Kammergericht:
Beschluss vom 23. Oktober 2012
Aktenzeichen: 12 W 48/12

(KG: Beschluss v. 23.10.2012, Az.: 12 W 48/12)

Die Firma einer GmbH genügt dann den Anforderungen des § 18 HGB hinsichtlich der Kennzeichnung und den Anforderungen des § 30 HGB bezüglich der Unterscheidbarkeit von Firmen am gleichen Ort, wenn sie - wie eine weitere GmbH - aus einem gleichen (Phantasie-) Firmenkern und sich aber unterscheidenden Ziffern sowie dem Rechtsformzusatz besteht.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten vom 15. Mai 2012 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 17. April 2012 aufgehoben.

Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die durch Gesellschaftsvertrag vom 14. Februar 2012 gegründete Beteiligte wurde am selben Tag beim Amtsgericht Charlottenburg zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das Stammkapital wurde mit 25.000 € festgesetzt, auf das die Alleingesellschafterin M... V... S... GmbH den einzigen Anteil übernahm.

Mit Zwischenverfügung vom 17. April 2012 wies das Registergericht die Beteiligte darauf hin, dass es ihrer Firma an der notwendigen deutlichen Unterscheidbarkeit fehle. Die Kennzeichnungskraft des Zahlenzusatzes reiche nicht aus, um die Beteiligte von der Vielzahl der bereits in das Handelsregister eingetragenen S... -Firmen, die sich nur durch die jeweilige Zahl unterschieden, sicher zu stellen.

Gegen die ihr am 20. April 2012 zugestellte Zwischenverfügung hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten in deren Namen mit beim Registergericht am 15. Mai 2012 per EGVP-Datei eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte sei ein Solarfarm- oder Solarpark-Projekt, wie die bereits im Handelsregister eingetragenen und sich durch die Zahl hinreichend unterscheidenden acht weiteren S... -Gesellschaften. Der Name S... sei im Rahmen der abstrakten Unterscheidbarkeit schon ausreichend zur Kennzeichnung aller Gesellschaften geeignet. Die konkrete Unterscheidung durch eine Ziffer entspreche der überwiegenden registergerichtlichen Praxis des Amtsgerichts Charlottenburg und anderer Registergerichte. In einem Parallelverfahren sei die Gesellschaft S... 9 nach einer Stellungnahme der IHK in das Handelsregister eingetragen worden. Das Fehlen einer solchen Stellungnahme im hiesigen Verfahren sei verfahrensfehlerhaft. Die Ziffern bei gleichen Namen unterschiedlicher Gesellschaften stellten optische Stolpersteine dar. Jede Anschrift werde durch den Straßennamen und eine Hausnummer individualisiert und konkretisiert.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15. Mai 2012 nicht abgeholfen.

Der Senat hat eine Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer Berlin eingeholt.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 382 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 1 FamFG) und nach §§ 63, 64 FamFG form- und fristgemäß eingelegt sowie gemäß § 65 FamFG ordnungsgemäß begründet worden. Die Zwischenverfügung des Registergerichts ist gemäß § 382 Abs. 4 FamFG isoliert anfechtbar, obwohl es sich nicht um eine Endentscheidung handelt. Die Beteiligte besitzt auch die notwendige Beschwerdeberechtigung i.S.d. § 59 FamFG, weil die Vorgesellschaft bereits ein eigenständiges, von ihren Gründern und Gesellschaftern verschiedenes Rechtsgebilde mit eigenen Rechten und Pflichten darstellt (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 59 Rn. 86).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Das von dem Registergericht in der angefochtenen Zwischenverfügung angeführte Eintragungshindernis besteht nicht, so dass die Zwischenverfügung aufzuheben ist. Die angemeldete Firma der Beteiligten genügt den Erfordernissen des § 18 HGB hinsichtlich Kennzeichnung und Unterscheidungskraft und weist die erforderliche deutliche Unterscheidbarkeit zu Firmen am gleichen Ort im Sinne des § 30 HGB auf.

