Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. Juli 2006
Aktenzeichen: NotZ 14/06
(BGH: Beschluss v. 24.07.2006, Az.: NotZ 14/06)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 1. Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2006 - 1 Not 8/05 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der weitere Beteiligte - beide Rechtsanwälte - bewarben sich um eine vom Antragsgegner am 1. Juli 2003 im Justiz-Ministerial-Blatt für Hessen (JMBl. S. 246) für den Amtsgerichtsbezirk G. ausgeschriebene Notarstelle. Das Auswahlverfahren wurde gemäß Abschnitt A II des Runderlasses zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25. Februar 1999 (JMBl. S. 222) durchgeführt. Von den insgesamt 6 Bewerbern erzielte die Antragstellerin die höchste Gesamtpunktzahl (114,65), während der weitere Beteiligte die vierte Rangstelle einnahm mit einer Gesamtpunktzahl von 112,60. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 26. Mai 2004 mit, dass nach dem Ergebnis des Auswahlverfahrens beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Notarstelle mit ihrer Person zu besetzen.
Mit Beschluss vom 20. April 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht die durch Verwaltungsvorschriften einzelner Bundesländer - so auch durch den genannten Runderlass vom 25. Februar 1999 - konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 BNotO normierten Auswahlmaßstäbe für die Besetzung freier Notarstellen für verfassungswidrig erklärt mit der Begründung, die chancengleiche Bestenauslese, die zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit geboten sei, sei auf Grundlage dieser Maßstäbe nicht sichergestellt (BVerfGE 110, 304 = NJW 2004, 1935 = DNotZ 2004, 560 = ZNotP 2004, 281). Der Antragsgegner nahm dies zum Anlass, die Ausschreibung der Notarstelle zurückzunehmen und das eingeleitete, aber noch nicht abgeschlossene Auswahlverfahren abzubrechen (JMBl. vom 1. Juli 2004 S. 290). Die Antragstellerin erhielt davon mit Schreiben der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 29. Juni 2004 Kenntnis und wurde gebeten, die Mitteilung vom 26. Mai 2004 "als hinfällig zu betrachten".
Nach Änderung des Runderlasses zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25. Februar 1999 durch Runderlass vom 10. August 2004 (JMBl. S. 323) schrieb der Antragsgegner die Notarstelle am 1. Oktober 2004 neu aus (JMBl. S. 527). Sowohl die Antragstellerin als auch der weitere Beteiligte bewarben sich innerhalb der bis zum 12. November 2004 laufenden Frist. Aufgrund der für den weiteren Beteiligten dieses Mal ermittelten Gesamtpunktzahl von 186,85 Punkten schlug die Präsidentin des Oberlandesgerichts nunmehr ihn für die Besetzung der Stelle vor. Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 28. Juli 2005 davon unterrichtet, dass bei einer Gesamtpunktzahl von 168,25 Punkten ihrer Bewerbung nicht entsprochen werden könne. Mit dieser Punktzahl nahm die Antragstellerin den dritten Rang ein, während der zweitplatzierte Bewerber 181,6 Punkte erreichte.
Das Oberlandesgericht hat ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Inhalt, den Bescheid vom 28. Juli 2005 aufzuheben und den Antragsgegner zur Neubescheidung ihrer Bewerbung um die am 1. Oktober 2004 ausgeschriebene Notarstelle zu verpflichten, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre sofortige Beschwerde, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet.
1. Die Antragstellerin kann nicht geltend machen, der Antragsgegner habe ihr ohne zwingenden Grund eine schon verfestigte Rechtsposition genommen und wäre verpflichtet gewesen, das ursprüngliche Bewerbungsverfahren fortzuführen.
