisungsgebunden.

(5) Bezüglich der Gestaltung der Arbeitszeit (Stunden und Lage der Arbeitszeit) und des Arbeitsortes ist der Geschäftsführer frei.

(6) Der Geschäftsführer ist berechtigt auch andere Tätigkeiten neben seiner Funktion als Geschäftsführer der G Holding GmbH und deren Beteiligungsfirmen auszuüben.

§ 2 Organisation

(1) Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.

§ 3 Arbeitszeit

(1) Eine regelmäßige Arbeitszeit wird nicht vereinbart.

§ 4 Bezüge des Geschäftsführers

(1) Der Geschäftsführer erhält ein festes Jahresgehalt von EURO 80.400 das in 12 gleichen Raten zum Monatsende gezahlt wird.

(2) Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibt der Gehaltsanspruch für die Dauer von Monaten voll bestehen.

§ 5 Spesen

(1) Bei Geschäftsreisen hat der Geschäftsführer Anspruch auf Spesenersatz nach den jeweilige steuerlich zulässigen Höchstsätzen.

§ 6 Urlaub

(1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf mindestens 26 Tage bezahlten Urlaub im Jahr.

§ 7 Dauer; Kündigung

(1) Der Vertrag beginnt zum 1.7.2010.

(2) Der Vertrag kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Monats gekündigt werden.

Am 22.3.2011 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), dem sich die Klägerin anschloss. Er sei bereits zuvor Geschäftsführer der G Vermögensberatung und -verwaltungs GmbH gewesen. Seine Versicherungsfreiheit sei bereits im Rahmen einer durchgeführten Betriebsführung nicht beanstandet worden (Betriebsprüfungsbescheid vom 10.11.2008). Nur die drei Geschäftsführer, nicht aber die alleinige Gesellschafterin, verfügten über die notwendigen einschlägigen Branchenkenntnisse. Seine regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit regle sich nach Bedarf. Er arbeite nach eigenem Ermessen. Er könne eigenständig Personal einstellen oder entlassen. Seinen Urlaub müsse er sich nicht genehmigen lassen. Es sei eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende vereinbart worden. Von der Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet. Die Verbuchung erfolge als Betriebsausgabe. Die Klägerin führe ihre Gewinne an die S AG ab, von der er Gewinnausschüttungen erhalte.

Mit Schreiben vom 18.7.2011 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) an. Es sei beabsichtigt, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) ab dem 1.7.2010 als Geschäftsführer der Klägerin zu erlassen. Der Beigeladene zu 1) sei nicht am Stammkapital der Klägerin sondern nur indirekt über die S AG beteiligt. Seine dortige Beteiligung betrage 7,745 %. Er erhalte für seine Tätigkeit eine Vergütung in Höhe von 6.700,00 EUR monatlich. Es bestehe ein Anspruch auf Fortzahlung im Krankheitsfall sowie auf Urlaub. Da die Antragstellung nicht innerhalb eines Monates nach Aufnahme der Beschäftigung erfolgt sei, seien die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV nicht erfüllt.

Daraufhin wurde mitgeteilt, dass die Einschätzung der Beklagten nicht geteilt werde. Der Beigeladene zu 1) sei als Geschäftsführer alleinvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach § 1 Abs. 4 des Geschäftsführervertrages sei er aufgrund seiner Branchenkenntnisse gegenüber der Gesellschafterversammlung nicht weisungsgebunden. Nicht nur die Klägerin, sondern auch andere Gesellschaften seien von ihm abhängig, da er den Bereich der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) für sämtliche zugehörigen Unternehmen eigenständig leite. Er sei zudem in der Gestaltung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsortes frei.

Mit Bescheid vom 15.8.2011 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) zunächst fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer bei ihr seit dem 1.7.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Im Rahmen eines weiteren Verfügungssatzes stellte sie darüber hinaus fest, dass aus diesem Grunde Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 1.7.2010. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass ein gesonderter Arbeitsvertrag bestehe, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regle. Es werde eine monatliche Vergütung in Höhe von 6.700,00 EUR und damit ein für die Tätigkeit übliches Entgelt bezahlt. Der Beigeladene zu 1) könne mangels Anteilen am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin ausüben. Sonderrechte und Sperrminorität seien ihm nicht eingeräumt worden. Damit spreche für eine selbstständige Tätigkeit lediglich, aber nicht ausschlaggebend, dass er einzelvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit sei und dass er eine Beteiligung an der S AG halte.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) vereinbarten am 9.9.2011 eine Ergänzung des Geschäftsführervertrages. In dieser heißt es wörtlich:

