Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. März 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 104/02

(BPatG: Beschluss v. 24.03.2004, Az.: 25 W (pat) 104/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Ximo-Purenist am 11. Januar 1999 unter der Nummer 39857318.2 für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, Arzneimittel" in das Markenregister eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der für die Waren "Psychopharmakon" eingetragenen Marke Nr 1049182 XIMOVAN Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 28. Februar 2002 durch eine Prüferin des höheren Dienstes zurückgewiesen, da keine Verwechslungsgefahr bestehe. Es sei eine Verwendung der Marken für identische Waren in Betracht zu ziehen, und mangels anderer Anhaltspunkte müsse der Widerspruchsmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zugebilligt werden. Die Marken kämen sich jedoch nicht verwechselbar nahe. Grundsätzlich sei vom Gesamteindruck auszugehen, und bei vollständiger Wahrnehmung und Wiedergabe der Vergleichsmarken seien Verwechslungen wegen der differierenden Zeichenlänge nicht zu besorgen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Bestandteil "Puren" als Firmenschlagwort zu behanden sei und dem weiteren Bestandteil "Ximo" der angegriffenen Marke eine den Gesamteindruck prägende Bedeutung zukomme. Auch bei einem darauf bezogenen Vergleich mit der Widerspruchsmarke entstehe insbesondere durch die verschiedene Silbenzahl ein gänzlich unterschiedlicher Sprech- und Betonungsrhythmus, und die Unterschiede zwischen dem Vokal "o" und der Endsilbe "VAN" seien deutlich wahrnehmbar. Selbst bei einer verkürzten schriftbildlichen Wiedergabe der Marken könnten diese sicher auseinander gehalten werden. Die Marken würden auch nicht gedanklich miteinander in Verbindung gebracht. Es sei weder der Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarke bekannt, der eventuell zu einer gesteigerten Bekanntheit geführt hätte, noch trete der Bestandteil "XIMO" in der Widerspruchsmarke größenmäßig oder durch eine besondere Schriftart gegenüber dem weiteren Bestandteil "VAN" hervor, so dass der Verkehr keinerlei Anlass habe, in dem Wortbestandteil "XIMO" des als Gesamtheit wirkenden Phantasieworts "XIMOVAN" etwas besonderes zu erkennen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle vom 28. Februar 2002 aufzuheben und die Löschung der Marke Nr 398 57 318.2 anzuordnen.

Es stünden sich jeweils zweigliedrige Einwortmarken gegenüber, weil insbesondere bei mündlicher Wiedergabe der Bindestrich in der Anmeldemarke nicht berücksichtigt werden könne. In beiden Marken übertreffe der vorangestellte Bestandteil "XIMO" die weiteren Bestandteile "VAN" und "Puren" bei weitem an Kennzeichnungskraft, weil "van" als Abkürzung von "Vanille" auf Bestandteile der Waren hinweise und "Puren" in Anlehnung an "pur" die Darreichungsform der Arzneimittel der Anmelderin beschreibe. Bei der Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken in nur einem Bestandteil (XIMO) könne eine Verwechslungsgefahr bejaht werden, wenn das übereinstimmende Element in der Gesamtbezeichnung prägende Bedeutung habe und die maßgeblichen Verkehrskreise dem weiteren Bezeichnungsbestandteil daneben keinen besonderen Hinweis auf die Herkunftsstätte der mit der Gesamtmarke versehenen Waren entnähmen. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Es sei die Übung des Verkehrs zu berücksichtigen, zur kurzen Kennzeichnung eines der verschiedenen Produkte eines Anbieters einen Markenbestandteil herauszugreifen und das Produkt (nur) damit zu benennen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Es sei davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise für den Fall, dass ihnen die jüngere Marke "XIMO-Puren" entgegentritt, annehmen würden, es handele sich um eine Serienmarke der Widersprechenden. "XIMO" sei in beiden Marken identisch enthalten und der allein, bzw überwiegend kennzeichnungskräftige Bestandteil. Es sei für eine mittelbare Verwechslungsgefahr nicht zwingend Voraussetzung, dass die ältere Marke bereits als Serienmarke benutzt werde, sondern es könne auch in einem erstmalig verwendeten Zeichen eine Stammmarke gesehen werden.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke, die sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert hat, beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat Erfolg, da keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer hochgradigen Warenähnlichkeit und sogar möglichen Warenidentität, da die Arzneimittel der angegriffenen Marke "Ximo-Puren" auch den Warenbegriff "Psychopharmakon" der Widerspruchsmarke "XIMOVAN" umfassen, ist eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Nach dem vom EuGH entwickelten Verbraucherleitbild ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdn 156). Selbst bei identischen Waren (vgl zur sogenannten Wechselwirkung Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7.Aufl., § 9 Rdn 28) reichen bei diesem Verbraucherleitbild die vorhandenen Unterschiede aus, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Marken ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck auszugehen. In der Gesamtheit unterscheiden sich die sich gegenüber stehenden Marken erheblich, denn Zeichenlänge, Silbenzahl, Vokal- und Konsonantenfolge sind verschieden. Zwar sind die Anfangssilben und der letzte Konsonant "n" identisch, jedoch unterscheidet sich der Bestandteil "Puren" der angegriffenen Marke durch den klangstarken Sprenglaut "p" und die Vokale "u" und "e" so deutlich von dem Bestandteil "VAN" der Widerspruchsmarke, dass die Zeichen nicht verwechselt werden können.