In der handelsrechtlichen Literatur zu § 18 HGB werden Zahlen in Verbindung mit einem Wort oder einer Buchstabenfolge weitgehend als kennzeichnungsgeeignet angesehen (Röhricht/Graf von Westphalen/Ammon/Ries, HGB, 3. Aufl. 2008, § 18 Rn. 15; MK-HGB/Heidinger, 3. Aufl. 2010, § 18 Rn. 22), wobei zum Teil davon ausgegangen wird, dass dies sowohl für Zahlen in Buchstaben- als auch in Ziffernschreibweise gilt (Röhricht/Graf von Westphalen/Ammon/Ries, a.a.O., § 18 Rn. 14; a.A. noch für die Buchstabenschreibweise: OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.11.1976, 20 W 910/76, bei Kreimer, Anmerkung zu AG Frankfurt, Beschluss vom 14.07,1980, 71 AR 713/80 in: Rpfleger 1980, 388). Der Bundesgerichtshof hat schlichte Buchstabenkombinationen als ausreichend kennzeichnungs- und unterscheidungsfähig anerkannt, auch wenn diese nicht als Wort aussprechbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2008, II ZB 46/07, zitiert nach juris). Danach genügt die Firma der Beteiligten den Anforderungen an Kennzeichnung- und Unterscheidungskraft im Sinne des § 18 HGB, da sie sich wegen der unterschiedlichen Zahlenbezeichnung von anderen SUNSPA-Gesellschaften unterscheidet und ihre Firma hinreichende Kennzeichnung aufweist. Eine Irreführung im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB ist nicht ersichtlich.

Gemäß § 30 Abs. 1 HGB muss sich jede neue Firma auch von allen in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden, also gegenüber § 18 HGB weitere Anforderungen hinsichtlich der Deutlichkeit der Unterscheidbarkeit in Bezug auf am gleichen Ort eingetragene Firmen erfüllen. Dies ist bei der Beteiligten ebenfalls gegeben, auch wenn die Unterscheidung zu den übrigen bereits eingetragenen S... -Gesellschaften allein durch den jeweiligen Ziffernzusatz zum Ausdruck kommt.

Die Vorschrift des § 30 HGB dient dem Schutz des Publikums (BGH, Beschl. v. 14.07.1966, II ZB 4/66, BGHZ 46, 7, zitiert nach juris Rn. 21 f.; KG, Beschl. v. 08.02.1991, OLGZ 1991, 396, 402 m.w.N.; Staub/Burghard, HGB, 5. Aufl. 2009, § 30 Rn. 29). Deshalb ist bei der Beurteilung der Unterscheidbarkeit auf die Verkehrsauffassung des gesamten Rechtsverkehrs und nicht lediglich auf die der konkret beteiligten Verkehrskreise abzustellen, und zwar auf das Verständnis eines durchschnittlich versierten Teilnehmers am Rechtsverkehr (Oetker/Schlinghoff, HGB, 2. Aufl. 2011, § 30 Rn. 9; Heidel/Schall/Ammon, HGB, 2011, § 30 Rn. 7). Bei der Prüfung ist auf die oberflächliche Art des großen Publikums, eine Firmenbezeichnung zu lesen, sie sich einzuprägen und sich ihrer zu bedienen, Rücksicht zu nehmen (KG, a.a.O.). Ob eine solche Unterscheidbarkeit vorliegt, ist nach dem Gesamteindruck der jeweiligen Firma unter Berücksichtigung des Wortbildes, Wortklanges und Wortsinns zu beurteilen (KG a.a.O., S. 401; Staub/Burghard, a.a.O.). Dabei genügt die Beifügung von Ordinalzahlen den Erfordernissen des § 30 HGB (MK-HGB/Heidinger a.a.O., § 30 Rn. 33 m.w.N.; Oetker/Schlinghoff, a.a.O., Rn. 10), und zwar unabhängig davon, ob es sich um werbende Gesellschaften oder sog. Vorratsgesellschaften handelt (Heidel/Schall/Ammon, a.a.O., § 18 Rn. 16). Nach der Liberalisierung des Firmenrechts muss dies aber auch für die Kardinalzahlen gelten, deren Gebrauch sich ebenfalls durchgesetzt hat, wie Beispiele wie O 2 oder SAT 1 belegen. Auch im Marken- und Wettbewerbsrecht ist die Verwendung von Zahlen als Unterscheidungsmerkmal grundsätzlich zulässig (vgl. § 3 MarkenG) und bereits in Einzelfällen Gegenstand von Entscheidungen gewesen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 27.11.2003, I ZR 79/01, der eine Verwechslungsgefahr zwischen €Telekom€ und €01051 Telecom€ verneint hat; BGH, Beschluss vom 18.04.2002, I ZB 22/99, wonach eine einstellige Zahl im Markenregister eintragungsfähig ist; OLG Köln, Urt. v. 25.11.2005, 6 U 77/05, zu einer geringen Ähnlichkeit auch ziffernmäßig nebeneinander liegender Zahlen).