"Herr L ist alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der G Holding GmbH. In Ergänzung zu dem Geschäftsführervertrag vom 1.7.2010 wird folgendes Sonderrecht für Herrn Kornmeyer vereinbart:

Herrn L wird gegen alle Beschlüsse der Gesellschaft ein Vetorecht eingeräumt. Óbt er sein Vetorecht aus, so hat der Beschluss zu unterbleiben.

Herr L ist als Geschäftsführer zu allen Gesellschafterversammlungen zu laden, damit er über die Ausübung des Vetorechts entscheiden kann."

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) legten am 12.9.2011 unter Bezugnahme auf diese Ànderung Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten ein und wiederholten im Óbrigen ihr Vorbringen aus dem Antrags- und Anhörungsverfahren. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheiden vom 10.1.2012 als unbegründet zurück.

Dagegen haben die Klägerin sowie der Beigeladene zu 1) am 6.2.2012 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Sie haben ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Der Beigeladene zu 1) sei der Einzige, der die umfassende Verwaltung und Archivierung von Makler- und Bankdaten organisieren könne. Er erstelle die EDV-Lösungen der gesamten Gruppe. Die Beklagte gehe zudem von einem zu hohen Gehalt aus. Aufgrund einer deutlichen Reduzierung der Gewinne sei dieses von zuvor 6.700,00 EUR mit Wirkung ab dem 1.8.2010 auf 5.938,22 EUR und ab dem 1.1.2011 auf 5.284,89 EUR herabgesetzt worden. Neben der Teilnahme am Gewinn und Verlust der Muttergesellschaft der S AG habe der Beigeladende zu 1) ferner Bürgschaften in einer Gesamthöhe von 3.000.000 EUR gezeichnet. Dabei handele es sich um solche gegenüber Lebensversicherern und teilweise deren Konzerntöchtern. Die Tochtergesellschaft der Klägerin, die G Assekuranz GmbH (AG Köln HRB 000), deren Geschäftsführer er ebenfalls sei, habe selbständige Versicherungsmakler als Untervertreter. Ein Anspruch auf Maklerprovisionen aus dort abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen verwirkliche sich grundsätzlich erst, wenn die abgeschlossene Versicherung bis zum Ende der Laufzeit bedient würde. Dennoch würden die Provisionen vorschüssig gezahlt und das Ausfallrisiko der Versicherungsunternehmen über Bürgschaften abgesichert.

Die Klägerin hat, nachdem das SG die Klage des Beigeladenen zu 1) mit Beschluss vom 9.2.2012 abgetrennt (nunmehr SG Köln, S 2 R 148/12) und die Beiladungen der Beigeladenen zu 1) bis 4) beschlossen hat, beantragt,

