Bundesarbeitsgericht:
Urteil vom 26. September 2007
Aktenzeichen: 10 AZR 511/06

(BAG: Urteil v. 26.09.2007, Az.: 10 AZR 511/06)

1. Das in den §§ 60, 61 HGB für Handlungsgehilfen geregelte Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses gilt für alle Arbeitnehmer. Es schützt auch Arbeitgeber, die kein Handelsgewerbe betreiben. 2. Solche Arbeitgeber können in analoger Anwendung von § 61 Abs. 1 HGB die einem Prinzipal bei einem Wettbewerbsverstoß eines Handlungsgehilfen zustehenden Ansprüche geltend machen. Für die Verjährung der Ansprüche gilt die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB.

Tenor

1. Die Revision des Beklagten und Widerklägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 6. April 2006 - 6 Sa 595/05 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte und Widerkläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Der Beklagte verlangt vom Drittwiderbeklagten Auskunft und Schadensersatz wegen Wettbewerbs während des Arbeitsverhältnisses.

Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Drittwiderbeklagte war seit dem 9. Oktober 2002 in der Kanzlei des Beklagten beschäftigt. § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien lautet:

"(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses seine ganze Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Nebentätigkeiten, Beteiligungen gleich welcher Art und sonstige Tätigkeiten dürfen nur bei schriftlicher Zustimmung durch den Arbeitgeber angenommen werden. (2) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses für Dritte keine Rechtsberatung, rechtliche Interessenwahrnehmung oder Rechtslehre, weder gegen Entgelt noch unentgeltlich, in eigenem Namen oder mittels Dritten zu erbringen.”

Der Drittwiderbeklagte bearbeitete während des Arbeitsverhältnisses für die Kanzlei "Rechtsanwälte K” Mandate und stellte dafür Gebühren in Rechnung. Der Beklagte erlangte davon am 5. Januar 2005 Kenntnis. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete auf Grund einer außerordentlichen Kündigung des Beklagten vom 6. Januar 2005.

Der Beklagte hat mit einem beim Arbeitsgericht am 25. Februar 2005 eingegangenen Telefax beantragt, den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche Mandate er gemeinschaftlich oder einzeln unter der geschäftlichen Bezeichnung "Rechtsanwälte K” in dem Zeitraum vom 13. Oktober 2003 bis zum 5. Januar 2005 bearbeitet und welche Vergütung er gemeinschaftlich oder einzeln im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Mandate erhalten hat. Darüber hinaus hat er verlangt, ihm hierüber unter Beifügung der Kontoauszüge des Kanzleikontos Rechenschaft zu geben. Mit einem Schriftsatz vom 13. Mai 2005, der am selben Tag beim Arbeitsgericht per Telefax eingegangen ist, hat der Beklagte seine Klage erweitert und ua. beantragt, den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, an ihn 2.000,00 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat gemeint, der Drittwiderbeklagte habe auf Grund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot die verlangten Auskünfte zu erteilen. Ferner stünde ihm wegen entgangenen Gewinns der beanspruchte Schadensersatz zu. Der Drittwiderbeklagte habe auf Grund der Konkurrenztätigkeit wenigstens 2.000,00 Euro vereinnahmt. Seine Ansprüche seien nicht gemäß § 61 Abs. 2 HGB verjährt. Die in dieser Vorschrift geregelte Verjährungsfrist von drei Monaten finde bei Ansprüchen von Arbeitgebern, die kein Handelsgewerbe betrieben, schon dem Wortlaut nach keine Anwendung. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. Es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke. Jedenfalls sei eine analoge Anwendung der Bestimmung aus Gründen des Vertrauensschutzes im Entscheidungsfall ausgeschlossen.

Der Beklagte hat zuletzt beantragt,

1. den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche Mandate er gemeinschaftlich oder einzeln unter der geschäftlichen Bezeichnung Rechtsanwälte K in dem Zeitraum vom 13. Oktober 2003 bis zum 5. Januar 2005 bearbeitet hat und welche Vergütung er gemeinschaftlich oder einzeln im Zusammenhang mit der Durchführung von diesen Mandaten erhalten hat und hierüber Rechenschaft unter Beifügung der Kontoauszüge des Kanzleikontos (Kto.-Nr.) zu geben, 2. den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, an ihn 2.000,00 Euro nebst 3 % Zinsen seit dem 24. Dezember 2004 bis zur Rechtshängigkeit dieses Antrags und 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab der Rechtshängigkeit dieses Antrags zu zahlen.