In schriftbildlicher Hinsicht werden die Unterschiede noch dadurch verstärkt, dass die angegriffene Marke aus zwei Teilen besteht, die mit einem Bindestrich verbunden sind, die Widerspruchsmarke dagegen ein einheitliches zuammengeschriebenes Wort darstellt.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden wird die angegriffenen Marke nicht durch den Bestandteil "Ximo" geprägt, so dass der Zeichenbestandteil "Puren" nicht außer Acht gelassen werden darf. Das Prinzip, dass grundsätzlich von der registrierten Form der Marke auszugehen ist und kein Elementenschutz besteht, zwingt zwar nicht dazu, stets die Marken in ihrer Gesamtheit zu vergleichen (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdn 370). Bei mehrgliedrigen Marken kann der Gesamteindruck auch durch einen einzelnen Zeichenbestandteil geprägt werden, wenn dieser eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist. Allerdings handelt es sich dabei um einen Ausnahmetatbestand (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdn 381). Vorliegend ist aber nicht damit zu rechnen, dass der Verkehr den Bestandteil "Puren" als (vermeintliches) Firmenschlagwort auffasst und die eigentliche Kennzeichnung des einzelnen Präparats in dem Bestandteil "Ximo" sieht und dem Bestandteil "Puren" keine Bedeutung mehr beimessen würde. So hat es der BGH in der Entscheidung ASTRA/ESTRA-PUREN (GRUR 2002, 342) in rechtlicher Hinsicht nicht beanstandet, dass das Gericht "ESTRA" nicht als prägend ansah und den Bestandteil "PUREN" nicht gegenüber "ESTRA" zurücktreten ließ. Zwar unterscheidet sich der vorliegende Fall dadurch, dass dort "Estra" als sprechende Anlehnung an die Wirkstoffangabe "Estradiol" nahe lag, ein ähnlicher Gesichtspunkt für "XIMO" dagegen nicht ersichtlich ist. Die weiteren Umstände, die dafür sprechen, "Puren" nicht als unbeachtlich anzusehen, sind hier jedoch auch gegeben. So ist "Puren" an zweiter Stelle durch einen Bindestrich mit "Ximo" verbunden, und Markenverkürzungen sind angesichts der Bedeutung von Arzneimittel für die Gesundheit eher unüblich. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch nicht damit zu rechnen, dass der Verkehr die unterschiedlichen Zeichenbestandteile "Puren" in Anlehnung an "pur" und "VAN" als Abkürzung von "Vanille" als beschreibende Hinweise auf die Darreichungsform des Arzneimittels oder auf Bestandteile der Waren auffasst und diese Bestandteile deshalb vernachlässigen würde. Der Verkehr wird einen solchen beschreibenden Gehalt in den Marken regelmäßig nicht erkennen, und selbst wenn er eine entsprechende begriffliche Andeutung sehen würde, ist dies allein noch kein Grund, lediglich den gemeinsamen Anfangsbestandteil "Ximo" als das eigentliche Kennzeichen aufzufassen, da selbst beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben dürften (vgl Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdn 409). Auch ist der Markenbestandteil "Puren" in der Firma der Markeninhaberin nicht mehr enthalten, so dass es nicht nahe liegt, "Puren" als bloßes Firmenschlagwort zurücktreten zu lassen und nur in "Ximo" die Produktbezeichnung zu sehen.

Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Die Gefahr einer gedanklichen Verbindung kann sich dadurch ergeben, dass die fraglichen Marken zwar nicht so beschaffen sind, dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie unmittelbar miteinander verwechseln werden, dass sie aber doch als zwei Marken desselben Inhabers wahrgenommen werden könnten. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die beiden Marken als Teil einer Markenserie erscheinen, die aus einem gemeinsamen Stammbestandteil gebildet wurde (vgl hierzu EuG, T-224/01 TUFFTRIDE, MarkenR 2003, 200, Tz 60). Die Gefahr, dass zwei Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, kann auch dann bestehen, wenn die ältere Marke zugleich der Name des Unternehmens ist, dem die Marke gehört (vgl hierzu EuG, T-224/01 TUFFTRIDE, MarkenR 2003, 200, Tz 62). In einem solchen Fall werden die maßgeblichen Verkehrskreise möglicherweise annehmen, dass die in Frage stehenden Marken demselben Inhaber gehören oder dass zumindest zwischen den betreffenden Unternehmen organisatorische oder wirtschaftliche Verbindungen wie etwa ein Lizenzabkommen bestehen.

Es gibt keine hinreichenden tatsächlichen Anhalte dafür, dass der Verkehr die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen könnte. Der Wortbestandteil "Ximo" ist zwar in beiden Marken enthalten, die Widersprechende hat jedoch keine Zeichenserie mit einem Stammbestandteil "Ximo", sondern nur die Widerspruchsmarke "XIMOVAN". In einem solchen Fall sind besonders strenge Anforderungen an den notwendigen Hinweischarakter des betreffenden Bestandteils auf den Inhaber der älteren Marke zu stellen (Vgl Althammer/Ströbele § 9 Rd 218 ff), insbesondere kann auch die Art der Zeichenbildung gegen die Annahme sprechen, man habe es mit einem Zeichen der Widersprechenden zu tun. Die abweichenden Bestandteile legen hier nach ihrem Sinngehalt und ihrer Sprachform den Gedanken nicht nahe, es handele sich um eine Markenserie. "Puren" und "VAN" sind keine bloß beschreibende oder verbrauchte Zusätze oder reine Endungen, denen der Verkehr keine Bedeutung beimessen würde. Zudem ist die angegriffene Marke so gebildet, dass sie aus zwei Wörtern zusammengesetzt ist, die durch einen Bindestrich verbunden sind, während bei der Widerspruchsmarke der Bestandteil "VAN" mit dem Anfangsteil "XIMO" zu einem einheitlichen Wort verschmolzen ist, bei dem es rein willkürlich wäre, gerade die Lautfolge "XIMO" als Stammbestandteil aufzufassen. Der Bestandteil "XIMO" ist auch nicht der Firmenname der Widersprechenden oder in diesem enthalten.

Die von der Beschwerdeführerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs 1 und Abs 2 MarkenG ist nicht veranlasst, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist und auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.

Kliems Sredl Bayer






BPatG:
Beschluss v. 24.03.2004
Az: 25 W (pat) 104/02


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