den Bescheid vom 15.8.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Urteil vom 6.9.2012 hat das SG der Klage stattgegeben, die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) ab dem 1.7.2010 bei der Klägerin nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 17.9.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4.10.2012 Berufung eingelegt. Der Beigeladene zu 1) habe keinen maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft. Er verfüge weder über 50 % des Stammkapitals noch über eine umfassende Sperrminorität. Entscheidend sei die abstrakte Rechtsmacht. Nach § 13 des Gesellschaftsvertrages sei er dazu verpflichtet, die Beschlüsse der Gesellschaft zu befolgen. Diese Verpflichtung ergebe sich ebenso aus § 1 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages, der für die Führung der Geschäfte auf die gesetzlichen Vorschriften und damit auch auf § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verweise. Eine Ànderung des Geschäftsführervertrages sei erst später schriftlich erfolgt. Nach § 8 Abs. 1 des Geschäftsführervertrages bedürften Vertragsänderungen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das neu geschaffene Vetorecht habe zudem nicht zu einer Ànderung des Gesellschaftsvertrags geführt. Der Beigeladene zu 1) habe ferner Ansprüche auf ein erfolgsunabhängiges Festgehalt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten sowie auf einen jährlichen Urlaub. Aus der Bürgschaft sei kein Unternehmerrisiko abzuleiten, da die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft nur dann für eine Selbstständigkeit spreche, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und Bestimmung des Einsatzumfangs der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehe oder diese zu höheren Verdienstchancen führe. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den ersten Verfügungssatz des Bescheides vom 15.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2010 aufgehoben und beantragt nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6.9.2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Bei ihrer Tochtergesellschaft, der G Vermögensberatung und -verwaltungs GmbH, habe erneut eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum Januar 2008 bis Dezember 2011 stattgefunden (Bescheid vom 14.11.2012). Es sei abermals nicht zu einer Beanstandung bezüglich der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) als dortigem Geschäftsführer gekommen. Zudem seien die Zuständigkeitsbereiche der Geschäftsführer nicht aufgeteilt. Allerdings sei der Beigeladene zu 1) der einzige Geschäftsführer, der die EDV aufbauen und pflegen könne. Darüber würden mittlerweile weit über 2.000 selbständige Maklerfirmen betreut, mit zum Teil vierstelligen Maklerzahlen als Untervertreter. Diese würden über die Klägerin ihr Geschäft mit Versicherungen abwickeln, das heißt von der Einreichung eines neuen Versicherungsvertrages bis hin zur Provisionsabwicklung. Die Provision nehme sie entgegen und leite sie dann an den Makler nach Abzug ihrer Vergütung weiter. Zudem werde auch das Bankgeschäft der anderen Konzerngesellschaften durch den Beigeladenen zu 1) im Rahmen der EDV betreut.

Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin ergänzend mitgeteilt, dass in den Geschäftsjahren 2010, 2011 und 2012 keine ausschüttbaren Gewinne angefallen seien. Sie hat zudem Bürgschaftserklärungen vorgelegt, die der Beigeladene zu 1) ausnahmslos für Ansprüche aus mit der G Assekuranz GmbH geschlossenen Agenturverträgen übernommen hat.

Mit Beschluss vom 14.11.2013 ist die Beiladung der Beigeladenen zu 5) erfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die Geschäftsführerin der Klägerin, Frau T, und den Beigeladenen zu 1) angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 5) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 15.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012. Die diesbezüglich zulässig erhobene Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 6.9.2012 ist insgesamt begründet, nachdem die Beklagte den ersten Verfügungssatz des Bescheides vom 15.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2012, der mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig gewesen ist, aufgehoben hat. In der nunmehrigen Fassung erweisen sich die streitgegenständliche Bescheide als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat zu Recht nach § 7 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezüglich der von dem Beigeladenen zu 1) seit dem 1.7.2010 fortlaufend ausgeübten Beschäftigung als Geschäftsführer der Klägerin Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen.

Der Entscheidung der Beklagten steht insbesondere keine Bindungswirkung nach § 77 SGG durch die beiden Betriebsprüfungsbescheide vom 10.11.2008 und 14.11.2012 entgegen. Dabei kann der Senat in diesem Fall offen lassen, ob eine entsprechende Bindungswirkung in Ermangelung konkreter, das Rechtsverhältnis des Beigeladenen zu 1) zur Gesellschaft betreffender Verfügungssätze, überhaupt in Betracht kommen kann [gegen eine Bindungswirkung: Senat, Beschluss v. 28.6.2013, L 8 R 469/13 B ER; Beschluss v. 6.5.2013, L 8 R 1057/12 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de; ebenso: Bundessozialgericht (BSG), Urteil v. 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R; a.A. Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteil v. 8.10.2013, L 5 R 554/13; jeweils juris]. Denn vorliegend betreffen beide Betriebsprüfungsbescheide nicht die Klägerin, sondern deren Tochtergesellschaft, die G Vermögensberatung und -verwaltungs GmbH. Da die jeweiligen Rechtsverhältnisse isoliert zu betrachten sind, kann sich aus beiden Bescheiden jedenfalls keine Bindungswirkung für die Klägerin ergeben.

Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ergibt sich aus § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin gegen Arbeitsentgelt seit dem 1.7.2010 abhängig beschäftigt ist.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8 m.w.N.). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11 juris ).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Óberzeugung des Senats und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Beigeladene zu 1) ab dem 1.7.2010 fortlaufend und damit auch ab dem Zeitpunkt, in dem er in den Verwaltungsrat der S AG eingetreten ist, bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände in der Gesamtabwägung überwiegen.