Zudem besteht heutzutage nach der sachverständigen Mitteilung der IHK Berlin in ihrer vom Senat gemäß § 380 Abs. 2 S. 1 FamFG eingeholten Stellungnahme vom 08. August 2012 in verschiedenen Branchen das Bedürfnis, Firmen mit ähnlichem Unternehmensgegenstand anhand von Zahlen zu unterscheiden. So möchten zum Beispiel Unternehmen der Solarbranche Begriffe wie €Solar€ oder €Sun€ als Firmenkern verwenden, die dann zur weiteren Unterscheidung lediglich einfache Kriterien wie Zahlen benötigen. Auch ist bei zahlreichen wirtschaftlichen Vorhaben in jüngerer Zeit das Bedürfnis der Gründung einer Vielzahl von (nur) nummerisch unterscheidbaren Gesellschaften erkennbar, deren Zugehörigkeit zu einem Unternehmensverbund hinreichend ersichtlich wird und bei denen eine Verwechslungsgefahr mit unternehmensfremden Gesellschaften kaum bestehen dürfte. In der allgemeinen Verkehrsauffassung ist in jüngerer Zeit eine Gewöhnung an etablierte Buchstaben- und Zahlenkombinationen erkennbar, wie z.B. in Bezeichnungen wie SAT 1, 3 Sat, tm 3 oder O 2. Das durchschnittliche Publikum ist für den Zahlengebrauch € z.B. bei der Verwendung von Telefonnummern durch den verstärkten Gebrauch von Mobiltelefonen € stärker sensibilisiert, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Deshalb wird man mit dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 25.11.2005, 6 U 77/05, juris Rn. 20) für die Frage der deutlichen Unterscheidbarkeit davon ausgehen können, dass der Verkehr mit derselben Genauigkeit, die er bei der Verwendung von Telefonnummern anzuwenden gewöhnt ist, auch auf die einzelnen Ziffern in verschiedenen Firmierungen achten und diese auseinander halten werde. Vor diesem Hintergrund erscheint die Erhebung, die die IHK Frankfurt bereits im Jahre 1977 zu der Frage durchführte, ob die Beifügung eines Zahlwortes als Unterscheidung i.S.d. § 30 Abs. 2 HGB ausreichend sei (vgl. dazu Kreimer, Anmerkung zu AG Frankfurt, Beschluss vom 14.07.1980, 71 AR 713/80 in: Rpfleger 1980, 388), und zu einem überwiegend ablehnenden Ergebnis führte, heute nicht mehr zutreffend.

Somit ist mit der Ansicht der Beteiligten davon auszugehen, dass es sich bei der Beifügung von Zahlen um €optische Stolpersteine€ handelt, die zu einer deutlichen Unterscheidbarkeit führen. Im Übrigen weisen Gesellschaftsnamen der Art der Beteiligten einen außenstehenden Betrachter darauf hin, dass es voraussichtlich auch noch weitere Gesellschaften mit ähnlich lautenden Firmen gibt, was zu einer höheren Aufmerksamkeit führen wird und einer Verwechslungsgefahr entgegensteht. Der Gesamteindruck aus Namens- und Zahlenkombination unterstreicht dieses Ergebnis. Hier stehen zwischen dem Phantasienamen und dem Gesellschaftszusatz zwei Ziffern. Dies reicht aus, um von einer deutlichen Unterscheidbarkeit auch zu den bereits zuvor gegründeten neun Gesellschaften mit jeweils einer Ziffer auszugehen, was bereits abstrakt einen deutlichen Unterschied ausmacht. Allerdings wären selbst dann, wenn die Zahl aus mehreren Ziffern bestünde und nur die letzte davon variierte, die vom Registergericht befürchteten Verwechslungen dennoch nahezu auszuschließen (vgl. OLG Köln a.a.O., juris Rn. 19 f.).

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO.






KG:
Beschluss v. 23.10.2012
Az: 12 W 48/12


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