Der Drittwiderbeklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Ansicht vertreten, der Beklagte habe seinen Zahlungsanspruch erst nach Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB gerichtlich geltend gemacht. Die Auskunftsklage habe die Verjährung weder gehemmt noch unterbrochen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seine Ansprüche weiter. Der Drittwiderbeklagte beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung mit der Verjährung der vom Beklagten verfolgten Ansprüche begründet und angenommen, die Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB gelte bei einem Verstoß des Arbeitnehmers gegen das Wettbewerbsverbot auch für darauf gestützte Ansprüche von Arbeitgebern, die kein Handelsgewerbe betrieben, sondern freiberuflich tätig seien. Der Beklagte habe am 5. Januar 2005 von der Wettbewerbstätigkeit des Drittwiderbeklagten Kenntnis erlangt und nicht innerhalb von drei Monaten die Verjährung durch Rechtsverfolgung gehemmt. Die Erhebung der Auskunftsklage habe keine Hemmung der Verjährung bewirkt. Der Beklagte habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB bei Ansprüchen von freiberuflich tätigen Arbeitgebern nicht gelte. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei anerkannt, dass im Bereich der freien Berufe die §§ 60 ff. HGB analog anzuwenden seien.

II. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern und halten deshalb den Angriffen der Revision stand. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die auf einen Verstoß des Drittwiderbeklagten gegen das Wettbewerbsverbot gestützten Ansprüche des Beklagten gemäß § 194 Abs. 1 BGB iVm. § 61 Abs. 2 HGB verjährt sind. Der Drittwiderbeklagte ist deshalb nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung von Schadensersatz zu verweigern. Auf Grund dieses dauernden Leistungsverweigerungsrechts des Drittwiderbeklagten fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für den vom Beklagten geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch (BAG 11. April 2000 - 9 AZR 131/99 - BAGE 94, 199; 5. September 1995 - 9 AZR 660/94 - AP BGB § 196 Nr. 16 = EzA BGB § 196 Nr. 9) .

1. Gemäß § 60 Abs. 1 HGB darf der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Verletzt der Handlungsgehilfe diese ihm obliegende Verpflichtung, so kann der Prinzipal gemäß § 61 Abs. 1 HGB Schadensersatz fordern; er kann stattdessen verlangen, dass der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete. Nach § 61 Abs. 2 HGB in der ab dem 15. Dezember 2004 geltenden Fassung verjähren die Ansprüche von dem Zeitpunkt an, in welchem der Prinzipal Kenntnis von dem Abschluss des Geschäfts erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste; sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in fünf Jahren von dem Abschluss des Geschäfts an.

2. Der Beklagte hat seine Zahlungsklage vom 13. Mai 2005 erst nach Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB erhoben. Nach der von ihm nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts hatte er bereits am 5. Januar 2005 von der Konkurrenztätigkeit des Drittwiderbeklagten und damit dem Verstoß des Drittwiderbeklagten gegen das Wettbewerbsverbot, auf den er seinen mit der Zahlungsklage verfolgten Schadensersatzanspruch stützt, Kenntnis erlangt. Mit der erst nach mehr als drei Monaten erfolgten Klageerweiterung vom 13. Mai 2005 hat er die Verjährung seiner mit der verbotenen Konkurrenztätigkeit des Drittwiderbeklagten begründeten Schadensersatzansprüche daher nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen können.

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Verjährung durch die Erhebung der am 25. Februar 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Auskunftsklage nicht durch Rechtsverfolgung gehemmt worden ist. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der ab dem 1. Januar 2002 gültigen Fassung vom 16. November 2001 wird die Verjährung gehemmt durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils. Die bloße Auskunftsklage ist damit keine die Verjährung hemmende Rechtsverfolgung im Sinne dieser Vorschrift. Schon vor ihrer Neufassung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 war anerkannt, dass eine bloße Auskunftsklage nicht die Verjährung von Zahlungsansprüchen unterbricht (BAG 5. September 1995 - 9 AZR 660/94 - AP BGB § 196 Nr. 16 = EzA BGB § 196 Nr. 9). Selbst wenn dem Beklagten ohne die verlangte Auskunft die bestimmte Angabe des beanspruchten Schadensersatzes nicht möglich gewesen sein sollte, blieb ihm die Möglichkeit, während des Laufs der Verjährungsfrist gegen den Drittwiderbeklagten im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO auf Auskunftserteilung und auf Zahlung der sich auf Grund der Auskunft ergebenden Beträge vorzugehen (vgl. BAG 28. Januar 1986 - 3 AZR 449/84 - AP HGB § 61 Nr. 2 = EzA HGB § 61 Nr. 2) .