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder selbständig ausgeführt wird, ist der Geschäftsführervertrag vom 29.6.2010 in Gestalt der am 9.9.2011 vereinbarten vertraglichen Ergänzung. Dieser Vertrag hat nach seinem Inhalt - monatlich festes Gehalt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub, Anspruch auf Spesenersatz - maßgebliche Elemente eines Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand.

Soweit in § 1 Abs. 4 und § 3 Abs. 1 des Geschäftsführervertrages geregelt ist, dass der Beigeladene zu 1) in der Gestaltung der Arbeit insbesondere der Arbeitszeit und des - ortes frei sei und insofern keinen Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt, ist diese Regelung Ausfluss des Umstandes, dass es sich um eine Tätigkeit höherer Art handelte, bei dem das Weisungsrecht des Arbeitgebers von Vornherein eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris). Entsprechende Regelungen hat - nach eigenen Angaben - zumindest auch die weitere Geschäftsführerin, Frau T, in ihrem Vertrag enthalten.

Soweit der Beigeladene zu 1) nach § 1 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages und durch Gesellschafterbeschluss von § 181 BGB befreit und alleinvertretungsberechtigt ist, ist das nicht untypisch und deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (BSG, Urteil v. 6.3.2003, a.a.O.; BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8, Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris).

Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage ist der Beigeladene zu 1) ab dem 1.7.2010 in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin, tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war er vollständig in den Betrieb und folglich in eine ihm einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Er ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen und mit den dortigen Betriebsmitteln tätig geworden.

Er unterlag daran anknüpfend einem Weisungsrecht der Klägerin bzw. deren Gesellschafterversammlung bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, denn allein ihr oblag die abstrakte Rechtsmacht.

Nach dem unverändert gebliebenen Gesellschaftsvertrag der Klägerin obliegt die Bestellung und Abrufung von Geschäftsführern sowie der Abschluss, die Ànderung und Loslösung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers, allein der Gesellschafterversammlung. Aufgaben, Rechte und Pflichten der Geschäftsführer richten sich in erster Linie nach diesem Vertrag. Der Beigeladene zu 1) hat nach § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages bei der Geschäftsführung die Beschlüsse der Gesellschafter zu befolgen. Er benötigt ferner zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen, die Zustimmung der Gesellschafter, § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages.

Der Beigeladene zu 1) hat demgegenüber keine Möglichkeiten, ihm nicht genehme Weisungen der Klägerin zu verhindern. Ihm fehlt in rechtlicher Hinsicht der notwendige maßgebliche Einfluss auf die Klägerin. Ein solcher maßgeblicher Einfluss liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v.H. des Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, a.a.O., m.w.N).

Der Beigeladene zu 1) verfügt nicht über Anteile an der Klägerin, auch nicht in Höhe einer Sperrminorität, so dass er auf diese Weise ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft verhindern könnte, was die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ausschließen würde (BSG, Urteil v. 6.2.1992, a.a.O.). Er hält nur einen über 175.843 und später 228.743 Stückaktien vermittelten Geschäftsanteil von 7,745 % an der S AG, der alleinigen Gesellschafterin der Klägerin.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der ergänzenden Vereinbarung vom 9.9.2011 und dem dort dem Beigeladenen zu 1) durch die Klägerin eingeräumten umfassenden Vetorecht, welches ihn grundsätzlich der Kontrolle der Gesellschafterversammlung entziehen sollte. Da individualvertragliche Gestaltungen sozialversicherungsrechtlich rückwirkend keine Wirksamkeit entfalten können, beeinflusst die Vereinbarung zunächst für die Zeit vom 1.7.2010 bis zum 8.9.2011 bereits aus diesem Grunde die Gesamtabwägung nicht. Auch darüber hinaus gewinnt sie keine Relevanz, denn die lediglich auf dienstvertraglicher Ebene getroffene Vereinbarung ist nicht geeignet, das Weisungs- und Kontrollrecht der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu beseitigen. Ggf. sich aus einem Verstoß gegen die Vereinbarung vom 9.9.2011 ergebende Sekundäransprüche bzw. etwaige Kündigungsrechte bewirken nicht, dass die auf dem Gesellschaftsvertrag i.V.m. dem GmbHG beruhende abstrakte Rechtsmacht der Gesellschafterversammlung originär eingeschränkt wird (vgl. Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Auflage 2014, § 46 Rdnr. 113).