a) Nach der ersten Ausschreibung der Notarstelle hatte der Antragsgegner eine Auswahlentscheidung zugunsten der Antragstellerin getroffen. Dabei handelte es sich um einen durch Bekanntgabe an die Antragstellerin im Mai 2004 wirksam gewordenen einheitlichen, teils begünstigenden, teils belastenden Verwaltungsakt (Senatsbeschlüsse vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - ZNotP 2005, 155, 156; vom 16. Juli 2001 - NotZ 8/01 - NJW-RR 2001, 1564, 1565 m.w.N.). Dieser Verwaltungsakt ist mit Bescheid vom 29. Juni 2004 zurückgenommen worden. Dagegen hat die Antragstellerin sich nicht gewandt; die Entscheidung des Antragsgegners hat daher ihr gegenüber Bestandskraft erlangt.
b) Darüber hinaus wäre der Bescheid vom 29. Juni 2004 auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Es steht zwar nicht im Belieben der Justizverwaltung, eine bereits getroffene Auswahlentscheidung wieder aufzuheben, wenn diese rechtmäßig ergangen ist. Eine Aufhebung der einem Antragsteller mit der Qualität eines Verwaltungsakts zugesicherten Bestellung zum Notar kommt aber dann in Betracht, wenn die Auswahlentscheidung rechtswidrig gewesen ist (Senatsbeschlüsse aaO). Das war hier der Fall.
(1) Eine Bewerbung als Notar setzt voraus, dass eine Stelle zu vergeben ist. Der Antragsgegner hat indes die Ausschreibung vom 1. Juli 2003 mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 zurückgenommen und das Auswahlverfahren beendet. Dazu war er berechtigt. Der Senat verweist wegen weiterer Einzelheiten auf seine Beschlüsse vom 20. März 2006 (NotZ 40/05 - ZNotP 2006,271, 272) und vom 28. November 2005 (NotZ 34/05 - BGHZ 165, 146, 150 ff. sowie - u.a. - NotZ 30/05, NotZ 24/05, NotZ 43/05, NotZ 27/05 und NotZ 28/05; soweit unterlegene Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerden erhoben haben, sind diese vom Bundesverfassungsgericht durch Beschlüsse vom 1. Februar 2006 - 1 BvR 198/06 - und 2. Februar 2006 - 1 BvR 159/06, 1 BvR 169/06, 1 BvR 177/06 - nicht zur Entscheidung angenommen worden). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest; er hat sich mit den von der Antragstellerin dagegen vorgebrachten Gesichtspunkten in den angeführten Entscheidungen bereits auseinandergesetzt.
Die Bewerbung der Antragstellerin hatte durch den organisatorischen Akt des Antragsgegners ihre Erledigung gefunden (BGZZ 165, 146, 148 f.). Einen Anspruch auf Verfahrensbeendigung durch Vollzug der zuvor getroffenen Besetzungsentscheidung hatte sie danach nicht mehr.
(2) Die Antragstellerin wurde dadurch auch nicht in einem berechtigten Vertrauen, die ausgeschriebene Stelle übertragen zu erhalten, verletzt. Ändern sich aus verfassungsrechtlichen Gründen während eines laufenden Verfahrens die für die Besetzungsentscheidung von der Justizverwaltung allgemein angewandten und den potentiellen Bewerbern als verbindlich vorgegebenen materiellrechtlichen Beurteilungskriterien erheblich - wie hier aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 -, gibt es für ein etwaiges von Bewerbern gebildetes Vertrauen, sie würden gemäß einer entsprechenden Mitteilung der Justizverwaltung zum Notar ernannt, keine Grundlage mehr.
2. Es ist mithin allein maßgeblich, ob die auf der Ausschreibung vom 1. Oktober 2004 und dem sich anschließenden Bewerbungsverfahren beruhende Auswahlentscheidung des Antragsgegners rechtsfehlerfrei getroffen worden ist. Das ist zu bejahen; die insoweit von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen greifen nicht durch.
a) Dem Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner habe in seine neue Auswahlentscheidung nur den früheren Bewerberkreis einbeziehen dürfen, ist schon deshalb nicht nachzugehen, weil der weitere Beteiligte zu diesem früheren Bewerberkreis gehört. Er hat - ebenso wie die Antragstellerin - auf die Ausschreibung vom 1. Oktober 2004 erneut eine Bewerbung eingereicht; er wird aufgrund dieser wiederholten Bewerbung für eine Besetzung der ausgeschriebenen Stelle in Betracht gezogen.
b) Die Antragstellerin kann weiter nicht geltend machen, sie habe sich nicht rechtzeitig auf die neue verfassungsrechtliche Situation und die dadurch bedingten veränderten Beurteilungsmaßstäbe einstellen können, insbesondere nicht auf den Fortfall der (gemeinsamen) Kappungsgrenze für die durch Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und Beurkundungen erzielbaren Punkte.