4. Ohne Erfolg rügt der Beklagte, die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB gelte nicht für Schadensersatzansprüche freiberuflicher Arbeitgeber, wenn ein Arbeitnehmer eines solchen Arbeitgebers die ihm nach § 60 HGB obliegende Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb während des Arbeitsverhältnisses verletzt habe.

a) Allerdings trifft es zu, dass das in § 60 HGB geregelte gesetzliche Wettbewerbsverbot dem Wortlaut nach nur für Handlungsgehilfen und damit nur für Arbeitnehmer gilt, die in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt sind (§ 59 Satz 1 HGB). Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass § 61 Abs. 1 HGB, der die Rechtsfolgen einer Verletzung dieses Verbots festlegt, und § 61 Abs. 2 HGB, der die Verjährung der Ansprüche des Prinzipals regelt, nur dann Anwendung finden, wenn das Wettbewerbsverbot von einem Handlungsgehilfen verletzt wurde. Der Wortlaut der §§ 60, 61 HGB schließt eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen auf sonstige Arbeitnehmer nicht aus. Auch die §§ 74 ff. HGB, die das nachvertragliche Wettbewerbsverbot regeln, sind dem Wortlaut nach nur auf Handlungsgehilfen zugeschnitten. Gleichwohl war bereits lange Zeit vor dem Inkrafttreten des § 110 GewO zum 1. Januar 2003 in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass die §§ 74 ff. HGB im Wege der Analogie auf alle Gruppen von Arbeitnehmern anzuwenden sind (13. September 1969 - 3 AZR 138/68 - BAGE 22, 125). Maßgebend ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Wettbewerbsverbot während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auch für sonstige Arbeitnehmer gilt (16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - AP HGB § 60 Nr. 13 = EzA BBiG § 10 Nr. 12 mwN). § 60 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken, der seine Grundlage in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat und auch in § 241 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt, wonach das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist auch anerkannt, dass das Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses nicht nur Arbeitgeber schützt, die ein Handelsgewerbe betreiben, sondern dass dieses Verbot auch für den Bereich der freien Berufe, insbesondere für den Bereich der Rechtsanwaltschaft gilt (BAG 16. August 1990 - 2 AZR 113/90 - AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 10 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 38), sinngemäß die gleichen wettbewerblichen Beschränkungen wie für Handlungsgehilfen gelten und die §§ 60 ff. HGB analog anzuwenden sind (BAG 23. August 1985 - 2 AZR 268/84 -) .

b) Außerhalb des unmittelbaren persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs der §§ 60 ff. HGB ist an der entsprechenden Anwendung dieser Bestimmungen bei Wettbewerbsverstößen von Arbeitnehmern, die keine Handlungsgehilfen sind, festzuhalten. Auch die analoge Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen auf Arbeitsverhältnisse mit Arbeitgebern, die kein Handelsgewerbe betreiben, ist entgegen der Ansicht des Beklagten geboten.

aa) Schließt der Arbeitsvertrag ungeachtet einer ausdrücklichen Abrede zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer und unabhängig vom persönlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB ein Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses ein, erfordert schon der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Gruppe der Handlungsgehilfen und die Gruppe der sonstigen Arbeitnehmer bei Wettbewerbsverstößen bezüglich der Ansprüche des Arbeitgebers nicht unterschiedlich behandelt werden.

(1) Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - BVerfGE 82, 126; BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 18). Dabei müssen Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

(2) Verjährten die Ansprüche des Arbeitgebers gegen einen Handlungsgehilfen gemäß § 61 Abs. 2 HGB grundsätzlich nach drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Arbeitgeber Kenntnis von dem Abschluss des Geschäfts erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, und verjährten die Ansprüche des Arbeitgebers gegen einen sonstigen Arbeitnehmer erst nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist, die nach § 195 BGB drei Jahre beträgt und gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schlusse des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Arbeitgeber von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, läge eine Ungleichbehandlung vor. Besonders deutlich würde diese bei einem gemeinschaftlichen Verstoß eines Handlungsgehilfen und eines sonstigen Arbeitnehmers gegen das Wettbewerbsverbot.

(3) Zwischen der Gruppe der Handlungsgehilfen und der Gruppe der sonstigen Arbeitnehmer bestehen bei Wettbewerbsverstößen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass eine Differenzierung bei den Verjährungsfristen für die Ansprüche gegen Handlungsgehilfen und sonstige Arbeitnehmer sachlich gerechtfertigt ist. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder von anderen Ansprüchen gegenüber einem Handlungsgehilfen typischerweise weniger Zeit erfordert als die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber einem sonstigen Arbeitnehmer.