Der - vorliegend durch die Vereinbarung geänderte - Geschäftsführervertrag ist ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichteter freier Dienstvertrag [vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil v. 10.1.2000, II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 509], der nachrangig zum gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis (BGH, Urteil v. 29.5.1989, II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1191 zur AG) diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft regelt, welche nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers vorgegeben sind (BGH, Urteil v. 10.5.2010, II ZR 70/09, juris). Wegen der Nachrangigkeit des Anstellungsverhältnisses gegenüber der Organstellung dürfen dienstvertragliche Abreden nicht in die gesetzliche oder statutarische Ausgestaltung des Organverhältnisses eingreifen. Der vertragliche Gestaltungsspielraum der Parteien wird daher durch die zwingenden Anforderungen begrenzt, welche sich im Interesse einer Gewährleistung der Funktionstüchtigkeit der Gesellschaft aus dem Organverhältnis ergeben (BGH, Urteil v. 10.5.2010, a.a.O.; ähnlich Schmidt in: a.a.O., § 46 Rdnr. 113).

Die abweichend eingeräumte Kontrollbefugnis eines von der Gesamtheit der Gesellschafter verschiedenen Gesellschaftsorgans - hier eines Geschäftsführers - muss daher satzungsmäßig fundiert sein und seinen eindeutigen Ausdruck im Gesellschaftsvertrag gefunden haben (vgl. Schmidt in: a.a.O. § 46 Rdnr. 113). Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin ist vorliegend jedoch gerade nicht geändert worden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Vertrages, wonach nur der Dienstvertrag abgeändert werden sollte. Ferner hätte es zur Wirksamkeit eines Beschlusses der Gesellschafterin und dessen notarieller Beurkundung nach § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG bedurft. Die Nichteinhaltung der Form führt zur Nichtigkeit, § 241 Nr. 2 Aktiengesetz (AktG) analog (Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, § 53 Rdnr. 69).

Zudem hätte die klägerische Gesellschafterversammlung und damit die S AG als alleinige Gesellschafterin selbst durch Satzungsbestimmung den Beigeladenen zu 1) nicht - wie mit der Vereinbarung des umfassenden Vetorechts offenbar gewollt - wirksam jeglicher Kontrolle durch sich entziehen können. Zwar können die Óberwachungsaufgaben der Gesellschafterversammlung auf andere Organe übertragen werden. Allerdings muss dabei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leitungsmacht und Kontrolle übrigbleiben. Insbesondere kann die Kontrolle über den Geschäftsführer nicht dadurch beseitigt werden, dass er jeder von den Gesellschaftern beeinflussbaren Aufsicht entzogen wird. Vielmehr ist die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern in ihrem Kern nicht abdingbar (Verbot der Selbstentmündigung der Gesellschafter bzw. Grundsatz der Verbandssouveränität; vgl. dazu Schmidt a.a.O., § 46 Rdnr. 113; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 45 Rdnr. 11; Mollkenkopf in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 45 Rdnr. 9; Zöllner in: Baumbach/Hueck, a.a.O., § 46 Rdnr. 7; BSG, Urteil v. 22.8.1973, 12 RK 24/72, BB 1973, 1310 für Personengesellschaften aus diesem Grund jedenfalls gegen eine stillschweigende Abbedingung der Gesellschafterbefugnis BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-182).

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen auch keine weiteren einzelfallbezogenen Umstände vor, die abweichend vom Regelfall eine Bindung des Beigeladenen zu 1) an das willensbildende Organ der Klägerin, d.h. die Gesellschafterversammlung ausschließen und damit einer für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Abhängigkeit von der Klägerin entgegenstehen.

Derartige Umstände sind in der Rechtsprechung für den Fall erwogen worden, dass die Gesellschafter aus Gründen familiärer Rücksichtnahme (vgl. hierzu i.E. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17) auf die Ausübung einer rechtlichen bestehenden Weisungsbefugnis jedenfalls solange verzichtet haben, wie es der Gesellschaft wirtschaftlich gut ging. In diese Richtung zielt der Vortrag der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, wonach zwischen den Geschäftsführern eine enge persönliche, nahezu familiäre Verbundenheit bestehe. Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, der Beigeladene zu 1) habe aufgrund besonderer Branchenkenntnisse und eines erheblichen Fachwissens eine faktisch beherrschende Stellung in der Gesellschaft inne und könne deshalb quasi schalten und walten, wie er wolle.

Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob die genannten Fallgruppen (familiäre Verbundenheit, überlegenes Fachwissen) in einzelnen Fällen auch bei bestehender rechtlicher Weisungsmacht der Gesellschafterversammlung ausnahmsweise die Annahme einer selbständigen Tätigkeit rechtfertigen. Denn jedenfalls ist die daraus von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) aus ihrem Vortrag gezogene Konsequenz, der Beigeladene zu 1) habe nach freiem Willen schalten und walten können, nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten gedeckt.

Zunächst gab es zwischen den drei Geschäftsführern der Klägerin entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer beruflichen Kenntnisse eine Aufgabenverteilung nach Geschäftsbereichen. So sind die Geschäftsführerin T seit Beginn für die Finanzen und der Geschäftsführer C für die strategische Ausrichtung des Unternehmens sowie die Kontakte mit den Vertriebspartnern zuständig. Der Beigeladene zu 1) betreut die elektronische Datenverarbeitung und damit die angebotene Dienstleistung der Klägerin. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass jeder Geschäftsführer für seinen Geschäftsbereich ein besonderes Fachwissen und spezielle Kenntnisse und Erfahrungen einbringt, die ihn befähigen, in seinem Zuständigkeitsbereich für die Gesellschaft erfolgreich tätig zu sein (Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris).

Aus der noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschilderten wirtschaftlichen Entwicklung der Klägerin folgt zwar unzweifelhaft eine zunehmende Bedeutung der Person des Beigeladenen zu 1) für den Erfolg der Gesellschaft in wirtschaftlicher Hinsicht. Dies hat sich jedoch bislang - trotz der gleichfalls geschilderten fast familiären Verbindungen der Geschäftsführer der Klägerin untereinander - nicht in einer dementsprechenden gesellschaftsrechtlichen Stellung des Beigeladenen zu 1) niedergeschlagen. Vielmehr sind die steigenden Möglichkeiten der tatsächlichen Einflussnahme durch den Beigeladenen zu 1) im Verhältnis zu den weiteren Geschäftsführern stets auf der rechtlichen Seite ausbalanciert worden. Seine rechtlichen Handlungsspielräume sind beständig begrenzt gewesen. So hielten bereits bei der Gründung der Klägerin die Geschäftsführer T und C 90% des Stammkapitals und der Beigeladene zu 1) nur 10%. Àhnlich verhält es sich bei der Alleingesellschafterin der Klägerin, der S AG. Zwar verfügen die Geschäftsführer der Klägerin nach eigenem Bekunden insgesamt über 25% der Anteile der S AG und haben damit innerhalb dieser eine Sperrminorität. Allerdings hält der Beigeladene zu 1) davon wiederum nur einen vergleichsweise kleinen Anteil von 7,745 %. Zudem ist er zwar seit Ende des Jahres 2013 in den vierköpfigen Verwaltungsrat der S AG aufgestiegen und damit Frau T nachgefolgt. Dies tat er allerdings nicht in die von ihr vorher besetzte Position des Präsidenten des Verwaltungsrates sondern lediglich als einfaches Mitglied. Damit hat er in dem vierköpfigen Verwaltungsrat gerade nicht den gleichen Einfluss auf die Alleingesellschafterin der Klägerin wie dies vorher Frau T hatte, denn nach Art. 713 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht; v. 30.3.1911, Stand: 1.1.2014; BBl. 1905 II 1, 1909 III 725, 1911 I 845) werden Beschlüsse des Verwaltungsrats mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen, was vorliegend nach den Bekundungen der Geschäftsführer der Klägerin nicht der Fall gewesen ist.

Der Senat kann zudem offen lassen, ob die Gesellschafterversammlung bereits mangels Kenntnissen über die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) ihr Weisungsrecht nicht ausüben konnte. Selbst wenn dem so wäre, ginge dieser Einwand fehl. Denn vielfach werden Beschäftigte aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eingestellt. In solchen Fällen ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (st. Rspr. seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr. 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr. 2 zu § 2 AVG S. 4; in jüngerer Zeit z.B. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 2 m.w.N.; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; vgl. - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (st. Rspr. BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr. 48; SozR 3-2400 § 7 Nr. 18; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, Rdnr. 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 Rdnr. 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen (BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris).

Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat es - wie bereits ausgeführt - allein in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses, den Beigeladenen zu 1) zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass er die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten. Anhaltspunkte dafür, dass allein der Beigeladene zu 1) über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, sind dem Senat nicht ersichtlich (vgl. dazu BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, USK 2013-39). So hat gerade die Geschäftsführerin der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die Frage geantwortet, was sie tun würde, falls der Beigeladene zu 1) von einem anderen Unternehmen abgeworben würde, dass dies nicht geschehen könne. Sie hat sich allerdings nicht darauf bezogen, dass ein Fortgang des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zu einem so maßgeblichen Verlust führen würde, dass diese gehalten wäre, alles nur Erdenkliche zu tun, um ihn zu halten. Sie hat vielmehr darauf verwiesen, dass - obwohl lediglich der drittgrößte Großhändler auf ihrem Gebiet - alleine die Klägerin als Wirkungsfeld für den Beigeladenen zu 1) attraktiv sein könne.

Wesentliche Merkmale, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind nicht ersichtlich.

Zunächst verfügt der Beigeladene zu 1) nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin bestehende Betriebsstätte und er hat auch kein für eine selbstständige Tätigkeit maßgeblich sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.

Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen, soweit es um den Einsatz der Arbeitskraft des Beigeladenen zu 1) geht. Denn er erhielt ein monatliches Festgehalt, bei dem nicht einmal geringe Anteile erfolgsabhängig waren. Zwar verringerte sich das Entgelt zum 1.8.2010 von 6.700,00 EUR monatlich auf 5.938,22 EUR und ab dem 1.1.2011 auf 5.284,89 EUR, jedoch folgt daraus kein maßgebliches Indiz für eine Selbständigkeit, denn mit dem (partiellen) Gehaltsverzicht war keine erkennbare Steigerung unternehmerischer Handlungsspielräume verbunden. Steuerrechtlich sind die zugewendeten Entgelte zudem der Einkommensteuer unterworfen und von der Klägerin als Betriebsausgaben berücksichtigt worden, was Indizien für eine abhängige Beschäftigung sind (LSG NRW, Urteil v. 18.4.2012, L 11 KR 312/10 m.w.N., juris).

Tantiemen sind von der Klägerin nicht ausgeschüttet worden. Zudem kommt ihnen Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, m.w.N.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O. juris). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, wäre deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit eher gering.

Ein unternehmerisches Risiko ergibt sich auch nicht aufgrund der übernommenen Bürgschaften. Diese stammen aus den Jahren 2008 und 2009 und liegen damit bereits nicht im streitgegenständlichen Zeitraum. Zudem beziehen sie sich lückenlos auf die Tochtergesellschaft der Klägerin, die G Assekuranz GmbH, und damit nicht auf die Klägerin selbst. Da vorliegend nicht die Versicherungspflicht bzgl. der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer bei der G Assekuranz GmbH, sondern bei der Klägerin zu beurteilen ist, kann sich aus diesen Bürgschaftsübernahmen nichts Erhebliches ergeben.

Mangels Mitunternehmerschaft war der Beigeladene zu 1) unmittelbar weder am Gewinn noch am Verlust der Klägerin beteiligt. Er genoss zudem den üblichen sozialen Schutz einer Entgeltfortzahlung in Urlaubs- und Krankheitsfall. Unerheblich ist, ob er diesen tatsächlich in Anspruch genommen hat und wenn ja in welchem Umfang. Denn es ist nicht ersichtlich, inwieweit damit eine Erweiterung der unternehmerischen Handlungsspielräume verbunden gewesen sein sollte.

Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Beklagte hat auf dieser Grundlage zu Recht die Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt. Insbesondere ist der Beigeladene zu 1) nicht nach § 1 Satz 4 SGB VI als versicherungsfrei anzusehen. Danach sind Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 AktG als ein Unternehmen gelten.