(1) Die Antragstellerin hat spätestens Ende Juni 2004 von dem Abbruch des Auswahlverfahrens und der beabsichtigten Neuausschreibung erfahren. Sie hatte damit - ebenso wie der weitere Beteiligte und die anderen Bewerber, die vor dieselbe Ausgangslage gestellt worden sind - knapp viereinhalb Monate Zeit, um bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist am 12. November 2004 zusätzliche, ihre Aussichten für eine erfolgreiche Bewerbung verbessernde Qualifikationen zu erwerben. Eine besondere Vertrauenslage, dass es bei den damals gültigen Auswahlkriterien in Zukunft verbleiben werde, gab es auch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 für sie nicht. Die Antragstellerin kann sich daher nicht darauf berufen, sie habe in schützenswerter Weise die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und den Umfang ihrer Beurkundungstätigkeit nach den Punktzahlen ausgerichtet, die nach früherer Erlasslage (höchstens) erzielbar waren.
(2) Vielmehr war der Antragsgegner seinerseits gehalten, den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an eine verfassungsgemäße Vergabe neu zu besetzender Notarstellen gestellt hat, umgehend gerecht zu werden und die bisherige Verwaltungspraxis entsprechend anzupassen. Durch ein längeres Zuwarten hätte der Antragsgegner sowohl den bisherigen - verfassungswidrigen - Zustand manifestiert als auch dem Bedürfnis nach einer baldigen Besetzung der bereits im Juli 2003 erstmals ausgeschriebenen Notarstelle und damit dem öffentlichen Interesse an einer geordneten und flächendeckenden Versorgung der rechtsuchenden Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen nicht Rechnung getragen.
c) Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Eignungskriterien des § 6 Abs. 3 BNotO gebilligt, weil sie bei der Auswahl der Anwaltsnotare eine angemessene Berücksichtigung solcher Kenntnisse und Fähigkeiten erlauben, die sich speziell auf den Zweitberuf des Notars beziehen. Es hat jedoch festgestellt, dass die Auslegung und Anwendung dieser Norm, unter anderem gemäß dem Runderlass vom 25. Februar 1999, bei der Auswahl der Bewerber aus dem Kreis der Rechtsanwälte, die für das Amt des Notars in Betracht kommen, nicht den Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung gewährleisten (BVerfGE 110, 304, 326 ff.). Eine nach den bisherigen Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem Kreis von Bewerbern lässt vor allem eine konkrete und einzelfallbezogene Bewertung der fachlichen Leistungen des Bewerbers vermissen. Erforderlich ist stattdessen eine Neubewertung, bei der auch die von den Bewerbern bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen differenziert zu gewichten sind. Insbesondere diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien müssen mit eigenständigem, höherem Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen (BVerfGE 110, 304, S. 326 ff., 336; Senatsbeschlüsse vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - ZNotP 2005, 155, 157 und vom 11. Juli 2005 - NotZ 29/04 - DNotZ 2005, 942, 945).