(4) Deshalb ist der Auffassung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 16. Januar 1975 (- 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8 = EzA HGB § 60 Nr. 8), in dem der Gerechtigkeitsgehalt des § 61 Abs. 2 HGB als "nicht sonderlich eindrucksvoll” angesehen und der Anwendungsbereich der Vorschrift auf kaufmännische Angestellte beschränkt wurde, nicht zu folgen. Zu Recht hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 11. April 2000 (- 9 AZR 131/99 - BAGE 94, 199) an der Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 61 Abs. 2 HGB nicht festgehalten, die Ansicht des Dritten Senats ausdrücklich aufgegeben und darauf hingewiesen, dass die Vorschrift keine "verunglückte Einzelwertung” beinhaltet. Auch gegenüber Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft (§ 113 Abs. 3 HGB) und gegenüber Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften (§ 88 Abs. 3 AktG) gilt diese kurze Verjährungsfrist, an der der Gesetzgeber bei der mit Wirkung zum 15. Dezember 2004 erfolgten Neufassung des § 61 Abs. 2 HGB und der vorstehend genannten anderen Vorschriften festgehalten hat.

bb) Sind nicht nur Arbeitgeber, die ein Handelsgewerbe betreiben vor Wettbewerb ihrer Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses geschützt, sondern auch alle anderen Arbeitgeber und können diese bei einem Verstoß eines Arbeitnehmers gegen das Wettbewerbsverbot ebenso wie Arbeitgeber, die ein Handelsgewerbe betreiben, Schadensersatz fordern und sonstige Ansprüche geltend machen, gibt es entgegen der Ansicht des Beklagten keinen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Verjährung der Ansprüche. Eine analoge Anwendung der §§ 60, 61 HGB nur hinsichtlich der Ansprüche des Arbeitgebers bei einem Wettbewerbsverstoß, nicht aber bezüglich der Verjährung dieser Ansprüche, überzeugt nicht.

(1) Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass ein Arbeitgeber, der kein Handelsgewerbe betreibt, bei einem Wettbewerbsverstoß eines Arbeitnehmers typischerweise mehr Zeit benötigt, seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer geltend zu machen, als ein Arbeitgeber, der ein solches Gewerbe betreibt.

(2) Ebenso wie beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, bei dem die Regelung in § 110 GewO nicht auf die Größe des Unternehmens des Arbeitgebers oder die Arbeitnehmerzahl abstellt, ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch beim Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses ohne Bedeutung, ob der Arbeitgeber einen größeren oder kleineren Betrieb unterhält oder ob er einen sog. freien Beruf ausübt. Für die Ansprüche des Prinzipals und deren Verjährung kommt es nach der Regelung in § 61 HGB nicht auf die Größe des Handelsgewerbes an. Hat der Prinzipal Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß, soll die kurze Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB unabhängig von der Größe des Handelsgewerbes die rasche Geltendmachung der Ansprüche bewirken. Auf Grund dieser Zielsetzung ist auf die Größe eines Betriebs oder einer Kanzlei deshalb auch bei der Frage der analogen Anwendung dieser Vorschrift nicht abzustellen.

(3) Entgegen der Ansicht des Beklagten hindert der Umstand, dass gemäß § 195 BGB ab dem 1. Januar 2002 die regelmäßige Verjährung drei Jahre beträgt, die analoge Anwendung des § 61 Abs. 2 HGB nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber nicht nur bei der Einführung der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, sondern auch bei der Neufassung des § 61 Abs. 2 HGB zum 15. Dezember 2004 an der dreimonatigen Verjährungsfrist für Ansprüche auf Grund eines Wettbewerbsverstoßes während des Arbeitsverhältnisses festgehalten. Wenn er für solche Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nicht für angemessen gehalten hat, haben die Gerichte diese Entscheidung zu achten.

5. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte auf Vertrauensschutz. Die den Anwendungsbereich des § 61 Abs. 2 HGB einschränkende Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 1975 (- 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8 = EzA HGB § 60 Nr. 8) kommt als Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten schon deshalb nicht in Betracht, weil die Auffassung des Dritten Senats in einer nachfolgenden Entscheidung des Neunten Senats ausdrücklich aufgegeben wurde (11. April 2000 - 9 AZR 131/99 - BAGE 94, 199). Schließlich hatte auch der Zweite Senat bereits in einem Urteil vom 23. August 1985 ausdrücklich angenommen, dass im Bereich der freien Berufe die §§ 60 ff. HGB analog anzuwenden sind (- 2 AZR 268/84 -) .

Dr. Freitag Marquardt Brühler Simon Großmann






BAG:
Urteil v. 26.09.2007
Az: 10 AZR 511/06


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