Dabei kann der Senat offen lassen, ob es sich bei der Klägerin und der S AG um einen Konzern im Sinne des § 18 AktG handelt, denn auch in diesem Fall kann sich der Beigeladene zu 1) ab dem Zeitpunkt, in dem er Mitglied des Verwaltungsrates der S AG geworden ist, nicht auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 4 SGB VI berufen. Zu den Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gehören nur solche einer bestehenden Aktiengesellschaft deutschen Rechts (AGdR; BSG, Vorlagebeschluss v. 27.2.2008, B 12 KR 5/07 R, NZS 2010, 495). Hierzu gehört der Beigeladene zu 1) in unmittelbarer Anwendung der genannten Ausnahmevorschrift als Mitglied des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft schweizerischen Rechtes (AGsR) nicht. § 1 Satz 4 SGB VI ist auf ihn auch nicht entsprechend anzuwenden, da er nicht wie Vorstandsmitglieder eines großen Versicherungsvereins auf Aktien (VVaG) Vorstandsmitgliedern einer AGdR rechtlich, d.h. durch eine Verweisung auf Vorschriften des deutschen Aktiengesetzes, gleichgestellt ist. Alleine die Tatsache einer Vergleichbarkeit der AGsR mit der AGdR in der tatsächlichen rechtlichen Ausgestaltung bewirkt nicht die Anwendbarkeit des § 1 Satz 4 SGB VI. Denn eine einschlägige gesetzliche Àquivalenzregel, deren es für eine solche Tatbestandsgleichstellung bedurfte, enthält das deutsche Sozialrecht nicht (BSG, Vorlagebeschluss v. 27.2.2008, a.a.O.). Eine solche tatbestandliche Gleichstellung kann auch nicht aus unmittelbar geltendem internationalem Recht hergeleitet werden. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25.2.1964 (BGBl. II 1965, 1293 - Sozialversicherungsabkommen). Dort ordnen Art. 4 und 4 a des Sozialversicherungsabkommens lediglich eine Gleichstellung der Staatsangehörigen bzw. der Staatsgebiete bei Anwendung der Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten an, nicht aber andere Rechtserscheinungen, an welche Rechtsfolgen geknüpft werden können (so bereits BSG, Vorlagebeschluss v. 27.2.2008, a.a.O.).

Die Nichtanwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 1 Satz 4 SGB VI auf Personen wie den Beigeladenen zu 1) verletzt nicht die Vorschriften des zwischen der Europäischen Gemeinschaft (EG), ihren Mitgliedsstaaten und der Schweiz geschlossenen Freizügigkeitsabkommens vom 21.6.1999 [Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über Freizügigkeit, (Freizügigkeitsabkommen) ABl. L 114/6]. Die Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens, insbesondere dessen Art. 1, 5, 7 und 16 sowie die Art. 12, 17 und 19 des Anhangs I stehen der Regelung eines Mitgliedstaates nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht entgegen, nach der eine Person, die die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaates besitzt und in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt ist, in der gesetzlichen Rentenversicherung dieses Mitgliedstaates versicherungspflichtig ist, obwohl sie Mitglied des Verwaltungsrats einer AGsR ist und Mitglieder der Vorstände von Aktiengesellschaften nach dem Recht des genannten Mitgliedstaats insoweit versicherungsfrei sind (EuGH, Urteil v. 12.11.2009, C-351/08, NZS 2010, 495). Diese Voraussetzungen erfüllt der Beigeladene zu 1), der als deutscher Staatsangehöriger auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland bei der Klägerin beschäftigt und seit Ende letzten Jahres in den Verwaltungsrat der S AG, einer AGsR, eingetreten ist.

Die Beklagte hat auch zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 1.7.2010 festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7 a Abs. 6 SGB VI nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7 a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung besteht wegen Óberschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. mit § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat von einer Kostenquotelung trotz der teilweisen Aufhebung des Bescheides im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund der Geringfügigkeit des diesbezüglichen Obsiegens abgesehen.

Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.

Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und damit nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit nach Ermessen des Gerichts. Óber einem Statusfestellungsverfahren liegt das wirtschaftliche Interesse des potentiellen Arbeitgebers in der Vermeidung der Beitragslast (vgl. Senat, Beschluss v. 14.5.2012, L 8 R 158/12 B, juris). Diese liegt hier knapp über 11 % des in drei Jahren erwirtschafteten Entgelts des Beigeladenen zu 1) und damit bei 42.000,00 EUR.






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 19.02.2014
Az: L 8 R 872/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/afec1df1666a/LSG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_19-Februar-2014_Az_L-8-R-872-12




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