(1) Vor diesem Hintergrund kann die Antragstellerin nicht damit gehört werden, die von den Bewerbern jeweils besuchten Fortbildungskurse seien überbewertet und erlangten gegenüber der in der zweiten juristischen Staatsprüfung erzielten Note ein zu hohes Gewicht. Denn nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Zugangskriterien zum Anwaltsnotariat ist es gerade erforderlich, eine stärkere Ausrichtung an der Notarfunktion - bei demgegenüber zurücktretender Bedeutung der Examensnote - vorzunehmen. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb sich aus dem von der Antragstellerin eingenommenen Rechtsstandpunkt für sie Vorteile ergeben könnten. Der weitere Beteiligte hat seine juristische Ausbildung mit einer besseren Note abgeschlossen und kann - bei unveränderter Multiplikation mit dem Faktor 5 - auf 43,1 Punkte verweisen, während die Antragstellerin selbst nur 24,65 Punkte erlangt hat. Schon daraus folgt ein Unterschied von 18,45 Punkten, der durch die längere Anwaltstätigkeit der Antragstellerin (45 Punkte) gegenüber dem weiteren Beteiligten (28,25 Punkte) nicht ausgeglichen werden kann. Selbst bei Festhalten an den früheren Beurteilungskriterien auch für das laufende Bewerbungsverfahren, wie dies von der Antragstellerin für sich beansprucht wird, hätte sich insoweit ein Punktevorsprung des weiteren Beteiligten ergeben.
(2) Überdies hat das Bundesverfassungsgericht, um eine angemessene Berücksichtigung der während der bisherigen beruflichen Tätigkeit erworbenen notarspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu gewährleisten, die gemeinsame Punktzahlbildung für Fortbildung und praktische Bewährung mit ihrer Kappung auf insgesamt erzielbare 45 Punkte beanstandet. Der Antragsgegner hat mit Blick darauf seinen Runderlass geändert. Im Unterschied zum Runderlass in seiner früheren Fassung sind die Kappungsgrenzen für den Bereich theoretischer Befähigung und praktischer Bewährung aufgegeben. Die für Fortbildung und praktische Notartätigkeit erzielbaren Punkte sind nicht mehr gedeckelt; auch gibt es keine gemeinsame Kappungsgrenze für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen und den Erwerb notarieller Praxis mehr. Die Fortbildungskurse werden dann danach gewichtet, ob sie innerhalb der letzten drei Jahre vor Ausschreibung bis zum Ende der Bewerbungsfrist (1,0 Punkte je Halbtag) oder davor (0,5 Punkte je Halbtag) absolviert wurden. Damit ist eine weitere Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, das die bislang fehlende Differenzierung zwischen zeitlich länger zurückliegenden und jüngeren Lehrgängen beanstandet hat. Die von den Bewerbern vorgenommenen Notariatsgeschäfte - mit Ausnahme von Niederschriften nach § 38 BeurkG und Vermerken nach § 39 BeurkG einschließlich Beglaubigungen (mit oder ohne Entwurf) - werden ebenfalls nach Anzahl und zeitlicher Vornahme gewichtet.
(3) Der weitere Beteiligte hat eine deutlich höhere Anzahl von ihm besuchter Fortbildungsveranstaltungen aufzuweisen als die Antragstellerin; dadurch erreicht er nach Fortfall der Kappungsgrenze entsprechend höhere Punkte. Er kann insgesamt 108 Halbtage geltend machen und erlangt damit - ohne Unterscheidung nach bewerbungsnahen und bewerbungsfernen Fortbildungen - 54 Punkte, während der Antragstellerin dies nur für 79 Tage und demgemäß 39,5 Punkte gelingt. Bereits daraus ergibt sich ein Abstand von 14,5 Punkten, der sich auf 35,5 Punkte erhöht, wenn die in den letzten drei Jahren vor der Ausschreibung besuchten Fortbildungsseminare je Halbtag mit 1,0 Punkten (statt 0,5 Punkten) angesetzt werden. Auf die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Qualitätssicherung durch Bewertung fachspezifischer Leistungen kommt es hier nicht an, weil die Antragstellerin jedenfalls nicht darlegt, gegenüber dem weiteren Beteiligten im Vorteil zu sein, insbesondere Veranstaltungen besucht zu haben, bei denen strengere Leistungskontrollen stattgefunden haben als bei den durch den weiteren Beteiligten absolvierten Fortbildungen. Es wird auch sonst nicht ersichtlich, dass sie notarspezifisches Wissen erworben haben könnte, das es rechtfertigte, sie im Bewerbungsverfahren vorrangig zu berücksichtigen. Die Antragstellerin erhebt lediglich pauschale Beanstandungen, führt aber nicht aus, welche von ihr erbrachten Leistungen keinen Eingang bei der Auswahlentscheidung des Antraggegners gefunden haben.
(4) Für den Bereich der praktischen Tätigkeit kann die Antragstellerin indes auf eine höhere Anzahl von Beurkundungen verweisen. Schon zahlenmäßig stehen 292 Beurkundungen (Antragstellerin) 86 Beurkundungen (weiterer Beteiligter) gegenüber. Unter spezifischer Gewichtung der Urkundsgeschäfte nach zeitnahen und zeitferneren Beurkundungen sowie nach Beurkundungen während einer Vertretung oder Notariatsverwaltung mit einer ununterbrochenen Dauer von jeweils mehr als zwei Wochen mit Entwurf/Vollzug der betreffenden Urkunde, erreicht die Antragstellerin 28,6 Punkte, der weitere Beteiligte hingegen 10 Punkte. Daher wird nicht verständlich, wenn sich die Antragstellerin gegen die "unlimitierte" Berücksichtigung und Bewertung von Notariatsgeschäften anlässlich von Notarvertretungen wendet und beanstandet, dass Rechtsanwälte in "bestimmten Sozietätsformen" gegenüber Einzelanwälten bevorzugt sind, wenn es um die Gelegenheit zur Wahrnehmung von Notariatsvertretungen geht. Die Antragstellerin übt ihren Beruf nicht als Einzelanwältin aus, sondern gehört - ebenso wie der weitere Beteiligte - einer Sozietät an, in denen ein Mitglied zugleich den Zweitberuf des Anwaltsnotars ausübt. Was die Beurkundungszahlen anbelangt, ist sie gegenüber dem weiteren Beteiligten im Vorteil. Es wird mithin nicht nachvollziehbar, weshalb sich der weitere Beteiligte in einer Situation befinden sollte, in der er hinsichtlich des Beurkundungsaufkommens oder der Möglichkeit zu Notarvertretungen gegenüber der Antragstellerin bevorzugt wäre.
3. Angesichts der von den Bewerbern jeweils erzielten Gesamtpunktzahlen durfte der Antragsgegner seine Besetzungsentscheidung zugunsten des weiteren Beteiligten treffen; die Antragstellerin nimmt demgegenüber nur die dritte Rangstelle ein. Weitere Umstände, die im Hinblick auf eine bessere persönliche und fachliche Eignung der Antragstellerin für ein Abweichen von dieser Reihenfolge sprechen könnten und vom Antragsgegner in eine auf den Einzelfall bezogene, abschließende Prognose über die Befähigung der Antragstellerin für das von ihr erstrebte Amt hätten einbezogen werden müssen, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin macht auch nicht geltend, dass der Antragsgegner solche Umstände nicht berücksichtigt hat. Zwar hat der weitere Beteiligte bei seiner Vorbereitung auf das angestrebte Notaramt den Schwerpunkt auf den Erwerb theoretischer Fähigkeiten gelegt. Das ist indes auch bei der Antragstellerin der Fall, bei der die für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen erzielten Punkte ebenfalls überwiegen. Von einer nahezu fehlenden Beurkundungstätigkeit des weiteren Beteiligten und damit einem völligen Ausfall berufspraktischer Erfahrung oder einem sonst erkennbar gestörten Verhältnis in den fachspezifischen Leistungen zueinander (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - unter II 6), das dem Antragsgegner hätte Veranlassung geben müssen, von seinem über das Bezugssystem gewonnenen Ergebnis abzuweichen, kann nicht die Rede sein.
Schlick Streck Kessal-Wulf Doye Ebner Vorinstanz:
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 15.03.2006 - 1 Not 8/05 -
BGH:
Beschluss v. 24.07.2006
Az: NotZ 14/06
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